L 13 AS 1336/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AS 1085/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 1336/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 07.04.2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Aufrechnung eines Mietkautionsdarlehens mit Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

Der Kläger beantragte am 29.09.2020 die Übernahme der vertraglich vereinbarten Kaution i.H.v. 700 € für eine von ihm zum 01.10.2020 angemietete Wohnung.


Mit Bescheid vom 13.11.2020 bewilligte der Beklagte ein Darlehen in dieser Höhe zur Begleichung der Mietkaution und erklärte gleichzeitig die Aufrechnung des Darlehens mit den laufenden Leistungen in Höhe von 43,20 € monatlich ab Dezember 2020, mithin für einen Aufrechnungszeitraum über 17 Monate. Auf die Erklärung des Klägers vom 30.09.2020, die Mietkaution sei an den Vermieter zu überweisen, zahlte der Beklagte den Betrag auf das vom Kläger angegebene Konto. Nachdem der Kläger darum gebeten hatte, aufgrund der Corona-Pandemie erst ab März 2021 aufzurechnen, änderte der Beklagte mit Bescheid vom 30.11.2020 den Beginn der Aufrechnung auf März 2021. Den dagegen mit der Begründung erhobenen Widerspruch, das Darlehen sei direkt an den Vermieter ausbezahlt worden, weshalb Abzüge bzw. Aufrechnungen von den Leistungen abzulehnen seien, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2021 zurück. Da der Kläger der Darlehensnehmer sei, ändere der Umstand, dass der gewährte Betrag entsprechend seiner eigenen Nachricht vom 30.09.2020 auf das Vermieterkonto gezahlt worden sei, an seiner Rückzahlungsverpflichtung nichts. Der Aufrechnungsbetrag sei auch in der Höhe rechtmäßig.

Am 01.04.2021 hat der Kläger zum Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und zum Ausdruck gebracht, dass er die Aufrechnung nicht für zulässig halte.

Mit Gerichtsbescheid vom 07.04.2022 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat es ausgeführt, nach § 42a Abs. 2 Satz 1 SGB II würden Rückzahlungsansprüche aus Darlehen ab dem Monat, der auf die Auszahlung folgt, durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs getilgt, solange Darlehensnehmer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen. Die Aufrechnung sei nach Satz 3 dieser Vorschrift gegenüber den Darlehensnehmern schriftlich durch Verwaltungsakt zu erklären. Diese Vorgaben habe der Beklagte dem Grunde und der Höhe nach eingehalten. Insbesondere ändere es an der Eigenschaft des Klägers als Darlehensnehmer nichts, wenn die Zahlung – zumal auf seinen eigenen Wunsch – an einen anderen Empfänger erfolge. Der Kläger sei weiterhin der Adressat des Bescheids, mit dem das Darlehen gewährt worden sei und mithin auch richtiger Adressat der Aufrechnung.
Hiergegen richtet sich die am 04.05.2022 eingelegte Berufung des Klägers. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Mietkaution werde direkt an den Vermieter angewiesen. Im Falle eines Auszugs würde der Betrag wieder an den Beklagten zurückgeführt. Somit sei nicht ersichtlich, weshalb er die Summe zurückzahlen solle.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg 07.04.2022 und in Bescheid vom 13.11.2020 in der Fassung des Bescheids vom 30.11.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.03.2021 aufzuheben, soweit eine Aufrechnung angeordnet wird.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Entscheidung die Aufrechnung sei rechtmäßig. Auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid werde Bezug genommen.

Die Beteiligten haben zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG) ihr Einverständnis erteilt.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten im schriftlichen Verfahren entscheiden konnte, ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet.

Rechtsgrundlage für die erklärte Aufrechnung ist, worauf das SG zutreffend hingewiesen hat, § 42a Abs. 2 Satz 1 SGB II. Diese Regelung trägt die Aufrechnung zur Tilgung von Mietkautionsdarlehen und ermächtigt zum Erlass eines Grundlagenverwaltungsakts (BSG, Urteil v. 28.11.2018, B 14 AS 31/17 R, juris). Der Grundlagenverwaltungsakt über die Aufrechnung ist ein Dauerverwaltungsakt, der als solcher vom Jobcenter unter Kontrolle zu halten ist, um eine überhöhte Darlehensrückzahlung durch Aufrechnung zu vermeiden und um während der Aufrechnung auf rechtlich relevante Änderungen reagieren zu können. Der Aufrechnung zur Tilgung von Mietkautionsdarlehen stehen durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken wegen des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht grundsätzlich entgegen (BSG, a.a.O.). Die Aufrechnung dauert hier angesichts der Mietkaution von 700 € auch nur weniger als drei Jahre (vgl. § 43 Abs. 4 S. 2 SGB II).

Ausweislich der Materialien zu § 42a Abs. 3 SGB II schafft dieser für Darlehen nach 
§ 22 Abs. 6 Satz 3 SGB II für den Fall der Rückzahlung der Mietkaution eine "Sonderbestimmung zur Fälligkeit des noch nicht getilgten Darlehensbetrages". Dieser soll sofort zurückgezahlt werden, sobald entsprechende finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Im Übrigen bleiben § 42a Abs. 2 SGB II (Rückzahlung während des Leistungsbezugs) und § 42a Abs. 4 SGB II (Fälligkeit des noch nicht getilgten Darlehensbetrags bei Beendigung des Leistungsbezugs) von dieser Sonderbestimmung "unberührt" (BT-Drucks 17/3404 S 116). Teil des Regelungsprogramms ist danach, dass die Sonderbestimmung des § 42a Abs. 3 SGB II für Mietkautionsdarlehen an die laufende Aufrechnung auf der Grundlage des § 42a Abs. 2 SGB II anknüpft (vgl. BSG a.a.O).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.


 

Rechtskraft
Aus
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