Sozialdienstleister, die coronabedingt ihre Leistungen nicht oder nur teilweise erbringen können, erhalten einen Zuschuss zur Bestandssicherung nach dem Sozialdienstleister-Einsatzgesetz. Dieser Zuschuss beträgt höchstens 75 % des ermittelten Monatsdurchschnitts der zuvor erzielten Vergütungen und ist eine nachrangige Leistung. Vorrangige und bereits erbrachte Leistungen sind schon bei der Berechnung der Zuschusshöhe und nicht erst in einem späteren Erstattungsverfahren des Leistungsträgers zu berück-sichtigen. Dies entschied in einem heute veröffentlichten Urteil der 4. Senat des Hessischen Landessozialgerichts.
Erbringer von Eingliederungshilfe beantragt Zuschüsse wegen coronabedingter Schulschließung
Ein Dienstleister aus dem Kreis Groß-Gerau konnte während der coronabedingten Schulschließung nur eingeschränkt Eingliederungshilfe in Form von Teilhabeassistenz für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen erbringen. Er beantragte für Juni und Juli 2020 Zuschüsse nach dem Sozialdienstleister-Einsatzgesetz.
Der Kreis Bergstraße ermittelte die durchschnittliche monatliche Leistungsvergütung, berücksichtigte die gesetzliche Obergrenze von 75 % und zog von dem Betrag die bereits erfolgten Leistungsvergütungen ab.
Der Leistungserbringer widersprach der Berechnung und forderte höhere Zuschüsse. Die bereits erfolgten Leistungsvergütungen hätten nicht von dem 75%igen Höchstbetrag abgezogen werden dürfen. Jedenfalls aber hätte der Kreis Bergstraße sie erst später im Rahmen eines Erstattungsverfahrens geltend machen dürfen.
Bereits geleistete Zahlungen sind schon bei der Berechnung der Zuschusshöhe vom Höchstbetrag abzuziehen
Die Richter beider Instanzen folgten der Argumentation des Landkreises. Aufgrund der Kontaktbegrenzungen sei manchen sozialen Leistungserbringern in der Corona-
Pandemie die Geschäftsgrundlage vorübergehend ganz oder teilweise weggebrochen. Um die erforderliche Infrastruktur der sozialen Dienstleister und deren Existenz zu erhalten, sollten nach dem Sozialdienstleister-Einsatzgesetz Zuschüsse in Höhe von 75 % der durchschnittlichen Monatsvergütung gewährt werden. Diese Zuschüsse seien allerdings nur subsidiär gegenüber den vorrangigen Möglichkeiten der Bestandssicherung. Daher sei bei der Berechnung der Zuschüsse die tatsächlich erfolgte Vergütung von dem 75%igen Höchstbetrag abzuziehen. Der Sozialleistungsträger könne dies auch schon bei der Berechnung der Zuschusshöhe berücksichtigen und sei insoweit nicht auf ein späteres Erstattungsverfahren zu verweisen.
Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 16.03.2022, Az.: L 4 SO 119/21 – Die Revision wurde zugelassen. Das Urteil wird unter www.lareda.hessenrecht.hessen.de ins Internet eingestellt.
Hinweise zur Rechtslage
§ 1 Sozialdienstleister-Einsatzgesetz (SodEG – in der ab dem 29.05.2020 gültigen Fassung)
(1) Die Gewährung von Zuschüssen nach diesem Gesetz ist davon abhängig, dass der soziale Dienstleister mit der Antragstellung erklärt, alle ihm nach den Umständen
zumutbaren und rechtlich zulässigen Möglichkeiten auszuschöpfen, um Arbeitskräfte, Räumlichkeiten und Sachmittel in Bereichen zur Verfügung zu stellen, die für die Bewältigung von Auswirkungen der Coronavirus SARS-CoV-2 Krise geeignet sind. (…)
§ 2 SodEG
Die Leistungsträger nach § 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (…) und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Leistungsträger) gewährleisten den Bestand
der Einrichtungen, sozialen Dienste, Leistungserbringer und Maßnahmenträger, die als soziale Dienstleister im Aufgabenbereich des Sozialgesetzbuchs oder des
Aufenthaltsgesetzes soziale Leistungen erbringen. Soziale Dienstleister in diesem Sinne sind alle natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften,
die durch Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten nach dem Fünften Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes beeinträchtigt sind und in einem Rechtsverhältnis zu einem Leistungsträger nach Satz 1 zur Erfüllung von Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch oder dem Aufenthaltsgesetz stehen. Maßnahmen nach Satz 2 sind hoheitliche Entscheidungen, die im örtlichen Tätigkeitsbereich von sozialen Dienstleistern unmittelbar oder mittelbar den Betrieb, die Ausübung, die Nutzung oder die Erreichbarkeit von Angeboten der sozialen Dienstleister beeinträchtigen. (…)
§ 3 SodEG
Die Leistungsträger erfüllen den besonderen Sicherstellungsauftrag nach § 2 durch Auszahlung von monatlichen Zuschüssen an die einzelnen sozialen Dienstleister für
den Zeitraum, in dem die sozialen Dienstleister durch Maßnahmen nach § 2 Satz 2 beeinträchtigt sind. Für die Berechnung der Zuschusshöhe wird ein Zwölftel der im
zurückliegenden Jahreszeitraum geleisteten Zahlungen in den in § 2 genannten Rechtsverhältnissen ermittelt (…) Der monatliche Zuschuss beträgt höchstens 75 Prozent des Monatsdurchschnitts. (…)
§ 4 SodEG
Die Leistungsträger haben einen nachträglichen Erstattungsanspruch gegenüber sozialen Dienstleistern, soweit den sozialen Dienstleistern im Zeitraum der Zuschussgewährung vorrangige Mittel (…) tatsächlich zugeflossen sind (bereite Mittel). (…)
Der Erstattungsanspruch entsteht erst dann, wenn die Leistungsträger vollständige Kenntnis von den Tatsachen nach Satz 1 oder Satz 2 erlangen und frühestens drei
Monate nach der letzten Zuschusszahlung des maßgeblichen Zeitraumes der Zuschussgewährung; er überschreitet nicht die Höhe der insgesamt geleisteten Zuschüsse.