S 9 RJ 2162/02

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Hessen
Aktenzeichen
S 9 RJ 2162/02
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Hessen
Anfrage
In obigem Rechtsstreit wird um die Beantwortung der unter II. aufgeführten berufskundlichen Beweisfragen unter Berücksichtigung der nachfolgend aufgezeigten Anknüpfungstatsachen gebeten.

I. Anknüpfungstatsachen:

a) Beruflicher Werdegang und sonstige berufsbezogene Qualifikationen des Klägers: Der Kläger hat in der Zeit von 1962 bis 1964 eine Lehre zum Maler absolviert und in der Zeit vom 28.09.1969 bis 31.05.1972 die Meisterschule besucht. Er hat den Meisterlehrgang mit dem Diplom-Malermeister abgeschlossen. Seit 1978 ist der Kläger als selbständiger Malermeister tätig. Der Kläger hat in seinem Betrieb 3 bis 4 Arbeitnehmer beschäftigt.

b) Gesundheitliches Restleistungsvermögen des Klägers: Ausweislich des auf orthopädischem Fachgebiet eingeholten Sachverständigengutachtens bestehen bei dem Kläger folgende Erkrankungen: deutliche Verschleißerscheinungen der rechten Hüfte, beginnender Verschleiß im Bereich der linken Hüfte (das Altersmaß noch nicht überschreitend), pseudoradikuläres Lendenwirbelsäulensyndrom bei deutlicher Degeneration des Bandscheibenfaches am Lendenwirbelsäulen-Kreuzbeinübergang, rezidivierende Brustwirbelsäulenbeschwerden bei degenerativen Veränderungen verbunden mit einer Bewegungseinschränkung, alte LWK-1-Kompressionsfraktur mit keilförmiger Deformierung, mäßige Abnutzung des linken Kniegelenks, Spreizfüße, Z. n. Karpaltunneloperation rechts mit gutem Funktionsergebnis sowie blandes Karpaltunnelsyndrom links. Aufgrund dieser Erkrankungen kann der Kläger nur noch beruflichen Tätigkeiten im Wechselrhythmus verrichten. Rückenbelastende Zwangshaltungen sind zu vermeiden. Eine Hebebelastung von 12 kg und eine Tragebelastung von 6 kg im Sinne einer Dauerbelastung gehört zum negativen Leistungsbild. Als Einzelleistungen können diese Hebe- und Tragebelastungen ein- bis zweimal pro Stunde abgefordert werden. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände ist nicht eingeschränkt. Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten können dem Kläger nicht mehr zugemutet werden.

Der auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet gehörte Sachverständige Prof. Dr. R. hat in seinem Gutachten ausgeführt, bei dem Kläger bestehe ein inkonstanter Händetremor, ein Z. n. operiertem Karpaltunnelsyndrom rechts, ein sensibles Karpaltunnelsyndrom links sowie ein Restless-legs-Syndrom. Auf psychiatrischem Fachgebiet stellte er leichte kognitive Beeinträchtigungen im Rahmen der testpsychologischen Untersuchungen fest. Prof. Dr. R. erachtet eine Hebe- und Tragebelastung von 5 kg als Einzelleistung und 3 kg als Dauerleistung für zumutbar. Das Karpaltunnelsyndrom und der Händetremor stehe einer vollen Gebrauchsfähigkeit der Hände nicht entgegen. Wegen der Medikation könne der Kläger keine gefahrgeneigten Arbeiten verrichten. Wegen der eingeschränkten mentalen Belastbarkeit seien Schicht- und Akkordarbeit nicht zumutbar. Besondere Anforderungen an die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit, an die nervliche Belastung und an das Konzentrationsvermögen seien ebenfalls zu vermeiden. Der Kläger sei nicht mehr in der Lage, Arbeiten unter besonderem Zeitdruck zu verrichten.

Für den zuletzt ausgeübten Beruf als Malermeister wird der Kläger nur noch für eingeschränkt erwerbsfähig erachtet. Unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes haben die Sachverständigen unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen ein sechsstündiges Leistungsvermögen befürwortet.

Die Beklagte hat im Verfahren folgende Verweisungstätigkeiten benannt: Angebots- oder Auftragsbearbeiter oder Kalkulator in großen Betrieben des Maler- und Lackiererhandwerks, Fachverkäufer bzw. Fachberater in Malerzubehörfachabteilungen und Kaufhäusern sowie Heimwerkermärkten.

II. Beweisfragen:

1. Welche berufsnahen oder berufsfremden Tätigkeiten kann der Kläger noch ausüben?

2. Welches fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil haben diese Tätigkeiten im Einzelnen?

3. Welche Ausbildungszeiten erfordern diese Tätigkeiten und wie werden diese Tätigkeiten tarifvertraglich eingestuft?

4. Kann der Kläger unter Berücksichtigung der Anknüpfungstatsachen zu I.a nach einer bis zu drei Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung die für die in Betracht kommenden Tätigkeiten vollwertig verrichten?

5. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten (bitte einzeln bezeichnen) auf dem Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang (mehr als 300 Arbeitsplätze im Bundesgebiet) zur Verfügung?

6. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten auch Betriebsfremden zur Verfügung?
Auskunft
Stellungnahme:

zu 1): Bei Beachtung des beruflichen Werdeganges und des gesundheitlichen Leistungsvermögens halte ich den Kläger aus berufskundlicher Sicht noch für in der Lage, folgende Tätigkeiten zu verrichten:

- Angebots- oder Auftragssachbearbeiter im Malerbetrieb
- Telefonist
- Tagespförtner
- Mitarbeiter in der Poststelle eines Betriebes oder einer Behörde
- Büro-/Verwaltungshilfskraft

Angebotssachbearbeiter im Malerbetrieb:
Zu den Aufgaben von Angebotssachbearbeitern gehört das Kalkulieren von Material-, Betriebs- und Produktionskosten sowie von allgemeinen Kosten durch Auswerten von Unterlagen und Anwenden von Erfahrungssätzen. Angebotssachbearbeiter berechnen Arbeitsentgelte und Mieten, sie prüfen Rechnungen und Abrechnungen.

Die körperlichen Anforderungen bei der Arbeit als Angebotssachbearbeiter sind leicht, es wird in geschlossenen Räumen und überwiegend sitzend gearbeitet. Vom gesundheitlichen Leistungsvermögen her, halte ich den Kläger für in der Lage die Tätigkeit als Angebotssachbearbeiter im Malerbetrieb ausüben zu können.

Telefonist
Die Tätigkeit eines Telefonisten umfasst die Bedienung von Telefon-/Fernsprechzentralen. Dazu gehört die Erteilung von Auskünften, die Registrierung von Gesprächen, die Entgegennahme und Weitergabe von Telegrammen, Telefaxen u. ä., die Entgegennahme und Niederschrift von Nachrichten für Teilnehmer, die vorübergehend abwesend sind. Je nach Art des Betriebes/der Behörde können diese Tätigkeiten auch mit der Verrichtung von einfachen Büroarbeiten und/oder dem Empfangen und Anmelden von Besuchern gekoppelt sein.

Es handelt sich dabei um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten, oft klimatisierten Räumen, z.T. in Großraumbüros. Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Üblich ist der Umgang mit Bürokommunikationsmitteln und Datenverarbeitung, zunehmend Arbeit am Bildschirm. Gelegentlich findet die Arbeit unter Zeitdruck statt.

Tagespförtner
Die Berufsbezeichnung –Pförtner- umfasst eine Vielzahl von unterschiedlichen konkreten Pförtnertätigkeiten. Pförtner werden u. a. als Werkspförtner, Pförtner in Büro- und Geschäftsräumen und öffentlichen Gebäuden, Krankenhäusern, Heimen oder Museen eingesetzt. Je nach Aufgabenbereich und Art des Betriebes oder der Behörde sind die Anforderungen sehr unterschiedlich, d. h., es sind sowohl einfache als auch anspruchsvollere Anforderungsprofile möglich. Diese Tätigkeit umfasst das Überwachen des Personenverkehrs in Eingangshallen oder aus Pförtnerlogen von Betrieben, Behörden oder Krankenhäusern, das Überprüfen von Ausweisen, das Anmelden von Besuchern, das Ausfüllen von Besucherzetteln und das Weiterleiten von Besuchern an die zu besuchenden Stellen oder Personen innerhalb des Betriebes, der Behörde oder des Krankenhauses. Oft kümmern sie sich auch um die Postverteilung im Betrieb. Zu ihren Aufgaben gehören zum Teil auch der Telefondienst, das Aushändigen von Formularen, sowie das Aufbewahren von Fundsachen und Gepäck.

Die Arbeit ist grundsätzlich körperlich leicht, in der Regel wird in temperierten Räumen gearbeitet, es überwiegt sitzende Körperhaltung (ein Bewegungswechsel ist möglich).

Mitarbeiter in der Poststelle eines Betriebes oder einer Behörde
Sie umfasst das Öffnen der täglichen Eingangspost, die Entnahme des Inhaltes von Postsendungen, das Anbringen eines Posteingangsstempels; das Verteilen der Eingangspost innerhalb der Poststelle in die Fächer der jeweils zuständigen Abteilungen bzw. Sachbearbeiter (üblicherweise mehrmals täglich unter Zuhilfenahme eines Postverteilerwagens) und Mitnahme der zur Weiterleitung an andere Fachabteilungen/Sachgebiete oder zum Versand bestimmten Vorgänge; das Kuvertieren, Wiegen und Frankieren der Ausgangspost, das Packen von Päckchen und Paketen, das Eintragen von Wert- und Einschreibesendungen in Auslieferungsbücher.

Es handelt sich dabei um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten, oft klimatisierten Räumen, z.T. in Großraumbüros. Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Üblich ist der Umgang mit Bürokommunikationsmitteln und zunehmend Arbeit am Bildschirm. Gelegentlich findet die Arbeit unter Zeitdruck statt.

Büro-/Verwaltungshilfskraft
Diese Tätigkeiten umfassen einfache, routinemäßige Bürohilfsarbeiten, die ohne besondere Ausbildung und ohne längere Einarbeitungszeit nach vorgegebenem Schema oder nach jeweiligen Anordnungen verrichtet werden können (z.B. Abheften, Sortieren, Aufschreiben, Notieren, Vergleichen).

Es handelt sich dabei um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten, oft klimatisierten Räumen, z.T. in Großraumbüros. Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Üblich ist der Umgang mit Bürokommunikationsmitteln und Datenverarbeitung, zunehmend Arbeit am Bildschirm.

Fachberater - Farben, Lacke, Tapeten / Kundenberater Baumarkt
Sie beraten Kunden beim Kauf von Farben, Lacken, Tapeten und Zubehör. Sie informieren über die Produkteigenschaften, zeigen das vorhandene Warensortiment und erläutern den Kunden den Verwendungszweck und die richtige Handhabung der einzelnen Produkte. Je nach Betriebsgröße und vorausgegangener Ausbildung können sie teilweise neben der reinen Kundenberatung auch Tätigkeiten im Bereich der Warenbeschaffung und Lagerverwaltung oder sogar im Abrechnungs- und Bestellwesen übernehmen. Sie arbeiten in Betrieben des einschlägigen Fachhandels (Groß- und Einzelhandel), in Baumärkten oder auch in Kundenserviceabteilungen bzw. im Fabrikverkauf der Hersteller. In der Regel wird für den Zugang zur Tätigkeit als Fachberater für Farben, Lacke und Tapeten eine abgeschlossene Berufsausbildung als Kaufmann im Einzelhandel - Fachbereich Heimwerkerbedarf und Werkzeuge o.ä. gefordert. Auch Maler- und Lackierermeister können diese Tätigkeit ausüben.

Diese Tätigkeit wird überwiegend im Stehen und Gehen verrichtet. Bücken ist durchaus häufig erforderlich, auch Recken, gelegentlich Überkopfarbeit bzw. Hochhantierungen und Besteigen von Leitern ist nicht auszuschließen. Heben und Tragen von Lasten ist keineswegs zu vermeiden. Die zu bewegenden Gewichte können sogar mittelschweres Maß übersteigen (z.B. Farbeimer, Kartons mit Lackdosen bzw. Tapeten). Der Umgang mit Kunden setzt Höflichkeit, Kontaktfähigkeit, Flexibilität usw. und auch eine gewisse psychische Belastbarkeit voraus. Bei größerem Kundenandrang kann es auch zu Zeitdruck kommen. Neben warenkundlichen und handwerklichen sind auch kaufmännische und verkaufstechnische Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich. Eine volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände und Arme ist unabdingbar.

Vom gesundheitlichen Leistungsvermögen her, halte ich den Kläger für nicht in der Lage die Tätigkeit als Fachberater auszuüben zu können.

zu 2 und 3): Zugang zu der Tätigkeit Angebotssachbearbeiter im Malerbetrieb haben überwiegend Personen mit einer höherwertigen Qualifikation, z.B. einem Fachschul- oder Fachhochschulabschluss.

Bei den Verweistätigkeiten Telefonist, Tagespförtner, Mitarbeiter der Poststelle eines Betriebes oder einer Behörde und Büro- und Verwaltungshilfskraft handelt es sich um ungelernte Arbeiten, für die keine besondere Ausbildung erforderlich ist und die nach einer entsprechenden Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeit verrichtet werden können. Gleichwohl werden diese Tätigkeiten zu einem überwiegenden Teil von Arbeitnehmern mit einer abgeschlossenen Ausbildung ausgeübt.

Die erbetene Auskunft über die tarifliche Einstufung kann ich nicht erteilen, da die Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit keine Tarifsammlung führen. Entsprechende Anfragen bitte ich an die Tarifvertragsparteien oder an die Tarifregisterstelle im Hessischen Ministerium für Frauen, Arbeit und Sozialordnung zu richten.

zu 4): Für die genannten Tätigkeiten sind im allgemeinen Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten von maximal drei Monaten Dauer erforderlich. Diese Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten dürften - unter Zugrundelegung des mir derzeit nach Aktenlage bekannten beruflichen und gesundheitlichen Leistungsvermögens des Klägers - auch für ihn ausreichend sein.

zu 5): Die genannten Tätigkeiten stehen alle auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes in nennenswertem Umfang zur Verfügung.

zu 6): Alle in Betracht kommenden Verweistätigkeiten stehen auch Betriebsfremden zur Verfügung;
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