S 2 RJ 2453/01

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Hessen
Aktenzeichen
S 2 RJ 2453/01
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Hessen
Anfrage
In obigem Rechtsstreit wird um die Beantwortung der unter II. aufgeführten berufskundlichen Beweisfragen unter Berücksichtigung der nachfolgend aufgezeigten Anknüpfungstatsachen gebeten.

I. Anknüpfungstatsachen:

1. beruflicher Werdegang und sonstige berufsbezogene Qualifikationen des Klägers:

01.09.1962 bis 31.08.1964 Ausbildung zum Landmaschinenschlosser mit Abschluss,
1964 bis 1965 Tätigkeit als Betriebsschlosser
1965 bis 1967 Wehrdienst seit
1968 Berufskraftfahrer, zuletzt bis 17.10.2000 Berufskraftfahrer im Gefahrguttransport, Beförderung von Gefahrstoffen und Schmierstoffen, Be- und Entladen der Fahrzeuge; die Tätigkeit entsprach einer Facharbeitertätigkeit mit 2 ½ Jahren Ausbildung und wurde nach dem Vergütungstarifvertrag Brennstoffhandel Hessen/Thüringen, Lohngruppe 6, vergütet; die Höhe der Vergütung wurde mitbestimmt durch die Beförderung von Gefahrgut. Ein Facharbeiterzeugnis als Berufskraftfahrer liegt vor

2. gesundheitliches Restleistungsvermögen des Klägers:
leichte Tätigkeiten vollschichtig, nur in wechselnder Körperhaltung ohne Zwangshaltungen, ohne häufiges Bücken, ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg als Dauerleistung und 20 kg als Einzelleistung, ohne Absturzgefahr, nicht auf Leitern und Gerüsten, ohne Tätigkeiten mit häufigem Klettern, ohne Tätigkeiten mit Rotations- und Stoßbewegungen im linken Kniegelenk ohne Gefährdung durch Kälte, Nässe oder Zugluft, ohne besondere Anforderungen an das Hör- oder Sehvermögen, ohne besonderen Zeitdruck, ohne besondere nervliche Belastungen

II. Beweisfragen:

1. Welches fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil hat eine Tätigkeit als Telefonist, Poststellenmitarbeiter, Registrator, Bürokraft in einem Verkehrs-unternehmen (Zeit- und Wertmarkenverkauf)

2. Kann der Kläger die zur Frage 1 genannte Tätigkeit ausüben?

3. Soweit Frage 2 bejaht wird:
Handelt es sich bei den zur Frage 1 genannten Tätigkeiten um berufsnahe oder berufsfremde Tätigkeiten?

4. Falls keine der zur Frage 1 genannten Tätigkeiten in Betracht kommt:

a) Welche sonstigen berufsnahen Tätigkeiten kann der Kläger ausüben?

b) Welche sonstigen berufsfremden Tätigkeiten kann der Kläger ausüben?

(bitte auch bei Fragen 4.a) und b) das jeweilige fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil angeben)

5. Handelt es sich bei der/den bei Frage 1 bis 4 genannten Tätigkeit/en um

a) gelernte Arbeiten mit einer mehr als 2-jährigen Ausbildungszeit,

b) Arbeiten mit einer Anlernzeit von mehr als 3 Monaten bis zu 2 Jahren,

c) ungelernte Arbeiten mit lediglich betrieblichen Einarbeitungs- oder Einweisungszeit bis zu drei Monaten?

6. Kann der Kläger unter Berücksichtigung der Anknüpfungstatsachen zu I.1 innerhalb einer bis zu 3 Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung die für die in Betracht kommenden Tätigkeiten notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben?

7. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten auch Betriebsfremden zur Verfügung?

8. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten auf dem Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang zur Verfügung?

Sollten Sie aufgrund des Akteninhaltes abweichende Anknüpfungstatsachen zu I für gegeben halten, bitte ich Sie, diese Abweichung kenntlich zu machen und die Beweisfragen alternativ zu beantworten.
Auskunft
Stellungnahme:

zu 1.) Telefonist
Diese Tätigkeit umfasst die Bedienung von Telefon-/Fernsprechzentralen. Dazu gehört die Erteilung von Auskünften, die Registrierung von Gesprächen, die Entgegennahme und Weitergabe von Telegrammen, Telefaxen u. ä., die Entgegennahme und Niederschrift von Nachrichten für Teilnehmer, die vorübergehend abwesend sind. Je nach Art des Betriebes/ der Behörde können diese Tätigkeiten auch mit der Verrichtung von einfachen Büroarbeiten und /oder dem Empfangen und Anmelden von Besuchern gekoppelt sein.

Die Anforderungen an Telefonisten sind aufgrund der Tatsache, dass diese in allen Bereichen von Wirtschaft und Verwaltung tätig sind recht unterschiedlich. Während sich in großen Wirtschaftsunternehmen und Verwaltungen die Tätigkeiten in der Regel auf das Bedienen einer z.T. recht umfangreichen Telefonanlage beschränken, findet man in kleineren und mittleren Betrieben und Organisationen häufig eine Funktionskoppelung mit einfachen Bürotätigkeiten, Schreibtätigkeiten sowie Empfangs- und Pförtnertätigkeiten.

Während bei Telefonisten in Großunternehmen ein bedarfsmässiger Wechsel der Körperhaltung zumindest bezweifelt werden darf, kann man bei dieser Tätigkeit in kleineren Betrieben davon ausgehen, dass eine wechselweise Körperhaltung zum einen aufgrund des breiteren Betätigungsfeldes, zum anderen aber auch im Bedarfsfalle jederzeit möglich ist.

Mitarbeiter in der Poststelle eines Betriebes oder einer Behörde
Diese Tätigkeit erfordert keine besondere Ausbildung. Sie kann wechselweise im Sitzen, Stehen und Umhergehen verrichtet werden. Sie umfasst das Öffnen der täglichen Eingangspost, die Entnahme des Inhaltes von Postsendungen, das Anbringen eines Posteingangsstempels; das Verteilen der Eingangspost innerhalb der Poststelle in die Fächer der jeweils zuständigen Abteilungen bzw. Sachbearbeiter (üblicherweise mehrmals täglich unter Zuhilfenahme eines Postverteilerwagens) und Mitnahme der zur Weiterleitung an andere Fachabteilungen/Sachgebiete oder zum Versand bestimmten Vorgänge; das Kuvertieren, Wiegen und Frankieren der Ausgangspost, das Packen von Päckchen und Paketen, das Eintragen von Wert- und Einschreibesendungen in Auslieferungsbücher.

Es handelt sich dabei um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten, oft klimatisierten Räumen, z.T. in Großraumbüros. Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Üblich ist der Umgang mit Bürokommunikationsmitteln und zunehmend Arbeit am Bildschirm. Gelegentlich findet die Arbeit unter Zeitdruck statt.

Registraturkraft (Registrator)
Die Tätigkeiten einer Registraturkraft in einer Verwaltung oder in der kaufmännischen Abteilung eines Unternehmens umfassen das Sortieren der von den zuständigen Bürofachkräften zu bearbeitenden Schriftstücke nach den Vorgaben von Aktenplänen oder anderen Organisationsmerkmalen, das Erledigen von anfallenden Schreibarbeiten, wie Führen von Statistiken, Terminüberwachungslisten und Karteien, das Ziehen und Abstellen von Ordnern/Akten, das Weiterleiten der zu bearbeitenden Vorgänge zu den Sachbearbeitenden Stellen innerhalb des Betriebes bzw. der Behörde - auch selbst - mit Registraturwagen, das Abhängen von Akten oder das Abstellen von Ordnern nach der jeweiligen Bearbeitung.

Die berufliche Tätigkeit kann neben leichten körperlichen Büroarbeiten auch mit mittelschweren, teils auch schweren körperlichen Arbeiten verbunden sein, wenn Aktenordner aussortiert und in Archivräume verbracht werden müssen. Ungeeignet für Registraturarbeiten sind Personen mit gravierenden Schäden am Stütz- und Bewegungsapparat, müssen doch häufig auch schwere Ordner aus allen Etagen der Registraturschränke entnommen bzw. wieder abgestellt werden. Zudem wird für Registraturarbeiten eine zumindest durchschnittliche intellektuelle Leistungsfähigkeit vorausgesetzt, ist doch eine gut funktionierende Registratur für den Geschäftsbetrieb unentbehrlich.

Bürokraft in einem Verkehrsunternehmen (Zeit- und Wertmarkenverkauf) Sie arbeiten auf Bahnhöfen, Flughäfen oder an Fährterminals. Sie nehmen persönliche, telefonische und schriftliche Kartenbestellungen entgegen, häufig auch Bestellungen über Internet und E-Mail. Anhand unterschiedlicher Buchungs- bzw. Reservierungssysteme stellen sie fest, ob für den gewünschten Zeitpunkt und die gewünschte Preislage Karten verfügbar sind. Ist dies nicht der Fall, machen sie den Kunden nach Möglichkeit ein Ersatzangebot. Kommt es zum Verkauf, kassieren Kartenverkäufer/innen den Preis in bar, per Scheckkarte, Kreditkarte oder auch Scheck. Sie reservieren die Plätze und drucken die Karten aus. Bei telefonischen, schriftlichen oder elektronischen Bestellungen veranlassen sie beispielsweise das Abbuchen des Rechnungsbetrages vom Konto der Kunden und den Versand der Karten. Eine Ausbildung wird nicht vorausgesetzt. Für den Zugang zu den Tätigkeiten sind jedoch Erfahrungen im Umgang mit dem PC erwünscht. Berufserfahrung im Bereich und ggf. Kenntnis der einschlägigen Buchungs- bzw. Reservierungssysteme sind von Vorteil, teilweise sogar Voraussetzung. Die Tätigkeit ist kundenorientiert. Eine gepflegte Erscheinung und ein freundliches Auftreten, auch wenn es mal hektisch wird, sind daher wichtig.

Leichte Arbeiten, überwiegend im Sitzen. Publikumsorientiert, daher entsprechende nervliche Belastung, teilweise unter Zeitdruck

zu 2.+3.) Bei Beachtung des beruflichen Werdeganges und des gesundheitlichen Leistungsvermögens halte ich den Kläger aus berufskundlicher Sicht noch für in der Lage, folgende berufsfremde bzw. qualifizierte Verweistätigkeit zu verrichten:
• Mitarbeiter in der Poststelle eines Betriebes oder einer Behörde

zu 4.) Entfällt, s. o

zu 5.) Bei der vorgenannten Verweistätigkeit handelt es sich um ungelernte Arbeiten, für die keine besondere Ausbildung erforderlich ist und die nach einer entsprechenden Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeit verrichtet werden können.

zu 6.) Für die genannte Tätigkeit sind im allgemeinen Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten von maximal drei Monaten Dauer erforderlich. Diese Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten dürften - unter Zugrundelegung des mir derzeit nach Aktenlage bekannten beruflichen und gesundheitlichen Leistungsvermögens des Klägers - auch für diesen ausreichend sein.

zu 7.) Die in Betracht kommende Tätigkeit steht auch Betriebsfremden zur Verfügung.

zu 8.) Die in Betracht kommende Tätigkeit steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes in nennenswertem Umfang zur Verfügung.
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