Sozialgericht Düsseldorf
Az.: S 25 AS 2400/23 ER
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Beschluss
In dem Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes
1. ……
Antragsteller
2. ……
Antragsteller
Proz.-Bev.
zu 1.-2.: ……
g e g e n
……
Antragsgegnerin
hat die 25. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf am 06.05.2024 durch die Vorsitzende, die Richterin am Sozialgericht ……, beschlossen:
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorbehaltlich einer etwaigen Rückzahlungsforderung Leistungen nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmung ab dem 11. Dezember 2023 bis zum 30. September 2024 zu erbringen.
Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller.
G r ü n d e :
Der Antrag der Antragsteller,
„dem Antragsgegner aufzugeben, den Antragstellern Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe ab Antragsstellung zu bewilligen,“
hat in vollem Umfang Erfolg.
Der Antrag ist nach Vorlage sämtlicher erforderlicher Unterlagen durch die Antragsteller zulässig geworden. Die Antragsteller haben ein Rechtsschutzbedürfnis für den vorliegenden Antrag, da die Antragsgegnerin sich – nachdem nunmehr alle erforderlichen Unterlagen vorliegen, wie gemeinsam mit der Vertreterin der Antragsgegnerin im Ortstermin besprochen - offenbar weigert, den Antragstellern die ihnen gesetzmäßig zustehenden Leistungen zu bewilligen. Die nach Auffassung des Gerichts rechtswidrige Verweigerungshaltung zeigt sich insbesondere in dem Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 3. Mai 2024, wo den Antragstellern die Vorlage zahlreicher Unterlagen aufgegeben wird, die entweder bereits vorliegen – was der Antragsgegnerin auch gut bekannt ist - oder die für die Leistungsgewährung nicht erforderlich sind (dazu unten mehr). Warum hier von der Antragsgegnerin falsch vorgetragen wird, dass hier noch zahlreichen Unterlagen wie Kfz-Schein, Nachweis für Kfz-Versicherung, Krankenversicherung etc. vorzulegen sind, ist dem Gericht nicht erklärlich, begründet aber unzweifelhaft die Erforderlichkeit der gerichtlichen Inanspruchnahme durch die Antragsteller.
Der gemäß § 86b Abs. 2. Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Antrag ist begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Damit setzt der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht nur das Bestehen des geltend gemachten materiell-rechtlichen Anspruchs voraus (Anordnungsanspruch), sondern auch einer besonderen Eilbedürftigkeit zur Durchsetzung dieses Begehrens (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund müssen gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung glaubhaft gemacht worden sein. Erforderlich ist der Nachweis der überwiegenden Wahrscheinlichkeit; trotz der Möglichkeit des Gegenteils dürfen Zweifel nicht überwiegen (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. Aufl., III. Kapitel, Rdnr. 157). Dies ist im Rahmen einer summarischen Prüfung zu ermitteln (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW), Beschluss vom 19.07.2006, Az.: L 20 B 146/06 AS ER; Beschluss vom 12.06.2006, Az.: L 12 B 14/06 AS ER; Beschluss vom 19.01.2006, Az.: L 1 B 17/05 AS ER).
Bei der Beurteilung des Anordnungsanspruchs hat sich das Gericht an den Grundsätzen zu orientieren, die das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) aufgestellt hat. Danach dürfen sich die Gerichte bei einer Ablehnung von existenzsichernden Sozialleistungen nicht auf eine bloße summarische Prüfung der Erfolgsaussichten beschränken und die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller nicht überspannen; ist eine Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht möglich, hat eine Folgenabwägung stattzufinden (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05; ebenso LSG NRW, Beschlüsse vom 06.01.2006, L 1 B 13/05 AS ER und vom 28.02.2006, L 9 B 99/05 AS ER).
Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 01.08.2005, L 7 AS 2875/05 ER-B und vom 17.08.2005, L 7 SO 2117/05 ER-B). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist im Übrigen regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Antrags abgelaufene Zeiträume erhoben werden (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.12.2006, L 7 AS 6383/06 ER-B).
Gemessen an diesen Maßstäben haben die Antragsteller einen Anordnungsanspruch für ihr Begehren, Leistungen nach dem SGB II zu erhalten, im Sinne eines im Hauptsacheverfahren voraussichtlich durchsetzbaren Anspruchs Umfangs glaubhaft gemacht.
Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 SGB II liegen insoweit bei der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung vor. Leistungen nach dem SGB II erhalten nach § 7 Abs. 1 SGB II Personen, die u.a. erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Der Antragsteller zu 1. ist unstreitig erwerbsfähig. Der Antragsteller zu 2. hat als minderjähriger Sohn des Antragstellers zu 1., der mit diesem in Bedarfsgemeinschaft lebt, einen Anspruch auf Leistungen nach § 7 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 4 SGB II. Die beiden Antragsteller leben nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unzweifelhaft in Düsseldorf im Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin. Dies steht nach Durchführung eines Ortstermins in der Wohnung der Antragsteller und Inaugenscheinnahme zur Überzeugung des Gerichts fest. Es befanden sich zahlreiche persönliche Dinge von beiden Antragstellern in der Wohnung sowie Lebensmittel etc. (vgl. dazu auch die Fotos in der eAkte). Die vom Gericht gefertigten Fotos von den Räumlichkeiten sind zur eAkte genommen worden und der Antragsgegnerin im Anschluss an den Ortstermin zur Verfügung gestellt worden. Eine dezidierte Auseinandersetzung mit der vorgefundenen Wohnsituation ist von der Antragsgegnerin nicht erfolgt. Warum von der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 3. Mai 2024 ohne Auseinandersetzung mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme und ohne neue Anhaltspunkte Zweifel an der Wohnsituation der Antragsteller geäußert werden und eine erneute Besichtigung der Wohnung gefordert wird, ist dem Gericht im Ergebnis unerfindlich und legt den Eindruck der Verfahrensverschleppung nahe. Die Antragsgegnerin war beim Ortstermin in der Wohnung der Antragsteller vertreten und konnte sich selbst davon überzeugen, dass die vorgefundenen Verhältnisse eindeutig dafür sprachen, dass die Antragsteller die im Rubrum angegebene Wohnung tatsächlich bewohnen. Jedenfalls ist für das Gericht im Ortstermin nicht der Eindruck entstanden, dass dies von der Antragsgegnerin noch bezweifelt wird. Insbesondere wohnt dort auch der Antragsteller zu 2. – und nicht, wie die Antragsgegnerin vermutet, bei der Zeugin ……. Die Zeugin …… ist nicht seine leibliche Mutter und hat auch kein Sorgerecht für den minderjährigen Antragsteller zu 2. Die Zeugin …… und der Antragsteller zu 2. haben im Erörterungstermin übereinstimmend angegeben, dass der Antragsteller zu 2. bei seinem allein sorgeberechtigten Vater in Düsseldorf lebt. Für die Richtigkeit dieser Angaben spricht dann auch die in der Wohnung der Antragsteller vorgefundene Wohnsituation.
Die Antragsteller sind zur Überzeugung des Gerichts auch hilfebedürftig. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II derjenige, der seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Die Antragsteller verfügen nach den vorgelegten Kontoauszügen über kein Einkommen außer dem Kindergeld. Die vorgelegten Kontoauszüge sprechen für eine Bedürftigkeit der Antragsteller. Die Zeugin …… leistet nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Termin vom 19. März 2024 derzeit auch keinen Trennungsunterhalt, weil sie sich dazu nicht verpflichtet sieht. Diesbezüglich ist ein Verfahren vor dem Familiengericht anhängig. Die Antragsteller wurden in der Vergangenheit sporadisch durch den Schwager des Antragstellers zu 1. unterstützt – auch dies ist der Antragsgegnerin bereits bekannt - und leben von Kindergeld. Die Unterstützung durch den Schwager erfolgt sporadisch als Darlehen und ist nicht auf Dauer angelegt. Auch dies wurde im Erörterungstermin deutlich und mit den Beteiligten besprochen. Die Angaben der Antragsteller sind für das Gericht bei summarischer Prüfung glaubhaft und werden durch die vorgelegten Kontoauszüge, die Zeugenaussage von ……, die glaubhaft und glaubwürdig war, und die weiteren vorgelegten Dokumente belegt.
Sofern hier weitere - unerhebliche - Nachweise für die Leistungsgewährung von der Antragsgegnerin gefordert werden, so liegen diese teilweise vor (wie z.B. die Schulbescheinigung des Gymnasiums in ……, dass der Antragsteller zu 2. besucht – eine Ummeldung der Schule ist nicht erfolgt, warum dies von der Antragsgegnerin behauptet wird, bleibt unklar; Kfz-Versicherung und Kraftfahrzeugschein wurden von der unterzeichnenden Richterin im Ortstermin fotografiert und zur eAkte genommen ebenso wie die Krankenversicherungsnachweise etc.). Warum die Antragsgegnerin hier behauptet, die Unterlagen würden nicht vorliegen, bleibt dem Gericht unerfindlich. Das Gericht hat heute noch versucht, telefonisch die Angelegenheit mit der Antragsgegnerin zu klären und nochmal darauf hingewiesen, dass die Unterlagen vorliegen. Das Telefonat blieb ergebnislos.
Sofern hier Kontoauszüge gefordert werden für Zeiten, die vor dem heutigen Bewilligungszeitraum liegen, sind diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht erforderlich, ebenso wenig wie die vom Gesetz nicht vorgesehene „aktuelle Hauseigentümerbescheinigung, Auszug aus dem Mieterkonto, Nachweis ob die Scheidung eingereicht wurde, Erklärung der Zeugin zum Kfz“ etc. Diese zahlreichen von der Antragsgegnerin geforderten Bescheinigungen, die angeblich vorzulegen seien, bevor Leistungen bewilligt werden könnten, sind einerseits vom Gesetz nicht vorgesehen und ändern andererseits überhaupt nichts an der Bedürftigkeit der Antragsteller. Die Antragsteller haben angegeben, dass das Mietverhältnis noch nicht gekündigt worden sei. Das Gericht geht davon aus, dass diese Angaben zutreffend sind.
Bei der im Eilverfahren zudem allein gebotenen summarischen Prüfung sind die angeforderten Bescheinigungen auch völlig unerheblich. Die Antragsgegnerin vermittelt mit ihrem Schriftsatz vom 3. Mai 2024 dem Gericht den Eindruck, als wäre sie weder im Termin zur Beweisaufnahme noch im Ortstermin anwesend gewesen und kenne die dort vorgelegten Unterlagen und Dokumente nicht.
Sofern hier noch weitere Erklärungen von der Zeugin…… gefordert werden, hätte dies durch einfache Befragung der Zeugin im Termin zur Beweisaufnahme durch die Antragsgegnerin geklärt werden können. In diesem Termin ist im Übrigen auch deutlich geworden, dass die Zeugin …… wirtschaftlich nichts mit dem vorhandenen Kfz des Antragstellers zu 1. zu tun hat.
Insgesamt erklärlich sind dieser Fall und das Verhalten der Antragsgegnerin für das erkennende Gericht nach Durchführung des Erörterungstermins mit Zeugenvernehmung und Ortstermins in der Wohnung nicht.
Entsprechend § 130 Abs.1 SGG erfolgte eine Verurteilung dem Grunde nach.
Nach alledem war dem Antrag vollumfänglich stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe Beschwerde bei dem
Sozialgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt werden. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder
- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.
Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können nähere Informationen abgerufen werden.
Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Nr. 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).
Beglaubigt
Regierungsbeschäftigte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Dieses Schriftstück wurde maschinell erstellt und ist ohne Unterschrift gültig (§ 169 Abs. 3 ZPO).