Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Hessen
Aktenzeichen
S 2 R 582/08
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Hessen
Anfrage
In obigem Rechtsstreit wird um die Beantwortung der unter II. aufgeführten berufskundlichen Beweisfragen unter Berücksichtigung der nachfolgend aufgezeigten Anknüpfungstatsachen gebeten.
I. Anknüpfungstatsachen:
a) Beruflicher Werdegang und sonstige berufsbezogene Qualifikationen der Klägerin:
Gelernte Einzelhandelskauffrau, bis 1977 in diesem Beruf voll berufstätig, Kinderpause bis 1995 1995 - 2001 Tätigkeit als Zeitungszustellerin, krankheitsbedingt aufgegeben, seitdem arbeitslos.
b) Gesundheitliches Restleistungsvermögen der Klägerin:
Von ihrem Sehvermögen her vermag die Klägerin täglich sechs Stunden zu sehen, wenn gleich in keiner Weise exaktes Erkennen oder gar stetes Lesen möglich ist. Es ist ein ständiges orientieren Wahrnehmen der Umgebung und von über handtellergroßen Gegenständen gegeben.
Leichte Tätigkeiten sind zumutbar, keine Zwangshaltung, gute Lichtverhältnisse, keine Arbeiten in Höhen, an schnelleren Maschinen, mit gefährlichen Gütern, keine Bearbeitung kleiner Teile, kein ständiges Bücken, keine Überkopfarbeiten, kein ständiges Heben über 10 kg, permanente Arbeit an Bildschirmen ist nicht indiziert (Augen zittern!), empfohlen werden geschlossene Räume ohne massive Staubeinwirkungen
II. Beweisfragen:
1. Welche berufsnahen oder berufsfremden Tätigkeiten kann die Klägerin noch ausüben?
2. Welches fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil haben diese Tätigkeiten im Einzelnen?
3. Welche Ausbildungszeiten erfordern diese Tätigkeiten und wie werden diese Tätigkeiten tarifvertraglich eingestuft?
4. Kann die Klägerin unter Berücksichtigung der Anknüpfungstatsachen zu I.a nach einer bis zu drei Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung die für die in Betracht kommenden Tätigkeiten vollwertig verrichten?
5. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten (bitte einzeln bezeichnen) auf dem Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang (mehr als 300 Arbeitsplätze im Bundesgebiet) zur Verfügung?
6. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten auch Betriebsfremden zur Verfügung?
I. Anknüpfungstatsachen:
a) Beruflicher Werdegang und sonstige berufsbezogene Qualifikationen der Klägerin:
Gelernte Einzelhandelskauffrau, bis 1977 in diesem Beruf voll berufstätig, Kinderpause bis 1995 1995 - 2001 Tätigkeit als Zeitungszustellerin, krankheitsbedingt aufgegeben, seitdem arbeitslos.
b) Gesundheitliches Restleistungsvermögen der Klägerin:
Von ihrem Sehvermögen her vermag die Klägerin täglich sechs Stunden zu sehen, wenn gleich in keiner Weise exaktes Erkennen oder gar stetes Lesen möglich ist. Es ist ein ständiges orientieren Wahrnehmen der Umgebung und von über handtellergroßen Gegenständen gegeben.
Leichte Tätigkeiten sind zumutbar, keine Zwangshaltung, gute Lichtverhältnisse, keine Arbeiten in Höhen, an schnelleren Maschinen, mit gefährlichen Gütern, keine Bearbeitung kleiner Teile, kein ständiges Bücken, keine Überkopfarbeiten, kein ständiges Heben über 10 kg, permanente Arbeit an Bildschirmen ist nicht indiziert (Augen zittern!), empfohlen werden geschlossene Räume ohne massive Staubeinwirkungen
II. Beweisfragen:
1. Welche berufsnahen oder berufsfremden Tätigkeiten kann die Klägerin noch ausüben?
2. Welches fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil haben diese Tätigkeiten im Einzelnen?
3. Welche Ausbildungszeiten erfordern diese Tätigkeiten und wie werden diese Tätigkeiten tarifvertraglich eingestuft?
4. Kann die Klägerin unter Berücksichtigung der Anknüpfungstatsachen zu I.a nach einer bis zu drei Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung die für die in Betracht kommenden Tätigkeiten vollwertig verrichten?
5. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten (bitte einzeln bezeichnen) auf dem Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang (mehr als 300 Arbeitsplätze im Bundesgebiet) zur Verfügung?
6. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten auch Betriebsfremden zur Verfügung?
Auskunft
Stellungnahme:
zu 1) Aufgrund ihres gesundheitlichen Restleistungsvermögens ist die Klägerin -ohne eine mindestens einjährige Sonderausbildung für stark sehbehinderte Menschen- nicht in der Lage, eine Tätigkeit wettbewerbsfähig verrichten zu können. Lt. augenärztlichem Gutachten ist ein ständiges orientierendes Wahrnehmen der Umgebung und von über handtellergroßen Gegenständen gegeben. Die Klägerin kann nur noch in Tätigkeitsfeldern eingesetzt werden, die für stark Sehbehinderte ausgewiesen sind. Wegen „Augenzittern“ ist eine permanente Arbeit an Bildschirmen nicht indiziert.
Die Sehbehinderung der Klägerin in Kombination mit den weiteren gesundheitlichen Einschränkungen lässt aus meiner Sicht einzig eine Tätigkeit als Telefonistin in Betracht kommen. Bei der vorgenannten Tätigkeit handelt es sich um eine berufsfremde Tätigkeit. Berufsnahe Tätigkeiten kommen für die Klägerin nicht in Betracht. Das fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil wird unter Punkt 2 beschrieben. Da die Bedienung einer Telefonanlage grundsätzlich ausreichende Sehfähigkeit bedingt und häufig auch Computer genutzt werden, ist die Ausübung einer solchen Tätigkeit nicht ohne eine Grundausbildung für stark sehbehinderte Menschen und eine blinden-/sehbehinderten-spezifische Ausstattung des Telefonistenarbeitsplatzes möglich. Die „Blindentechnische Grundausbildung“ ist eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme die sich an Personen richtet, die plötzlich erblindet sind oder deren Sehvermögen sich gravierend verschlechtert hat. Sie vermittelt Kenntnisse und Fertigkeiten, die für die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit in Ausbildung, Beruf und im Privatleben unerlässlich sind. Die Unterrichtsinhalte umfassen u.a. das Erlernen der Braille-Punktschrift (Blindenschrift) und die Einführung in die Bedienung von blindenspezifischen Computerhilfsmitteln. Durch die Ausgabemöglichkeit des Bildschirmtextes auf einer ertastbaren Braillezeile kann der Bildschirminhalt gelesen werden. So können z.B. Telefonverzeichnisse und Texte gelesen werden. Die Gesprächsvermittlung und eine mögliche Texteingabe erfolgt wie bei Sehenden über die Telefon-/PC-Tastatur. Aufgrund des Alters und des beruflichen Werdeganges der Klägerin würde eine „Blindentechnische Grundausbildung“ mindestens ein Jahr dauern. Fraglich ist jedoch ob die Klägerin aufgrund des Alters und der gesundheitlichen Einschränkungen überhaupt in der Lage ist die Blindenschrift zu erlernen. Hierfür ist nämlich ein sensibler Tastsinn der Fingerkuppen erforderlich. Bei stark beschwielten Fingerkuppen oder vermindertem Tastsinn, wie er u.a. bei Diabetikern durch abgestorbene Nervenzellenenden in den äußeren Hautschichten vorkommen kann, ist das Erlernen der Blindenschrift in der Regel nicht möglich. Die Klägerin leidet lt. ärztlichem Gutachten unter Diabetes. Schwere und Einschränkungen in Bezug auf einen möglicherweise verminderten Tastsinn können den vorliegenden Gutachten nicht entnommen werden.
zu 2) Telefonisten/Telefonistinnen
Diese Tätigkeit umfasst die Bedienung von Telefon-/Fernsprechzentralen. Dazu gehört die Erteilung von Auskünften, die Weiterleitung und Registrierung von Gesprächen, die Entgegennahme und Weitergabe von Telefonnotizen, Telefaxen, E-Mails u. ä ... Die Anforderungen an Telefonisten/Telefonistinnen sind aufgrund der Tatsache, dass diese in allen Bereichen von Wirtschaft und Verwaltung tätig sind, recht unterschiedlich.
Während sich in großen Wirtschaftsunternehmen und Verwaltungen die Tätigkeit in der Regel auf das Bedienen einer zum Teil recht umfangreichen Telefonanlage beschränkt, findet man in kleineren und mittleren Betrieben und Organisationen häufig eine Funktionskoppelung mit Bürotätigkeiten sowie Empfangs- und Pförtnertätigkeiten.
Oft sind allgemeine PC-Kenntnisse (Word, Excel, Outlook) erwünscht, im Einzelfall auch kaufmännische Grundkenntnisse.
Es handelt sich um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten Räumen. Die Tätigkeit kann in wechselnder Körperhaltung, überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen ausgeübt werden. Eine wechselnde Arbeitshaltung ist durch den Einsatz ergonomisch gestalteter Arbeitsplatzausstattungen möglich. Die Tätigkeit erfordert gute Sprech- und Hörfähigkeit. Gelegentlich ist Zeitdruck nicht auszuschließen.
zu 3) Bei der vorgenannten Tätigkeit handelt es sich um eine ungelernte Tätigkeit, für die keine besondere Ausbildung erforderlich ist. Im Regelfall beträgt die betriebliche Einarbeitungs- und Einweisungszeit maximal drei Monate. Hinsichtlich der tarifvertraglichen Einstufung verweise ich auf das Tarifregister des Landes Hessen.
zu 4.) Aufgrund ihres gesundheitlichen Restleistungsvermögens und dem unter Punkt 2 genannten Erfordernis einer „Blindentechnischen Grundausbildung“ ist die Klägerin aus berufskundlicher Sicht nicht in der Lage, die Tätigkeit einer Telefonistin nach einer betrieblichen Einarbeitungs-/Einweisungszeit von maximal drei Monaten unter arbeitsmarkt- und betriebsüblichen Bedingungen vollwertig verrichten zu können.
zu 5+6 Die in Betracht kommende Tätigkeit einer Telefonistin steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes in nennenswertem Umfang -mehr als 300 besetzte oder unbesetzte Arbeitsplätze- auch ohne Funktionskoppelung mit Büro- oder Empfangs- und Pförtnertätigkeiten, sehbeeinträchtigten Betriebsfremden zur Verfügung.
zu 1) Aufgrund ihres gesundheitlichen Restleistungsvermögens ist die Klägerin -ohne eine mindestens einjährige Sonderausbildung für stark sehbehinderte Menschen- nicht in der Lage, eine Tätigkeit wettbewerbsfähig verrichten zu können. Lt. augenärztlichem Gutachten ist ein ständiges orientierendes Wahrnehmen der Umgebung und von über handtellergroßen Gegenständen gegeben. Die Klägerin kann nur noch in Tätigkeitsfeldern eingesetzt werden, die für stark Sehbehinderte ausgewiesen sind. Wegen „Augenzittern“ ist eine permanente Arbeit an Bildschirmen nicht indiziert.
Die Sehbehinderung der Klägerin in Kombination mit den weiteren gesundheitlichen Einschränkungen lässt aus meiner Sicht einzig eine Tätigkeit als Telefonistin in Betracht kommen. Bei der vorgenannten Tätigkeit handelt es sich um eine berufsfremde Tätigkeit. Berufsnahe Tätigkeiten kommen für die Klägerin nicht in Betracht. Das fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil wird unter Punkt 2 beschrieben. Da die Bedienung einer Telefonanlage grundsätzlich ausreichende Sehfähigkeit bedingt und häufig auch Computer genutzt werden, ist die Ausübung einer solchen Tätigkeit nicht ohne eine Grundausbildung für stark sehbehinderte Menschen und eine blinden-/sehbehinderten-spezifische Ausstattung des Telefonistenarbeitsplatzes möglich. Die „Blindentechnische Grundausbildung“ ist eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme die sich an Personen richtet, die plötzlich erblindet sind oder deren Sehvermögen sich gravierend verschlechtert hat. Sie vermittelt Kenntnisse und Fertigkeiten, die für die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit in Ausbildung, Beruf und im Privatleben unerlässlich sind. Die Unterrichtsinhalte umfassen u.a. das Erlernen der Braille-Punktschrift (Blindenschrift) und die Einführung in die Bedienung von blindenspezifischen Computerhilfsmitteln. Durch die Ausgabemöglichkeit des Bildschirmtextes auf einer ertastbaren Braillezeile kann der Bildschirminhalt gelesen werden. So können z.B. Telefonverzeichnisse und Texte gelesen werden. Die Gesprächsvermittlung und eine mögliche Texteingabe erfolgt wie bei Sehenden über die Telefon-/PC-Tastatur. Aufgrund des Alters und des beruflichen Werdeganges der Klägerin würde eine „Blindentechnische Grundausbildung“ mindestens ein Jahr dauern. Fraglich ist jedoch ob die Klägerin aufgrund des Alters und der gesundheitlichen Einschränkungen überhaupt in der Lage ist die Blindenschrift zu erlernen. Hierfür ist nämlich ein sensibler Tastsinn der Fingerkuppen erforderlich. Bei stark beschwielten Fingerkuppen oder vermindertem Tastsinn, wie er u.a. bei Diabetikern durch abgestorbene Nervenzellenenden in den äußeren Hautschichten vorkommen kann, ist das Erlernen der Blindenschrift in der Regel nicht möglich. Die Klägerin leidet lt. ärztlichem Gutachten unter Diabetes. Schwere und Einschränkungen in Bezug auf einen möglicherweise verminderten Tastsinn können den vorliegenden Gutachten nicht entnommen werden.
zu 2) Telefonisten/Telefonistinnen
Diese Tätigkeit umfasst die Bedienung von Telefon-/Fernsprechzentralen. Dazu gehört die Erteilung von Auskünften, die Weiterleitung und Registrierung von Gesprächen, die Entgegennahme und Weitergabe von Telefonnotizen, Telefaxen, E-Mails u. ä ... Die Anforderungen an Telefonisten/Telefonistinnen sind aufgrund der Tatsache, dass diese in allen Bereichen von Wirtschaft und Verwaltung tätig sind, recht unterschiedlich.
Während sich in großen Wirtschaftsunternehmen und Verwaltungen die Tätigkeit in der Regel auf das Bedienen einer zum Teil recht umfangreichen Telefonanlage beschränkt, findet man in kleineren und mittleren Betrieben und Organisationen häufig eine Funktionskoppelung mit Bürotätigkeiten sowie Empfangs- und Pförtnertätigkeiten.
Oft sind allgemeine PC-Kenntnisse (Word, Excel, Outlook) erwünscht, im Einzelfall auch kaufmännische Grundkenntnisse.
Es handelt sich um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten Räumen. Die Tätigkeit kann in wechselnder Körperhaltung, überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen ausgeübt werden. Eine wechselnde Arbeitshaltung ist durch den Einsatz ergonomisch gestalteter Arbeitsplatzausstattungen möglich. Die Tätigkeit erfordert gute Sprech- und Hörfähigkeit. Gelegentlich ist Zeitdruck nicht auszuschließen.
zu 3) Bei der vorgenannten Tätigkeit handelt es sich um eine ungelernte Tätigkeit, für die keine besondere Ausbildung erforderlich ist. Im Regelfall beträgt die betriebliche Einarbeitungs- und Einweisungszeit maximal drei Monate. Hinsichtlich der tarifvertraglichen Einstufung verweise ich auf das Tarifregister des Landes Hessen.
zu 4.) Aufgrund ihres gesundheitlichen Restleistungsvermögens und dem unter Punkt 2 genannten Erfordernis einer „Blindentechnischen Grundausbildung“ ist die Klägerin aus berufskundlicher Sicht nicht in der Lage, die Tätigkeit einer Telefonistin nach einer betrieblichen Einarbeitungs-/Einweisungszeit von maximal drei Monaten unter arbeitsmarkt- und betriebsüblichen Bedingungen vollwertig verrichten zu können.
zu 5+6 Die in Betracht kommende Tätigkeit einer Telefonistin steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes in nennenswertem Umfang -mehr als 300 besetzte oder unbesetzte Arbeitsplätze- auch ohne Funktionskoppelung mit Büro- oder Empfangs- und Pförtnertätigkeiten, sehbeeinträchtigten Betriebsfremden zur Verfügung.
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