L 7 R 3495/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 4352/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 3495/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Bescheid, mit dem der Rentenversicherungsträger - während eines Klage- oder Berufungsverfahrens betreffend die Ablehnung der Befreiung von der Versicherungspflicht eines Syndikusanwaltes auf Grundlage der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Rechtslage - den gesondert gestellten Antrag auf rückwirkende Befreiung nach der zum 1. Januar 2016 eingeführten Regelung des § 231 Abs. 4b Satz 4 SGB VI abgelehnt hat, wird nicht nach § 96 SGG Gegenstand des bereits anhängigen Klage- oder Berufungsverfahrens. Denn die Entscheidung über die rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 231 Abs. 4b Satz 4 SGB VI betrifft einen anderen Streitgegenstand.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 5. August 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten - auch der Beigeladenen - sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über das Recht der Klägerin auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung in der Zeit vom 18. Januar 2012 bis zum 31. März 2014.

Die 1975 geborene Klägerin ist Volljuristin und Fachanwältin für Sozialrecht. Seit dem 19. März 2008 ist sie Mitglied der Rechtsanwaltskammer ,F. und Mitglied des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg (Beigeladener Ziff. 1; Beiladungsbeschluss des Sozialgerichts Freiburg (SG) vom 26. Februar 2014). Seit Mai 2009 ist sie als selbständige Rechtsanwältin in F., zunächst in Bürogemeinschaft und sodann in einer eigenen Kanzlei, tätig.

Am 18. Januar 2012 nahm die Klägerin neben ihrer Tätigkeit als selbständige Rechtsanwältin bei dem Beigeladenen Ziff. 2 (Beiladungsbeschluss des SG vom 17. März 2015) eine Tätigkeit im Umfang von 50 % einer Vollzeitstelle in der Zentralstelle Technologietransfer auf (unbefristeter Arbeitsvertrag vom 18. Januar 2012) und übt diese Beschäftigung - unterbrochen durch Mutterschutz und Elternzeit - aus. Zu ihrem Arbeitsbereich gehört insbesondere die Bearbeitung von Forschungsverträgen, eine Referententätigkeit bei Prüfarztkursen sowie die rechtliche Beratung für Forschende. Ausweislich der Stellen- und Funktionsbeschreibungen des Beigeladenen Ziff. 2 vom 29. März 2012 und 12. Dezember 2012 umfasst das Aufgabengebiet der Klägerin u.a. folgende Tätigkeiten: Erstellen und Prüfen von Vertragstemplates, bei kritischen Punkten Erarbeiten von alternativen Vertragsklauseln, Verhandeln von Vertragspartnern bezüglich der kritischen rechtlichen Fragestellungen, Bewerten von rechtlichen Risiken, Verhandeln mit internen und externen Vertragspartnern, Entscheidung, ob angesichts besonderer Umstände Klauseln akzeptiert werden können, Referententätigkeit bei Prüfarztkursen, Beantworten von Fragen der Forschenden bezüglich rechtlicher Rahmenbedingungen bei klinischer Forschung, Beantworten von Fragen der Forschenden bezüglich Forschungsverträgen, Beratung der Hochschulmitglieder (Projektleiter) im Rahmen der Einwerbung und Durchführung von Drittmittelprojekten inklusive der unterschriftsreifen Erstellung und Bearbeitung der Projektverträge, Überwachung der für das Tätigkeitsfeld relevanten Gesetzgebung und Rechtsprechung sowie Information der Projektleitung, des Zentrums Klinische Studien und des "GCP-Büros" der Inneren Medizin I über alle relevanten Entwicklungen und Änderungen, erforderlichenfalls Durchführung von Mitarbeiterschulungen.

Der Beigeladene Ziff. 2 führt von dem Entgelt der Klägerin u.a. Pflichtversicherungsbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung ab.

Am 4. April 2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten für diese Tätigkeit die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI). Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. Januar 2013 ab, weil es sich bei der abhängigen Beschäftigung beim Beigeladenen Ziff. 2 um keine berufsspezifische (anwaltliche) Tätigkeit handele. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. August 2013 als unbegründet zurück. Die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sei nicht personen-, sondern tätigkeitsbezogen. Sie gelte nur für diejenige Tätigkeit, für die sie erteilt sei. Daher müsse der Antragsteller bei einer Befreiung von der Versicherungspflicht nicht nur Pflichtmitglied in der berufsständischen Kammer und in der berufsständischen Versorgungseinrichtung sein, sondern auch eine dem Kammerberuf entsprechende berufsspezifische Tätigkeit, bei Anwälten also eine für einen Rechtsanwalt typische anwaltliche Berufstätigkeit, ausüben. Hieraus ergebe sich, dass nicht jede Beschäftigung des als zugelassenen Rechtswalt tätigen Juristen zur Ausübung des Befreiungsrechts berechtige, sondern nur diejenige Tätigkeit, die zum einen tatsächlich Merkmale einer anwaltlichen Tätigkeit aufweise und ferner auch ausschließlich für Personen mit diesem beruflichen Hintergrund zugänglich sei. Die durch das zweite juristische Staatsexamen erlangte Befähigung zum Richteramt müsse objektiv unabdingbare Einstellungsvoraussetzung sein. Nach den Stellen- und Funktionsbeschreibungen des Beigeladenen Ziff. 2 beinhalte die Beschäftigung der Klägerin keine Arbeiten, die nur von einer Volljuristin zu erledigen wären. Allein der Umstand, dass der Arbeitgeber bevorzugt Rechtsanwälte einstelle, könne nicht zur Bejahung einer berufsspezifischen Tätigkeit führen. Werde eine Tätigkeit ausgeübt, die auch anderen - nichtjuristischen - Berufsgruppen zugänglich sei, sei die fragliche Tätigkeit nicht geeignet, eine Pflichtmitgliedschaft in einer öffentlich-rechtlichen Versorgungseinrichtung zu begründen. Ferner habe die tätigkeitsbezogene Überprüfung der ausgeführten Aufgaben ergeben, dass diese nicht kumulativ die vier Kriterien einer anwaltlichen Tätigkeit bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber erfüllten. In der Tätigkeit der Klägerin beim Beigeladenen Ziff. 2 sei das Merkmal der Rechtsentscheidung nicht gegeben.

Dagegen hat die Klägerin am 29. September 2013 Klage zum SG erhoben und hinsichtlich ihrer Tätigkeit bei dem Beigeladenen Ziff. 2 die Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ab dem 18. Januar 2012 begehrt. Zur Begründung hat sie u.a. vorgetragen, dass die Stelle, die sie zum 18. Januar 2012 übernommen habe, zuvor von einer Rechtsanwältin wahrgenommen worden sei, die von der Versicherungspflicht bei der Beklagten befreit gewesen sei. Es habe sich exakt um die gleiche Tätigkeit gehandelt. Die ausgeübte Tätigkeit setze die Qualifikation eines Volljuristen voraus. Sie übe rechtsberatende, rechtsentscheidende, rechtsgestaltende und rechtsvermittelnde Tätigkeiten aus.

Die Beklagte ist der Klage unter Bezugnahme auf Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 3. April 2014 (B 5 RE 13/14 R, B 5 RE 9/14 R und B 5 RE 3/14 R) entgegen getreten. Das BSG habe in den genannten Urteilen für abhängig beschäftigte Rechtsanwälte bei nichtanwaltlichen Arbeitgebern (sogenannte Syndikusanwälte) ein Recht auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht verneint. Syndikusanwälte seien nicht als Rechtsanwälte bei ihren jeweiligen Arbeitgebern beschäftigt. Denn nach gefestigter verfassungsrechtlicher und berufsrechtlicher Rechtsprechung zum Tätigkeitsbild des Rechtsanwalts nach der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) werde derjenige, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber stehe, in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig. Unabhängiges Organ der Rechtspflege und damit Rechtsanwalt sei der Syndikus nur in seiner freiberuflichen, versicherungsfreien Tätigkeit außerhalb seines Dienstverhältnisses (sogenannte Doppel- oder Zweiberufe-Theorie).

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 5. August 2015 abgewiesen und seine Entscheidung auf die genannten Urteile des BSG vom 3. April 2014 gestützt. Die Klägerin könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn die dargestellte geltende Rechtslage betreffend die Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI habe auch schon für die Stellenvorgängerin der Klägerin gegolten. Aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ergebe sich kein Anspruch auf Fehlerwiederholung und auf Gleichbehandlung im Unrecht.

Gegen den ihr am 8. August 2015 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich die Klägerin mit ihrer am 11. August 2015 zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegten Berufung. Das SG habe sich nicht mit den Problemen des Vertrauensschutzes auseinandergesetzt. Es habe sich nicht dazu geäußert, "ob nicht jemand, der im Vertrauen darauf eine Angestelltentätigkeit neben seiner anwaltlichen Tätigkeit aufnimmt, darauf vertrauen können sollte, dass sie ebenso wie die Vorgängerin mit derselben Stellenbeschreibung eine Befreiung erfolgreich beantragen können sollte".

Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten. Im Hinblick auf die Urteile des BSG vom 3. April 2014 sei es nicht mehr möglich gewesen, eine Befreiung für bei nicht anwaltlichen Arbeitgebern beschäftigte Rechtsanwälte auszusprechen. Daher könne die Verwaltungspraxis der Beklagten in der Vergangenheit keinen Anspruch der Klägerin auf eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht begründen. Die Befreiungsentscheidung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sei eine gebundene Entscheidung. Das BSG habe in seinen Entscheidungen vom 3. April 2014 zudem darauf hingewiesen, dass nur die derzeitigen Inhaber einer begünstigenden Befreiungsentscheidung, bezogen auf die jeweilige Beschäftigung, für die die Befreiung ausgesprochen worden sei, ein rechtlich geschütztes Vertrauen in den Bestand dieser Entscheidung hätten, welches über den Schutz durch die §§ 44 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) hinausgehen dürfte. Einen Vertrauensschutz räume das BSG mithin nur den Inhabern aktueller (rechtswidriger) Befreiungsbescheide für die derzeit ausgeübte Beschäftigung ein. Über eine solche Befreiungsentscheidung verfüge die Klägerin gerade nicht. Streitgegenstand sei vorliegend die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht für eine Tätigkeit als zugelassene Rechtsanwältin im Angestelltenverhältnis bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber (Syndikusanwalt), nicht dagegen eine Befreiung von der Versicherungspflicht für die Tätigkeit als zugelassener Syndikusrechtsanwalt. Die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt stehe nicht im Zusammenhang mit dem hiesigen Streitgegenstand. Der Syndikusrechtsanwalt bedürfe zur Ausübung seiner Tätigkeit der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach § 46a BRAO in der seit 1. Januar 2016 geltenden Fassung. Erst ein neuer Sachverhalt - eine etwaige Zulassung als Syndikusrechtsanwältin - könnte die Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI für die fragliche Tätigkeit ermöglichen. Zu den von der Klägerin gestellten Befreiungsanträgen würden außerhalb des anhängigen Klageverfahrens gesonderte Verwaltungsentscheidungen ergehen.

Die Klägerin hat mit dem Beigeladenen Ziff. 2 am 23. November 2016 mit Wirkung zum 1. Januar 2016 eine Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 18. Januar 2012 geschlossen, wonach für das Arbeitsverhältnis die Voraussetzungen für die Tätigkeit als Syndikusrechtsanwältin i.S. des § 46 Abs. 3 BRAO gelten und entgegenstehende Regelungen der Arbeitsvertrages aufgehoben werden. Zudem wird in der Zusatzvereinbarung "klarstellend" festgehalten, dass die juristische Prüfung selbständig erfolgt und dies den seit 18. Januar 2012 bestehenden Verhältnissen entspricht.

Der Senat hat mit Beschluss vom 24. Februar 2017 das Ruhen des Verfahrens angeordnet, das nach Anrufung durch die Klägerin (Schriftsatz vom 12. April 2017) fortgeführt worden ist.

Die Rechtsanwaltskammer F. hat die Klägerin mit Bescheid vom 7. Februar 2017 gemäß § 46 Abs. 2 BRAO als Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin) für die Tätigkeit bei dem Beigeladenen Ziff. 2 zugelassen; am 16. März 2017 ist ihr die Zulassungsurkunde von der Rechtsanwaltskammer ausgehändigt worden.

Unter dem 2. März 2017 hat der Beigeladene Ziff. 1 gegenüber der Beklagten bestätigt, dass die Klägerin seit 19. März 2008 im Versorgungswerk Pflichtmitglied kraft Gesetzes sei und für die zu befreiende Beschäftigung einkommensbezogene Pflichtbeiträge analog §§ 157 ff. SGB VI gezahlt habe.

Mit Bescheid vom 18. April 2017 hat die Beklagte die Klägerin auf ihren erneuten Befreiungsantrag für die im Arbeitsvertrag vom 18. Januar 2012 bezeichnete Tätigkeit beim Beigeladenen Ziff. 2, für die eine Zulassung als Syndikusrechtsanwältin nach § 46a BRAO erteilt wurde, von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ab Zulassung als Syndikusrechtsanwältin am 16. März 2017 befreit. Weiterhin hat die Beklagte auf den Antrag der Klägerin auf rückwirkende Befreiung nach § 231 Abs. 4b SGB VI mit Bescheid vom 23. Mai 2017 diese für die Zeit vom 1. April 2014 bis zum 15. März 2017 hinsichtlich ihrer Beschäftigung als Mitarbeiterin beim Beigeladenen Ziff. 2 rückwirkend nach § 231 Abs. 4b SGB VI von der Rentenversicherungspflicht befreit. Hinsichtlich der Zeit vom 18. Januar 2012 bis zum 31. März 2014 hat sie den Antrag der Klägerin auf rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 231 Abs. 4b SGB VI durch Bescheid vom 24. Mai 2017 abgelehnt, da diese in diesem Zeitraum keine einkommensbezogenen Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt habe. Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Widerspruch eingelegt und geltend gemacht, dass sie seit 19. März 2008 ununterbrochen Pflichtmitglied des Beigeladenen Ziff. 1 sei. Seit Beginn des Angestelltenverhältnisses am 18. Januar 2012 entrichte sie den Beitragssatz nach § 13 Abs. 1 der Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg in der Fassung vom 1. September 2009.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 5. August 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 7. Januar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. August 2013 sowie des Bescheids vom 24. Mai 2017 zu verpflichten, sie in der Zeit vom 18. Januar 2012 bis zum 31. März 2014 hinsichtlich ihrer Tätigkeit in der Zentralstelle Technologietransfer beim Beigeladenen Ziff. 2 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist insbesondere der Auffassung, dass der Bescheid vom 24. Mai 2017 nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits sei.

Der Beigeladene Ziff. 1 hat sich dem Antrag der Klägerin angeschlossen. Der Beigeladene Ziff. 2 hat keinen Antrag gestellt.

Der Beigeladene Ziff. 1 hat mitgeteilt, dass die Klägerin an das Versorgungswerk auch für die Zeit vor April 2014 Beiträge nach § 13 Abs. 1 seiner Satzung gezahlt habe. Er ist der Auffassung, dass es sich dabei um einkommensbezogene Beiträge im Sinne des § 231 Abs. 4b SGB VI handele. Das habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seiner Entscheidung vom 19. Juli 2016 (1 BvR 2584/14) ausdrücklich ausgeführt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

1. Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil die Berufung die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung betrifft (§ 144 Abs. 1 SGG).

2. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid vom 7. Januar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. August 2013 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI hinsichtlich ihrer seit 18. Januar 2012 bei dem Beigeladenen Ziff. 2 ausgeübten Tätigkeit abgelehnt hat. Dagegen wendet sich die Klägerin statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG; vgl. ferner BSG, Urteil vom 3. April 2014 - B 5 RE 13/14 R - BSGE 115, 267 - juris Rdnr. 14). Der streitgegenständliche Zeitraum ist auf die Zeit vom 18. Januar 2012 bis zum 31. März 2014 beschränkt, weil die Beklagte mit Bescheid vom 23. Mai 2017 die Klägerin für die Zeit vom 1. April 2014 bis zum 15. März 2017 hinsichtlich ihrer Beschäftigung als Mitarbeiterin beim Beigeladenen Ziff. 2 rückwirkend nach § 231 Abs. 4b SGB VI von der Rentenversicherungspflicht befreit und die Klägerin - ausweislich ihres in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 20. Juli 2017 gestellten Antrages - lediglich für die Zeit ab Aufnahme ihrer Tätigkeit bis zum 31. März 2014 ihr ursprüngliches Befreiungsbegehren aufrechterhalten hat.

Der Bescheid vom 24. Mai 2017, mit dem die Beklagte für die Zeit vom 18. Januar 2012 bis zum 31. März 2014 den während des Berufungsverfahrens bei der Beklagten gesondert gestellten Antrag auf rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 231 Abs. 4b SGB VI abgelehnt hat, ist nicht gem. § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Zwar ist der Bescheid vom 24. Mai 2017 nach Erlass des hier streitgegenständlichen Widerspruchsbescheids vom 29. August 2013 ergangen, jedoch hat er den Bescheid vom 7. Januar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. August 2013 weder abgeändert noch ersetzt.

Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt gemäß §§ 153 Abs. 1, 96 SGG nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Nach Maßgabe des § 96 SGG wird der neue Verwaltungsakt automatisch Klagegegenstand, ohne dass es einer gewillkürten Klageänderung oder eines Vorverfahrens bedarf; es handelt sich also um eine Klageänderung kraft Gesetzes (vgl. nur Schmidt in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 12. Aufl. 2017, § 96 Rdnr. 1a). Voraussetzung für die Einbeziehung eines neuen Verwaltungsaktes ist, dass der ursprüngliche Verwaltungsakt abgeändert oder ersetzt wird. Geändert oder ersetzt wird ein Verwaltungsakt immer, wenn er denselben Streitgegenstand wie der Ursprungsverwaltungsakt betrifft, bzw. wenn in dessen Regelung eingegriffen und damit die Beschwer des Betroffenen vermehrt oder vermindert wird (vgl. BSG, Urteil vom 9. Dezember 2016 - B 8 SO 1/15 R - juris Rdnr. 12; Urteil vom 17. Dezember 2015 - B 8 SO 14/14 R - juris Rdnr. 11; Urteil vom 20. Juli 2005 - B 13 RJ 23/04 R - juris Rdnr. 14; Becker in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 96 Rdnr. 28; Schmidt, a.a.O. Rdnrn. 4 ff.). Abändern oder Ersetzen setzt voraus, dass der Regelungsgegenstand des neu einzubeziehenden Verwaltungsaktes mit dem des früheren identisch ist. Ob dies der Fall ist, muss durch Vergleich der in beiden Verwaltungsakten getroffenen Verfügungssätze festgestellt werden. Der neue Verwaltungsakt muss zur Regelung desselben Rechtsverhältnisses ergangen sein, wobei es unschädlich ist, dass die Verwaltungsakte auf unterschiedliche Rechtsgrundlagen gestützt sind (vgl. BSG, Beschluss vom 28. Oktober 2009 - B 6 KA 56/08 B - juris Rdnr. 13). Keine Abänderung oder Ersetzung i.S. des § 96 SGG liegt deshalb bei einem anderem Streitgegenstand vor (BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 - B 4 AS 37/14 R - juris Rdnr. 13; Urteil vom 21. November 2002 - B 3 KR 13/02 R - BSGE 90, 143 - juris Rdnr. 13; Beschluss vom 18. August 1999 - B 4 RA 25/99 B - juris Rdnrn. 11 f., 14; Urteil vom 20. März 1996 - 6 RKa 51/95 - BSGE 78, 98 - juris Rdnr. 19; Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 96 Rdnr. 11; Schmidt, a.a.O. Rdnr. 4). Nach § 123 SGG darf das Gericht nur über die vom Kläger erhobenen Ansprüche entscheiden. Auch im sozialgerichtlichen Verfahren wird der erhobene Anspruch als Streitgegenstand nach Inhalt und Umfang allein vom Kläger mit seiner Klage - seinem prozessualen Begehren - bestimmt. Streitgegenstand ist nach der prozessualen Theorie (vgl. BSG, Urteil vom 20. Oktober 2010 - B 13 R 63/10 B - juris Rdnr. 22; Beschluss vom 22. April 2008 - B 1 SF 1/08 R - juris Rdnr. 26; Jaritz in Roos/Wahrendorf, a.a.O., § 95 Rdnr. 7; Schmidt in Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 95 Rdnr. 5) der prozessuale Anspruch, nämlich das vom Kläger aufgrund eines bestimmten Sachverhalts an das Gericht gerichtete Begehren, eine - bestimmte oder bestimmbare - Rechtsfolge auszusprechen. Der Streitgegenstand ist also identisch mit dem erhobenen prozessualen Anspruch und wird bestimmt durch die erstrebte, im Klageantrag zum Ausdruck zu bringende Rechtsfolge sowie den Klagegrund, nämlich den Sachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe betrifft - unabhängig von der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Regelung des § 96 SGG überhaupt auf Ablehnungsbescheide anwendbar ist (vgl. BSG, Beschluss vom 17. Juli 2015 - B 9 SB 17/15 B - juris Rdnr. 9; Urteil vom 16. Mai 2015 - B 4 AS 37/14 R - juris Rdnr. 13; Urteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 12/06 R - juris Rdnr. 8; Urteil vom 31. Oktober 2007 - B 14/11b AS 59/06 R - juris Rdnr. 13; Becker, a.a.O. Rdnr. 32) - der Bescheid vom 24. Mai 2017 einen anderen Streitgegenstand als der Bescheid vom 7. Januar 2013. Mit Bescheid vom 7. Januar 2013 hat die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Befreiung von der Rechtenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI hinsichtlich der am 18. Januar 2012 aufgenommenen Tätigkeit bei dem Beigeladenen Ziff. 2 abgelehnt, während sie mit Bescheid vom 24. Mai 2017 den gesonderten Antrag der Klägerin auf rückwirkende Befreiung nach der mit Wirkung zum 1. Januar 2016 eingeführten Übergangsvorschrift des § 231 Abs. 4b Satz 4 SGB VI (durch Gesetz vom 21. Dezember 2015, BGBl. I, S. 2517) für den hier noch streitigen Zeitraum bis zum 31. März 2014 abgelehnt hat. Diese rückwirkende Befreiungsentscheidung ist nach § 231 Abs. 4b SGB VI tatbestandlich daran geknüpft, dass der Klägerin eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwältin nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI unter Berücksichtigung der BRAO in der ab 1. Januar 2016 geltenden Fassung erteilt worden ist (§ 231 Abs. 4b Satz 1 SGB VI), sie einen Antrag auf Rückwirkung dieser Befreiung bis zum Ablauf des 1. April 2016 gestellt hat (§ 231 Abs. 4b Sätze 2 und 6 SGB VI), eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk bestanden hat (§ 231 Abs. 4b Satz 3 SGB VI), für die Zeit vor dem 1. April 2014 einkommensbezogene Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt worden sind (§ 231 Abs. 4b Satz 4 SGB VI) und keine bestandskräftige Ablehnung für die Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwältin aufgrund einer vor dem 4. April 2014 ergangenen Entscheidung vorliegt (§ 231 Abs. 4b Satz 5 SGB VI). Zwar mag eine (rückwirkende) Befreiung von der Rentenversicherungspflicht noch von der im Klageantrag zum Ausdruck gebrachten Rechtsfolge umfasst sein, jedoch ist die Rechtsfolge des Tatbestandes des § 231 Abs. 4b SGB VI an einen völlig anderen und teilweise neuen Sachverhalt geknüpft, der mit dem dem ursprünglichen Befreiungsbegehren zugrundeliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar ist. Zudem hat über den von der Klägerin bei der Beklagten gestellten rückwirkenden Befreiungsantrag in einem gesonderten Verwaltungsverfahren ein gesonderter Verwaltungsakt zu ergehen (vgl. BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012 - B 12 R 8/10 R - juris Rdnr. 12; Sächsisches LSG, Urteil vom 6. September 2016 - L 4 R 291/15 - (n.v.); SG Lübeck, Urteil vom 19. Oktober 2016 - S 45 R 415/15 - (n.v.); Fichte in Hauck/Noftz, Stand Juni 2017, § 231 SGB VI Rdnr. 41; Gürtner in Kasseler Kommentar, Stand März 2017, § 231 SGB VI Rdnr. 16; Huff, AnwBl 2017, S. 40/43; Offermann-Burckart, NJW 2016, 113/119), den die Beklagte mittlerweile auch erlassen und die Klägerin gesondert mit einem Widerspruch angefochten hat. Demnach ist ein Bescheid über einen Antrag auf rückwirkende Befreiung nach § 231 Abs. 4b Satz 4 SGB VI nicht nach § 96 SGG in einen anhängigen Rechtsstreit betreffend eine Ablehnung der Befreiung eines Syndikusanwalts von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI unter Berücksichtigung der BRAO in der bis zum 1. Januar 2016 geltenden Fassung einzubeziehen (a.A. SG Berlin, Urteil vom 11. Januar 2017 - S 11 R 645/16 WA - juris Rdnr. 26). Mithin ist vorliegend nicht Streitgegenstand, ob die Beklagte den Antrag der Klägerin auf rückwirkende Befreiung durch Bescheid vom 24. Mai 2017 zutreffend abgelehnt hat.

Die von der Klägerin erst in der mündlichen Verhandlung am 20. Juli 2017 vorgenommene Klageänderung betreffend den Bescheid vom 24. Mai 2017 (§§ 153 Abs. 1, 99 SGG) ist unzulässig, weil die Beklagte sich auf diese nicht eingelassen, sondern auf das anhängige Widerspruchsverfahren verwiesen hat (§ 99 Abs. 2 SGG) und die Änderung - mangels abgeschlossenen Vorverfahrens - nicht sachdienlich ist (§ 99 Abs. 1 SGG; vgl. ferner BSG, Urteil vom 10. Februar 2005 - B 4 RA 48/04 R - juris Rdnr. 36; Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 22/03 R - juris Rdnr. 16).

3. Die Berufung ist unbegründet. Der Bescheid vom 7. Januar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. August 2013 stellt sich als rechtmäßig dar und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI hinsichtlich ihrer bei dem Beigeladenen Ziff. 2 in der Zeit vom 18. Januar 2012 bis zum 31. März 2014 ausgeübten Tätigkeit.

Grundlage für das Begehren der Klägerin bildet § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI. Danach werden von der Versicherungspflicht befreit Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat, b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist.

Zwar ist die Klägerin - im Übrigen mehr als geringfügig - abhängig beschäftigt, weil sie bei dem Beigeladenen Ziff. 2 als juristische Mitarbeiterin nichtselbständige Arbeit in einem Arbeitsverhältnis (§§ 611 ff. Bürgerliches Gesetzbuch) erbringt. Sie ist auch zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und damit kraft gesetzlicher Verpflichtung obligatorisches Pflichtmitglied der zulassenden Rechtsanwaltskammer Freiburg (§ 60 Abs. 2 Nr. 1 BRAO). Weithin ist sie aufgrund einer gesetzlichen Anordnung (§ 5 Abs. 1 Rechtsanwaltsversorgungsgesetz Baden-Württemberg vom 10. Dezember 1984, GBl., S. 99) Mitglied des Beigeladenen Ziff. 1, einer öffentlich-rechtlichen Versorgungseinrichtung der Berufsgruppe Rechtsanwälte in Baden-Württemberg. Jedoch ist sie nicht wegen der bei dem Beigeladenen Ziff. 2 ausgeübten Beschäftigung Pflichtmitglied des Beigeladenen Ziff. 1.

§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI gibt versicherungspflichtig Beschäftigten, die gleichzeitig verkammerte Mitglieder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind, einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nur für die "Beschäftigung, wegen der" sie auf Grund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind. Nach gefestigter Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 3. April 2014 - B 5 RE 13/14 R - BSGE 115, 276 - juris Rdnrn. 28 ff.; Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RE 7/16 R - juris Rdnrn. 27 ff.), der sich der Senat anschließt, fordert § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ein den Gegebenheiten des anwaltlichen Berufs- und Versorgungsrechts angepasstes Verständnis des Tatbestandselements derselben Beschäftigung (" für die Beschäftigung, wegen der "). Die hier streitige Erwerbstätigkeit der Klägerin als juristische Mitarbeiterin bei dem Beigeladenen Ziff. 2, einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber, in dessen Arbeitsorganisation sie eingegliedert ist und dem sie in ihrer Eigenschaft als Syndikus Rechtsrat und Rechtsbeistand gewährt, kann dem Berufsfeld des Rechtsanwalts von vornherein nicht zugeordnet werden. Der bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber beschäftigte Syndikus wird in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig. Dabei ist unter einem "Syndikus" derjenige zu verstehen, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis bei einem bestimmten Arbeitgeber steht. Ist er gleichzeitig als Rechtsanwalt zugelassen, ist er "Syndikusanwalt", der zwei Arbeitsbereiche hat, einen arbeitsvertraglich gebundenen und einen als freier Anwalt. Dabei entspricht der "Syndikusanwalt" bei seiner Tätigkeit als Syndikus für seinen Dienstherrn nicht dem allgemeinen anwaltlichen Berufsbild, wie es in der Allgemeinheit besteht. Unabhängig von den im Einzelfall arbeitsrechtlich eröffneten Möglichkeiten, auch gegenüber dem Arbeitgeber sachlich selbständig und eigenverantwortlich zu handeln, ist allein die Eingliederung in die von diesem vorgegebene Arbeitsorganisation mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts unvereinbar. Das für die Zulassung unverzichtbare Berufsbild des Rechtsanwalts kann sich damit nur daraus ergeben, dass der Syndikus rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, neben seiner Tätigkeit im Unternehmen Rechtsuchende als freier Anwalt zu beraten und zu vertreten. Der Syndikusanwalt ist Rechtsanwalt, nicht weil er Syndikus ist, sondern weil er sich aufgrund einer nur deshalb zu erteilenden Zulassung unabhängig hiervon und daneben gesondert als Rechtsanwalt betätigt. Beide Tätigkeiten sind grundsätzlich getrennt zu betrachten. Rechtlich ist auch unerheblich, ob die in Frage stehende Beschäftigung inhaltlich Elemente der anwaltlichen Berufstätigkeit aufweist. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung ist die Beschäftigung der Klägerin aufgrund ihres Arbeitsvertrages vom 18. Januar 2012 als Syndikus bei dem Beigeladenden Ziff. 2 nicht geeignet, für den hier noch streitigen Zeitraum den Befreiungstatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI zu erfüllen.

Auf die Verwaltungspraxis der Beklagten, die nicht mit der skizzierten Rechtsprechung des BSG in Einklang gestanden hat, kann sich die Klägerin nicht berufen (BSG, Urteil vom 3. April 2014 - B 5 RE 13/14 R - juris Rdnr. 58). Denn im vorliegenden Rechtsstreit steht die erstmalige Befreiung im Streit. Die Klägerin ist gerade nicht Inhaberin einer begünstigenden Befreiungsentscheidung betreffend die am 18. Januar 2012 aufgenommene Beschäftigung bei dem Beigeladenden Ziff. 2 und kann sich folglich nicht auf ein rechtlich geschütztes Vertrauen in den Bestand einer solchen Entscheidungen berufen. Weiterhin hat die Klägerin weder vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich, dass die Beklagte ihr gegenüber den Eindruck erweckt hat, es trete bei Aufnahme der Beschäftigung keine Versicherungspflicht ein (vgl. BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012 - B 12 R 3/11 R - juris Rdnr. 33). Vielmehr ist aus den Verwaltungsakten ersichtlich, dass die Klägerin sich vor Aufnahme der Beschäftigung bei dem Beigeladenen Ziff. 2 zum 18. Januar 2012 hinsichtlich der Frage der Reichweite der Versicherungspflicht gerade nicht an die Beklagte gewandt hat. Aus dem Umstand, dass die Beklagte ggf. der Stellenvorgängerin der Klägerin eine (rechtwidrige) Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI erteilt habe, kann kein Vertrauensschutz zugunsten der Klägerin abgeleitet werden.

Schließlich folgt ein anderes Ergebnis nicht aus der zum 1. Januar 2016 erfolgten Rechtsänderung. Der Gesetzgeber hat auf die skizzierte Rechtsprechung des BSG dadurch reagiert, dass er zum 1. Januar 2016 § 46 BRAO geändert und die §§ 46a bis 46c BRAO eingeführt hat (BGBl. I, S. 1517). Durch diese Vorschriften werden insbesondere Syndikusrechtsanwälte ab 1. Januar 2016 bzw. mit Datum der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt (vgl. Huff, AnwBl 2017, 40, 43) nun Rechtsanwälten gleichgestellt. Für sie gelten gem. § 46c Abs. 1 BRAO die Vorschriften über Rechtsanwälte. Zu den nun auf sie anwendbaren Vorschriften gehört auch § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI. Für die Frage der Rückwirkung eines entsprechenden Befreiungsantrags hat der Gesetzgeber u.a. in § 231 Abs. 4b SGB VI folgende Regelungen getroffen:

"(4b) Eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, die unter Berücksichtigung der Bundesrechtsanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung oder der Patentanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung erteilt wurde, wirkt auf Antrag vom Beginn derjenigen Beschäftigung an, für die die Befreiung von der Versicherungspflicht erteilt wird. Sie wirkt auch vom Beginn davor liegender Beschäftigungen an, wenn während dieser Beschäftigungen eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk bestand. Die Befreiung nach den Sätzen 1 und 2 wirkt frühestens ab dem 1. April 2014. Die Befreiung wirkt jedoch auch für Zeiten vor dem 1. April 2014, wenn für diese Zeiten einkommensbezogene Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt wurden. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigungen, für die eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt aufgrund einer vor dem 4. April 2014 ergangenen Entscheidung bestandskräftig abgelehnt wurde. Der Antrag auf rückwirkende Befreiung nach den Sätzen 1 und 2 kann nur bis zum Ablauf des 1. April 2016 gestellt werden."

Aus diesen Übergangsregelungen ergibt sich, dass sich ein Anspruch auf eine (rückwirkende) Befreiung gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI für den hier streitigen Zeitraum vor dem 1. April 2014 nicht allein aufgrund der erst im März 2017 erfolgten Zulassung der Klägerin als Syndikusrechtsanwältin ergeben kann. Der Gesetzgeber wollte im Interesse der Rechts- und Beitragssicherheit Sachverhalte vor dem 1. April 2014 nicht erfassen, insbesondere die Rückabwicklung einer langjährigen Beitragszahlung zur gesetzlichen Rentenversicherung verhindern (vgl. BT-Drs. 18/5201, S. 46 f.). Ob ein Ausnahmefall i.S. des § 231 Abs. 4b Satz 4 SGB VI vorliegt, ist - wie bereits dargelegt - nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits. Darüber wird die Beklagte unter Berücksichtigung der Entscheidung des BVerfG (Beschluss vom 19. Juli 2016 - 1 BvR 2584/14 - juris Rdnr. 17) in dem anhängigen Widerspruchsverfahren betreffend den Bescheid vom 24. Mai 2017 zu entscheiden haben.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Beklagte nach Änderung der Rechtslage und Zulassung der Klägerin als Syndikusrechtsanwältin mit Bescheiden vom 18. April 2017 und 23. Mai 2017 diese hinsichtlich ihrer Tätigkeit von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung ab 1. April 2014 befreit hat und die Klägerin deshalb ihr Begehren für die Zeit ab 1. April 2014 aufgegeben hat. Ohne diese teilweise Klagerücknahme bzw. Erledigungserklärung sowie die dargestellte Änderung der Sach- und Rechtslage wäre sie unter Zugrundelegung der dargestellten Rechtsprechung des BSG mit ihrer Berufung erfolglos gewesen. Nachdem der Beigeladene Ziff. 1 mit seinem Antrag nicht erfolgreich gewesen ist und der Beigeladene Ziff. 2 keinen Antrag gestellt hat, sind ihre außergerichtlichen Kosten nicht zu erstatten.

5. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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