S 10 KR 391/21

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Landshut (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 10 KR 391/21
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
 

I. Der Bescheid der Beklagten vom 16.06.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.10.2021 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Krankgeld für den Zeitraum vom 31.05.2021 bis zum 13.06.2021 zu gewähren.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
III. Die Berufung wird zugelassen.


T a t b e s t a n d
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Zahlung von Krankengeld für den Zeitraum vom 31.05.2021 bis zum 13.06.2021.

Die Klägerin war seit dem 09.02.2021 arbeitsunfähig erkrankt. Bis einschließlich 22.03.2021 erhielt sie Entgeltfortzahlung von ihrem Arbeitgeber, danach zahlte ihr die Beklagte Krankengeld. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den streitgegenständlichen Zeitraum ging nach der Dokumentation der Beklagten erst am 16.06.2021 bei dieser ein.

Mit Bescheid vom 16.06.2021 teilte die Beklagte mit, dass der Krankengeldanspruch der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum ruhe. Sie begründete dies damit, dass die Arbeitsunfähigkeit innerhalb einer Woche der Krankenkasse bekannt gegeben werden müsse und vorliegend die Frist überschritten sei.

Mit Schreiben vom 24.06.2021 legte die Klägerin hiergegen Widerspruch ein. Sie habe die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den streitgegenständlichen Zeitraum bereits am 01.06.2021 über ein Onlineportal der Beklagten hochgeladen. Im Onlineportal könne man nur sehen, dass ein Dokument hochgeladen wurde, nicht jedoch welches. Am 16.06.2021 habe sie nach telefonischer Klärung mit der Beklagten erfahren, dass sie versehentlich eine alte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hochgeladen habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.10.2021 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Klägerin die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den streitgegenständlichen Zeitraum bis zum 07.06.2021 hätte einreichen müssen. Der Eingang sei jedoch nach Ablauf dieser Frist erfolgt. Am 01.06.2021 habe die Klägerin lediglich die vorherige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung übermittelt. Es obliege grundsätzlich den Versicherten, die Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig zu melden. Die Folgen seien vom Versicherten zu tragen, auch wenn diesen keinerlei Verschulden an dem unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Zugang der Meldung bei der Krankenkasse treffe. Die Wochenfrist ermögliche den Krankenkassen eine zeitnahe Prüfung der Voraussetzungen für den Krankengeldanspruch und müsse daher strikt angewendet werden; es bestehe für die Krankenkassen kein Ermessensspielraum.

Hiergegen hat die Klägerin mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten am 15.11.2021 Klage zum Sozialgericht Landshut erhoben.

Zur Begründung hat die Klägerin vortragen lassen, dass ein Ruhen des Krankengeldanspruchs nicht eintrete, wenn die Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsdaten im elektronischen Verfahren erfolge; dies gelte seit dem 01.01.2021. Allein maßgeblich sei dabei, ob die Meldung im elektronischen Verfahren erfolgen müsste, nicht maßgeblich sei die Frage, ob dies technisch bereits möglich ist. Damit habe der Gesetzgeber gerade die Obliegenheit des Versicherten zur Meldung der Arbeitsunfähigkeit abschaffen wollen. In der Gesetzesbegründung heiße es unter anderem, dass die Obliegenheit zur Meldung der Arbeitsunfähigkeit auf die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen übertragen werde. Dadurch werde ausdrücklich klargestellt, dass Verzögerungen bei der Übermittlung nicht mehr im Einflussbereich der Versicherten liegen und diese bei einer verspäteten Übermittlung damit auch keine Rechtsfolgen zu tragen haben. Eine Obliegenheit treffe den Versicherten nur dann, wenn der Vertragsarzt den Versicherten darauf hingewiesen habe, dass die technischen Voraussetzungen zur Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsdaten noch nicht gegeben seien; die Klägerin sei von ihrem Arzt jedoch nicht entsprechend hingewiesen worden.
Des Weiteren hat die Klägerin vortragen lassen, dass die fehlende Überprüfungsmöglichkeit von hochgeladenen Dokumenten im Onlineportal der Beklagten nicht zu Ihren Lasten gehen könne. Vielmehr hätte die Beklagte darauf hinweisen müssen, dass erneut eine alte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hochgeladen wurde. Die Feststellung der fehlenden Übermittlung liege nämlich ausschließlich im Machtbereich der Beklagten. Ein Fortbestehen des Krankengeldanspruchs ergebe sich jedenfalls aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch.

Die Klägerin beantragt daher,
den Bescheid der Beklagten vom 16.06.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.10.2021 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Krankengeld auch für den Zeitraum vom 31.05.2021 bis zum 13.06.2021 zu bewilligen und zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zum Vorbringen der Klägerin hat die Beklagte erwidert, dass die technische Infrastruktur zur elektronischen Datenübermittlung zwischen Ärzten und Krankenkassen nicht zum zunächst vorgesehenen Zeitpunkt bereitgestellt habe werden können; die gesetzliche Verpflichtung der Ärzte sei daher auf den 01.10.2021 verschoben worden. Im Übergangszeitraum vom 01.01.2021 bis zum 30.09.2021 sei es den Ärzten möglich gewesen, die Arbeitsunfähigkeitsdaten sowohl elektronisch zu übermitteln als auch wie bisher dem Versicherten in Papierform auszuhändigen. Zeitliche Verzögerungen bei der Einführung des elektronischen Verfahrens würden nach Auslegung des gesetzgeberischen Willens nicht zulasten der Krankenkassen gehen. Das Bundessozialgericht habe im Grundsatz festgestellt, dass ein Versicherter nicht darauf vertrauen könne, dass ihm die Obliegenheit der fristgerechten Meldung seiner Arbeitsunfähigkeit abgenommen werde, wenn der Arzt ihm die für die Krankenkasse bestimmte Ausfertigung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aushändige. Die Übermittlung der vorherigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen durch die Klägerin zeige zudem, dass diese sich ihrer Meldeobliegenheit auch bewusst war.
Zum Streitpunkt Onlineportal hat die Beklagte ergänzt, dass sie keine gesetzliche Pflicht treffe, hochgeladene Dokumente dahingehend zu prüfen, ob die Übermittlung auch tatsächlich beabsichtigt war und zu diesem Zweck beim Absender nachzufragen. Das Versehen der Klägerin sei nicht dem Verantwortungsbereich der Beklagten zuzurechnen.

Hierauf hat die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigte erwidert, dass sich ein späteres Wirksamkeitsdatum weder aus den Gesetzesmaterialien noch aus dem Gesetz ergebe. Auch nach Bekanntwerden der fehlenden Umsetzungsmöglichkeit habe der Gesetzgeber nicht reagiert, sondern es vielmehr bei der gesetzlichen Regelung und damit beim Wegfall der Obliegenheit für die Versicherten ab dem 01.01.2021 belassen. Die Verschiebung auf den 01.10.2021 resultiere lediglich aus einer Vereinbarung zwischen der kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem Bundesgesundheitsministerium. Dabei handele es sich um eine untergesetzliche, für die Versicherten nicht bindende Vereinbarung. Hinsichtlich der zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausgeführt, dass sich diese nicht auf die Fallkonstellationen nach dem 01.01.2021 übertragen lasse: Der Regelfall sei nunmehr die Meldung durch den Arzt; dies bedeute, dass der Versicherte sich grundsätzlich auf die Meldung durch den Arzt verlassen dürfe, außer es ergeht ein konkreter Hinweis durch den Arzt, dass die Meldung eben nicht durch ihn erfolgt. Dieser konkrete Hinweis sei noch nicht allein dadurch erteilt, dass der Arzt die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung weiterhin auf dem bisherigen Formular ausstellt. Weiterhin entstehe auch keine Meldeobliegenheit dadurch, dass der Versicherte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zunächst selbst an die Krankenkasse übermittelt.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 31.08.2022 erklärt, dass mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG Einverständnis besteht. Die Klägerin hat ihr Einverständnis hierzu mit Schriftsatz vom 09.09.2022 erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Beklagtenakte Bezug genommen.

    
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die form- und fristgemäß erhobene Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

I.
Das Gericht konnte vorliegend ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheiden, da beide Beteiligte hierzu ihr Einverständnis erklärt hatten.

Streitgegenständlich ist der Krankengeldanspruch vom 31.05.2021 bis zum 13.06.2021 (13 Zahltage, vgl. § 47 Abs. 1 Satz 7 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)). Bei einem täglichen Krankengeldanspruch in Höhe von 43,68 Euro ergibt sich damit ein Streitwert von insgesamt 567,84 Euro.

II.
Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat für den streitgegenständlichen Zeitraum einen Anspruch auf Krankengeld gegenüber der Beklagten, da die Voraussetzungen für ein Ruhen des Anspruchs nicht erfüllt sind. Der Bescheid vom 16.06.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.10.2021 verletzt die Klägerin daher in ihren Rechten und war somit aufzuheben.

Nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ruht der Anspruch auf Krankengeld, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder die Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsdaten im elektronischen Verfahren nach § 295 Abs. 1 Satz 10 SGB V erfolgt. § 295 Abs. 1 Satz 10, erster Halbsatz SGB V regelt, dass die Angaben nach dessen Satz 1 Nr. 1 [= die von den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen festgestellten Arbeitsunfähigkeitsdaten] unter Angabe der Diagnosen sowie unter Nutzung des sicheren Übermittlungsverfahrens nach § 311 Abs. 6 SGB V über die Telematikinfrastruktur unmittelbar elektronisch an die Krankenkasse zu übermitteln ist. Diese Neuregelung in § 49 SGB V und § 295 SGB V wurde mit dem Gesetz für schnellere Termine und bessere Versorgung (Terminservice- und Versorgungsgesetz - TSVG) vom 06.05.2019 (BGBl I 2019 Nr. 18, S. 646) eingeführt und gilt ab dem 01.01.2021.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund und nach Würdigung aller im Klageverfahren vorgetragenen Argumente gelangt das Gericht zu der Überzeugung, dass vorliegend die Voraussetzungen für ein Ruhen des Krankengeldanspruchs nicht vorliegen. Die Klägerin traf keine Meldeobliegenheit hinsichtlich der bei ihr im streitgegenständlichen Zeitraum festgestellten Arbeitsunfähigkeit, da seit dem 01.01.2021 die Übermittlung durch den feststellenden Vertragsarzt hätte erfolgen müssen.

Unschädlich ist dabei, dass die Möglichkeit der elektronischen Übermittlung zwischen Vertragsärzten und Krankenkassen im streitgegenständlichen Zeitraum tatsächlich noch nicht zur Verfügung stand. Wie KassKomm/Schifferdecker, 118. EL März 2022, SGB V § 49 Rn. 35d konstatiert, sei die gesetzliche Neuregelung wohl überhastet erfolgt, da die technische Infrastruktur nicht fristgerecht zur Verfügung gestanden habe. Nach einer Vereinbarung zwischen Kassenärztlicher Bundesvereinigung und dem Bundesgesundheitsministerium sollen - entgegen der gesetzlichen Regelung - elektronische AU-Bescheinigungen erst ab Oktober 2021 verpflichtend sein - was angesichts der klaren gesetzlichen Regelung irritiere. Das Gericht nimmt diese Entwicklung zur Kenntnis, schließt sich in der Argumentation jedoch der Klägerin an: Die oben genannte Vereinbarung hat zwar den tatsächlichen Zeitpunkt der elektronischen Übermittlungsmöglichkeit auf den 01.10.2021 verschoben, auf die zum 01.01.2021 geltende Rechtslage hat die Vereinbarung jedoch keinen Einfluss. Vielmehr hätte das Bundesgesundheitsministerium - hätte es etwas an der Rechtslage zum 01.01.2021 ändern wollen - dies auch legislativ veranlassen müssen.

Das bedeutet: Ab 2021 findet § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V im Anwendungsbereich des § 295 Abs. 1 SGB V keine Anwendung mehr, da der letzte Halbsatz der Nr. 5 eine Ausnahme definiert. Die fehlende Meldung der Arbeitsunfähigkeit bewirkt somit kein Ruhen des Krankengeldanspruchs mehr, wenn die Übermittlung im elektronischen Verfahren erfolgt oder erfolgen müsste. Es kommt nicht darauf an, ob oder wann die elektronische Meldung tatsächlich erfolgt oder ob und wann sie technisch erfolgen kann. Maßgeblich ist allein, ob der die Arbeitsunfähigkeit attestierende Arzt gesetzlich zur elektronischen Übermittlung verpflichtet ist. Der gesetzgeberische Wille, die Meldeobliegenheit im Anwendungsbereich des § 295 Abs. 1 S. 10 SGB V ganz aufzuheben, ergibt sich bereits aus der Gesetzesbegründung (vgl. KassKomm/Schifferdecker, 118. EL März 2022, SGB V § 49 Rn. 36a).

Der Beklagten ist hier zuzustimmen, dass die Gesetzesbegründung - wenn diese von Verspätungen ab dem 01.01.2021 spricht - nicht Verspätungen bei der Einführung des elektronischen Verfahrens meinen dürfte, sondern Verspätungen bei der Übermittlung der festgestellten Arbeitsunfähigkeitsdaten, nachdem ein elektronisches Übermittlungsverfahren tatsächlich zur Verfügung steht. Nichtsdestotrotz erkennt das Gericht aus der Gesetzesbegründung den klaren Willen des Gesetzgebers, dass die Meldeobliegenheit des Versicherten bereits mit Inkrafttreten der Neuregelung wegfallen sollte. So führt die Gesetzesbegründung zur Änderung in § 295 SGB V aus, die Regelung stelle klar, dass ab dem 01.01.2021 die Pflicht zur Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsdaten unter Angabe der Diagnosen den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten und Einrichtungen obliege (BT-Drucksache 19/6337, S. 146). Der Gesetzgeber bringt damit nach Ansicht des Gerichts zum Ausdruck, dass er die Neuregelung mit allen Rechtsfolgen zum 01.01.2021 scharf gestellt haben wollte. Eine entsprechende Anpassung nach Bekanntwerden der Verzögerungen bei der Einführung der elektronischen Übermittlung erfolgte gerade nicht mehr.

Soweit die Möglichkeit gesehen wird, dass der Gesetzeswortlaut des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ("erfolgt") eine Auslegung der Norm dahingehend zulässt, auf den tatsächlichen Eingang einer Meldung bei der Krankenkasse abzustellen (vgl. auch hierzu KassKomm/Schifferdecker, 118. EL März 2022, SGB V § 49 Rn. 36a), so ist dem entgegenzuhalten, dass sowohl das systematische Zusammenspiel mit § 295 Abs. 1 Satz 10 SGB V (vgl. hier den Wortlaut "sind...zu übermitteln") als auch der oben ausgeführte gesetzgeberische Wille gegen eine derartige eng am Wortlaut orientierte Auslegung sprechen. Vielmehr kann § 45 Abs. 1 Nr. 5 SGB V nach Ansicht des Gerichts im Hinblick auf Systematik und Gesetzesmaterialien nur so verstanden werden, dass es im Anwendungsbereich des § 295 Abs. 1 Nr. 10 SGB V auf eine tatsächliche Meldung durch den die Arbeitsunfähigkeit feststellenden Vertragsarzt nicht ankommt. Anderenfalls würde - auch bei Bestehen einer elektronischen Übermittlungsmöglichkeit - die Frage, ob das Ruhen des Krankengeldanspruchs eintritt, immer von einer tatsächlichen Meldung durch den die Arbeitsunfähigkeit feststellenden Vertragsarzt abhängen und das Übermittlungsrisiko trotz Verpflichtung der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen wiederum auf die Versicherten übertragen. Im Hinblick auf die Verpflichtung der die Arbeitsunfähigkeit feststellenden Vertragsärzte, die ab dem 01.01.2021 gilt, ist § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V in Bezug auf die Alternative der Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsdaten im elektronischen Verfahren nach § 295 Abs. 1 Satz 10 SGB V richtigerweise mit einem "erfolgt oder erfolgen müsste" zu lesen.

Soweit vorgetragen wird, dass die Klägerin sich nicht auf den Wegfall ihrer Meldeobliegenheit berufen könne, da sie zuvor Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen eingereicht habe, überzeugt dies das Gericht nicht. Bei jeder neu ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen für einen Krankengeldanspruch weiter vorliegen oder ob u.a. ein Ruhenstatbestand eingetreten ist. Die beiden Möglichkeiten zur Vermeidung des Ruhens in § 49 Abs. 1 Nr. 5, zweiter Halbsatz SGB V sind ausdrücklich als Alternativen ausgestaltet, von denen bei jeder Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Gebrauch gemacht werden kann. Dafür, dass ein Versicherter sich einer Alternative begibt, wenn er zuvor ausschließlich nach der anderen Alternative gehandelt hat, besteht nach Ansicht des Gerichts keine überzeugende Begründung. Auch das mögliche Bewusstsein einer Meldeobliegenheit bei der Klägerin ändert hieran nichts, da eine Meldeobliegenheit in konsequenter Anwendung der neuen Rechtslage ab dem 01.01.2021 im Anwendungsbereich des § 295 Abs. 1 SGB V gar nicht mehr existiert.

Auch der Umstand, dass der die Arbeitsunfähigkeit feststellende Vertragsarzt der Klägerin die Bescheinigung zur Vorlage bei der Krankenkasse in Papier ausgehändigt hat, ist zur Überzeugung des Gerichts unschädlich. Da für den Versicherten nicht ersichtlich ist, ob der behandelnde Arzt technisch schon in der Lage ist, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung elektronisch zu übermitteln, besteht die Meldeobliegenheit im vertragsärztlichen Bereich nur, wenn der behandelnde Arzt den Versicherten auf das - der Gesetzeslage widersprechende - Fehlen der technischen Übermittlungsmöglichkeit hinweist (KassKomm/Schifferdecker, 118. EL März 2022, SGB V § 49 Rn. 36b). Ein derartiger Hinweis ist nicht erfolgt bzw. kann nicht nachgewiesen werden und kann auch nicht konkludent in der Aushändigung der Papierbescheinigung zur Vorlage bei der Krankenkasse gesehen werden. Denn weiterhin dürfte die Aushändigung von Papierbescheinigungen für Dokumentationszwecke der Patienten üblich bleiben. Die Aushändigung der Papierbescheinigung zur Vorlage bei der Krankenkasse folgt ebenfalls einem (noch) üblichen Prozedere in Vertragsarztpraxen und kann vor dem Hintergrund der weiterhin möglichen Alternative in § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V (Meldung durch den Versicherten) nicht zum Nachteil der Versicherten gereichen.

Nach alldem kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Klägerin keine Meldeobliegenheit hinsichtlich der ihr überreichten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den streitgegenständlichen Zeitraum getroffen hat und somit die Voraussetzungen für ein Ruhen des Krankengeldanspruchs nicht vorliegen. Auf die Frage, ob sich die Beklagte eine fehlende Überprüfungsmöglichkeit von hochgeladenen Dokumenten in ihrem Onlineportal anrechnen lassen muss, kommt es daher vorliegend nicht mehr an. 

III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 183, 193 SGG.

Da der Wert des Beschwerdegegenstands 750 Euro nicht übersteigt, bedarf die Berufung der Zulassung (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die grundsätzliche Bedeutung wird seitens des Gerichts bejaht, da das Urteil im Wesentlichen auf der Anwendung einer neuen, ab dem 01.01.2021 geltenden Rechtslage beruht, deren Auswirkungen in Einzelfragen nicht obergerichtlich geklärt ist.

 

Rechtsmittelbelehrung
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Bayer. Landessozialgericht, Ludwigstraße 15, 80539 München, oder bei der Zweigstelle des Bayer. Landessozialgerichts, Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt, schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Bayer. Landessozialgericht in elektronischer Form einzulegen. Rechtsanwälte, Behörden oder juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse müssen die Berufung als elektronisches Dokument übermitteln (§ 65d Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d Satz 2 SGG).
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Sozialgericht Landshut, Seligenthaler Straße 10, 84034 Landshut, schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Sozialgericht Landshut in elektronischer Form eingelegt wird.
Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist oder
- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 65a Abs. 4 SGG eingereicht wird.
Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung.
Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden; dies gilt nicht im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs.

 

 


 

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Aus
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