L 2 AS 859/17 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 4 AS 3006/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AS 859/17 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt L 2 AS 859/17 B ER Der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 7. November 2017 wird abgeändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragstellerinnen zu 1) und 3) für die Zeit vom 22. September 2017 bis zum 31. Januar 2018, längstens bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat den Antragstellerinnen zu 1) und 3) 30 % der außergerichtlichen Kosten des Antrags- und des Beschwerdeverfahrens zu erstatten. Im Übrigen erfolgt keine Kostenerstattung.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung darüber, ob die Antragsteller auf einen Antrag vom 10. Mai 2017 hin Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) haben.

Die Antragsteller sind rumänische Staatsangehörige. Die am ... 1997 geborene Antragstellerin zu 1) lebt zusammen mit dem am ... 1999 geborenen Antragsteller zu 2). Ihr gemeinsames Kind ist die am ... 2016 in der Bundesrepublik Deutschland geborene Antragstellerin zu 3), für die sie nach ihren Angaben auch gemeinsam sorgeberechtigt sind. Die Antragsteller leben mit den Eltern und den beiden minderjährigen Geschwistern der Antragstellerin zu 1) in einer Haushaltsgemeinschaft in H. in der T ...

Nach ihrem Vortrag im gerichtlichen Verfahren reisten die bereits schwangere Antragstellerin zu 1) und der Antragsteller zu 2) im Dezember 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein, um dauerhaft hier zu leben und zu arbeiten. Der Zuzug sei zu den bereits in Deutschland lebenden Eltern der Antragstellerin zu 1) erfolgt. Der Antragsteller zu 2) habe seit der Einreise neben der Sorge um die Antragstellerinnen Arbeit gesucht. Bis zum jetzigen Zeitpunkt hätten jedoch weder die Antragstellerin zu 1), noch der Antragsteller zu 2) eine Erwerbstätigkeit ausgeübt.

Am 1. Dezember 2016 beantragten die Antragsteller erstmals die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II durch den Antragsgegner. Sie gaben an, dass seit dem 15. April 2016 Kosten der Unterkunft für die 55,61 m² große 3-Zimmer-Wohnung in H., T ... in monatlicher Höhe von 446 EUR (Grundmiete: 306 EUR, kalte Betriebskosten: 65 EUR, Heiz- und Warmwasserkosten: 75 EUR) zu zahlen seien. Neben dem Kindergeld für die Antragstellerin zu 3) in monatlicher Höhe von 190 EUR erzielten sie kein Einkommen. Elterngeld sei beantragt, jedoch bisher nicht bewilligt worden. Sie verfügten über kein Vermögen.

Mit Bescheid vom 30. Dezember 2016 gewährte der Antragsgegner den Antragstellerinnen zu 1) und 3) für die Zeit vom 1. Dezember 2016 bis 31. Mai 2017 Leistungen nach dem SGB II. Weiter führte er aus, dass der Antragsteller zu 2) keinen Anspruch nach dem SGB II habe, da er weder einen Arbeitnehmerstatus habe, noch ein Aufenthalt bei eigenen Familienangehörigen (Familienzusammenführung) vorliege.

Am 10. Mai 2017 beantragten die Antragsteller die Weitergewährung der Leistungen und gaben an, dass keine Änderungen eingetreten seien. Sie legten eine Urkunde der Stadt H. vom 23. Mai 2017 vor, wonach der Antragsteller zu 2) die Vaterschaft der Antragstellerin zu 3) mit Zustimmung der Antragstellerin zu 1) gem. §§ 1592, 1595 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) anerkannt hat. Ferner legten sie einen Bescheid vom 9. Mai 2017 vor, wonach der Antrag der Antragstellerin zu 1) auf Gewährung von Elterngeld für die Zeit vom 11. Oktober 2016 bis 10. Juni 2017 abgelehnt worden ist. Hiergegen wurde Widerspruch eingelegt. Des Weiteren legten sie eine Gewerbeanmeldung des Vaters der Antragstellerin zu 1) für das Gewerbe Hausmeistertätigkeiten, Aufräumarbeiten, Entkernung, Abrissarbeiten, Trockenbau, Erdbau- und Schachtarbeiten vom 15. April 2016 sowie einen Arbeitsvertrag über eine geringfügige Beschäftigung vom 5. Juli 2017 vor, wonach der Vater der Antragstellerin zu 1) ab dem 5. Juli 2017 bei der Firma P. B & S (im Folgenden: Arbeitgeberin) zu einem Stundenlohn von 11,30 EUR angestellt worden ist. Einkommensnachweise wurden hierzu nicht vorgelegt.

Eine Entscheidung über den Weiterbewilligungsantrag vom 10. Mai 2017 erfolgte durch den Antragsgegner bisher nicht.

Am 22. September 2017 haben die Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Sozialgericht Halle beantragt. Sie haben vorgetragen: Der Vater der Antragstellerin zu 1) stehe in einem Arbeitsverhältnis als Bauhelfer. Arbeitsvertraglich sei eine Mindestarbeitszeit von 38 Stunden monatlich bei einem Bruttostundenlohn von 11,30 EUR vereinbart. Es bestehe ein Freizügigkeitsrecht des Vaters der Antragstellerin zu 1) aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU. Daraus leite die noch nicht 21-jährige Antragstellerin zu 1) ein Recht aus § 2 Abs. 2 Nr. 6, § 3 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU vom Vater ab und daraus folge auch ein Aufenthaltsrecht der Antragstellerin zu 3). Das Freizügigkeitsrecht des Antragstellers zu 2) habe seine rechtliche Grundlage in §§ 11 Abs. 1 letzter Satz i.V.m. §§ 25, 27 ff Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Sie verfügten neben dem Kindergeld der Antragstellerin zu 3) in monatlicher Höhe von 192 EUR über kein Einkommen oder Vermögen. Die Kosten der Unterkunft beliefen sich anteilig auf 191,14 EUR.

Ferner haben die Antragsteller vorgetragen, dass der Vater der Antragstellerin zu 1) mit seiner Familie derzeit selbst im Leistungsbezug stehe. Ein zum Leistungsanspruch führendes Freizügigkeitsrecht sei bejaht worden. Die entsprechenden Nachweise lägen dem Antragsgegner auch vor. Aufgrund seines Arbeitsverhältnisses habe der Vater der Antragstellerin zu 1) keine Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit mehr. Daher können hierzu auch keine Umsatzsteuernachweise vorgelegt werden. Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei bisher nicht erfolgt. Es sei aber richtig, dass er ab dem 31. Juli 2017 nicht mehr beschäftigt worden und eine Abmeldung zur Sozialversicherung erfolgt sei. Seitens des Geschäftsführers der Arbeitgeberin sei jedoch angekündigt worden, dass eine neue Beschäftigung erfolgen würde, sobald die Auftragslage dies hergebe. Eine Unfreiwilligkeitsbescheinigung der Agentur für Arbeit könne daher nicht vorgelegt werden. Es sei jedoch von unfreiwilliger Beschäftigungslosigkeit auszugehen. Hierzu legten sie einen Arbeitsvertrag über eine geringfügige Beschäftigung des Vaters der Antragstellerin zu 1) als Bauhelfer vom 5. Juli 2017 vor, wonach der Vater der Antragstellerin zu 1) zu einem Stundenlohn von 11,30 EUR bei einer monatlichen Arbeitszeit von ca. 38 Stunden angestellt worden ist. Des Weiteren legten sie zwei Lohnbescheinigungen für den Vater der Antragstellerin zu 1) für den Monat Juli 2017 (Datum 3. August 2017: 450 EUR/brutto und 433,35 EUR/netto sowie Datum 4. September 2017: 449,99 EUR brutto und 433,35 EUR/netto), zwei An-/Abmeldungen zur Sozialversicherung des Vaters der Antragstellerin zu 1) vom 4. September 2017 und vom 5. September 2017 hinsichtlich einer geringfügigen Beschäftigung vom 5. Juli 2017 bis 31. Juli 2017 und einen Bescheid vom 30. August 2017 über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Juli 2017 bis 31. Dezember 2017 an die Familie des Vaters der Antragstellerin zu 1) vor.

Der Antragsgegner hat ausgeführt, dass bisher eine Bewilligung von Leistungen nicht erfolgen konnte, weil zahlreiche Unterlagen fehlen. Die angeforderten Nachweise zum Einkommen des Vaters der Antragstellerin zu 1) seien zwingend erforderlich. Das Arbeitsverhältnis des Vaters der Antragstellerin zu 1) habe auch bereits am 31. Juli 2017 wieder geendet. Weitere Nachweise ab dem 1. August 2017 seien nicht bekannt. Eine Bescheinigung der Agentur für Arbeit zur Feststellung der Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit sei einzureichen. Die lediglich kurzfristige Tätigkeit des Vaters der Antragstellerin zu 1) vom 5. Juli 2017 bis 31. Juli 2017 genüge nicht, um einen Leistungsanspruch der Antragsteller zu begründen.

Das Sozialgericht Halle hat den Antrag mit Beschluss vom 7. November 2017 abgelehnt: Die Antragsteller seien gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen. Es sei auch nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen für ein Freizügigkeitsrecht des Vaters der Antragstellerin zu 1) vorliegen. Eine vormals angegebene selbständige Erwerbstätigkeit werde durch diesen nicht mehr ausgeübt. Ebenso wenig sei glaubhaft gemacht, dass durch den Arbeitsvertrag vom 5. Juli 2017 über eine geringfügige Beschäftigung ein entsprechender Status vermittelt werde. Es habe sich von vornherein um eine geringfügige Beschäftigung gehandelt, die arbeitsvertraglich einen Lohnanspruch von maximal 429,40 EUR monatlich begründen konnte. Es seien differierende Abrechnungen für den Monat Juli 2017 erstellt worden. Ob es zu einer Auszahlung des Arbeitsentgeltes gekommen sei, sei den Unterlagen nicht zu entnehmen. Der Vortrag, dass von dem Arbeitgeber des Vaters der Antragstellerin zu 1) eine Wiederaufnahme des Beschäftigungsverhältnisses in Aussicht gestellt worden sei, überzeuge das Gericht nicht davon, dass keine Beendigung der Beschäftigung vorliege. Einer ausdrücklichen arbeitsrechtlichen Kündigung bedürfe es nicht, da auch nach den Angaben der Antragsteller die Beschäftigung sei dem 1. August 2017 nicht mehr ausgeübt werde. Allein die Bewilligung von Leistungen an die Familie des Vaters der Antragstellerin zu 1) führe zu keiner Bindungswirkung für den Leistungsanspruch der Antragsteller.

Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 13. November 2017 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 5. Dezember 2017 Beschwerde beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Die Antragsteller haben zur Beschwerdebegründung auf ihr erstinstanzliches Vorbringen verwiesen und ergänzend vorgetragen: Nunmehr liege eine arbeitgeberseitige Kündigung vor. Die Agentur für Arbeit H. halte eine Bestätigung der Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit für entbehrlich, da aufgrund der geringfügigen Beschäftigung keine (neue) Arbeitslosigkeit i.S.d. Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) vorliege. Sie haben eine Kopie einer Quittung über die Auszahlung des Lohnes 07/2017 in Höhe von 450 EUR an den Vater der Antragstellerin zu 1) vom 3. August 2017 vorgelegt. Ferner haben sie eine Kopie eines Schreibens der Arbeitgeberin vom 31. Juli 2017 vorgelegt, wonach der Arbeitsvertrag des Vaters der Antragstellerin zu 1) mit sofortiger Wirkung innerhalb der Probezeit gekündigt werde. Das Schreiben enthält den Vermerk "erhalten am 31.07.2017". Hierzu haben die Antragsteller vorgetragen, dass dem Vater der Antragstellerin zu 1) die Kündigung erst am Wochenende 28./29. Oktober 2017 zugegangen sei. Der Vermerk auf dem Schreiben stamme auch nicht vom Vater der Antragstellerin zu 1). Dieser sei Analphabet. Zudem fehle auch die Unterschrift des Vaters der Antragstellerin zu 1).

Die Antragsteller beantragen,

den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 7. November 2017 abzuändern und den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache vorläufig Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält den Beschluss des Sozialgerichts Halle für zutreffend. Der Familie des Vaters der Antragstellerin zu 1) seien mit Bescheiden vom 17. November 2017 für die Zeit vom 1. Dezember 2017 bis 30. Juni 2018 vorläufig Leistungen gewährt worden.

Am 11. Dezember 2017 haben die Antragsteller erneut die Weitergewährung der Leistungen beim Antragsgegner beantragt.

Die Berichterstatterin hat die Antragsteller darauf hingewiesen, dass für Zeiten vor dem 22. September 2017 mangels Darlegung und Glaubhaftmachung eines Nachholbedarfes wohl keine Gewährung von Leistungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren in Betracht komme. Ferner hat die Berichterstatterin die Vorlage diverser Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses des Vaters der Antragstellerin zu 1), des Zuflusses des Elterngeldes sowie zur Glaubhaftmachung des Sorgerechtes des Antragstellers zu 2) gem. § 1626 a BGB gefordert.

Die Antragsteller haben ergänzend vorgetragen, dass Ihnen sowohl für den Zeitraum Juni bis November 2017, als auch für den Zeitraum Dezember 2017 bis Mai 2018 Leistungen zu gewähren seien. Die Antragserweiterung sei sachdienlich im Sinne des § 99 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn der Antragsgegner habe bis heute nicht über den Weitergewährungsantrag entschieden. Ferner haben sie vorgetragen, dass sie aus Kostengründen zunächst nicht auf einen Übersetzer zurückgreifen können. Ermittelbar sei nur, dass der Vater der Antragstellerin zu 1) die Kündigung nicht zum Datum der Kündigung erhalten habe. Er habe den Erhalt auch nicht gegengezeichnet. Der Vater habe die Kündigung und die Einkommensbescheinigung vom 18. Oktober 2017 für Juli 2017 in der 45. Kalenderwoche (06.11.2017 bis 12.11.2017) ihrem Prozessbevollmächtigten überreicht und sei dann zwecks Ausfertigung einer Unfreiwilligkeitsbescheinigung zur Agentur für Arbeit geschickt worden, die dann mit Schreiben vom 30. November 2017 die Ausstellung abgelehnt habe. Es sei auch aus anderen arbeits- und sozialrechtlichen Auseinandersetzungen bekannt, dass eine Vielzahl rumänischer Arbeitnehmer der Arbeitgeberin am Wochenende 28./29. Oktober 2017 erstmals jeweils auf den 31. Juli 2017 datierende Kündigungen erhalten hätten. Selbst wenn man das glaubhaft gemachte frühestmögliche Zugangsdatum, den 31. Juli 2017, annehmen würde, ergäbe sich der Anspruch des Vaters/Schwiegervaters bzw. der abgeleitete Anspruch der Antragsteller aus § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU bis zum 31. Januar 2018. Der Vater der Antragstellerin zu 1) habe ab dem 1. Februar 2018 ein Freizügigkeitsrecht aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU und damit auch die Antragstellerinnen zu 1) und 3).

Hinsichtlich des Freizügigkeitsrechtes des Antragstellers zu 2) komme es gemäß § 11 Abs. 1 a.E. FreizüG/EU und § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG entscheidend auf die Ausübung der elterlichen Sorge an. Es komme auch nicht auf die Sorgerechtserklärung an. Denn nach §§ 27 ff AufenthG sei die familiäre Lebensgemeinschaft entscheidend. Diese sei auch glaubhaft gemacht. Im Übrigen dürfte - anders als im deutschen Familienrecht - nach den diesbezüglichen rumänischen Regelungen die gemeinsame elterliche Sorge für ein gemeinsames Kind bestehen, sofern die Eltern Lebensgefährten seien. Nach der Rechtsprechung des BSG genüge es auch, wenn Partner mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben.

Die Antragsteller haben eine für den Antragsgegner ausgestellte Einkommensbescheinigung der Arbeitgeberin vom 18. Oktober 2017 für die Zeit vom 5. Juli 2017 bis 31. Juli 2017, Kontoauszüge für die Zeit vom 1. September 2017 bis 8. Januar 2018 sowie einen Elterngeldbescheid vom 25. Januar 2018 vorgelegt.

Der Antragsgegner hat vorgetragen, dass ein Freizügigkeitsrecht des Vaters der Antragstellerin zu 1) nicht ersichtlich und nicht glaubhaft gemacht worden sei, so dass die Rechtmäßigkeit der Bewilligung erheblich angezweifelt werde. Angegeben worden sei eine selbständige Tätigkeit als Bauhelfer mit einem prognostizierten monatlichen Einkommen von 300 EUR. Nachweise über die Einkommenserzielung seien weder für aktuelle, noch für vergangene Zeiträume vorgelegt worden. Daher sei mit Bescheiden vom 24. Oktober 2017 die Festsetzung des Leistungsanspruches der Bedarfsgemeinschaft des Vaters der Antragstellerin zu 1) für die Zeit von Juni bis November 2016 mit 0 EUR erfolgt. Ein Leistungsanspruch der Antragsteller lasse sich hieraus nicht ableiten. Über den Weiterbewilligungsantrag sei bisher nicht entschieden worden.

Für weitere Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakten des Antragsgegners verwiesen.

II.

Die nach § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft nach § 172 Abs. 1 und 3 Nr. 1 SGG. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt den in § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG genannten Wert von 750 EUR. Die begehrte Verpflichtung des Antragsgegners, den Antragstellern ab dem 1. Juni 2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren, überschreitet (bei einer grundsätzlichen monatlichen Leistungshöhe in 2017 von 972,14 EUR (bestehend aus der Summe von Regelbedarfen und den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung abzüglich des Einkommens aus Kindergeld) diesen Betrag.

Die Beschwerde ist zum Teil begründet. Der Antragsgegner war für die Zeit vom 22. September 2017 bis zum 31. Januar 2018 zur vorläufigen Zahlung von Leistungen nach dem SGB II an die Antragstellerinnen zu 1) und 3) zu verpflichten, weil er für diesen Zeitraum aller Voraussicht nach zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB II an die Antragstellerinnen zu 1) und 3) verpflichtet ist. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet.

1. Die Antragstellerinnen zu 1) und 3) haben für die Zeit vom 22. September 2017 bis 31. Januar 2018 voraussichtlich Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II.

a) Die Beschwerde hat keinen Erfolg, soweit sie sich auf die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Zahlung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Juni bis zum 21. September 2017 richtet.

Da in der Regel erst mit der Stellung eines Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz eine Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht wird, beginnt der Regelungszeitraum auch erst mit der Stellung des Antrags, soweit nicht explizit auch die Nachholung der Leistung begehrt wird und ein entsprechendes Nachholbedürfnis glaubhaft gemacht wird. Denn bei der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist grundsätzlich nur auf eine aktuelle Notlage abzustellen. Für die Vergangenheit besteht regelmäßig kein Anordnungsgrund, denn die Antragsteller haben gerade durch das Abwarten gezeigt, dass eine existenzielle Notlage in der Vergangenheit nicht bestand.

Vorliegend haben die Antragsteller nach Auslegung ihres im Beschwerdeverfahren gestellten Antrages auch Leistungen für die Zeit vom 1. Juni bis zum 21. September 2017 geltend gemacht. Jedenfalls haben die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, aus welchem Grund die Nachholung der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vor Eingang des Antrages auf einstweilige Anordnung beim Sozialgericht Halle am 22. September 2017 besonders dringlich sein soll. Weder wurde vorgetragen, dass konkret bezeichnete Rechtsnachteile drohen und Eingriffe unmittelbar bevorstehen, wenn nicht die Leistungen auch für die Vergangenheit bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gewährt werden, noch wurden hierzu entsprechende Unterlagen zur Glaubhaftmachung eingereicht.

b) Der streitgegenständliche Zeitraum für das hiesige Verfahren ist nicht auf die Zeiten bis zur Einreichung des Weiterzahlungsantrages beim Antragsgegner am 11. Dezember 2017 begrenzt. Denn die Antragstellerinnen zu 1) und 3) können im Beschwerdeverfahren grundsätzlich vorläufig Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 22. September 2017 bis 31. Mai 2018 geltend machen, wie dies auch mit Schriftsatz vom 6. Februar 2018 erfolgt ist.

Gerichtliche Entscheidungen im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestalten den Bewilligungszeitraum für Leistungen nach dem SGB II nicht abweichend von den gesetzlichen Vorgaben um. Sie erstrecken sich im Bereich des SGB II, werden höhere Leistungen als bislang bewilligt begehrt, auf diesen Zeitraum, der - auf der Grundlage der Entscheidung der Gemeinsamen Einrichtung - entsprechend § 41 Abs. 3 SGB II im Regelfall zwölf, unter bestimmten Voraussetzungen lediglich sechs Monate beträgt.

Die Bindung an einen Bewilligungszaum bedeutet gleichwohl nicht, dass Regelungszeiträume für Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung identisch sein müssen mit denjenigen in einer Hauptsache. Denn bei einer Leistungsablehnung erstreckt sich der streitige Zeitraum über den gesamten möglichen Bewilligungszeitraum bis zum Abschluss einer letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht als letzte Tatsacheninstanz, ohne dass insofern eine Bindung an den gesetzlich geregelten Bewilligungszeitraum eintritt. (vgl. zu § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II i.d.F. bis 07/2016: BSG, Urteil vom 23. November 2006 - B 11b AS 1/06 R, Rn. 19 - zitiert nach juris).

Eine zeitlich derart weitreichende Entscheidung im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auszusprechen, entspricht weder dem Ziel vorläufigen Rechtschutzes

- im Falle des Erlasses einer Regelungsanordnung zur einstweiligen Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses - noch der Vorgabe, die Hauptsache nicht vorwegzunehmen (vgl. auch Burkiczak, juris-PK SGB II, 4. Auflage, 2015, § 41 Rn. 31). Jedenfalls wenn neue Leistungsanträge gestellt werden - wie im Fall der Antragsteller am 11. Dezember 2017 - geht der Senat daher grundsätzlich davon aus, dass insofern für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ein zeitlicher Rahmen vorgegeben ist. Dieser beginnt grundsätzlich mit dem Monat der Antragstellung auf Leistungen bei der Behörde, kann aber wegen der Frage eines Nachholbedürfnisses im Rahmen des Erlasses einer einstweiligen Anordnung regelmäßig erst ab dem Datum des Eingangs des Antrags bei Gericht Erfolg haben.

Ausnahmsweise kann bei Ablauf dieses Zeitraums vor einer Senatsentscheidung die Gewährung von Leistungen für einen längeren Zeitraum in Betracht kommen, wenn zwar ein weiterer Antrag auf Leistungen nach dem SGB II beim Antragsgegner gestellt worden ist, dieser jedoch nicht über diesen Antrag entschieden hat, sondern erkennbar die Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren abwartet. In diesem Fall steht den Antragstellern auch ein Rechtschutzbedürfnis für ein gerichtliches Eilverfahren für die Zeit ab Stellung des erneuten Antrages beim Antragsgegner zu. Denn insofern können die Antragsteller grundsätzlich nicht auf das erneute Verwaltungsverfahren als einfacheren Weg verwiesen werden. Denn wenn der Antragsgegner erkennbar kein Verfahren durchführt, muss das Gericht schon unter Berücksichtigung der hier im Streit stehenden Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums und des Gebotes des effektiven Rechtsschutzes auch mindestens den gemäß § 41 Abs. 3 SGB II möglichen Bewilligungszeitraum zu Grunde legen können.

Der Antragsgegner hat bisher über den Weitergewährungsantrag vom 11. Dezember 2017 nicht entschieden. Er hat bisher auch nicht vorgetragen, dass er dies demnächst beabsichtigt.

c) Die Antragstellerinnen zu 1) und 3) haben aber voraussichtlich nur für die Zeit vom 22. September 2017 bis 31. Januar 2018 Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II.

Verfahrensrechtliche Grundlage für eine Verpflichtung des Antragsgegners ist in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes, in denen es - wie hier - nicht um die Geltendmachung einer bereits gewährten, zwischenzeitlich aber aberkannten Rechtsposition geht, der Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 und 4 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 Zivilprozessordnung (ZPO) gelten entsprechend. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens eines Anordnungsanspruchs (der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) und eines Anordnungsgrunds (der Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile).

Vorliegend entscheidet das Gericht nach summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache.

Das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs haben die Antragstellerinnen zu 1) und 3) für die Zeit vom 22. September 2017 bis 31. Januar 2018 in Bezug auf die durch den Antragsgegner zu erbringende Leistungen hinreichend glaubhaft gemacht. Für diesen Zeitraum ist nach dem bisherigen Sach- und Streitstand und einer summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache von einem nachwirkenden unionsbürgerrechtlichen Freizügigkeitsrecht des Vaters der Antragstellerin zu 1) wegen seiner abhängigen Beschäftigung als Bauhelfer in der Zeit vom 5. Juli 2017 bis 31. Juli 2017 auszugehen. Diese materielle Freizügigkeitsberechtigung im Sinne des FreizügG/EU führt dazu, dass die Antragstellerinnen zu 1) und 3) in der Zeit vom 22. September 2017 bis 31. Januar 2018 nicht wegen § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom Bezug von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind.

Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der Fassung vom 22. Dezember 2016 erhalten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende Personen, die

das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,

erwerbsfähig sind,

hilfebedürftig sind und

ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.

Die Antragsteller erfüllen grundsätzlich die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Sie sind hilfebedürftig, weil sie mit ihrem Einkommen und Vermögen ihren Bedarf nicht decken können. Sie haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland und die Antragsteller zu 1) und 2) sind entsprechend § 8 Abs. 1 und 2 SGB II erwerbsfähig.

Die Antragstellerinnen zu 1) und 3) sind nicht entsprechend § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.

Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II sind von den Leistungen ausgenommen

Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Abs. 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,

Ausländerinnen und Ausländer,

die kein Aufenthaltsrecht haben,

deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt oder

die ihr Aufenthaltsrecht allein oder neben einem Aufenthaltsrecht nach Buchstabe b aus Artikel 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. L 141 vom 27.5.2011, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2016/589 (ABl. L 107 vom 22.4.2016, S. 1) geändert worden ist, ableiten,

und ihre Familienangehörigen,

Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.

Entsprechend § 7 Abs. 1 Satz 3 SGB II gilt Satz 2 Nummer 1 nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen gemäß § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Darüber hinaus sind im Wege des "Erst-Recht-Schlusses" nicht zum Bezug von Leistungen nach dem SGB II berechtigt Unionsbürger oder Ausländer, die über keine Freizügigkeitsberechtigung oder kein anderes materielles, eine längerfristige Bleibeperspektive vermittelndes Aufenthaltsrecht verfügen (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 44/15 R, Rn. 19 ff.; konkretisierend: Urteil vom 20. Januar 2016 - B 14 AS 35/15 R - zitiert nach juris).

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erfordert die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II zur Umsetzung des Willens des Gesetzgebers bei Unionsbürgern regelmäßig eine "fiktive Prüfung" des Grundes beziehungsweise der Gründe ihrer Aufenthaltsberechtigung. Bereits das Vorhandensein der Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts aus einem anderen Grund als dem Zweck der Arbeitsuche hindert die positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 - B 4 AS 54/12 R, Rn. 23; Urteil vom 25. Januar 2012 - B 14 AS 138/11 R, Rn. 20; vgl. auch Senatsbeschluss vom 13. April 2016 - L 2 AS 37/16 B ER, Rn. 41 – zitiert nach juris).

Als mögliches Aufenthaltsrecht - beziehungsweise Freizügigkeitsrecht - kommt für die Antragstellerin zu 1) das Freizügigkeitsrecht aus § 2 Abs. 1 und 2 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 Nr. 2 FreizügG/EU i.d.F. 20. Juli 2017 als Familienangehörige eines ehemaligen Arbeitnehmers, der unfreiwillig arbeitslos geworden ist, in Betracht. Denn der Vater der Antragstellerin zu 1) hatte für die Zeit bis zum 31. Januar 2018 ein nachwirkendes Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 FreizügG/EU.

Das Recht nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU auf Einreise und Aufenthalt nach Maßgabe des FreizügG/EU bleibt gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU unter anderem für Arbeitnehmer unberührt bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit oder Einstellung einer selbständigen Tätigkeit infolge von Umständen, auf die der Selbständige keinen Einfluss hatte, nach mehr als einem Jahr Tätigkeit. Bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung bleibt das Recht aus Absatz 1 während der Dauer von sechs Monaten entsprechend § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU unberührt. Maßgeblich ist der Erhalt der Erwerbstätigeneigenschaft (vgl. Senatsbeschluss vom 13. April 2016 - L 2 AS 37/16 B ER, Rn. 45 - zitiert nach juris).

Gemäß § 2 Abs. 2 FreizügG/EU kommt es nicht allein auf die Berechtigung zur Ausübung einer abhängigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit an. Vielmehr muss - abgesehen von den Fällen des § 2 Abs. 3 FreizügG/EU - die abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit tatsächlich ausgeübt werden (vgl. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG vom 29. April 2004, Amtsblatt der Europäischen Union L 158, 77).

Selbständig ist eine Tätigkeit, wenn sie nicht im Rahmen eines Unterordnungsverhältnisses in Bezug auf die Wahl dieser Tätigkeit, die Arbeitsbedingungen und das Entgelt, in eigener Verantwortung und gegen ein Entgelt, das dem Tätigen vollständig und unmittelbar gezahlt wird, ausgeübt wird (vgl. Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), Urteil vom 20. November 2001 in der Rechtssache Jany u.a. - C-268/99, Rn. 71 - zitiert nach juris). Demgegenüber besteht das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Februar 2010 in der Rechtssache Genc - C-14/09, LS 1 - zitiert nach juris).

Die Frage der geringen wirtschaftlichen Bedeutung einer Tätigkeit ist in diesem Zusammenhang im Rahmen des Tatbestandsmerkmals der Erwerbstätigkeit zu prüfen. Denn sowohl bei Arbeitnehmern, als auch selbständig Tätigen müssen Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Diese vom EuGH zur Arbeitnehmereigenschaft aufgestellte Anforderung wird für das Arbeitsverhältnis ergänzt durch die Weisungsbestimmtheit der vergüteten Tätigkeit (vgl. EuGH, Urteil vom 3. Juli 1986 in der Rechtsache Lawrie-Blum - C-66/85, Rn. 17; Urteil vom 4. Februar 2010 in der Rechtssache Genc - C-14/09, Rn. 19 - zitiert nach juris). Danach ist als Arbeitnehmer im Sinne des Art. 39 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGVtr) jeder anzusehen, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt. Außer Betracht bleiben Tätigkeiten, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Diesbezüglich sind bei einer Gesamtbetrachtung des Arbeitsverhältnisses nicht nur die Gesichtspunkte wie Arbeitszeit und Höhe der Vergütung, sondern auch Anspruch auf bezahlten Urlaub, die Geltung von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Anwendung eines Tarifvertrages auf den Arbeitsvertrag sowie der Umstand, dass das Arbeitsverhältnis längere Zeit mit demselben Unternehmen bestanden hat, zu berücksichtigen. Es kommt für die Frage des Vorliegens der Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Art. 39 EGVtr jedoch nicht darauf an, dass der Lebensunterhalt mit dem geringfügigen Einkommen nicht bestritten werden kann (vgl. auch EuGH, Urteil vom 14. Dezember 1995 in der Rechtssache Menger und Scheffel - C-444/93, Rn. 18 - zitiert nach juris).

Ausgehend von diesen Kriterien ist der Vater der Antragstellerin zu 1) in der Zeit vom 5. Juli 2017 bis 31. Juli 2017 nach summarischer Prüfung Arbeitnehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU gewesen. Denn er war im Rahmen eines am 5. Juli 2017 geschlossenen Arbeitsvertrages gegenüber der Arbeitgeberin zur Erbringung von weisungsgebundenen Arbeitsleistungen als Bauhelfer verpflichtet. Der Arbeitsvertrag war weder von vornherein befristet, noch war das mögliche erzielbare Arbeitsentgelt von 429,40 EUR als wirtschaftlich vollkommen unbedeutend anzusehen. Zudem waren im Arbeitsvertrag sowohl Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, als auch Urlaubsansprüche nach den gesetzlichen Bestimmungen geregelt. Der Senat geht nach summarischer Prüfung davon aus, dass das Arbeitsverhältnis des Vaters der Antragstellerin zu 1) jedenfalls in der Zeit vom 5. Juli 2017 bis 31. Juli 2017 auch tatsächlich durchgeführt worden ist. Dafür spricht die nunmehr im Beschwerdeverfahren vorgelegte Quittung über die Auszahlung des Lohnes für Juli 2017, die durch die Arbeitgeberin vorgenommene An- und Abmeldung des Vaters der Antragstellerin zu 1) zur Sozialversicherung, die zum 31. Juli 2017 ausgesprochene schriftliche Kündigung der Arbeitgeberin sowie die auch gegenüber dem Antragsgegner im Oktober 2017 nochmals ausgestellte Verdienstbescheinigung. Allein der kurzfristige Zeitraum der Tätigkeit genügt nicht, um das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses und der Arbeitnehmereigenschaft abzulehnen. Denn andernfalls wäre die Vorschrift des § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU ohne Regelungsgehalt. Zudem werden auch Arbeitsverhältnisse mit Inländern innerhalb der Probezeit wieder beendet. Der Antragsgegner hat keine dem entgegenstehenden weiteren Indizien und Anhaltspunkte vorgetragen und glaubhaft gemacht, welche das Vorliegen der Arbeitnehmereigenschaft des Vaters der Antragstellerin zu 1) ausschließen.

Der Vater der Antragstellerin zu 1) war ab August 2017 auch unfreiwillig arbeitslos im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 FreizügG/EU.

Der Senat kann offen lassen, ob für die Leistungen nach dem SGB II die Bestätigung der Agentur für Arbeit über die Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit Bindungswirkung entfaltet. Insoweit könnte die Regelung in § 2 Abs. 3 Nr. 2 FreizüG/EU der Entlastung der Ausländerbehörden bezogen auf eine eigene Prüfung der Voraussetzungen unfreiwilliger Arbeitslosigkeit dienen. Einer solchen Entlastung bedürfte es für die Jobcenter nicht. Denn wie § 31 Abs. 2 Nr. 4 SGB II zeigt, wird diesen im Bereich des SGB II zum Beispiel die Befähigung zur eigenständigen Prüfung von Sperrzeittatbeständen zugestanden und bezogen auf die Eingliederungsleistungen insgesamt arbeitsmarktliche Kompetenz zugestanden.

Es spricht schon mehr dafür als dagegen, dass der Vater der Antragstellerin zu 1) den Eintritt der Arbeitslosigkeit - bezogen auf die Beschäftigung als Bauhelfer - nicht zu vertreten hat. Denn weder ergeben sich aus der Kündigung der Arbeitgeberin vom 31. Juli 2017, noch aus dem Vortrag der Antragsteller Anhaltspunkte, dass die Kündigung auf einem Fehlverhalten des Vaters der Antragstellerin zu 1) (sog. verhaltensbedingte Kündigung) oder sonstiger durch den Vater der Antragstellerin zu 1) zu vertretender Umstände beruht. Die Bestätigung der Agentur für Arbeit H. vom 30. November 2017 steht dem nicht entgegen, denn darin wird die Ausstellung der Unfreiwilligkeitsbescheinigung nicht deshalb abgelehnt, weil die Arbeitslosigkeit nicht unfreiwillig im Sinne der Vorschrift war, sondern weil die Agentur für Arbeit der Ansicht ist, dass die Bescheinigung nur dann ausgestellt werden kann, wenn eine (neue) Arbeitslosigkeit im Sinne des SGB III vorliegt. Auch der Antragsgegner hat hierzu keine Einwände erhoben.

Die Antragstellerin zu 1) kann aus § 3 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU für die Zeit bis zum 31. Januar 2018 ein von ihrem Vater abgeleitetes Freizügigkeitsrecht geltend machen. Denn sie ist gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU eine Verwandte in gerade absteigender Linie eines in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 und 7 FreizügG/EU genannten Unionsbürgers, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Sie ist nach ihren nicht durch den Antragsgegner bestrittenen Angaben auch ihrem Vater im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU nachgezogen.

Die Antragstellerin zu 3) kann nach § 3 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU für die Zeit bis zum 31. Januar 2018 ein von ihrer Mutter abgeleitetes Freizügigkeitsrecht geltend machen. Denn sie ist gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU eine Verwandte in gerader absteigender Linie eines in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 und 7 FreizügG/EU genannten Unionsbürgers, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Für die Zeit vom 22. September 2017 bis 31. Dezember 2017 ergibt sich folgende monatliche Berechnung:

Antragstellerin zu 1)
Regelbedarf/Sozialgeld: 368,00 EUR
Kosten der Unterkunft: 63,71 EUR (1/7 von 446 EUR)
abzüglich Einkommen: 0 EUR
= Anspruch 431,71 EUR

Antragsteller zu 2)
= Anspruch 0 EUR

Antragstellerin zu 3)
Regelbedarf/Sozialgeld: 237,00 EUR
Kosten der Unterkunft: 63,71 EUR1
abzüglich Einkommen: 192 EUR
= Anspruch 108,71 EUR

Für Januar 2018 lautet die monatliche Berechnung wie folgt:

Antragstellerin zu 1)
Regelbedarf/Sozialgeld: 374,00 EUR
Kosten der Unterkunft: 63,71 EUR
abzüglich Einkommen1: 250,82 EUR
= Anspruch 186,89 EUR

Antragsteller zu 2)
= Anspruch 0 EUR

Antragstellerin zu 3)
Regelbedarf/Sozialgeld: 240,00 EUR
Kosten der Unterkunft: 63,71 EUR1
abzüglich Einkommen1: 256,88 EUR2
= Anspruch 46,83 EUR

1 Die Antragstellerin zu 1) erzielte im Monat Januar 2018 anrechenbares Einkommen in Höhe von 564,52 EUR. Denn ausweislich des vorgelegten Elterngeldbescheides vom 25. Januar 2018 und der Bestätigung der Elterngeldstelle vom 12. Februar 2018 wurden die monatlichen Elterngeldbeträge für die Zeit vom 11. Dezember 2017 bis 10. Januar 2018 und vom 11. Januar 2018 bis 10. Februar 2018 in Höhe von je 150 EUR, mithin gesamt 300 EUR am 17. Januar 2018 an die Antragstellerin zu 1) überwiesen. Diese Beträge sind gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB II im Monat Januar 2018 zu berücksichtigen. Ferner wurde die Nachzahlung aus dem Elterngeld für die Zeit vom 11. Oktober 2016 bis 11. November 2017 in Höhe von insgesamt 1767,09 EUR am 17. Januar 2018 auf das Konto der Antragstellerin zu 1) überwiesen. Entsprechend § 11 Abs. 3 Satz 4 SGB II ist diese einmalige Einnahme auf sechs Monate zu verteilen, weil andernfalls der Leistungsanspruch vollständig entfiele. Demnach ist ein weiterer monatlicher Betrag von 294,52 EUR im Januar 2018 zu berücksichtigen. Es ergibt sich ein Gesamteinkommen der Antragstellerin zu 1) im Januar 2018 von 594,52 EUR. Abzüglich der Versicherungspauschale gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V in Höhe von 30 EUR verbleibt ein anrechenbares Einkommen von 564,52 EUR, welches nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II auf die Antragsteller zu 1) bis 3) - nach Abzug des Kindergeldeinkommens allein bei der Antragstellerin zu 3) - zu verteilen ist.

2 Verteiltes Elterngeldeinkommen zuzüglich des Kindergeldes in monatlicher Höhe von 194 EUR.

d) Die Antragstellerinnen zu 1) und 3) haben für die Zeit vom 1. Februar 2018 bis 31. Mai 2018 nicht glaubhaft gemacht, dass ihnen ein anderes Freizügigkeitsrecht, als dasjenige zur Arbeitsuche zusteht.

Die Antragsteller haben lediglich behauptet, dass dem Vater der Antragstellerin zu 1) ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU zusteht. Unterlagen zur Glaubhaftmachung sind - trotz Einwand des Antragsgegners und ausdrücklicher Aufforderung der Berichterstatterin - nicht eingereicht worden. Weder wurden entsprechende Verdienstnachweise oder sonstige Unterlagen vorgelegt, aus denen erkennbar ist, dass die behauptete selbständige Tätigkeit durch den Vater der Antragstellerin zu 1) tatsächlich in einem entsprechenden Umfang ausgeübt wird, so dass die Tätigkeit sich nicht als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellt. Der Senat hält es nicht für überwiegend wahrscheinlich, dass der Vater der Antragstellerin zu 1) eine selbständige Tätigkeit ausübt, die nicht nur von völlig untergeordneter und unwesentlicher Bedeutung ist (vgl. zu dieser Frage auch: Beschluss des Senates vom 24. Mai 2016 - L 2 AS 184/16 B ER - zitiert nach juris). Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass nach den unbestrittenen Angaben des Antragsgegners der Vater der Antragstellerin zu 1) bis November 2016 kein Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit erzielt hat. Dass und in welcher Art und Weise sich dies ab Februar 2018 geändert haben soll, wurde weder vorgetragen, noch durch Vorlage entsprechender Unterlagen glaubhaft gemacht. Allein der Umstand, dass der Antragsgegner der Familie des Vaters der Antragstellerin zu 1) Leistungen bis Juni 2018 gewährt hat, führt nicht zu der Begründung eines Freizügigkeitsrechts und damit dem fehlenden Ausschluss von den Leistungen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II.

Ein vorläufiger Leistungsanspruch aus § 41a Abs. 7 Nr. 1 Nr. 1 SGB II ergibt sich mangels Vorliegen der Voraussetzungen ebenfalls nicht. Eine analoge Anwendung des § 41a Abs. 7 Nr. 1 SGB der Vorschrift kommt desgleichen nicht in Betracht (vgl. Beschluss des Senates vom 21. September 2017 – L 2 AS 575/17 B ER – zur Veröffentlichung vorgesehen).

Die Antragstellerinnen zu 1) und 3) können für die Zeit ab dem 1. Februar 2018 auch keinen Anspruch aus der zu § 23 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) in der bis zum 28. Dezember 2016 geltenden Fassung ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (u.a. Urteile vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 43/15 R - und - B 4 AS 44/15 R; Urteil vom 20. Januar 2016 - B 14 AS 35/15 R zitiert nach juris) herleiten. Denn nachfolgend ist mit dem Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vom 22. Dezember 2016 durch den Gesetzgeber in Kenntnis der Rechtsprechung des BSG neben der Ergänzung der Ausschlusstatbestände im SGB II deren Anpassung auch im SGB XII erfolgt. Durch die neue Formulierung in § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII: "Ausländer und ihre Familienangehörigen erhalten keine Leistungen nach Absatz 1 oder nach dem Vierten Kapitel, wenn sie weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbständige noch auf Grund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts (Nr. 1), sie kein Aufenthaltsrecht haben oder sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt (Nr. 2), sie ihr Aufenthaltsrecht allein oder neben einem Aufenthaltsrecht nach Nummer 2 aus Artikel 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. L 141 vom 27.5.2011, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2016/589 (ABl. L 107 vom 22.4.2016, S. 1) geändert worden ist (Nr. 4), ableiten oder sie eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen (Nr. 4)." werde klargestellt, dass den ausgeschlossenen Personen weder ein Anspruch auf Leistungen nach § 23 Abs. 1 zusteht, noch dass ihnen Leistungen im Ermessenswege gewährt werden. (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drucks. 18/10211, S. 16).

Einer Anwendung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur bis zum 28. Dezember 2016 geltenden Rechtslage sind damit durch den Wortlaut der Vorschrift, den in der Begründung des Gesetzentwurf niedergelegten Sinn und Zweck der Regelung sowie den Gesetzesmaterialien eindeutige Grenzen gezogen.

Leistungen zur Unterstützung bei der Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland nach § 23 Abs. 3 Satz 3 bis 6 SGB XII haben die Antragsteller nicht geltend gemacht. Ferner haben die Antragsteller auch keine zwingenden Gründe vorgetragen, die einer Rückkehr in ihr Heimatland entgegenstehen, noch sind diese aus den vorliegenden Akten ersichtlich.

2. Der Antragsteller zu 2) hat keinen Anordnungsanspruch für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Juni 2017 bis 31. Mai 2018 glaubhaft gemacht. Nach Abwägung sprechen mehr Anhaltspunkte für das Vorliegen des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II als dagegen.

Ein anderes Aufenthaltsrecht als das zur Arbeitssuche, aus welchem sich ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ableiten ließe, steht dem Antragsteller zu 2) nicht zu.

Der Antragsteller zu 2) hat kein Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 FreizügG/EU in der Fassung vom 20. Juli 2017. Denn weder hat er ab dem 1. Juni 2017 eine abhängige Beschäftigung, noch eine selbständige Tätigkeit ausgeübt, noch kann er sich auf ein nachwirkendes Aufenthaltsrecht im Sinne des § 2 Abs. 3 FreizügG/EU berufen.

Ein Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 4 FreizügG/EU besteht ebenfalls nicht. Denn der Antragsteller zu 2) verfügt nicht über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel.

Der Antragsteller zu 2) ist auch kein Familienangehöriger i.S.d. §§ 2 Abs. 2 Nr. 6, 3 Abs. 2 FreizügG/EU. Denn er ist weder in Bezug auf die Antragstellerin zu 1) noch in Bezug auf deren Vater Ehegatte oder Verwandter in gerader Linie.

Der Antragsteller zu 2) kann sich auch nicht auf ein Freizügigkeitsrecht entsprechend § 11 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU i.V.m. §§ 25, 27 ff AufenthG aufgrund der Ausübung der elterlichen Sorge bezüglich der Antragstellerin zu 3) berufen.

Gem. § 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU finden die Vorschriften des AufenthG Anwendung, wenn sie eine günstigere Rechtsstellung vermitteln, als dieses Gesetz. Diesbezüglich kommt ein Aufenthaltsrecht des Antragstellers zu 2) nach § 25 Abs. 4 AufenthG in Betracht. Danach kann einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Gemäß § 27 Abs. 1 AufenthG wird eine Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes (GG) erteilt und verlängert.

Der Antragsteller zu 2) ist nicht Inhaber eines elterlichen Sorgerechtes bezüglich der Antragstellerin zu 3).

Entgegen der Ansicht der Antragssteller ist entsprechend Art. 21 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) das Recht des Staates anzuwenden, in dem sich das Kind gewöhnlich aufhält. Es findet die Vorschrift des § 1629 a BGB Anwendung. Denn die Antragstellerin zu 3) hält sich seit ihrer Geburt nach den Angaben der Antragsteller zu 1) und zu 2) gewöhnlich in der Bundesrepublik Deutschland auf. Entsprechend § 1626 a Abs. 1 Nr. 1 BGB steht den Eltern eines Kindes, welche nicht miteinander verheiratet sind, die elterliche Sorge gemeinsam zu, soweit sei erklären, die Sorge gemeinsam übernehmen zu wollen (Sorgeerklärung). Gem. § 1626 d Abs. 1 BGB muss die Sorgeerklärung öffentlich beurkundet werden, andernfalls ist die Sorgeerklärung entsprechend § 1626 e BGB unwirksam. Die Antragsteller haben eine solche öffentlich beurkundete Sorgeerklärung nicht vorgelegt. Auf die Regelungen des rumänischen Familienrechts kommt es insofern nicht an.

Der Antragsteller zu 2) kann sich auch nicht allein aufgrund des derzeitigen Zusammenlebens mit seinem Kind unter Berücksichtigung von Art. 6 Grundgesetz (GG) i.V.m. § 28 AufenthG analog oder ggf. in weiter Auslegung des § 25 Abs. 4 AufenthG auf ein Freizügigkeitsrecht entsprechend § 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU berufen und zudem auch noch geltend machen, dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht greift.

Der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 und 2 GG ist zwar eröffnet, jedoch gewährt Art. 6 GG auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt (Beschluss vom 18. Juli 1979 - 1 BvR 650/77; Beschluss vom 25. März 2011 - 2 BvR 1413/10 - zitiert nach juris). Denn eine familiäre Einheit kann danach auch durch Besuche und ggf. im Ganzen im Ausland hergestellt werden. Damit besteht aber auch keine unmittelbare Verpflichtung, für einen aufgrund der Freizügigkeitsregelungen innerhalb der EU möglichen Aufenthalt Sozialleistungen zu gewähren (vgl. auch LSG Essen, Beschluss vom 27. Juli 2017 - L 21 AS 782/17 B ER, Rn. 55 ff - zitiert nach juris). Es ist auch nicht erkennbar, dass die Lebensgemeinschaft der Eltern und des Kindes nur in der Bundesrepublik stattfinden kann (vgl. insoweit BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 1. Dezember 2008 - 2 BvR 1830/08, Rn. 27 - zitiert nach juris). Denn anders als bei den in Abschnitt 5 des AufenthG genannten Personen, ist die Rückkehr in das Heimatland, bei welchem mangels vorgetragener entgegenstehender Anhaltspunkte davon auszugehen ist, dass keine unzumutbaren Nachteile bei einer Rückkehr drohen, ohne weiteres möglich.

Auch die in der Rechtsprechung des BSG mit Blick auf den durch Art. 8 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK.) vermittelten Schutz der Familie vorgenommene besondere Situation einer bevorstehenden Familiengründung bzw. unmittelbar nach der Geburt ist hier nicht mehr anwendbar (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 - B 4 AS 54/12 R, Rn. 36; Urteil vom 20. Januar 2016 - B 14 AS 35/15 R, Rn. 29 - zitiert nach juris). Unabhängig davon, dass die vom BSG angenommenen Ausnahmesituationen auch nach der Rechtsprechung des BSG allenfalls einen vorübergehenden Aufenthalt und die Erteilung einer entsprechenden vorübergehenden Aufenthaltserlaubnis rechtfertigen, bleibt der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II hiervon unberührt. Spätestens nach Vollendung des ersten Lebensjahres des Kindes ist die Wahrung des Rechtes aus Art. 6 GG auch durch Verweis auf andere Möglichkeiten - regelmäßige Besuche bzw. Wahrnehmung der elterlichen Sorge im Heimatland - ausreichend. Dabei hat der Senat insbesondere berücksichtigt, dass die Antragsteller zu 1) und 2) beide rumänische Staatsangehörige sind und demzufolge in das selbe Heimatland mit der mittlerweile 1 1/2 Jahre alten Antragstellerin zu 3) zurückkehren könnten. Es sind auch keine Anhaltspunkte vorgetragen worden, welche die Rückkehr nach Rumänien für die Antragstellerin zu 1) und 3) als unzumutbar erscheinen lassen. Zumal diese ab dem 1. Februar 2018 ebenfalls keinen Leistungsanspruch mehr herleiten können.

Einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII kann der Antragsteller zu 2) ebenfalls nicht geltend machen (vgl. Ausführungen unter Punkt 5).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

4. Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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