Vertrauensschutz bei Rentenbescheid

Bundesland
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Kategorie
Entscheidungen
Versicherte können bei wahrheitsgemäßen Angaben grundsätzlich auf die Rechtmäßigkeit eines begünstigenden Rentenbescheides vertrauen, sofern diesem komplizierte Berechnungen zugrunde liegen. Die mögliche Kenntnis des Anwalts von der Rechtswidrigkeit des Bescheides kann ihnen nicht entgegengehalten werden, soweit dieser dem im vorherigen Gerichtsverfahren beauftragten Rechtsanwalt nach Ablauf der Vollmacht zugesandt und von diesem ungeprüft an den Versicherten weitergeleitet worden ist. Dies entschied in einem heute veröffentlichten Urteil der 5. Senat des Hessischen Landessozialgerichts.

Der Entscheidung liegt der Fall eines Versicherten ohne Berufsausbildung aus Wiesbaden zugrunde, der zuletzt als Croupier gearbeitet hatte. Aufgrund von Arbeitsunfähigkeit erhielt er zunächst Krankengeld. Nach Verlust der Arbeitstelle wurde ihm schließlich Arbeitslosengeld gewährt. Die ebenfalls beantragte Erwerbsminderungsrente erkannte die Rentenversicherung erst im Klageverfahren rückwirkend an. Der die monatliche Rente auch für die Vergangenheit festsetzende Bescheid erging erst knapp neun Monaten später und wurde dem im vorherigen Verfahren bevollmächtigten Rechtsanwalt des Versicherten zugesandt. Der Anwalt, der zwischenzeitlich seine Gebühren in Rechnung gestellt hatte, leitete den Bescheid an seinen ehemaligen Mandanten ungeprüft weiter.

Später erkannte die Rentenversicherung, dass dem Versicherten aufgrund des gleichzeitig gezahlten Arbeitslosengeldes und der geltenden Hinzuverdienstgrenzen nur eine kleinere Rente zusteht. Sie nahm den rechtswidrigen Bescheid zurück, setzte für die Vergangenheit eine niedrigere Rente fest und forderte die bis dahin überzahlte Rente zurück. Dabei verwies sie darauf, dass der Versicherte sich nicht auf Vertrauensschutz berufen könne. Da die Hinzuverdienstgrenzen aus dem Bescheid ersichtlich gewesen seien und ihm das Wissen seines Rechtsanwaltes anzurechnen sei, habe er die Rechtswidrigkeit des Bescheides erkennen können.

Die Richter beider Instanzen gaben hingegen dem Kläger Recht. Dieser habe keineswegs grob fahrlässig die Rechtswidrigkeit des ersten Rentenbescheides verkannt. Aufgrund der komplizierten Rentenberechnung und mangels Angabe der Hinzuverdienstgrenze im streiterheblichen Zeitraum sei für ihn die Fehlerhaftigkeit des Bescheides nicht erkennbar gewesen. Hieran ändere auch ein etwaiges Verschulden seines Rechtsanwaltes nichts, da zum Zeitpunkt des Zugangs des ersten Rentenbescheides die Prozessvollmacht nicht mehr wirksam gewesen sei. Denn mit Erledigung des Rechtsstreites habe auch die Vertretungsmacht spätestens in dem Moment geendet, in dem vom Anwalt keine Tätigkeit mehr zu erwarten gewesen sei. Ein ausdrücklicher Widerruf der Vollmacht sei dann nicht erforderlich. Der Versicherte müsse sich daher das Wissen seines (ehemaligen) Prozessbevollmächtigten nicht zurechnen lassen.

Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 29.02.2008, Az.: L 5 R 195/06
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