Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AL 496/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 182/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
I. Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 17.04.2000 sowie der Bescheid vom 02.09.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.12.1999 aufgehoben. II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Rücknahme der Alhi-Bewilligung für die Zeit vom 30.06.1998 bis 04.07.1999 und Erstattung zu Unrecht bezogener Leistungen in Höhe von 22.280,10 DM.
Der am 1954 geborene israelische Staatsangehörige war zuletzt vom 01.05.1995 bis 30.06.1997 als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Universität B. beschäftigt und bezog von der Beklagten vom 01.07.1997 bis 29.06.1998 (Erschöpfung des Anspruchs) Arbeitslosengeld (Alg). Anschließend beantragte er Arbeitslosenhilfe (Alhi). Im Antrag vom 26.05.1998 verneinte er die Fragen nach Einkommen und Vermögen, insbesondere nach Bargeld und Bankguthaben. Freistellungsaufträge habe er nicht erteilt.
Mit Bescheid vom 16.06.1998 bewilligte die Beklagte Anschluss-Alhi ab 30.06.1998 (Ende des Bewilligungsabschnitts 29.06.1999). Im Fortzahlungsantrag vom 27.05.1999 verneinte der Kläger weiterhin die Fragen nach dem Vorhandensein von Einnahmen und von Freistellungsaufträgen; die Frage nach Bankguthaben ließ er unbeantwortet. Im Juni 1999 erhielt die Beklagte einen Hinweis über beim Bundesamt für Finanzen gespeicherte Freistellungsaufträge des Klägers. Sie bewilligte daher Alhi ab 30.06.1999 lediglich vorläufig (Bescheid vom 17.06.1999). Der Kläger gab hierzu an, es handele sich um zwei Sparkonten bei der C.bank bzw C.bank über zusammen ca 100.000,00 DM. Das Geld gehöre seinem in Israel wohnhaften Bruder T. S. bzw seinem in Catar wohnhaften Cousin B. F ... Er verwalte dieses Geld lediglich. Sein Bruder habe das Geld in der sicheren DM-Währung anlegen wollen und sein Cousin (Inhaber einer Schokoladenfabrik) benötige für gelegentliche Einkäufe in Deutschland inländische Zahlungsmittel.
Der Kläger legte in diesem Zusammenhang die Kopien einer Bestätigung seines Cousin vom 01.07.1999 mit Unterschriftsbeglaubigung vom 25.07.1999 in englischer Sprache sowie einer eidlichen Erklärung seines Bruders vom 15.07.1999 mit notarieller Unterschriftsbeglaubigung in deutscher Übersetzung und Freistellungsaufträge für die Bausparkasse W. und C.bank vor.
Nach Anhörung des Klägers - er brachte vor, über die Geldbeträge keine Verfügungsbefugnis zu besitzen - hob die Beklagte mit Bescheid vom 02.09.1999 die Bewilligung von Alhi mit Wirkung vom 30.06.1998 ganz auf, nahm die Bescheide vom 16.06.1998/ 17.06.1999 zurück und forderte Erstattung von 22.280,10 DM (Zeitraum 30.06.1998 bis 04.07.1999). Der Kläger sei im Besitz verwertbaren Vermögens in Höhe von 93.468,88 DM gewesen (80.000,00 DM P.bank, 21.468,88 DM C.bank abzüglich 8.000,00 DM Freibetrag), so dass Bedürftigkeit für 60 Wochen (93.468,88 DM: 1.540,00 DM wöchentliches Arbeitsentgelt) nicht vorgelegen habe.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 08.12.1999 zurück, weil der Kläger keinen Beweis dafür erbracht habe, dass nur Bruder/Cousin über das Geld verfügen könnten. Diese hätten vielmehr keine Zugriffsmöglichkeit auf die Konten.
Mit Bescheid vom 10.12.1999 forderte die Beklagte ferner Erstattung der Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 10.211,14 DM. Dieses Verwaltungs-/Widerspruchsverfahren ruht nach dem Willen der Beteiligten.
Gegen den Bescheid vom 02.09.1999/Widerspruchsbescheid vom 08.12.1999 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben und beantragt, die genannten Bescheide aufzuheben. Er habe an dem Geld seiner Verwandten kein Eigentum erworben, da er dieses lediglich verwalte. Aus banktechnischen Gründen könnten seine im Ausland wohnhaften Verwandten im Inland kein Konto eröffnen.
Mit Gerichtsbescheid vom 17.04.2000 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger sei vom 30.06.1998 bis 23.08.1999 nicht bedürftig gewesen, da er über auf seinen Namen ohne Zugriffsmöglichkeit anderer angelegtes verwertbares Vermögen über 100.000,00 DM verfügt habe. Dieses habe er bei Antragstellung verschwiegen. Somit sei die Bewilligung von Alhi von Anfang an rechtswidrig erfolgt.
Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen: Die Geldbeträge seien ihm von den Verwandten in bar übergeben worden. Er habe von Anfang an über das gesamte Vermögen Verfügungsberechtigung gehabt, den Konten für eigene Zwecke jedoch nie Geld entnommen. Das SG hätte Bruder und Cousin als Zeugen hören müssen. Hätte das Geld ihm gehört, hätte er eine längerfristige Anlagemöglichkeit gewählt. Die Freistellungsaufträge habe er aus Naivität gestellt und um keine Probleme mit den Behörden zu bekommen.
Der Senat hat den Kläger durch den Berichterstatter zur Herkunft des Geldes und des Verwendungszwecks befragt. Auf die Niederschrift vom 22.08.2002 wird insoweit verwiesen.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 17.04.2000 sowie den Bescheid vom 02.09.1999 und den Widerspruchsbescheid vom 08.12.1999 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 17.04.2000 zurückzuweisen.
Bruder und Cousin des Klägers hätten keine Verfügungsmöglichkeit über das Vermögen gehabt. Es sei daher davon auszugehen, dass der Kläger Inhaber des Vermögens gewesen sei. Der Kläger habe sein anders lautendes Vorbringen nicht beweisen können. Die Erklärungen der Verwandten stimmten mit den Kontobewegungen bei C.- und C.bank nicht überein. Damit seien sie nicht geeignet, die Richtigkeit des klägerischen Vorbringens zur Existenz der Konten zu belegen. Aus der Anlageform selbst könne nicht auf die Eigentumsverhältnisse geschlossen werden. Die Verwandten hätten durchaus die Möglichkeit gehabt, in der Bundesrepublik Deutschland auf eigenem Namen ein Konto zu eröffnen. Nicht entscheidend sei bei der Berücksichtigung des Vermögens, auf welche Art und Weise es erworben worden sei.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Leistungsakten der Beklagten (Az: 719-245274) sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 141, 142, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und begründet. Das SG hätte die Klage nicht abweisen dürfen, denn die Beklagte hat die Bewilligung von Alhi zu Unrecht zurückgenommen.
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil das Einverständnis der Beteiligten vorliegt (§ 124 Abs 2 SGG).
Die Beklagte kann sich nicht auf § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X berufen, denn die Alhi-Bewilligung beruhte nicht auf unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Klägers. Zwar hat dieser bei der Antragstellung vom 26.05.1998 das Vorhandensein von Bankguthaben verneint und im Antrag vom 27.05.1999 offen gelassen. Dieses Verhalten war jedoch nicht ursächlich für eine rechtswidrige Leistungsgewährung, denn das Bankguthaben war bei der Bewilligung von Alhi nicht als verwertbares Vermögen zu berücksichtigen.
Nach § 190 Abs 1 Nr 5 Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung (SGB III) in der ab 01.01.1998 bis 31.12.1999 geltenden Fassung setzt der Anspruch auf Alhi Bedürftigkeit voraus. Nicht bedürftig ist ein Arbeitsloser, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen, das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder das Vermögen einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist (§ 193 Abs 2 SGB III in der ab 01.01.1998 bis 31.07.2001 geltenden Fassung). Nach § 6 Abs 1 der Arbeitslosenhilfeverordnung (AlhiV; gültig ab 29.06.1999 bis 31.07.2001) ist Vermögen zu berücksichtigen, soweit es verwertbar ist, die Verwertung zumutbar ist und der Wert des Vermögens, dessen Verwertung zumutbar ist, jeweils 8.000,00 DM nicht übersteigt.
Der Kläger war zum Zeitpunkt der Antragstellung am 26.05.1998 Inhaber eines Sparkontos bei der C.zbank in Höhe von ca 55.000,00 DM und eines weiteren Sparkontos bei der C.bank in Höhe von 20.000,00 DM. Als Inhaber dieser Sparkonten war der Kläger bezüglich der genannten Forderungen Gläubiger der Banken (BGH NJW 1994, 931 f). Der Kläger macht allerdings geltend, dass die Guthaben nicht ihm, sondern seinem Bruder bzw seinem Cousin gehört haben.
Grundsätzlich trägt die Beklagte bei einer auf § 45 SGB X gestützten Rücknahme die volle Beweislast für die Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Verwaltungsaktes. Diesen Beweis hat die Beklagte unter Hinweis auf die Sparguthaben erbracht. Dem Kläger trifft allerdings im Wege der Umkehr der Beweislast die objektive Beweislast dafür, dass er trotz der Inhaberschaft der Konten zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Alhi bedürftig war mit der Folge, dass die Voraussetzungen des § 45 SGB X nicht vorlagen (LSG Brandenburg, Urteil vom 28.08.1997, E-LSG AL 165).
Diesen Nachweis hat der Kläger zur Überzeugung des Senats erbracht und zwar durch Vorlage der notariell beglaubigten Erklärungen seines Bruders vom 15.07.1999 und der ebenfalls beglaubigten Bestätigung seines Cousins vom 25.07.1999. Aus diesen Urkunden - deren Echtheit anzuzweifeln kein Anlass besteht - wird deutlich, dass der Bruder ihm 30.000,00 DM im Vertrauen auf die Stabilität der Deutschen Mark übergeben hat, um diesen Betrag in Deutschland anzulegen und durch den Kläger verwalten zu lassen. Der Cousin erklärte, er habe dem Kläger von 1996 bis Februar 1999 treuhänderisch während seiner Besuche in Deutschland 60.000,00 DM ausgehändigt, die nur für Firmenzwecke verwendet werden durften. Damit steht für den Senat fest, dass es dem Kläger nicht erlaubt war, das Geld für eigene Zwecke zu verwenden. In der Tat ist den vorgelegten Kontoauszügen eine eigene Verwendung des Geldes durch den Kläger nicht zu entnehmen. Aus der Tatsache, dass der Kläger Freistellungsaufträge erteilt hat, kann nicht auf eine private Verwendung der Guthaben geschlossen werden.
Das BSG hat entschieden, dass bei der Bedürftigkeitsprüfung eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten ist. So hat es Geldmittel, die von Anfang an mit einer Rückzahlungspflicht verbunden sind, vom Einkommensbegriff ausgenommen, weil sie dem Arbeitslosen nicht endgültig zur Verwendung zur Verfügung stehen und deshalb nicht zur Bestreitung des Lebensunterhaltes herangezogen werden können (BSG SozR 4100 § 138 Nr 11; BSG SozR 3-4100 § 137 Nr 12; BSG SozR 3-4200 § 6 Nr 8). Im vorliegenden Fall ist die Rechtslage vergleichbar, weil der Kläger nicht für eigene Zwecke über die Guthaben verfügen durfte.
Im Übrigen ist nach § 6 Abs 2 Satz 2 AlhiV Vermögen nicht verwertbar, soweit der Inhaber des Vermögens in der Verfügung beschränkt ist und die Aufhebung der Beschränkung nicht erreichen kann. Von einer solchen Beschränkung ist auch im vorliegenden Fall auszugehen. Bei Annahme einer Pflicht zur Verwertung des treuhänderischen Vermögens zur Beseitigung der Bedürftigkeit würde der Kläger nämlich verpflichtet, die mit Bruder/Cousin geschlossenen Verträge zu brechen. Dies kann nicht verlangt werden (BSG SozR 4100 § 138 Nr 3; BSG SozR 3-4100 § 137 Nr 12 mwN). Damit liegt eine rechtliche Unverwertbarkeit des Vermögens vor (VGH Mannheim NJW 93, 152). Die Beklagte war daher nicht berechtigt, die Alhi-Bewilligung aufzuheben.
Auf die Berufung des Klägers ist daher der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 17.04.2000 und der Bescheid vom 02.09.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.12.1999 aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Rücknahme der Alhi-Bewilligung für die Zeit vom 30.06.1998 bis 04.07.1999 und Erstattung zu Unrecht bezogener Leistungen in Höhe von 22.280,10 DM.
Der am 1954 geborene israelische Staatsangehörige war zuletzt vom 01.05.1995 bis 30.06.1997 als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Universität B. beschäftigt und bezog von der Beklagten vom 01.07.1997 bis 29.06.1998 (Erschöpfung des Anspruchs) Arbeitslosengeld (Alg). Anschließend beantragte er Arbeitslosenhilfe (Alhi). Im Antrag vom 26.05.1998 verneinte er die Fragen nach Einkommen und Vermögen, insbesondere nach Bargeld und Bankguthaben. Freistellungsaufträge habe er nicht erteilt.
Mit Bescheid vom 16.06.1998 bewilligte die Beklagte Anschluss-Alhi ab 30.06.1998 (Ende des Bewilligungsabschnitts 29.06.1999). Im Fortzahlungsantrag vom 27.05.1999 verneinte der Kläger weiterhin die Fragen nach dem Vorhandensein von Einnahmen und von Freistellungsaufträgen; die Frage nach Bankguthaben ließ er unbeantwortet. Im Juni 1999 erhielt die Beklagte einen Hinweis über beim Bundesamt für Finanzen gespeicherte Freistellungsaufträge des Klägers. Sie bewilligte daher Alhi ab 30.06.1999 lediglich vorläufig (Bescheid vom 17.06.1999). Der Kläger gab hierzu an, es handele sich um zwei Sparkonten bei der C.bank bzw C.bank über zusammen ca 100.000,00 DM. Das Geld gehöre seinem in Israel wohnhaften Bruder T. S. bzw seinem in Catar wohnhaften Cousin B. F ... Er verwalte dieses Geld lediglich. Sein Bruder habe das Geld in der sicheren DM-Währung anlegen wollen und sein Cousin (Inhaber einer Schokoladenfabrik) benötige für gelegentliche Einkäufe in Deutschland inländische Zahlungsmittel.
Der Kläger legte in diesem Zusammenhang die Kopien einer Bestätigung seines Cousin vom 01.07.1999 mit Unterschriftsbeglaubigung vom 25.07.1999 in englischer Sprache sowie einer eidlichen Erklärung seines Bruders vom 15.07.1999 mit notarieller Unterschriftsbeglaubigung in deutscher Übersetzung und Freistellungsaufträge für die Bausparkasse W. und C.bank vor.
Nach Anhörung des Klägers - er brachte vor, über die Geldbeträge keine Verfügungsbefugnis zu besitzen - hob die Beklagte mit Bescheid vom 02.09.1999 die Bewilligung von Alhi mit Wirkung vom 30.06.1998 ganz auf, nahm die Bescheide vom 16.06.1998/ 17.06.1999 zurück und forderte Erstattung von 22.280,10 DM (Zeitraum 30.06.1998 bis 04.07.1999). Der Kläger sei im Besitz verwertbaren Vermögens in Höhe von 93.468,88 DM gewesen (80.000,00 DM P.bank, 21.468,88 DM C.bank abzüglich 8.000,00 DM Freibetrag), so dass Bedürftigkeit für 60 Wochen (93.468,88 DM: 1.540,00 DM wöchentliches Arbeitsentgelt) nicht vorgelegen habe.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 08.12.1999 zurück, weil der Kläger keinen Beweis dafür erbracht habe, dass nur Bruder/Cousin über das Geld verfügen könnten. Diese hätten vielmehr keine Zugriffsmöglichkeit auf die Konten.
Mit Bescheid vom 10.12.1999 forderte die Beklagte ferner Erstattung der Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 10.211,14 DM. Dieses Verwaltungs-/Widerspruchsverfahren ruht nach dem Willen der Beteiligten.
Gegen den Bescheid vom 02.09.1999/Widerspruchsbescheid vom 08.12.1999 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben und beantragt, die genannten Bescheide aufzuheben. Er habe an dem Geld seiner Verwandten kein Eigentum erworben, da er dieses lediglich verwalte. Aus banktechnischen Gründen könnten seine im Ausland wohnhaften Verwandten im Inland kein Konto eröffnen.
Mit Gerichtsbescheid vom 17.04.2000 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger sei vom 30.06.1998 bis 23.08.1999 nicht bedürftig gewesen, da er über auf seinen Namen ohne Zugriffsmöglichkeit anderer angelegtes verwertbares Vermögen über 100.000,00 DM verfügt habe. Dieses habe er bei Antragstellung verschwiegen. Somit sei die Bewilligung von Alhi von Anfang an rechtswidrig erfolgt.
Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen: Die Geldbeträge seien ihm von den Verwandten in bar übergeben worden. Er habe von Anfang an über das gesamte Vermögen Verfügungsberechtigung gehabt, den Konten für eigene Zwecke jedoch nie Geld entnommen. Das SG hätte Bruder und Cousin als Zeugen hören müssen. Hätte das Geld ihm gehört, hätte er eine längerfristige Anlagemöglichkeit gewählt. Die Freistellungsaufträge habe er aus Naivität gestellt und um keine Probleme mit den Behörden zu bekommen.
Der Senat hat den Kläger durch den Berichterstatter zur Herkunft des Geldes und des Verwendungszwecks befragt. Auf die Niederschrift vom 22.08.2002 wird insoweit verwiesen.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 17.04.2000 sowie den Bescheid vom 02.09.1999 und den Widerspruchsbescheid vom 08.12.1999 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 17.04.2000 zurückzuweisen.
Bruder und Cousin des Klägers hätten keine Verfügungsmöglichkeit über das Vermögen gehabt. Es sei daher davon auszugehen, dass der Kläger Inhaber des Vermögens gewesen sei. Der Kläger habe sein anders lautendes Vorbringen nicht beweisen können. Die Erklärungen der Verwandten stimmten mit den Kontobewegungen bei C.- und C.bank nicht überein. Damit seien sie nicht geeignet, die Richtigkeit des klägerischen Vorbringens zur Existenz der Konten zu belegen. Aus der Anlageform selbst könne nicht auf die Eigentumsverhältnisse geschlossen werden. Die Verwandten hätten durchaus die Möglichkeit gehabt, in der Bundesrepublik Deutschland auf eigenem Namen ein Konto zu eröffnen. Nicht entscheidend sei bei der Berücksichtigung des Vermögens, auf welche Art und Weise es erworben worden sei.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Leistungsakten der Beklagten (Az: 719-245274) sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 141, 142, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und begründet. Das SG hätte die Klage nicht abweisen dürfen, denn die Beklagte hat die Bewilligung von Alhi zu Unrecht zurückgenommen.
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil das Einverständnis der Beteiligten vorliegt (§ 124 Abs 2 SGG).
Die Beklagte kann sich nicht auf § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X berufen, denn die Alhi-Bewilligung beruhte nicht auf unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Klägers. Zwar hat dieser bei der Antragstellung vom 26.05.1998 das Vorhandensein von Bankguthaben verneint und im Antrag vom 27.05.1999 offen gelassen. Dieses Verhalten war jedoch nicht ursächlich für eine rechtswidrige Leistungsgewährung, denn das Bankguthaben war bei der Bewilligung von Alhi nicht als verwertbares Vermögen zu berücksichtigen.
Nach § 190 Abs 1 Nr 5 Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung (SGB III) in der ab 01.01.1998 bis 31.12.1999 geltenden Fassung setzt der Anspruch auf Alhi Bedürftigkeit voraus. Nicht bedürftig ist ein Arbeitsloser, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen, das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder das Vermögen einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist (§ 193 Abs 2 SGB III in der ab 01.01.1998 bis 31.07.2001 geltenden Fassung). Nach § 6 Abs 1 der Arbeitslosenhilfeverordnung (AlhiV; gültig ab 29.06.1999 bis 31.07.2001) ist Vermögen zu berücksichtigen, soweit es verwertbar ist, die Verwertung zumutbar ist und der Wert des Vermögens, dessen Verwertung zumutbar ist, jeweils 8.000,00 DM nicht übersteigt.
Der Kläger war zum Zeitpunkt der Antragstellung am 26.05.1998 Inhaber eines Sparkontos bei der C.zbank in Höhe von ca 55.000,00 DM und eines weiteren Sparkontos bei der C.bank in Höhe von 20.000,00 DM. Als Inhaber dieser Sparkonten war der Kläger bezüglich der genannten Forderungen Gläubiger der Banken (BGH NJW 1994, 931 f). Der Kläger macht allerdings geltend, dass die Guthaben nicht ihm, sondern seinem Bruder bzw seinem Cousin gehört haben.
Grundsätzlich trägt die Beklagte bei einer auf § 45 SGB X gestützten Rücknahme die volle Beweislast für die Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Verwaltungsaktes. Diesen Beweis hat die Beklagte unter Hinweis auf die Sparguthaben erbracht. Dem Kläger trifft allerdings im Wege der Umkehr der Beweislast die objektive Beweislast dafür, dass er trotz der Inhaberschaft der Konten zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Alhi bedürftig war mit der Folge, dass die Voraussetzungen des § 45 SGB X nicht vorlagen (LSG Brandenburg, Urteil vom 28.08.1997, E-LSG AL 165).
Diesen Nachweis hat der Kläger zur Überzeugung des Senats erbracht und zwar durch Vorlage der notariell beglaubigten Erklärungen seines Bruders vom 15.07.1999 und der ebenfalls beglaubigten Bestätigung seines Cousins vom 25.07.1999. Aus diesen Urkunden - deren Echtheit anzuzweifeln kein Anlass besteht - wird deutlich, dass der Bruder ihm 30.000,00 DM im Vertrauen auf die Stabilität der Deutschen Mark übergeben hat, um diesen Betrag in Deutschland anzulegen und durch den Kläger verwalten zu lassen. Der Cousin erklärte, er habe dem Kläger von 1996 bis Februar 1999 treuhänderisch während seiner Besuche in Deutschland 60.000,00 DM ausgehändigt, die nur für Firmenzwecke verwendet werden durften. Damit steht für den Senat fest, dass es dem Kläger nicht erlaubt war, das Geld für eigene Zwecke zu verwenden. In der Tat ist den vorgelegten Kontoauszügen eine eigene Verwendung des Geldes durch den Kläger nicht zu entnehmen. Aus der Tatsache, dass der Kläger Freistellungsaufträge erteilt hat, kann nicht auf eine private Verwendung der Guthaben geschlossen werden.
Das BSG hat entschieden, dass bei der Bedürftigkeitsprüfung eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten ist. So hat es Geldmittel, die von Anfang an mit einer Rückzahlungspflicht verbunden sind, vom Einkommensbegriff ausgenommen, weil sie dem Arbeitslosen nicht endgültig zur Verwendung zur Verfügung stehen und deshalb nicht zur Bestreitung des Lebensunterhaltes herangezogen werden können (BSG SozR 4100 § 138 Nr 11; BSG SozR 3-4100 § 137 Nr 12; BSG SozR 3-4200 § 6 Nr 8). Im vorliegenden Fall ist die Rechtslage vergleichbar, weil der Kläger nicht für eigene Zwecke über die Guthaben verfügen durfte.
Im Übrigen ist nach § 6 Abs 2 Satz 2 AlhiV Vermögen nicht verwertbar, soweit der Inhaber des Vermögens in der Verfügung beschränkt ist und die Aufhebung der Beschränkung nicht erreichen kann. Von einer solchen Beschränkung ist auch im vorliegenden Fall auszugehen. Bei Annahme einer Pflicht zur Verwertung des treuhänderischen Vermögens zur Beseitigung der Bedürftigkeit würde der Kläger nämlich verpflichtet, die mit Bruder/Cousin geschlossenen Verträge zu brechen. Dies kann nicht verlangt werden (BSG SozR 4100 § 138 Nr 3; BSG SozR 3-4100 § 137 Nr 12 mwN). Damit liegt eine rechtliche Unverwertbarkeit des Vermögens vor (VGH Mannheim NJW 93, 152). Die Beklagte war daher nicht berechtigt, die Alhi-Bewilligung aufzuheben.
Auf die Berufung des Klägers ist daher der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 17.04.2000 und der Bescheid vom 02.09.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.12.1999 aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
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