S 26 U 2/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 26 U 2/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte eine Verbrühung der Hand, die sich der Kläger bei der Zubereitung von Kaffee am Arbeitsplatz zugezogen hat, als einen Arbeitsunfall zu entschädigen hat.

Der als Putzerei-Arbeiter in einem Gießerei-Unternehmen beschäftigte Kläger stellte sich am 00.00.2001 in der chirurgischen Ambulanz des Klinikum O, W, vor und gab an, er habe sich gegen ca. 18:00 Uhr im Betrieb heißes Kaffeewasser über die linke Hand gegossen. Der Durchgangsarzt diagnostizierte im wesentlichen eine Verbrühung der linken Hand an Rücken und Innenfläche (Grad II b). Bis zum 00.00.2001 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung.

Die H mbH - Werk C - W teilte in der Unfallanzeige vom 11.07.2001 mit: Der Kläger habe Kaffeewasser in einem Warmwasseraufbereiter erhitzt und das heiße Wasser anschließend in eine Kaffeemaschine gefüllt. Dabei sei ihm die Kanne entglitten. Der Kläger habe diese Kanne reflexartig auffangen wollen, wobei er sich kochendheißes Wasser über die linke Hand gegossen habe. Die TÜV-Anlagentechnik GmbH E teilte für die Arbeitgeberein unter dem 16.07.2001 ergänzend mit, dass das Kaffeewasser ausschließlich für den eigenen Gebrauch aufgesetzt worden sei.

Der Kläger erhob gegen den ablehnenden Bescheid vom 06.09.2001, den die Beklagte im wesentlichen damit begründete, dass die unfallbringende Tätigkeit eine eigenwirtschaftliche und damit unversicherte Tätigkeit gewesen sei, Widerspruch: Der Schutzbereich von § 8 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) umfasse im Einzelfall sehr wohl auch derartige Tätigkeiten. Vorliegend sei ein Getränk beschafft worden, um die Arbeitskraft zu erhalten. Die um 13:30 Uhr begonnene Schicht habe bis 21:00 Uhr gedauert. Wegen der Staub- und Schmutzentwicklung seien die Mitarbeiter gezwungen gewesen, gelegentlich Getränke zu sich zu nehmen. Die Zubereitung von Kaffee sei dort ständig praktiziert und von den Vorgesetzten auch gebilligt worden.

Die Beklagte führte zur Begründung des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2001 im wesentlichen aus: Das Essen und das Trinken seien im allgemeinen dem persönlichen und daher unversicherten Lebensbereich zuzuordnen. Hinreichende Gründe dafür, dass die Zubereitung und Einnahme von Getränken für Putzerei-Arbeiter versichert, für andere Arbeitnehmer aber nicht versichert sein solle, seien nicht ersichtlich.

Der Kläger trägt zur Begründung der dagegen binnen Monatsfrist erhobenen Klage ergänzend vor: Die Mitarbeiter des Unternehmens konsumierten insbesondere während der Abendstunden regelmäßig Kaffee, um die erforderliche Aufmerksamkeit auch zu fortgeschrittener Tageszeit aufrecht zu erhalten. Da die im Betrieb vorhandene Kaffeemaschine das Wasser nicht hinreichend erhitze, werde es stets in einem Durchlauferhitzer vorgeheizt. Das Heißwassergerät sei im Büro des Vorarbeiters installiert. Ein Getränke-Automat, der nicht weit von der Arbeitsstelle entfernt in einem Flur stehe, werde von seiten des Klägers und seiner Kollegen kaum dazu genutzt, um Limonade oder Kaffee zu ziehen. Der selbst zubereitete Kaffee sei preiswerter und überdies von besserer Qualität.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.09.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2001 zu verpflichten, das Unfallereignis vom 00.00.2001 als Arbeitsunfall im Sinne von §§ 8, 2 Absatz 1 SGB VII zu entschädigen, hilfsweise, die Berufung zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten, deren wesentlicher Inhalt ebenfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Bescheid vom 06.09.2001 und der Widerspruchsbescheid vom 17.12.2001 beschweren den Kläger nicht nach § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Diese Bescheide sind nicht rechtswidrig. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, dem Kläger wegen der Folgen des Unfallereignisses, von dem er am frühen Abend des 00.00.2001 im Werk C W der H mbH betroffen worden ist, Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Das zur Entschädigung gestellte Ereignis ist kein Arbeitsunfall im Sinne des SGB VII.

Nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit - sogenannte versicherte Tätigkeit - (Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Das Unfallereignis vom 00.00.2001 erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Zwar hat der Kläger während der an jenem Tage geleisteten Arbeitsschicht kraft seines bei der H mbH bestehenden Beschäftigungsverhältnisses nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII i. V. m. § 7 Abs. 1 SGB IV zum Kreis der in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Personen gehört; anders als in § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII vorausgesetzt, ist der zur Entschädigung gestellte Unfall jedoch nicht "infolge" einer der den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII begründenden Tätigkeit eingetreten.

Die angefochtenen Bescheide heben zutreffend hervor, dass zu der Verbrühung der linken Hand nicht eine versicherte, sondern eine unversicherte Tätigkeit geführt hat.

Die Abgrenzung der nach §§ 8 Abs. 1, 2 SGB VII versicherten Tätigkeiten gegenüber den nicht versicherten Handlungen richtet sich nach der Handlungstendenz der verunfallten Person. Versichert sind danach betriebsbezogene, d. h. dem Unternehmen zu dienen bestimmte, nicht ausschließlich eigenwirtschaftliche Tätigkeiten. Zum persönlichen eigenwirtschaftlichen Bereich gehört nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in der Regel die Einnahme von Mahlzeiten (Bundessozialgericht, Urteil vom 22.06.1976 - 8 RU 146/75 -; Urteil vom 14.05.1985 - 5a RKnU 3/84 -; Lauterbach, Unfallversicherung, SGB VII, Band I, 4. Auflage, § 8 Randnr. 230 m. w. N.). Nur in Ausnahmefällen kann ein so enger Zusammenhang zwischen dem Essen bzw. Trinken einerseits und der betrieblichen Tätigkeit andererseits bestehen, dass das Moment der Eigenwirtschaftlichkeit als unwesentlich zurücktritt.

Die Kammer hat sich nicht davon überzeugen können, dass solche besonderen Umstände im vorliegenden Fall gegeben gewesen sind. Insbesondere sind sie schon nicht darin zu sehen, dass der Kläger das heiße Wasser, welches die zur Entschädigung gestellten Verbrühungen der linken Hand verursacht hat, einem Heißwassergerät entnommen worden ist, welches im Büro des Vorarbeiters fest an der Wand installiert ist. Eine schadhafte Betriebseinrichtung ist als eine wesentliche Teilursache für den zur Entschädigung gestellten Körperschaden deshalb nicht ernsthaft in Betracht zu ziehen, weil nichts dafür vorgetragen und auch im übrigen nichts dafür ersichtlich ist, dass der am 20.02.2001 benutzte Durchlauferhitzer einen technischen Defekt aufgewiesen hat. Ebenso wenig ist der Umstand, dass der Kläger das diesem Gerät entnommene heiße Wasser einer im Betrieb befindlichen Kaffeemaschine hat zuführen wollen, nicht geeignet, den in § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII geforderten inneren Zusammenhang zwischen den dem Kläger durch sein Beschäftigungsverhältnis als Putzerei-Arbeiter obliegenden versicherten Verrichtungen einerseits und der konkreten unfallbringenden Handlung andererseits hinreichend wahrscheinlich zu machen. Weder steht die von seiten des Klägers als leistungsschwach geschilderte Kaffeemaschine im Eigentum der Arbeitgeberin noch ist sie dem Kläger und dessen Kollegen von seiten der Arbeitgeberin zum Gebrauch überlassen worden.

Der Hinweis des Klägers darauf, dass nach der Rechtsprechung ein Versicherter, der bei seiner Beschäftigung dursterregenden Einwirkungen ausgesetzt ist und Flüssigkeiten zu sich nimmt, um bei der Zubereitung des entsprechenden Getränks wie bei dessen Verzehr unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen kann, ist nicht geeignet, die im vorliegenden Fall gegebene unfallbringende Tätigkeit dem Kreis der nach §§ 8 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Tätigkeiten zuzurechnen. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Tätigkeit als Putzerei-Arbeiter in dem Werk C der H mbH für den Kläger während der am 00.00.2001 gefahrenen Mittagsschicht mit einer unvorhergesehenen besonderen körperlichen Anstrengung, die zu einem besonders starken Durstgefühl hätte führen können, verbunden gewesen ist. Ebenso wenig sind hinreichende Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass es während dieser Arbeitsschicht an dem Einsatzort des Klägers zu einem erhöhten Staubanfall gekommen ist. Im übrigen erscheint der Kammer der Verzehr von Kaffee als "Durstlöscher" weniger plausibel als ein Verzehr von Kaltgetränken wie Limonade und Mineralwasser.

Soweit der Kläger vorträgt, dass Mitarbeiter der H mbH Kaffee insbesondere während der Abendstunden regelmäßig konsumierten, um die erforderliche Aufmerksamkeit auch zu fortgeschrittener Stunde aufrecht zu erhalten, ist auch dieses Vorbringen nicht geeignet, den in § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB V geforderten inneren Zusammenhang hinreichend wahrscheinlich zu machen. Einen besonders hohen Bedarf an koffeinhaltigen Getränken hat der Kläger deshalb nicht hinreichend dargelegt, weil er sich im Zeitpunkt der unfallbringenden Tätigkeit nicht auf einer Nacht-, sondern auf einer Mittagsschicht befunden und sich der zur Entschädigung gestellte Unfall nicht erst am späten Abend, sondern bereits zur ungefähren Schichtmitte, nämlich zwischen 18:00 und 18:30 Uhr ereignet hat.

Dafür, die unfallbringende Tätigkeit dem eigenwirtschaftlichen Bereich des Klägers zuzurechnen, spricht schließlich der Umstand, dass der Kläger die Möglichkeit, ohne Verbrühungsgefahr Kaffee aus dem auf dem Flur aufgestellten Automaten zu ziehen, eigenen Angaben zufolge deshalb nicht genutzt hat, weil der mittels Heißwassergerät und Kaffeemaschine zubereitete Kaffee preiswerter ist. Die Kammer schließt aus diesem Vorbringen, dass es dem Kläger nicht zuletzt darum gegangen ist, gegenüber einer Benutzung des arbeitgeberseitig zur Verfügung gestellten Automaten Aufwendungen zu sparen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Die Kammer hat nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG die Berufung zugelassen, weil sie der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst. Im allgemeinen Interesse liegt die Klärung der - soweit für die Kammer bisher erkennbar - nicht geklärten Rechtsfrage, ob der Umstand, dass der Arbeitgeber am Arbeitsplatz einen Getränkeautomaten zur Verfügung stellt, den Versicherungsschutz gegen Unfälle, die Versicherte bei der eigenen Zubereitung von am Arbeitsplatz zu verzehrenden Getränken erleiden, von vornherein auszuschließen geeignet ist.
Rechtskraft
Aus
Saved