Versicherte der Geburtsjahrgänge bis einschließlich 1952, welche die Wartezeit von 45 Jahren erfüllt haben, können nach §§ 38, 236 b SGB VI die abschlagfreie Altersrente in Anspruch nehmen.

Bundesland
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Kategorie
Entscheidungen
Als anrechenbare Zeiten sieht § 51 Abs. 3 a SGB VI u. a. Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung, d. h. des Bezugs von Arbeitslosengeld vor, sofern diese Zeiten Pflichtbeitragszeiten oder Anrechnungszeiten sind. Derartige Zeiten werden in den letzten 2 Jahren vor Rentenbeginn nicht berücksichtigt, es sei denn der Bezug war durch Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt. Die Insolvenz oder Geschäftsaufgabe muss maßgeblicher Anlass für den Bezug der Entgeltersatzleistung der Arbeitsförderung sein und dem Bezug vorangehen.

§ 51 Abs. 3 a Nr. 3 SGB VI ist verfassungsgemäß.

Der Sachverhalt

Der 1951 geborene Kläger war als Vertriebsmitarbeiter beschäftigt. Sein Arbeitgeber kündigte ihn zum 31.12.2012 aus betriebsbedingten Gründen. Nachdem der Kläger ab 01.01.2013 Arbeitslosengeld I bezogen hatte, beantragte er im Oktober 2014 die Zahlung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab Januar 2015. Nach umfassender Prüfung der Wartezeitmonate lehnte der beklagte Rentenversicherungsträger den Antrag ab, weil nur 525 statt der erforderlichen 540 Monate für die Wartezeit von 45 Jahren vorlägen. Der Arbeitslosengeld I Bezug des Klägers (24 Monate) könne nicht auf die Wartezeit angerechnet werden. Dagegen erhob der Kläger vor dem Sozialgericht Gießen Klage u. a. mit der Begründung, es sei verfassungswidrig, dass für Arbeitnehmer, deren Arbeitgeber insolvent geworden sei oder den Betrieb vollständig aufgegeben hätte, die letzten 2 Jahre des Bezugs von Arbeitslosengeld berücksichtigt würden, während diese Berücksichtigung für Arbeitnehmer, denen wie ihm, betriebsbedingt gekündigt worden sei, entfalle.

Die Entscheidung

Das Sozialgericht Gießen folgte dieser Argumentation nicht. Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld I würden nicht auf die Wartezeit von 45 Jahren angerechnet, wenn sie in den letzten 2 Jahren vor dem Rentenbeginn lägen. Anders werde die Arbeitslosigkeit in den letzten 2 Jahren vor der Rente nur dann behandelt, wenn sie die Folge einer Insolvenz oder vollständigen Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers seien. Das bedeute im Ergebnis aber auch, dass in anderen Fällen einer – vom Arbeitnehmer unverschuldeten – betriebsbedingten Kündigung im Anschluss daran in den letzten 2 Jahren vor Rentenbeginn bezogenes Arbeitslosengeld I nicht auf die Wartezeit von 45 Jahren angerechnet werden könne. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken vermochte das Gericht nicht festzustellen. Festzuhalten sei, dass keine erheblichen Zweifel an der pauschalen Nichtberücksichtigung von Zeiten des Arbeitslosengeld I Bezugs in den letzten 2 Jahren vor Rentenbeginn bestehe. Ein dem Gleichbehandlungsgebot widersprechender Ausschluss von einer ihrerseits mit diesem Gebot nicht in Einklang zu bringenden Privilegierung vermöge von Verfassungs wegen keinen Anspruch auf eine Einbeziehung in ebendiese Privilegierung zu begründen.

Sozialgericht Gießen, Urteil vom 14.06.2016, Az.: S 17 R 391/15
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