S 4 R 123/08

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Hessen
Aktenzeichen
S 4 R 123/08
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Hessen
Anfrage
In obigem Rechtsstreit wird um die Beantwortung der unter II. aufgeführten berufskundlichen Beweisfragen unter Berücksichtigung der nachfolgend aufgezeigten Anknüpfungstatsachen gebeten.

I. Anknüpfungstatsachen:

a) Beruflicher Werdegang und sonstige berufsbezogene Qualifikationen des Klägers:
Nach Aktenlage hat der Kläger keine Lehre absolviert. Überwiegend berufliche Tätigkeiten im Baugewerbe. Bis zum 15.12.2004 Tätigkeit als Monteur von Verkehrsüberwachungsanlagen. Seitdem ist der Kläger arbeitsunfähig bzw. arbeitslos.

b) Gesundheitliches Restleistungsvermögen des Klägers:
Nach dem Gutachten des Dr. med. SD. vom 22.04.2009:
Bis auf die Schilddrüsenerkrankung führen alle sonstigen Erkrankungen des Klägers zu Leistungseinschränkungen, im wesentlichen durch körperliche Funktionsausfälle, durch das maligne Melanom außerdem wegen Gefahr weiterer gesundheitlicher Schädigung zum Beispiel durch Exposition mit Sonnenlicht.

Aufgrund seiner Leistungseinschränkungen kann der Kläger eine Tätigkeit als technischer Angestellter auf dem Bau dauerhaft selbst in geringfügigem Umfang nicht mehr ausüben.

Ansonsten kann er dauerhaft nur leichte körperliche Arbeiten verrichten. Er kann dabei überwiegend im Sitzen, zeitweise im Gehen oder Stehen arbeiten. Möglich sind solche Tätigkeiten in warmen und temperierten Räumen, jeweils in der Tagschicht.

Aufgrund seiner Leistungseinschränkungen muss der Kläger auch Tätigkeiten mit Belastungen durch Rauch, Staub, Gasen oder Dämpfen vermeiden. Wegen der Erkrankung durch malignes Melanom sind Arbeiten mit besonderer Hautbelastung, vor allem durch ionisierende Strahlen, durch Exposition mit Sonnenlicht, im Freien auszuschließen. Aufgrund der Narbenbildung und der damit verbundenen Einschränkungen der Beweglichkeit der linken Schulter sind Arbeiten über Kopf, im weiten Greifbereich der Arme, mit besonderer Belastung des linken Armes, zum Beispiel durch ausgeprägte Haltearbeiten ebenfalls nicht möglich. Wegen der dauerhaften Heiserkeit mit Flüsterstimme sind Arbeiten mit Publikumsverkehr, auch am Telefon, sowie sämtliche Arbeiten mit Sprechbelastung nicht möglich, außerdem keine Arbeiten mit Belastung durch Rauch, Staub, Gas oder Dämpfen, im Lärmbereich oder in feuchter beziehungsweise nasskalter Umgebung. Wegen der Höhlenbildung in der Lunge sind aufgrund der Infektionsgefahr ebenfalls Arbeiten mit Publikumsverkehr nicht möglich, außerdem keine Hitzearbeiten, Arbeiten unter Einfluss von Nässe, Kälte, Zugluft oder Temperaturschwankungen sowie sonstige Tätigkeiten mit Kontakt zu die Atemwege reizenden Stoffen. Wegen der Veränderungen an der Wirbelsäule sind Arbeiten im Bücken, in der Hocke, in Zwangshaltungen, mit Heben und Tragen mehr als leichtgewichtiger Gegenstände ausgeschlossen. Wegen der in rascher Folge aufgetretenen schweren Erkrankungen ist die allgemeine Leistungsfähigkeit des Klägers ebenfalls eingeschränkt, so dass derzeit nur leichte körperliche Arbeiten möglich sind. Ebenfalls nicht möglich sind Arbeiten im Schichtdienst. Eventuell besteht hierbei jedoch in Zukunft noch die Chance auf eine zumindest gewisse Verbesserung seiner allgemeinen Leistungsfähigkeit. Der Kläger kann viermal täglich Wegstrecken über 500 m innerhalb von maximal 20 Minuten zu Fuß zurücklegen. Ebenso kann er öffentliche oder private Verkehrsmittel, auch während Hauptverkehrszeiten benutzen. Bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist allerdings auf erhöhte Infektionsgefahr zu achten.

II. Beweisfragen:

1. Welche berufsnahen oder berufsfremden Tätigkeiten kann der Kläger noch ausüben?

2. Welches fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil haben diese Tätigkeiten im Einzelnen?

3. Welche Ausbildungszeiten erfordern diese Tätigkeiten und wie werden diese Tätigkeiten tarifvertraglich eingestuft?

4. Kann der Kläger unter Berücksichtigung der Anknüpfungstatsachen zu I.a nach einer bis zu drei Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung die für die in Betracht kommenden Tätigkeiten vollwertig verrichten?

5. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten (bitte einzeln bezeichnen) auf dem Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang (mehr als 300 Arbeitsplätze im Bundesgebiet) zur Verfügung?

6. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten auch Betriebsfremden zur Verfügung?
Auskunft
Stellungnahme:

zu 1.) und 2.): Unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen halte ich den Kläger nicht mehr für in der Lage, die bisher ausgeübten Tätigkeiten im Baugewerbe und als Monteur von Verkehrsüberwachungsanlagen zu verrichten.

Berufsnahe Tätigkeiten kann er ebenfalls nicht mehr ausüben.

Ich halte den Kläger jedoch noch für in der Lage, folgende berufsfremde Verweistätigkeiten zu verrichten.

Mitarbeiter in der Poststelle eines Betriebes oder einer Behörde
Die Tätigkeit umfasst die Entgegennahme und das Öffnen der täglichen Eingangspost (Postsäcke, Postkörbe, Pakete, Briefsendungen, u.a.) sowie der Hauspost, die Entnahme des Inhaltes von Postsendungen, die Überprüfung der Vollständigkeit, das Anbringen eines Posteingangsstempels bzw. eines Eingangs-/Weiterleitungsvermerkes, das Anklammern der Anlagen; das Auszeichnen, Sortieren und Verteilen der Eingangspost innerhalb der Poststelle in die Fächer der jeweils zuständigen Abteilungen. Poststellenmitarbeiter/innen bereiten die Ausgangspost vor. Dies geschieht durch Falzen und Kuvertieren, Wiegen und Feststellen des Brief-/Paketportos, Frankieren per Hand bzw. mit Frankiermaschinen, das Packen von Päckchen und Paketen, das Eintragen von Wert- und Einschreibesendungen in Auslieferungsbücher. Üblich ist der Umgang mit Bürokommunikationsmitteln, wie PC, Scanner, Faxgeräte und Kopierer sowie Brieföffnungsmaschinen, Kuvertiermaschinen, Frankiermaschinen

Es handelt sich dabei um eine körperlich leichte, gelegentlich mittelschwere Arbeit in geschlossenen, temperierten, oft klimatisierten Räumen, z.T. in Großraumbüros (Poststelle). Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Eine wechselnde Arbeitshaltung ist durch den Einsatz ergonomisch gestalteter Arbeitsplatzausstattungen möglich. Die Tätigkeit erfordert keine besonderen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen sowie die Feinmotorik der Hände. Die erforderlichen Lese- und Schreibkenntnisse sind als normal zu bewerten. Arbeiten unter gelegentlichem Stress und Zeitdruck sind nicht auszuschließen.

Büro-/Verwaltungshilfskraft
Diese Tätigkeit umfasst einfache, routinemäßige Bürohilfsarbeiten, die ohne besondere Ausbildung und ohne längere Einarbeitungszeit nach vorgegebenem Schema oder nach jeweiligen Anordnungen verrichtet werden können. Bürohilfskräfte erledigen beispielsweise Schreibarbeiten, kümmern sich um die Verteilung der Post und firmeninterner Umläufe, kopieren Unterlagen, sorgen für die Ablage und erfassen Daten. Je nach vorhandenen Kenntnissen und Fertigkeiten können Bürohilfskräfte einfache Buchhaltungsarbeiten ausführen, bei der Erstellung von Statistiken und Auswertungen mitwirken oder im Telefondienst mitarbeiten. Bei ihren vielfältigen Aufgaben und Tätigkeiten verwenden sie oft moderne Büro- und Kommunikationsmittel und müssen daher mit Computern, Kopierern, Scannern, Telefon, Telefax und anderen Bürogeräten nach entsprechender Einweisung umgehen können. Bürohilfskräfte können in allen Branchen tätig sein. Meist sind allgemeine PC-Kenntnisse (Word, Excel, Outlook) erwünscht, im Einzelfall auch kaufmännische Grundkenntnisse und vertrauter Umgang mit dem Internet.

Es handelt sich dabei um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten, oft klimatisierten Räumen, zum Teil in Großraumbüros. Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Eine wechselnde Arbeitshaltung ist durch den Einsatz ergonomisch gestalteter Arbeitsplatzausstattungen möglich.

zu 3.): Bei den vorgenannten Verweistätigkeiten handelt es sich um ungelernte Tätigkeiten, für die keine besondere Ausbildung erforderlich ist und die nach einer entsprechenden Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeit verrichtet werden können. Gleichwohl werden diese Tätigkeiten zu einem überwiegenden Teil von Arbeitnehmern mit einer abgeschlossenen Ausbildung ausgeübt.

zu 4.): Für die genannten Verweistätigkeiten sind im allgemeinen Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten von maximal drei Monaten Dauer erforderlich. Diese Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten dürften - unter Zugrundelegung des mir derzeit nach Aktenlage bekannten beruflichen und gesundheitlichen Leistungsvermögens des Klägers - auch für ihn ausreichend sein.

zu 5.): Die genannten Verweistätigkeiten stehen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes in nennenswertem Umfang zur Verfügung.

zu 6.): Die genannten Verweistätigkeiten stehen auch Betriebsfremden zur Verfügung.
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Datum