S 12 AY 2449/24 ER

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Asylbewerberleistungsgesetz
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AY 2449/24 ER
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Menschen mit Fluchthintergrund droht ihm im Falle einer Rückkehr nach Griechenland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK

 

Tenor:

  1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 17.09.2024 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 04.09.2024 wird angeordnet.

 

  1. Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.

 

 

 

Gründe

 

 

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.

 

Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Dem Widerspruch des ASt gegen den Bescheid vom 04.09.2024 kommt wegen § 86a Abs. 1 Nr. 4 SGG i.V.m. § 11 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG keine aufschiebende Wirkung zu.

 

Die Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung steht im Ermessen des Gerichts und erfolgt auf Grundlage einer Interessenabwägung (vgl. zu den verfassungsrechtlichen Aspekten der Abwägungsentscheidung: BVerfG, Beschluss vom 25.02.2009 - 1 BvR 120/09 - juris). Abzuwägen sind die privaten Interessen des jeweiligen Antragstellers, vom Vollzug des Verwaltungsakts bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens verschont zu bleiben, und das öffentliche Interesse an der Vollziehung der behördlichen Entscheidung.

 

Weder für den Gesichtspunkt der Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens noch im Übrigen lässt sich mangels entsprechender gesetzlicher Vorgaben abstrakt festlegen, welche Anforderungen im Rahmen der summarischen Prüfung an einzelne Abwägungsgesichtspunkte zu stellen sind. Die Bedeutung des materiell-rechtlichen Aspekts des Hauptsacheverfahrens erschließt sich aus den Besonderheiten des Eilverfahrens, und zwar aus dessen dienender Funktion, dem Prognosecharakter und dem begrenzten Prüfungsgegenstand. Im Rahmen dieser Interessenabwägung kommt den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache ebenso eine Bedeutung zu wie den Beeinträchtigungen des Antragstellers durch eine mögliche Vollziehung, wenn besondere private Interessen überwiegen (Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 28. Oktober 2022 – L 8 AY 66/22 B ER –, Rn. 24, juris).

 

Im vorliegenden Fall ist dem Eilantrag stattzugeben, weil das Interesse des Antragstellers am Aufschub das Vollzugsinteresse überwiegt. Ein Interesse am Vollzug des Bescheides vom 04.09.2024 dürfte nicht gegeben sein. Die Voraussetzungen für die darin verfügte Leistungseinschränkung nach § 1 Abs. 4 Satz 2 AsylbLG lagen wohl nicht vor.

 

Nach § 1a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. Satz 1 AsylbLG erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 1a AsylbLG, denen bereits von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder von einem am Verteilmechanismus teilnehmenden Drittstaat internationaler Schutz gewährt wurde, nur Leistungen entsprechend § 1a Abs. 1 AsylbLG.

 

Im Wege einer teleologisch-systematischen Reduktion des § 1a Abs. 4 AsylbLG ist zusätzlich als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal einer Leistungseinschränkung zu fordern, dass ein pflichtwidriges Verhalten des betreffenden Leistungsberechtigten gegeben ist. Dies wiederum beinhaltet auch, dass die Rückkehr in das schutzgewährende Land rechtlich und tatsächlich möglich und zumutbar sein muss (Bayerisches Landessozialgericht, 09.03.2023, L 8 AY 110/22, juris)

 

An einer solchen Pflichtverletzung fehlt es im Fall des Antragstellers. Ihm ist zwar internationaler Schutz in Griechenland gewährt werden. Allerdings ist dem Antragsteller eine Rückkehr nach Griechenland nicht zuzumuten. Menschen mit Fluchthintergrund droht ihm im Falle einer Rückkehr nach Griechenland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK (vgl. VG Karlsruhe, Beschluss vom 13.09.2024, - A 14 K 4725/24 -; VG Sigmaringen, Urteil vom 12.08.2024; VG Karlsruhe, Urteil vom 29.07.2024, - A 3 K 3040/24 -; VG Stuttgart, Urteil vom 28.06.2024, - A 7 K 2413 -; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 27.01.2022, - A 4 S 2443/21 -, juris; Oberverwaltungsgericht des Saarlands, Urteil vom 15.11.2022 - 2 A 81/22 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.11.2021 - 3 B 53.19 -; OVG Bremen, Urteil vom 16.11.2021, - 1 LB 371/21 -; Sächsisches OVG, Urteil vom 27.04.2022, - 5 A 492/21 A -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05.04.2022, - 11 A 314/22.A -; OVG Niedersachsen, Urteil vom 19.04.2021, - 10 LB 244/20 -).

 

2. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Sache.

 

 

 

Rechtskraft
Aus
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