S 4 BA 9/18

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 4 BA 9/18
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 BA 17/22
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 BA 8/23 R
Datum
-
Kategorie
Urteil

1.    Die Klage wird abgewiesen.

2.    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht der Beigeladenen in ihrer Tätigkeit als Ärztin für die Hessische Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge (HEAE) vom 27. Oktober 2015 bis 30. März 2017.

Die 1947 geborene Beigeladene ist Fachärztin für Chirurgie. Die Beigeladene war in dem Zeitraum vom 27. Oktober 2015 bis 30. März 2017 bei der HEAE als Ärztin tätig. Während ihrer Tätigkeit hat die Beigeladene Untersuchungen durchgeführt und Sprechstunden abgehalten an insgesamt zwei verschiedenen Standorten. 

Die HEAE wurde nach dem Erlass des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 30. September 2016 mit Wirkung zum 18. November 2016 als selbständige Behörde im nachgeordneten Bereich des Regierungspräsidiums Gießen aufgelöst und mit ihrem Aufgabenbestand als Abteilung VII „Flüchtlingsangelegenheiten, Erstaufnahmeeinrichtung und Integration" in das Regierungspräsidium Gießen eingegliedert. Rechte und Pflichten aus der Vereinbarung mit der HEAE sind ab dem 18. November 2016 auf das Regierungspräsidium Gießen übergangen.

Die Tätigkeit der Beigeladenen für die HEAE erfolgte auf der Grundlage der zwischen dem Kläger und der Beigeladenen getroffenen Vereinbarung vom 28. Oktober 2015. Die Vereinbarung vom 28. Oktober 2015 lautete wörtlich wie folgt: 

„ § 1 Vertragsgegenstand und Status des Vertragspartners
(1)    Die Vertragspartnerin erbringt medizinische Dienstleistungen im Auftrag der HEAE in der Außenstelle A-Stadt, in freiberuflicher Tätigkeit im Bedarfsfalle. Sie ist nicht in die Arbeitsorganisation der HEAE eingegliedert. Das Entgelt erfolgt fallbezogen. Die Dienstleistungen unterliegen nicht der Sozialversicherungspflicht (Arbeitslosen-‚ Kranken- und Rentenversicherung).
(2)    Die nachfolgende Vereinbarung regelt für den Fall eines Einsatzes die Rahmenbedingungen.
(3)    Die Vertragspartnerin legt als Nachweis über die Zulassung zur Berufsausübung eine Kopie der Approbationsurkunde vor.

§ 2 Leistungen des Vertragspartners während der vereinbarten Einsatzzeit
(1)    Die Vertragspartnerin übernimmt die ambulante medizinische Versorgung für Ausländer, die in der HEAE untergebracht sind, im Rahmen der Vorgaben nach § 4 Asylbewerberleistungsgesetz (Anlage 1). 
    Dazu gehört
•    die Behandlung von Krankheiten, gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Verletzungen, soweit dies ambulant möglich ist, 
•    Anordnung von Überweisungen an Fachärzte bzw. Einweisungen in Kliniken
•    Dokumentation aller ärztlichen Leistungen (in der Patientendatei der HEAE) unter Beachtung des Datenschutzes.
(2)    Sie übernimmt zudem Aufgaben, die sich maßgeblich aus den § 62 Asylverfahrensgesetz sowie § 36 Infektionsschutzgesetz und der dazu jeweils getroffenen Erlassregelungen des Hess. Ministeriums für Arbeit, Familie und Gesundheit (zurzeit Erlass vom 04.02.2009, Az.: IV 6 A 58a 0101-0002/2008/001 -StAnz. 2009 S. 544 - Anlage 2) zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten ergeben.
    Die Erstuntersuchung beinhaltet gemäß beigefügtem Erlass über die ärztliche Untersuchung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern und anderen Personen nach Einreise in Hessen vom 04.02.2009 (siehe Anlage 2)
1.    Aufnahme und Dokumentation der bestehenden Medikation
2.    Rezeptur der notwendigen Medikation
3.    Anamnese, Diagnostik und Dokumentation einer akut beklagten Erkrankung.
    Während der Erstuntersuchung erbrachte Ambulanzleistungen werden nicht zusätzlich vergütet.
    Ausgenommen von der Erstuntersuchung sind die Röntgenuntersuchungen.
    Erforderlichenfalls hat die Vertragspartnerin alle erforderlichen Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz einzuleiten.
(3)    Die Vertragspartnerin führt die vertraglichen Leistungen zeitlich nach Vereinbarung durch.
(4)    Ein Not- oder Bereitschaftsdienst der Vertragspartnerin außerhalb der vereinbarten Präsenzzeiten ist nicht vorgesehen.

§ 3 Leistungen der HEAE
(1)    Die HEAE stellt der Vertragspartnerin adäquate Räumlichkeiten, Geräte, Inventar, Verbandsstoffe u. ä.; sowie Medikamente und Impfstoffe zur Durchführung medizinischer Untersuchungen und der medizinischen Versorgung kostenfrei bereit.
(2)    Die HEAE trägt neben den Mietkosten für die Räume auch die Kosten der lnstandhaltung, der Energieversorgung und der Müllentsorgung sowie der Reinigung. 
(3)    Ebenso stellt die HEAE Hilfspersonal zur Vor- und Nachbereitung sowie zur Durchführung der Sprechstunden.
(4)    Die HEAE besorgt nach Ausstellen einer ärztlichen Verordnung durch die Vertragspartnerin nicht vorrätige notwendige Medikamente und Verbandsmittel zur Behandlung von Patienten.
(5)    Die HEAE übernimmt eventuell entstehende Kosten für zusätzliche externe ärztliche oder technische Untersuchungs- und Behandlungsleistungen (z.B. Röntgen).

§ 4 Entgelt und Abrechnung
(1)    Zur Vereinfachung der Abrechnung werden Fallpauschalen für die Erstuntersuchung sowie ambulante Beratungen und Behandlungen vereinbart, die sich an den Gebührensätzen der GOÄ orientieren. Diese sind auch erforderlich, um die Kosten einzelnen Patienten zur Abrechnung mit anderen Kostenträgern zuordnen zu können. Für die Gestellung der Praxisinfrastruktur durch die HEAE sind die nachfolgenden Beträge bereits um 25 % gemindert.

Dienstleistung   Vergütung €
Erstuntersuchung mit Ausstellung der ärztlichen Bescheinigung          11,37
Fallpauschale pro ambulanter Beratung/Behandlung    
 
     15,34
für beratende Tätigkeiten für die Dienststellenleitung
Stundensatz    
     50,00


(2)    Für die Abrechnung der Erstuntersuchungen stellt die HEAE der Vertragspartnerin Listen mit den erforderlichen Angaben zur Verfügung.
(3)    Für die Abrechnung der ambulanten Leistungen versieht die HEAE den Vordruck (Anlage 3) mit dem Behandlungsdatum und Aufklebern der behandelten Patienten, den die Vertragspartnerin ihrer Rechnung beifügt.
(4)    Die Abrechnung und Zahlung der vereinbarten Vergütung erfolgt unverzüglich nach Rechnungseingang.

§ 5 Haftung
Die Vertragspartnerin haftet für Schäden, die durch ihr/sein vorsätzliches Verhalten der HEAE oder Dritten entstanden sind. Die HEAE stellt die Vertragspartnerin für fahrlässig verursachte Schäden frei, soweit diese nicht durch ein privates Versicherungsverhältnis abgedeckt sind. 

§ 6 Datenschutz und Schweigepflicht
Die Vertragspartnerin verpflichtet sich, über alle Angelegenheiten, die ihm im Rahmen seiner Tätigkeit für die HEAE zur Kenntnis kommen, Stillschweigen zu bewahren. Insbesondere ist sie nicht berechtigt, Auskünfte an die Medien (Presse, Rundfunk, Fernsehen) ohne vorherige ausdrückliche Zustimmung der Dienststellenleiterin der HEAE zu erteilen. Weiterhin sichert sie einen den gesetzlichen Bestimmungen entsprechenden Datenschutz für die bei sich oder Dritten in seinem Auftrag gespeicherten Daten zu.

§ 7 Vertragsdauer, Nebenabreden, Salvatorische Klausel
(1)    Da die Einsätze zeitlich befristet erfolgen und diese Vereinbarung nur die gegenseitigen Verpflichtungen während der Einsatzzeiten regeln, bedarf es bei Nichtinanspruchnahme der Vertragspartnerin durch die HEAE keiner Kündigung.
(2)    Nebenabreden sowie Änderungen oder Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform.
(3)    Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages unwirksam oder unzulässig sein, wird dadurch die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht beeinträchtigt. Anstelle der unwirksamen oder unzulässigen Bestimmung gelten die gesetzlichen Vorschriften.“

Am 1. September 2016 schlossen der Kläger und die Beigeladene eine Folgevereinbarung für die Zeit ab 1. September 2016. Unter § 3 der Folgevereinbarung vom 1. September 2016 („Entgelt und Abrechnung“) ist wie folgt geregelt:

(1)    „Zur Vereinfachung der Abrechnung wird für die Erbringung der in § 2 genannten ärztlichen Leistungen ein Stundensatz in Höhe 75,00 € vereinbart. Die Abrechnung erfolgt bei Nichtableistung einer vollen Stunde entsprechend prozentual anteilig.
(2)    Für die Abrechnung der Leistungen stellt die HEAE der Vertragspartnerin Listen mit den erforderlichen Angaben zur Verfügung.“

Am 4. November 2016 beantragte der Kläger ein Statusfeststellungsverfahren nach § 7a ff. Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Nach Anhörung mit Schreiben vom 16. Dezember 2016 stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger mit Bescheid vom 2. Februar 2017 fest, dass die Tätigkeit der Beigeladenen als Ärztin bei der HEAE seit 27. Oktober 2015 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. In dem Beschäftigungsverhältnis bestehe Versicherungsfreiheit in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Aus den vorgelegten vertraglichen und dargestellten tatsächlichen Verhältnissen ergäben sich die folgenden wesentlichen Tätigkeitsmerkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis:

•        „Es besteht die vertragliche Verpflichtung, die Leistungen persönlich zu erbringen.
•        Die Auftragnehmerin ist hinsichtlich des Tätigkeitsortes gebunden, da sie auf die Nutzung der am Sitz der Erstaufnahmeeinrichtung zur Verfügung stehenden Infrastruktur für die medizinische Versorgung (z. B. Behandlungs- und Praxisräume) angewiesen ist.
•         Die Koordination der Einsätze erfolgt durch den Medizinischen Dienst der HEAE, die Arbeitszeiten werden verbindlich in einem Dienstplan festgelegt.
•         Die Anwesenheit der Auftragnehmerin wird kontrolliert.
•        Die zu untersuchenden Flüchtlinge und Asylsuchenden werden durch das Personal der HEAE zugewiesen.
•        Es erfolgt am Einsatzort eine Zusammenarbeit mit dem Personal (z.B. Medizinische Fachangestellte, Krankenpfleger und -schwestern, ggf. Sprachvermittler).
•        Gegenüber dem medizinischen Personal besteht ein fachliches Weisungsrecht.
•         Festangestellte Ärzte werden im gleichen Aufgabengebiet beschäftigt.
•        Bei Abwesenheit oder Verhinderung organisiert der Auftraggeber eine Ersatzkraft.
•         Die fachliche Letztentscheidung hat der leitende Arzt der HEAE.
•        Die vereinbarten Einsätze werden in einem Dienst- bzw. Organisationsplan festgehalten.
•        Die Dokumentation der durchgeführten Untersuchungen und Behandlungen erfolgt auf dem vorgegebenen Dokumentationsbogen.
•        Die Tätigkeit wird mit einer festen Stundenpauschale vergütet.
•        Die benötigten Arbeitsmittel und Verbrauchsmaterialien werden zur Verfügung gestellt.
•        Ein Einsatz eigener Betriebsmittel im erheblichen Umfang erfolgt nicht.
•        Die Haftung für fahrlässig verursachte Schäden liegt beim Auftraggeber.
•        Ein unternehmerisches Risiko oder eine unternehmerische Chance besteht in der Ausübung der Tätigkeit nicht.
•        Die Tätigkeit wird in einer fremdbestimmten Arbeitsorganisation ausgeübt.“

Merkmale für eine selbständige Tätigkeit seien folgende:

•        „Die Ablehnung von Aufträgen ist möglich.
•        Einsatz der eigenen Arbeitskleidung.
•        Honorarärzte sind nicht verpflichtet an Dienstbesprechungen teilzunehmen.
•         Die Vergütung für Erstuntersuchungen sowie ambulante Beratungen und Behandlungen erfolgt nur für tatsächlich durchgeführte Behandlungen mittels Fallpauschalen.
•        Für die Gestellung der Praxisinfrastruktur sind die Fallpauschalen bzw. der Stundensatz für beratende Tätigkeiten um 25 % gemindert.“

Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen überwiegten die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Die Auftragnehmerin übernehme im Rahmen der Erstuntersuchungen und der weiteren ärztlichen Behandlungen von Asylsuchenden, Asylbewerbern bzw. Flüchtlingen für die zuständige Behörde des Landes bzw. der Kommune hoheitliche Aufgaben und sei insofern - wie ein Amtsarzt - weisungsgebunden in eine fremde Betriebsorganisation eingegliedert. 

In der Krankenversicherung bestehe Versicherungsfreiheit, weil die Versicherungspflicht erst nach Vollendung des 55. Lebensjahres eingetreten sei und der Beschäftigte oder sein Ehegatte oder Lebenspartner in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Versicherungspflicht nicht gesetzlich krankenversichert und mindestens die Hälfte dieser Zeit versicherungsfrei, von der Versicherungspflicht befreit oder nicht versicherungspflichtig gewesen sei (§ 6 Abs. 3a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB V). In der Rentenversicherung bestehe Versicherungsfreiheit, weil der Beschäftigte eine Vollrente wegen Alters beziehe (§ 5 Abs. 4 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – SGB VI). Nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe Versicherungsfreiheit, weil der Beschäftigte die Regelaltersgrenze erreicht habe (§ 28 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – SGB III i. V. m. § 235 Abs. 1 und 2 SGB VI).

Den gegen den Bescheid vom 2. Februar 2017 erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2018 zurück.

Am 27. März 2018 hat der Kläger Klage erhoben vor dem Sozialgericht Gießen.

Mit Beschluss vom 10. Juli 2018 hat das Gericht die Beigeladene nach §§ 75 Abs. 2, Alternative 1, 106 Abs. 3 Nr. 6 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Verfahren beigeladen.

Mit Bescheid vom 11. Dezember 2018 (Bl. 64 der Gerichtsakte) hat die Beklagte den Bescheid vom 2. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2018 hinsichtlich der festgestellten Tätigkeitszeiträume abgeändert. Die Beklagte stellte fest, dass in der von der Beigeladenen am 
27. Oktober 2015,    30. Oktober 2015,    2. November 2015,    4. November 2015, 17. November 2015,    3. Dezember 2015,    8. Dezember 2015,    11. Dezember 2015, 15. Dezember 2015,    18. Dezember 2015,    22. Dezember 2015,    24. Dezember 2015, 26. Dezember 2015,    29. Dezember 2015,    31. Dezember 2015,    5. Januar 2016, 8. Januar 2016,    12. Januar 2016,    14. Januar 2016,    21. Januar 2016,   28. Januar 2016,    4. Februar 2016,    12. Februar 2016,    16. Februar 2016, 22. Februar 2016,    25. Februar 2016,    1. März 2016,    4. März 2016, 7. März 2016,    10. März 2016,    15. März 2016,    22. März 2016, 24. März 2016,    29. März 2016,    31. März 2016,    7. April 2016, 12. April 2016,    21. April 2016,    26. April 2016,    28. April 2016, 12. Mai 2016,    17. Mai 2016,    21. Juni 2016,    19. Juli 2016, 29. Juli 2016,    4. August 2016,    18. August 2016,    22. August 2016, 5. September 2016,    6. September 2016,    14. September 2016,    30. September 2016, 17. Oktober 2016,    25. Oktober 2016,    1. November 2016,    17. November 2016, 24. November 2016,    13. Dezember 2016,    20. Dezember 2016,    27. Dezember 2016, 6. Januar 2017,    12. Januar 2017,    23. Januar 2017,    8. Februar 2017, 23. Februar 2017,    24. Februar 2017,    1. März 2017,    20. März 2017 und am 30. März 2017 ausgeübten Beschäftigung bei der HEAE Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. 

Mit Bescheid vom 28. März 2019 (Bl. 76 der Gerichtsakte) hat die Beklagte den Bescheid vom 2. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2018 hinsichtlich der festgestellten Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung abgeändert. Die Beklagte stellte nunmehr fest, dass in der Rentenversicherung Versicherungsfreiheit bestehe, weil die Beigeladene nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bzw. entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen eine Versorgung nach Erreichen einer Altersgrenze beziehe (§ 5 Abs. 4 Nr. 2 SGB VI). 

Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, dass die Beigeladene nicht in einem Dauerrechtsverhältnis zu dem Kläger gestanden habe, aufgrund dessen sie in irgendeinem Umfang Leistungen zu erbringen hatte oder sich verpflichtet habe, Leistungen zu erbringen. Die Beigeladene habe ihrerseits keinen Anspruch darauf gehabt, dass ihr Einsätze in einem bestimmten Umfang oder für eine bestimmte Dauer übertragen werden. Die Beigeladene habe Sprechstunden so abgehalten, so wie dies auch für niedergelassene Ärzte gelte. Die Beigeladene habe insgesamt keine Pflichten übernommen, wie sie für ein Arbeitsverhältnis typisch seien. Dies bestätigten die beiden Verträge ausdrücklich. Die Beigeladene sei eigenverantwortlich als Ärztin tätig gewesen und verpflichtet gewesen, die Maßgaben des ärztlichen Standards gemäß § 630a Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) anzuwenden. Die Beigeladene habe während den von ihr vereinbarten Einsatzzeiten allgemeinärztliche Leistungen erbracht, so wie dies selbständige Vertragsärztinnen und Vertragsärzte gemäß dem SGB V täglich ausüben würden. Die Beklagte ignoriere den Vertragstext, indem sie lediglich auf den „Willen der Beteiligten“ abstelle. Der Wert der von dem Kläger der Beigeladenen zur Verfügung gestellten Betriebsmittel sei sehr gering gewesen (sehr einfaches Mobiliar für ärztliche Verrichtungen, Sprechstundenmaterial). Die Vergütung habe sich nach Fallpauschalen gerichtet. Mithin habe sich die Vergütung danach gerichtet, in welchem Umfang tatsächlich Leistungen erbracht wurden. Insoweit habe die Beigeladene ein Unternehmerrisiko getragen. Zudem liege hier eine Kurzfristigkeit im Sinne des § 8 SGB IV vor. 

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 2. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2018 sowie die Bescheide vom 11. Dezember 2018 und vom 28. März 2019 aufzuheben und festzustellen, dass die Beigeladene ihre Tätigkeit als Ärztin aufgrund einzelner Aufträge seitens des Klägers bzw. der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge im Zeitraum vom 27. Oktober 2015 bis zum 30. März 2017 als Selbständige ausgeübt hat.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verweist im Wesentlichen auf ihre Ausführungen in dem Verwaltungsverfahren, insbesondere in dem Widerspruchsbescheid vom 14. März 2018. Eine kurzfristige Beschäftigung im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB IV i. V. m. § 115 SGB IV habe nicht vorgelegen. Denn die von den Beteiligten geschlossenen Rahmenverträge vom 28. Oktober 2015 und vom 1. September 2016 ohne jegliche Zeitangabe seien nicht für längstens ein Kalenderjahr (mit Arbeitseinsätzen von maximal 70 Arbeitstagen) befristet gewesen. Bei Rahmenverträgen mit sich wiederholenden Arbeitseinsätzen über mehrere Jahre liege eine gelegentliche kurzfristige Beschäftigung nur dann vor, wenn die einzelnen Arbeitseinsätze ohne Bestehen einer Abrufbereitschaft unvorhersehbar zu unterschiedlichen Anlässen ohne erkennbaren Rhythmus an maximal 70 Arbeitstagen im Kalenderjahr erfolgten und der Betrieb des Arbeitgebers nicht strukturell auf den Einsatz solcher Arbeitskräfte ausgerichtet sei. Die streitige Tätigkeit sei auch nicht nach ihrer Eigenart auf nicht mehr als drei Monate oder insgesamt 70 Arbeitstage begrenzt gewesen (Schreiben der Beklagten vom 11. November 2018, Bl. 63 ff. der Gerichtsakte). 

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Die Beigeladene vertritt die Auffassung, dass kein abhängiges sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden habe und tritt der Argumentation des Klägers bei.

In der mündlichen Verhandlung vom 3. November 2021 hat das Gericht die Beigeladene befragt sowie die Zeugin Frau B. D. vernommen. Hinsichtlich der Einzelheiten und hinsichtlich der Ergebnisse der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 3. November 2021 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten und Unterlagen und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig aber unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 2. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2018 in der Gestalt der Bescheide vom 11. Dezember 2018 und vom 28. März 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die getroffenen Feststellungen, dass die Tätigkeit der Beigeladenen als Ärztin für die HEAE in dem Zeitraum vom 27. Oktober 2015 bis zum 30. März 2017 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wurde, ist rechtmäßig. 

Der Bescheid vom 2. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2018 in Gestalt der Bescheide vom 11. Dezember 2018 und vom 28. März 2019 ist formell rechtmäßig. Es erfolgte eine vorherige Anhörung und eine Entscheidung der Beklagten über das Vorliegen einer Versicherungspflicht in den einzelnen Versicherungszweigen. 

Nach § 7a Abs. 1 S. 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. 

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung bilden eine Tätigkeit nach Weisungen sowie die Eingliederung in die Arbeitsorganisation (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 7. Juli 2016 – L 8 KR 297/15 – juris Rn. 38). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Dies ist bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb dann der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort sowie Art der Ausführung einem umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber zeichnet sich eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit aus (BSG, Urteil vom 11. November 2015, Az.: B 12 KR 13/14 R - juris Rn. 18 m.w.N.). Ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt „…richtet sich […] nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen“ (BSG, Urteil vom 11. November 2015, Az.: B 12 KR 13/14 R - juris Rn. 18 m.w.N; vgl. u.a. auch: BSG, Urteil vom 24. Januar 2007, Az.: B 12 KR 31/06 R – juris Rn. 16).

Das Gesamtbild bestimmt sich dabei nach den tatsächlichen Verhältnissen. Maßgeblich ist das „Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist.“ (BSG, Urteil vom 24. Januar 2007, Az.: B 12 KR 31/06 R – juris Rn. 17). Ausgangspunkt für die Prüfung, ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, ist zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, „so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt.“ (BSG, Urteil vom 24. Januar 2007, Az.: B 12 KR 31/06 R – juris Rn. 17.) Steht die tatsächliche Beziehung und die sich daraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Rechtsbeziehung im Widerspruch zu der ursprünglich getroffenen Vereinbarung, so geht - sofern dies rechtlich möglich ist - die tatsächliche Beziehung der formellen Vereinbarung vor (BSG, Urteil vom 24. Januar 2007, Az.: B 12 KR 31/06 R – juris Rn. 17). Maßgeblich ist damit die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 25. Januar 2006, Az.: B 12 KR 30/04 R – juris Rn. 22; BSG, Urteil vom 24. Januar 2007, Az.: B 12 KR 31/06 R – juris Rn. 17).

Das BSG hat mit Urteilen vom 4. Juni 2019 (u. a. Az. B 12 R 11/18 R – juris) über statusrechtliche Fragen von honorarärztlichen Tätigkeiten entschieden. Dabei hat das BSG auch zu den Kriterien der Weisungsgebundenheit und des Merkmals der Eingliederung Stellung genommen.

Unter Berücksichtigung der oben aufgeführten Beurteilungsmaßstäbe, vor allem auch unter Berücksichtigung des Urteils des Bundessozialgerichts vom 4. Juni 2019 (Az.: B 12 R 11/18 R) war die Beigeladene im streitgegenständlichen Zeitraum vom 27. Oktober 2015 bis zum 30. März 2017 im Rahmen ihrer Tätigkeit als Ärztin in der HEAE abhängig gegen Arbeitsentgelt beschäftigt. Zu Recht hat die Beklagte festgestellt, dass die Tätigkeit der Beigeladenen als Ärztin in der HEAE in dem oben genannten Zeitraum im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden ist. 

Zu diesem Ergebnis gelangt die Kammer aufgrund einer Auswertung der durch die Beteiligten erfolgten Stellungnahmen und eingereichten Unterlagen sowie der Ergebnisse der Beweisaufnahme im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 3. November 2021.

Die Beigeladene war gemäß § 2 der Vereinbarung vom 28. Oktober 2015 verpflichtet, die ambulante medizinische Versorgung für Ausländer, die in der HEAE untergebracht waren, im Rahmen der Vorgaben nach § 4 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zu übernehmen. Zumindest vertraglich war darüber hinaus vereinbart, dass die Beigeladene Aufgaben, die sich maßgeblich aus den § 62 Asylverfahrensgesetz sowie § 36 Infektionsschutzgesetz und der dazu getroffenen Erlassregelung zu übernehmen (§ 2 Abs. 2 der Vereinbarung vom 28. Oktober 2015).

Die Verpflichtung für den Kläger zur Durchführung von Erstuntersuchungen ergibt sich aus dem Erlass des Hessischen Ministeriums für Arbeit, Familie und Gesundheit vom 4. Februar 2009, der in 1.2 die Regelung enthält, dass die Ausländerinnen und Ausländer unmittelbar nach ihrer Einreise nach Hessen von der Aufnahmeeinrichtung aufgefordert werden, sich vom ärztlichen Dienst der Einrichtung oder einem ärztlichen Dienst nach § 62 AsylVfG bzw. § 36 Abs. 4 IfSG untersuchen zu lassen.

Die Erstuntersuchungen sowie die medizinische Versorgung der in der HEAE untergebrachten Personen insgesamt stellt eine Kernaufgabe der HEAE dar. Die Beigeladene war in einen ganz zentralen Bestandteil der Arbeitsorganisation der HEAE integriert, nämlich in die medizinische Versorgung der in der HEAE untergebrachten Personen. 

Die Beigeladene war zur Überzeugung der Kammer in die Arbeitsorganisation des Klägers eingegliedert. Denn die Erstuntersuchungen und die medizinische Versorgung der in der HEAE untergebrachten Personen stellt einen wesentlichen Bestandteil der Arbeitsorganisation der HEAE dar. Die Einschränkung auf einen bestimmten Aufgabenbereich spricht dabei nicht per se gegen die Eingliederung in die Arbeitsorganisation. Vielmehr hat die Beigeladene mit den von ihr abgehaltenen Sprechstunden bzw. durchgeführten Untersuchungen einen wesentlichen Bestandteil bei der von dem Kläger durchzuführenden Schritte bei der medizinischen Versorgung übernommen. So hat der Kläger selbst vorgetragen, dass die Beigeladene Diagnosen gestellt hat und therapeutische Maßnahmen ergriffen hat. Im Einzelfall habe sie auch Arzneimittel verordnet sowie die Weiterbehandlung bei Fachärzten oder Kliniken empfohlen. Die Beigeladene war damit in den laufenden Arbeitsprozess der medizinischen Versorgung der in der HEAE untergebrachten Personen eingebunden. Als erste Anlaufstelle war sie damit ein Rädchen im System der dem Kläger obliegenden medizinischen Versorgung der in der HEAE untergebrachten Personen. Weder war die Beigeladene räumlich noch in sonstiger Weise außerhalb dieser Gesamtorganisation. Auch von den sie aufsuchenden Personen wurde die Beigeladene nicht als selbständig niedergelassene Ärztin, sondern als medizinische Ansprechpartnerin in der HEAE wahrgenommen. Die Ausübung der Tätigkeit der Beigeladenen erfolgte damit im Rahmen der Eingliederung in eine fremd vorgegebene Arbeitsorganisation. Zu keinem anderen Ergebnis führt dabei die Tatsache, dass die Arbeitsabläufe zum damaligen Zeitpunkt nicht strukturiert waren und die der Beigeladenen zur Verfügung gestellten Betriebsmittel sehr gering bzw. sehr einfach gehalten waren. Dies ist zurückzuführen auf den plötzlichen und unvorhergesehenen Anstieg der von der HEAE aufzunehmenden Flüchtlinge, spricht aber nicht gegen die Annahme, dass die Beigeladene in deren Arbeitsorganisation eingegliedert war. Der Kläger stellte der Beigeladenen einen Behandlungsraum zur Verfügung, der mit, wenn auch einfachem, Mobiliar für die ärztliche Tätigkeit ausgestattet war. Auch Sprechstundenmaterial stellte der Kläger der Beigeladenen zur Verfügung. Die Beigeladene hatte die von ihr vertraglich geschuldeten Leistungen persönlich zu erbringen und übte ihre Tätigkeit ausschließlich in den von dem Kläger zur Verfügung gestellten Räumen aus. Weder räumlich noch im sonstigen Sinne stand sie außerhalb der Gesamtorganisation der HEAE, etwa in der Form, dass sie außerhalb der HEAE bzw. in eigenen Räumen die Sprechstunden bzw. Untersuchungen durchführte.

Dass die Beigeladene nicht weisungsgebunden war, schließt das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung nicht aus. Dazu hat das BSG mit Urteil vom 4. Juni 2019 wie folgt ausgeführt: Zunächst sei zu berücksichtigen, dass die ärztliche Tätigkeit in einem Krankenhaus Besonderheiten aufweise und deshalb einzelne Gesichtspunkte, die sonst eine Tätigkeit als abhängig oder selbständig kennzeichnen, von vornherein nicht als ausschlaggebende Abgrenzungsmerkmale herangezogen werden könnten. Ärzte handelten bei medizinischen Heilbehandlungen und Therapien grundsätzlich frei und eigenverantwortlich. Hieraus könne allerdings nicht ohne Weiteres auf eine selbständige Tätigkeit geschlossen werden (BSG, Urteil vom 4. Juni 2019, Az.: B 12 R 11/18 R – juris Rn. 25). Weiter hat das BSG ausgeführt, dass Weisungsgebundenheit und Eingliederung weder in einem Rangverhältnis zueinander stünden, noch müssten diese stets kumulativ vorliegen. Vielmehr gehe eine Eingliederung nicht zwingend mit einem umfassenden Weisungsrecht des Krankenhauses einher (BSG, Urteil vom 04. Juni 2019, Az.: B 12 R 11/18 R – juris Rn. 29). Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen des BSG kann die fehlende Weisungsgebundenheit der Beigeladenen nicht als wesentliches Indiz für eine selbständige Tätigkeit herangezogen werden.

Überdies war die Beigeladene auch nicht völlig weisungsfrei. Denn vertraglich war die Beigeladene verpflichtet, die ambulante medizinische Versorgung der in der HEAE untergebrachten Personen im Rahmen bestimmter Vorgaben durchzuführen. Diese wurden auch in § 2 der Vereinbarung vom 28. Oktober 2015 vertraglich aufgeführt:

„[…] Dazu gehört
•    die Behandlung von Krankheiten, gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Verletzungen, soweit dies ambulant möglich ist, 
•    Anordnung von Überweisungen an Fachärzte bzw. Einweisungen in Kliniken
•    Dokumentation aller ärztlichen Leistungen (in der Patientendatei der HEAE) unter Beachtung des Datenschutzes.“

Die Beigeladene hatte damit bei der Durchführung der Untersuchungen bestimmte Vorgaben zu beachten und war überdies auch nicht in der Auswahl ihrer Patienten frei. 

Für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung spricht neben der Eingliederung der Beigeladenen in die Arbeitsorganisation der HEAE weiterhin maßgeblich, dass die Beigeladene kein eigenes Kapital einsetzte und auch kein für einen Selbständigen typisches Unternehmerrisiko trug. Maßgebliches Kriterium für ein unternehmerisches Risiko ist nach der Rechtsprechung des BSG, „ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist“ (BSG, Urteil vom 18. November 2015, Az.: B 12 KR 16/13 R – juris Rn. 36 m.w.N.) Die Vergütung erfolgte zunächst nach Fallpauschalen (§ 4 der Vereinbarung vom 28. Oktober 2015) und später vereinbarten der Kläger und die Beigeladene einen Stundensatz von 75,00 EUR (§ 3 der Vereinbarung vom 1. September 2016). Mit keiner dieser Abrechnungsmodalitäten war ein unternehmerisches Risiko im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts verbunden. Schon aufgrund der zunächst vereinbarten Fallpauschale hatte die Beigeladene keinen Verdienstausfall für ihre geleistete Arbeit zu befürchten. Denn aufgrund der immens hohen Aufnahme von Flüchtlingen pro Tag und der damit verbundenen erforderlichen hohen Anzahl an Untersuchungen bzw. medizinischen Sprechstunden war ein tatsächlicher Verdienstausfall nicht zu befürchten. Dieser Tatsache müssen sich der Kläger und die Beigeladene auch schon in der Erstvereinbarung vom 28. Oktober 2015 bewusst gewesen sein. Ohnehin wurde in der Folgevereinbarung vom 1. September 2016 ein festes Stundenhonorar vereinbart, was auch dafür spricht, dass es nicht dem Willen der Vertragsparteien entsprach, ein wirtschaftliches Risiko eines Verdienstausfalls auf Seiten der Beigeladenen zu schaffen.

Hinsichtlich des Risikos, keine weiteren Beauftragungen zu erhalten hat das BSG in seiner Entscheidung vom 4. Juni 2019 wörtlich wie folgt ausgeführt: „Da es lediglich auf eine Betrachtung der konkreten Tätigkeit ankommt, ist das einzig in Betracht kommende Risiko der beigeladenen Ärztin, vom Kläger keine weiteren Folgeaufträge zu erhalten, für die Frage ihres Status in der konkreten Tätigkeit irrelevant.“ (BSG, Urteil vom 04. Juni 2019, Az.: B 12 R 11/18 R – juris Rn. 33).

Es liegt auch keine Zeitgeringfügigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV i.V.m. § 115 SGB IV (in der maßgeblichen Fassung vom 11. August 2014) vor. Denn die Tätigkeit der Beigeladenen war weder vertraglich auf längstes drei Monate oder 70 Arbeitstage begrenzt noch ergibt sich eine solche Begrenzung aus der Eigenart der Beschäftigung.

Die Klage war abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i. V. m. den §§ 154 bis 162 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Kläger hat als unterlegener Teil die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da diese keine Anträge gestellt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO). 

Die Rechtsmittelbelehrung folgt aus § 143 SGG.
 

Rechtskraft
Aus
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