L 10 AL 10/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AL 788/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 10/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 27.11.2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung eines Eingliederungszuschusses (EZ) für die Einstellung von G. F. (im Folgenden: F.).

Am 22.05.2001 ging bei der Beklagten ein von einem Gesellschafter der Klägerin ausgefülltes Antragsformular auf EZ für die Einstellung des damals 56-jährigen F. als Hausmeister ab 01.05.2001 aufgrund eines am 27.04.2001 geschlossenen Arbeitsvertrages ein. F. sei bereits vom 01.07.2000 bis 30.04.2001 dort beschäftigt gewesen und mit einem der Gesellschafter verwandt. Auf dem Antragsformular vermerkte die Beklagte eine Antragstellung am 10.05.2001.

Mit Bescheid vom 25.06.2001 lehnte die Beklagte die Gewährung eines EZ ab, denn der Antrag sei verspätet, nämlich nach Abschluss des Arbeitsvertrages und Aufnahme der Tätigkeit, gestellt worden.

Den Widerspruch hiergegen begründete die Klägerin damit, von der Beklagten sei mündlich mitgeteilt worden, die Voraussetzungen für eine Förderung seien grundsätzlich erfüllt und einer Förderung stünde nichts im Wege. Daher habe man sich die Antragsunterlagen zuschicken lassen. Auf Feinheiten hinsichtlich der zeitlichen Abfolge sei nicht hingewiesen worden. Die Datumsangaben im Arbeitsvertrag seien unzutreffend.

Die von der Beklagten beigezogenen Akten des F. enthielten einen Vermerk über einen Anruf der Klägerin - durch den Gesellschafter L. P. - vom 10.05.2001, aufgrund dessen der Klägerin Antragsunterlagen ohne Förderungszusage zugesandt worden waren. Darin fand sich zudem eine Angabe zu einem Beschäftigungsbeginn des F. am 01.05.2001.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.09.2001 zurück. Ein Anspruch auf Förderung bestehe nicht, denn gemäß § 324 Abs 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) sei der Antrag verspätet gestellt worden. Abschluss des Arbeitsvertrages und Arbeitsaufnahme seien vor dem 10.05.2001 erfolgt. Die Förderung eines Arbeitsverhältnisses mit Verwandten sei im Übrigen nur dann möglich, wenn die Initiative zur Einstellung und Vermittlung von der Beklagten ausgehe und ein Vermittlungsauftrag bezüglich des Arbeitsplatzes vorliege. Dies sei nicht der Fall gewesen. Eine besondere Härte liege nicht vor.

Mit der zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 25.06.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, einen EZ für F. zu gewähren. Der Klägerin sei mitgeteilt worden, die Voraussetzungen zur Gewährung eines Eingliederungszuschusses für F. lägen vor. Aufgrund des Telefonates vom 10.05.2001 sei die Klägerin davon ausgegangen, ein Arbeitsvertrag könne rückwirkend zum 01.05.2001 geschlossen werden. Hätte die Klägerin von der einzuhaltenden zeitlichen Abfolge Kenntnis gehabt, wäre F. nicht eingestellt worden. Von einer Verwandtschaft i.S. des Gesetzes könne nicht gesprochen werden, auch wenn F. der Vater eines der Gesellschafter wäre.

Mit Urteil vom 27.11.2002 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Antrag auf EZ sei frühestens am 10.05.2001 gestellt worden. Vorher sei jedoch bereits der Arbeitsvertrag mit F. geschlossen worden und eine Arbeitsaufnahme erfolgt. Zudem habe die Beklagte im Rahmen der Ermessensausübung das bestehende Verwandtschaftsverhältnis berücksichtigen dürfen. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch bestehe mangels unrichtiger Beratung durch die Beklagte nicht. Das Telefonat vom 10.05.2001 sei lediglich ein Informationsgespräch gewesen. Von dem Verwandtschaftsverhältnis habe die Beklagte damals nichts gewusst. Im Übrigen hätte die Klägerin bei insofern zutreffender Beratung (d.h. hier: Ablehnung des EZ), wie sie selbst ausführt, F. nicht eingestellt.

Zur Begründung der dagegen zum Bayer. Landessozialgericht eingelegten Berufung hat die Klägerin vorgetragen, ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch sei gegeben. Die Beklagte habe bei dem Telefonat mit dem Gesellschafter P. nicht darauf hingewiesen, dass eine Förderung nur in Betracht komme, wenn die Antragstellung vor Einstellung erfolge. Bei richtiger Beratung wäre F. nicht eingestellt worden. F. sei auch nicht der Vater des Geschäftsführers, er sei lediglich mit einem der Gesellschafter verwandt. Die Voraussetzung zur Förderung eines Arbeitsverhältnisses mit Verwandten habe die Beklagte nicht geprüft.

Die Klägerin beantragt: 1. Das Urteil des SG Nürnberg, Az: S 13 AL 788/01, vom 27.11.2002 wird aufgehoben. 2. Der Bescheid der Beklagten vom 25.06.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2001 wird aufgehoben. 3. Die Beklagte wird verurteilt, für die Einstellung des Herrn G. F. einen Eingliederungszuschuss zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 27.11.2002 - S 13 AL 788/01 - als unbegründet zurückzuweisen.

Bei dem Telefonat vom 10.05.2001 sei erklärt worden, grundsätzlich lägen die Anspruchsvoraussetzungen zur Förderung vor. Hinweise durch die Klägerin dazu, dass F. bereits eingestellt worden bzw. dass er mit einem Gesellschafter verwandt sei, seien nicht erfolgt, so dass sich kein diesbezüglicher Beratungsanlass ergeben habe. Aber selbst bei Unterstellung eines Beratungsfehlers wäre ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch nicht gegeben, denn F. wäre bei zutreffender Beratung nicht eingestellt worden. Die Voraussetzungen für eine Förderung eines Arbeitsverhältnisses mit Verwandten lägen nicht vor.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erkärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 25.06.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2001 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Gewährung eines EZ für die Einstellung des F.

EZ können erbracht werden zur Einarbeitung, bei erschwerter Vermittlung oder für ältere Arbeitnehmer (§ 218 Abs 1 SGB III in der vom 01.08.1999 bis 30.06.2001 geltenden Fassung).

Unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für die Gewährung eines EZ hier vorliegen, werden Leistungen der Arbeitsförderung - wie vorliegend begehrt (§ 3 Abs 2, Abs 5 SGB III) - nur erbracht, wenn sie vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses beantragt worden sind (§ 324 Abs 1 Satz 1 SGB III).

Diese erforderliche zeitliche Reihenfolge hat die Klägerin nach dem vorliegenden Sachverhalt nicht eingehalten. Den formlosen (Niesel, SGB III § 323 Rdnr 6) Antrag auf EZ hat sie frühestens am 10.05.2001 (Telefonat mit der Beklagten) gestellt. Für ein früheres Antragsdatum finden sich keine Anhaltspunkte. Lt. den Angaben der Klägerin im Antragsformular ist der Arbeitsvertrag mit F. am 27.04.2001 geschlossen und F. ab 01.05.2001 beschäftigt worden. Diese Angabe zum Beschäftigungsbeginn findet sich auch in den Akten des F. Ob die Datumsangabe im Arbeitsvertrag unzutreffend ist - wie die Klägerin im Widerspruch angibt - ist unerheblich, denn F. hat die Tätigkeit bereits am 01.05.2001 aufgenommen, so dass bereits zu diesem Zeitpunkt ein - ggf. mündlich - geschlossener Arbeitsvertrag vorliegt. Im Übrigen wird von der Klägerin nicht behauptet, die Angaben im Antragsformular seien unzutreffend.

Zur Vermeidung unbilliger Härten kann das Arbeitsamt aber eine verspätete Antragstellung zulassen (§ 324 Abs 1 Satz 2 SGB III), d.h. der Antragsteller ist so zu stellen, als habe er den Antrag rechtzeitig gestellt (Niesel aaO § 324 Rdnr 9). Dabei setzt die nachträgliche Zulassung aber voraus, dass der Antragsteller die verspätete Antragstellung nicht zu vertreten hat (vgl. Niesel aaO) bzw. ihn ein geringes Verschulden trifft und die Folgen erheblich sind (vgl. BayLSG, Urteil vom 27.11.2001 - L 9 AL 53/01 - veröffentl. in Juris; Hessisches LSG, Urteil vom 14.02.2001 - L 6 AL 926/00 - veröffentl. in Juris; Hünecke in Gagel, SGB III, § 324 Rdnr 17, Stand Nov.2003). Beim Begriff der unbilligen Härte handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, bei dem der Beklagten ein Bewertungsspielraum nicht zuerkannt werden kann. Er steht allerdings in unlösbarem Zusammenhang mit dem Ermessensspielraum bei der Entscheidung über die Zulassung einer verspäteten Antragstellung (BayLSG aaO mwN). Wie dieser Zusammenhang mit der Ermessensentscheidung, die gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist, zu lösen ist, ist vorliegend nicht zu klären, denn die Antragstellung erst am 10.05.2001 bei Abschluss eines Arbeitsvertrages bereits am 27.04.2001 und Beschäftigungsbeginn am 01.05.2001 ist allein durch die Klägerin zu vertreten. Ein lediglich geringes Verschulden sowie ein irgendwie geartetes Mitverschulden eines Dritten oder der Beklagten ist nicht zu erkennen. Eine - unterstellte - fehlerhafte Beratung durch die Beklagte am 10.05.2001, dem Zeitpunkt der Antragstellung, hat den Abschluss eines Arbeitsvertrages am 27.04.2001 bzw. den Beschäftigungsbeginn am 01.05.2001 nicht mehr beeinflussen können. Unerheblich ist dabei, ob auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages oder des Beginns des Beschäftigungsverhältnisses abzustellen ist (BayLSG aaO; LSG Niedersachsen, Urteil vom 27.03.2003 - L 8 AL 387/02 - veröffentl. in Juris; andererseits: LSG Baden Württemberg, Urteil vom 18.10.2001 - L 12 AL 1755/01 - veröffentl. in Juris). Evtl. Unkenntnis über das Bestehen eines Anspruches auf EZ bei rechtzeitiger Antragstellung reicht nicht, um einen verspäteten Antrag zuzulassen (vgl. Niesel aaO). Weitere Anhaltspunkte für das Vorliegen einer besonderen Härte sind nicht ersichtlich und werden von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.

Damit liegen bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Annahme einer besonderen Härte nicht vor. Eine Ermessensentscheidung darüber, ob bei Vorliegen einer besonderen Härte eine verspätete Antragstellung zugelassen wird, hat die Beklagte somit nicht zu treffen.

Auch eine Gewährung eines EZ von Amts wegen (§ 323 Abs 1 Satz 3 SGB III) kommt nicht in Betracht, denn die Beklagte hatte, nachdem F. bereits einen Arbeitsvertrag geschlossen und die Beschäftigung aufgenommen hatte, keine Möglichkeit mehr, darauf Einfluss zu nehmen, für welchen Arbeitnehmer der EZ erbracht werden sollte. Die Gewährung von Amts wegen ist aber Ausdruck des Grundsatzes, dass die Beklagte aktiv zur Pflege des Arbeitsmarktes, zur Wiedereingliederung der Arbeitslosen und zur Wahrung der Chancengleichheit Benachteiligter tätig werden muss (Hünecke aaO § 323 Rdnr 34, Stand Juli 2003), also Einfluss auf die Förderung nehmen können muss. Diese Möglichkeit bestand vorliegend nicht mehr.

Offen bleiben kann daher, ob die Beklagte im Rahmen der Ermessensausübung das Verwandtschaftsverhältnis zwischen F. und einem der Gesellschafter berücksichtigen kann und dies hier auch zutreffend getan hat. Ebenso wenig ist auf die Bedeutung der Tatsache einzugehen, dass F. bereits vom 01.07.2000 bis 30.04.2001 bei der Klägerin beschäftigt war.

Ein Anspruch auf Gewährung eines EZ ergibt sich auch nicht auf Grundlage des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches (§§ 14, 15 Erstes Buch Sozialgesetzbuch -SGB I-), wenn durch pflichtwidriges Verhalten der Beklagten eine verspätete Antragstellung erfolgt ist (Niesel aaO Anhang zu § 323 Rdnr 36). Voraussetzung hierfür ist, dass eine Pflichtverletzung der Beklagten ursächlich für einen bei der Klägerin eingetretenen sozialrechtlichen Nachteil gewesen ist (vgl. Niesel aaO Rdnr 28; vgl. auch Gagel aaO Vor § 323 Rdnr 90c jeweils mit weiteren Hinweisen auf die Rspr.). Nicht zu kären ist dabei die Frage, ob ein solcher sozialrechtlicher Herstellungsanspruch neben der Möglichkeit der Zulassung einer verspäteten Antragstellung überhaupt eingreifen kann (vgl. hierzu: Hessisches LSG aaO, Hünecke aaO § 324 Rdnr 60), denn es fehlt bereits an der Ursächlichkeit eines - unterstellten - Beratungsfehlers der Beklagten. Die Einstellung des F. ist nämlich bereits erfolgt, als die Beratung, die nach Auffassung der Klägerin fehlerhaft gewesen sein soll, stattfand (vgl. oben). Im Übrigen ist der Klägerin auch kein Schaden oder Nachteil entstanden, der über diese Anspruchsgrundlage ausgeglichen werden könnte, denn wie sie selbst angibt, hätte sie F. bei zutreffender Beratung nicht eingestellt. Dann aber hätte sie auch keinen Anspruch auf EZ. Allein dies könnte jedoch durch den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch "hergestellt" werden. Damit ist ihr durch die - unterstellte - fehlerhafte Beratung kein Anspruch auf EZ entgangen.

Eine Korrektur des Zeitpunktes des Abschlusses des Arbeitsvertrages und des Einstellungszeitpunktes über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ist nicht möglich. Hierauf hat die Beklagte keinen Einfluss. Eine Änderung kann nicht durch zulässige Amtshandlung erfolgen (vgl. hierzu Gagel aaO Vor § 323 Rdnr 100a). Zudem sind Begebenheiten tatsächlicher Art, wie hier der Beschäftigungsbeginn, nicht durch einen Herstellungsanspruch i.d.R. zu ersetzen (vgl. Niesel aaO § 323 Rdnr 37).

Auch auf eine Zusicherung, sofern eine solche bei dem Telefonat am 10.05.2001 erteilt worden sein sollte, kann sich die Klägerin nicht berufen, denn diese bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform (§ 34 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch -SGB X-).

Nach alledem ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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