S 9 RJ 1997/04

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Hessen
Aktenzeichen
S 9 RJ 1997/04
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Hessen
Anfrage
In obigem Rechtsstreit wird um die Beantwortung der unter II. aufgeführten berufskundlichen Beweisfragen unter Berücksichtigung der nachfolgend aufgezeigten Anknüpfungstatsachen gebeten.

I. Anknüpfungstatsachen:

a) Beruflicher Werdegang und sonstige berufsbezogene Qualifikationen der Klägerin:
Die Klägerin verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Zuletzt war die Klägerin als Näherin tätig.

b) Gesundheitliches Restleistungsvermögen der Klägerin:
Ausweislich der Feststellungen des auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet gehörten Sachverständigen Prof. Dr. RR. leidet die Klägerin unter einem Restless-legs-Syndrom auf neurologischem Fachgebiet sowie einer Anpassungsstörung und einer depressiven Symptomatik auf psychiatrischem Fachgebiet. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht ist die Klägerin in der Lage, körperlich leichte bis kurzfristig mittelschwere Arbeiten über 6 Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Dabei sind Tätigkeiten in Zwangshaltung sowie das ständige Heben und Tragen schwerer Lasten dem negativen Leistungsbild zuzuordnen. Die Klägerin ist gesundheitlich in der Lage, Lasten von 3 bis 5 kg zu heben und zu tragen. Der Klägerin sind nur geistig einfache Arbeiten zumutbar. An die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit, die nervliche Belastung und das Konzentrationsvermögen dürfen nur knapp durchschnittliche Anforderungen gestellt werden. Arbeiten unter Zeitdruck sind zu vermeiden. Aufgrund der Beschwerden im Bereich der oberen Luftwege sollte die Klägerin nicht der Exposition von Reizstoffen ausgesetzt werden.

Ferner leidet die Klägerin unter einem Verschluss der zentralen Netzhautarterie am rechten Auge. Infolgedessen ist der Klägerin nach den Feststellungen des augenärztlichen Gutachters Prof. Dr. TE. das beidäugige Sehen nicht mehr möglich. Das kleine Restgesichtsfeld des rechten Auges erlaubt in diesem Bereich lediglich das Erkennen von Licht sowie groben Strukturen und Bewegungen. Eine Orientierung sei mit dem rechten Auge nicht mehr möglich. Das rechte Auge ist nach den Feststellungen des Sachverständigen als blind einzustufen. Die Klägerin kann daher keine Arbeiten mit hohen Anforderungen an das Sehvermögen verrichten (feinmotorische Tätigkeiten wie z. B. Näharbeiten). Auch Tätigkeiten, die eine hohe räumliche Auflösung erfordern, kann die Klägerin mit dem Restsehvermögen nicht mehr bewältigen. Arbeiten mit besonderen Anforderungen an das räumliche Sehen sind nicht mehr zumutbar. Des weiteren könne die Klägerin keine Arbeiten ausführen, bei denen durch eine Unfallgefahr dass noch sehene Auge gefährdet wird Eine Exposition mit Staub, Gas oder Rauch muss ausgeschlossen werden. Arbeiten, die eine gewisse Geschicklichkeit erfordern, können aufgrund der Seheinschränkung nicht zugemutet werden.

Die Notwendigkeit für betriebsunübliche Pausen wurde von den gehörten Sachverständigen nicht gesehen.

Wegen der Einzelheiten in den medizinischen Sachverständigengutachten wird auf das Gutachten von Prof. Dr. RR. und das Gutachten von Prof. Dr. TE. Bezug genommen.

II. Beweisfragen:

1. Welche berufsnahen oder berufsfremden Tätigkeiten kann d. Kl. noch ausüben? Kann die Klägerin insbesondere noch die Tätigkeit einer Pförtnerin an einer Nebenpforte ausüben?

2. Welches fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil haben diese Tätigkeiten im Einzelnen?

3. Welche Ausbildungszeiten erfordern diese Tätigkeiten und wie werden diese Tätigkeiten tarifvertraglich eingestuft?

4. Kann d Kl. unter Berücksichtigung der Anknüpfungstatsachen zu I.a nach einer bis zu 3 Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung die für die in Betracht kommenden Tätigkeiten vollwertig verrichten?

5. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten – insbesondere für die Tätigkeit einer Pförtnerin an einer Nebenpforte - (bitte einzeln bezeichnen) auf dem Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang (mehr als 300 Arbeitsplätze im Bundesgebiet) zur Verfügung?

6. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten auch Betriebsfremden zur Verfügung?
Auskunft
Stellungnahme:

Zu 1.) und 2.): Aufgrund der ärztlicherseits festgestellten gesundheitlichen Einschränkungen halte ich die Klägerin noch für in der Lage die folgenden berufsfremden Tätigkeiten auszuüben:

Pförtnerin/Tagespförtnerin
Diese Tätigkeit umfasst das Überwachen des Personenverkehrs in Eingangshallen oder aus Pförtnerlogen von Betrieben, Behörden oder Krankenhäusern, das Überprüfen von Ausweisen, das Anmelden von Besuchern, das Ausfüllen von Besucherzetteln und das Weiterleiten von Besuchern an die zu besuchenden Stellen oder Personen innerhalb des Betriebes, der Behörde oder des Krankenhauses.

Warenaufmacherin / Versandfertigmacherin
Die wesentlichen Aufgaben umfassen das verschönernde und zweckbedingte Aufmachen von Erzeugnissen der gewerblichen Wirtschaft und die vorbereitenden Arbeiten für deren Versand. Im einzelnen wären hier zu nennen: Das Entfernen produktionsbedingter Verschmutzungen durch Blankreiben, Polieren o.ä., das Aufkleben, Einnähen oder Befestigen von Reklame-, Prüf-, Waren- oder Gütezeichen, Etiketten, Preisauszeichnungen o.ä., das Abzählen, Abwiegen, Abmessen oder Abfüllen von Waren, das Einwickeln bzw. Einlegen von Waren in Papp- oder Holzschachteln, Kisten oder sonstigen Behältnissen, verkaufsfördernden Zierhüllen oder Zierkartons, das Verschließen dieser Behältnisse, das Anbringen von Kennzeichen oder Versandhinweisen o.ä.

Anzumerken ist hierbei noch, dass die Klägerin aufgrund der multiplen gesundheitlichen Einschränkungen das Berufsbild nicht mehr in der Gesamtheit leisten kann, da die Tätigkeitsanforderungen eines Warenaufmachers je nach Produkt, bzw. Industriezweig stark variieren können.

Zu 3.) und 4.): Für die genannten Tätigkeiten sind im allgemeinen Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten von maximal drei Monaten Dauer erforderlich. Diese Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten dürften - unter Zugrundelegung des mir derzeit nach Aktenlage bekannten beruflichen und gesundheitlichen Leistungsvermögens der Klägerin - auch für diese ausreichend sein. Die erbetene Auskunft über die tarifliche Einstufung kann ich nicht erteilen, da die Dienststellen der Bundesanstalt für Arbeit keine Tarifsammlung führen. Entsprechende Anfragen bitte ich an die Tarifvertragsparteien oder an die Tarifregisterstelle im Hessischen Ministerium für Frauen, Arbeit und Sozialordnung zu richten.

Zu 5.): Die genannten Tätigkeiten stehen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes in nennenswertem Umfang zur Verfügung. Eine konkrete Aussage zu der Tätigkeit einer Pförtnerin an einer Nebenpforte kann nicht getroffen werden, da der Bundesagentur für Arbeit nur Statistiken der Berufsordnungen vorliegen. Die hier maßgebliche Berufsordnung umfasst neben Pförtnern auch Hauswarte und Schulhausmeister. Innerhalb dieser Berufsordnung waren im Jahre 2006 in der Bundesrepublik ca. 170 000 sozialversicherungspflichtige Erwerbstätige beschäftigt.

Zu 6.): Die in Betracht kommenden Tätigkeiten stehen auch Betriebsfremden zur Verfügung.
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Datum