S 2 R 170/06

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Hessen
Aktenzeichen
S 2 R 170/06
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Hessen
Anfrage
In obigem Rechtsstreit wird um die Beantwortung der unter II. aufgeführten berufskundlichen Beweisfragen unter Berücksichtigung der nachfolgend aufgezeigten Anknüpfungstatsachen gebeten.

I. Anknüpfungstatsachen:

a) Beruflicher Werdegang und sonstige berufsbezogene Qualifikationen des Klägers:
b) 9 Jahre Besuch einer Sonderschule, grenzbegabt
Analphabet
1968 – 1977 Hilfsarbeiten im Baugewerbe
1977 – 1998 Hilfsarbeiten im Steinbruch
5.2. 1998 Arbeitsunfall (schwere Quetschung des linken Unterarms)
2000 bis 2004 Tätigkeit im Straßenbau
Seit 01.04.2004 arbeitslos.

c) Gesundheitliches Restleistungsvermögen des Klägers: leichte Arbeiten mit mittelschweren Belastungsspitzen vollschichtig (mindestens sechs Stunden pro Tag) in wechselnder Körperhaltung ohne regelmäßiges Heben und Tragen von Lasten über 8 bis 10 kg oder gehäufte Überkopfarbeiten sowie ohne Zwangshaltung der Wirbelsäule Anforderungen an die grobe Kraftentwicklung des linken Armes sind nicht zu stellen. Die feinmotorische Belastbarkeit der linken Hand ist nicht eingeschränkt. In geschlossenen Räumen mit ausreichenden Sanitäreinrichtungen und mit der Möglichkeit jederzeitiger kurzfristiger Arbeitsunterbrechung. Demnach nicht automatisierte Arbeiten, welche die ständige Anwesenheit ohne solche Unterbrechungen erfordern, auch keine Bandarbeiten, keine kontinuierlichen Überwachungsaufgaben mit ständiger Beobachtung eines Monitors.

II. Beweisfragen:

1. Welche berufsnahen oder berufsfremden Tätigkeiten kann der Kläger noch ausüben?

2. Welches fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil haben diese Tätigkeiten im Einzelnen?

3. Welche Ausbildungszeiten erfordern diese Tätigkeiten und wie werden diese Tätigkeiten tarifvertraglich eingestuft?

4. Kann der Kläger unter Berücksichtigung der Anknüpfungstatsachen zu I.a nach einer bis zu drei Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung die für die in Betracht kommenden Tätigkeiten vollwertig verrichten?

5. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten (bitte einzeln bezeichnen) auf dem Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang (mehr als 300 Arbeitsplätze im Bundesgebiet) zur Verfügung?

6. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten auch Betriebsfremden zur Verfügung?
Auskunft
Stellungnahme:

Zu 1.) und 2.) Berufsnahe Tätigkeiten können vom Kläger nicht mehr ausgeübt werden. Ich halte ihn jedoch noch für bedingt geeignet die folgende Tätigkeit auszuüben:

Pförtner/Tagespförtner
Pförtner/innen kontrollieren in Eingangshallen oder aus Pförtnerlogen den Zugang zu Gebäuden oder Betriebsgeländen. Sie sind erste Ansprechpartner für Besucher. Je nach Art des Betriebes oder der Behörde haben sie unterschiedliche Aufgabenschwerpunkte. Sie überwachen zeitliche bzw. örtliche Zugangsberechtigungen. Sie kontrollieren Werksausweise, stellen Besucherkarten/Passierscheine für Besucher aus und melden diese bei der zuständigen Stelle an. Zu ihren Aufgaben gehören teilweise auch das Aushändigen von Formularen, sowie das Aufbewahren von Fundsachen und Gepäck und das Verwalten von Schlüsseln und Schließanlagen. Auch die Kontrolle des Kfz- und Warenverkehrs gehört in manchen Betrieben zu ihrer Tätigkeit. Darüber hinaus können auch einfache Bürotätigkeiten, die Postverteilung im Betrieb sowie der Telefondienst zu ihren Aufgaben gehören. Pförtner/innen werden u. a. als Werkspförtner, Pförtner in Betrieben, Büro- und Geschäftshäusern und öffentlichen Gebäuden, Krankenhäusern, Heimen oder Museen eingesetzt.

Es handelt sich dabei meist um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten Räumen. Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Die Tätigkeit erfordert keine besonderen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen. Die erforderlichen Lese- und Schreibkenntnisse sind als normal zu bewerten. Die Tätigkeit beinhaltet keine ständige nervliche Belastung bzw. keinen dauernden Zeitdruck wie beispielsweise Akkordarbeit. Ganz sind Stress-Situationen erfahrungsgemäß jedoch nicht zu vermeiden. Je nach Arbeitsort kann Schichtdienst vorkommen.

Zu 3.) Bei der vorgenannten Verweistätigkeit handelt es sich um ungelernte Arbeiten, für die keine besondere Ausbildung erforderlich ist und die nach einer entsprechenden Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeit verrichtet werden können. Gleichwohl wird diese Tätigkeit zu einem überwiegenden Teil von Arbeitnehmern mit einer abgeschlossenen Ausbildung ausgeübt.

Zu 4.) Für die genannte Tätigkeit sind im Allgemeinen Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten von maximal drei Monaten Dauer erforderlich. Diese Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten dürften - unter Zugrundelegung des mir derzeit nach Aktenlage bekannten beruflichen und gesundheitlichen Leistungsvermögens des Klägers - auch für diesen ausreichend sein.

Zu 5.) Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei einer nennenswerten Zahl von Arbeitsplätzen sich eine Toilette in unmittelbarer Nähe befindet. Arbeitnehmern werden in gewissem Umfang sog. Verteilzeiten zugestanden. Dazu rechnet z.B. der Weg vom Zeiterfassungsgerät zum Arbeitsplatz, das Vorbereiten bzw. Aufräumen des Arbeitsplatzes, das Aufsuchen der Toilette, Unterbrechungen durch Störungen durch Dritte usw. Arbeitsunterbrechungen im Rahmen der bezahlten sogenannten Verteilzeiten haben sich in erster Linie dem Arbeitsablauf unterzuordnen. Es besteht jedoch keine derart weitreichende Gestaltungsmöglichkeit, dass der Arbeitsplatz jederzeit, umgehend und mehrmals täglich zum Aufsuchen der Toilette verlassen werden kann. Derartiges Verhalten wird erfahrungsgemäß nur im Einzelfall bei langjährigen Beschäftigten akzeptiert. Arbeitgeber lehnen in der Regel bei Neueinstellungen solche Zugeständnisse auch dort ab, wo sie vom Arbeitsablauf her möglich wären. Begründet wird dies mit der Befürchtung, weitere Belegschaftsmitglieder würden dann ähnliche Sonderregelungen fordern.

Zu 6.) Die genannte Verweistätigkeit steht auch Betriebsfremden zur Verfügung.
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