Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 5 AS 56/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1.Die Klage wird abgewiesen. 2.Kosten sind nicht zu erstatten. 3.Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
I.
Die Beteiligten streiten um das Vorliegen eines Mehrbedarfes wegen kostenaufwändiger Ernährung aus medizinischen Gründen.
Der 52ährige alleinlebende Kläger steht seit September 2007 fortlaufend im Leistungsbezug bei der Beklagten.
Er ist schwerbehindert und hat einen GdB von 50. Unter dem 13.4.2010 wog er 70 kg bei einer Körpergröße von 176,5 cm.
Der Kläger leidet unter einen chronischen Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis), einer Zuckerstoffwechselstörung (Diabetes mellitus) und einer diabetesbedingten Sensibilitätsstörung der Nerven in den Gliedmaßen (Polyneuropathie).
Am 10.7.2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten erstmalig einen Kostenausgleich für einen ernährungsbedingten Mehrbedarf infolge Diabetes mellitus Typ I.
Die Beklagte gewährte daraufhin einen ernährungsbedingten Mehrbedarf in Höhe von EUR 51,13 bis einschließlich Dezember 2008.
Unter dem 19.11.2008 und 19.12.2008 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Gewährung eines Mehrbedarfes. Zur Begründung fügte er ein Attest des praktischen Arztes Dr. D. vom 17.11.2008 bzw. 10.12.2008 bei, das ihm bis auf weiteres die Notwendigkeit eines ernährungsbedingten Mehrbedarfes infolge Diabetes mellitus Typ I bescheinigte.
Mit Bescheid vom 19.12.2008 lehnte die Beklagte die Gewährung des Mehrbedarfes ab. Nach den aktuellen Empfehlungen des Deutschen Vereines für öffentliche und private Fürsorge vom 1.10.2008 sei wissenschaftlich belegt, dass bei Diabetes keine Mehrkosten gegenüber der normalen Ernährung bestünden.
Gegen die ablehnende Entscheidung vom 19.12.2008 legte der Kläger unter dem 10.1.2009 Widerspruch ein. Die Beklagte könne nicht alle Diabetes-Fälle pauschal ablehnen. In seinem Falle handle es sich um einen Diabetes infolge einer chronischen Bauchspeicheldrüsenentzündung und beispielsweise nicht um einen Altersdiabetes. Er habe dadurch Mehrkosten, die nicht vom Regelsatz gedeckt seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück.
Mit der hiergegen fristgerecht erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Anliegen weiter. Zur Dokumentation hat er das Attest des Facharztes für Innere Medizin mit Schwerpunkt Diabetologie - Dr. L. - vom 26.2.2009 zu den Akten gereicht (Bl. 5 GA), das ihm bescheinigt, eine intensive Insulintherapie zu benötigen und unter Diabeteskomplikationen (der peripheren Polyneuropathie s.o.) zu leiden.
Ein ebenfalls zu den Akten gereichtes Schreiben der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) aus April 2009 (Bl. 24 f.) belege zudem, dass sein Langzeitblutzuckerwert nicht im Normalbereich liege. Nach den Ernährungsempfehlungen der DAK müsse er 3 Mahlzeiten am Tag zu sich nehmen, Vollkornprodukte, sowie fettarme Fleisch- und Wurstwaren, sowie Fisch. Diese Art von Ernährung und die für ihn notwendigen Mengen verursachten Mehrkosten. Er habe in den letzten 5 Monaten stark abgenommen. Der Kläger hat ergänzend einen Ernährungsplan für die Zeit vom 30.3.2009 bis 5.4.2009 (Bl. 16 GA) und einen weiteren für die Zeit vom 6.9.2009 bis 19.9.2009 zu den Akten gereicht, auf den jeweils ergänzend Bezug genommen wird. Die Empfehlungen des Deutschen Vereines seien keine ausreichende Grundlage für eine Leistungsablehnung, vielmehr sei eine Einzelfallentscheidung nötig. Bei ihm läge die Besonderheit vor, dass er seine Blutzuckerwerte achtfach am Tag kontrollieren müsse und sein Diabetes weder eindeutig Typ I noch Typ II zuzuordnen sei.
Der Kläger beantragt, den Bescheid vom 19.12.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.1.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1.1.2009 bis 30.6.2009 einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung in gesetzlicher Höhe zu gewähren,
hilfsweise, die Berufung zuzulassen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist auch im Klageverfahren auf ihre bereits im Vorverfahren geäußerte Rechtsansicht. Ergänzend trägt sie vor, das Attest von Dr. L. bescheinige nur eine kostenintensive Insulintherapie, jedoch keine ernährungsbedingten Mehrkosten und setze sich auch nicht mit den Empfehlungen des Deutschen Vereines auseinander. In der vom Kläger selbst angeführten Ernährungsempfehlung der DAK hieße es wörtlich "Eine gesunde Ernährung für Sie als Diabetiker unterscheidet sich nicht mehr von der gesunden Ernährung für jedermann ". Entsprechend seien auch die vom Kläger vorgelegten Ernährungspläne nach neuestem wissenschaftlichen Stand aus dem Rahmen der Vollkost und damit aus der Regelleistung zu bestreiten.
Unter dem 19.5.2009 hat der Kläger bei der Beklagten einen Fortzahlungsantrag auf Grundsicherungsleistungen für das zweite Halbjahr 2009 gestellt und in diesem Zusammenhang auch seinen Antrag auf Gewährung eines Mehrbedarfes erneuert. Die Grundsicherungsleistungen sind auch für das zweite Halbjahr 2009 fortlaufend gewährt worden, der Mehrbedarf hingegen nicht.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholen eines Befundberichtes bei dem Facharzt für Neurolgie und Psychiater Dr. K. vom 16.10.2009 (Bl. 55 ff. GA). Der Befundbericht attestiert dem Kläger Alkoholismus, eine generalisierte Angststörung und eine diabetische Polyneuropathie. Hinsichtlich dieser Krankheitsbilder liege kein schwerer Verlauf vor. Es sei auch keine spezielle Ernährung erforderlich. Auf den Befundbericht wird ergänzend Bezug genommen.
Das Gericht hat ferner Beweis erhoben durch Einholen eines Befundberichtes bei dem Facharzt für Innere Medizin und Diabetologen Dr. L. vom 15.10.2009 (Bl. 52 bis 54 und 62 f. d. GA). Der Befundbericht attestiert dem Kläger einen insulinpflichtigen Diabetes, sowie eine Pankreatitis und empfiehlt dem Kläger eine fettarme Kost, sowie das Weglassen von Alkohol. Schwer verlaufen sei die Krankheit des Klägers insofern, als er bereits nach kurzer Zeit nach Diagnose des Diabetes an Polyneuropathie erkrankt sei. Zudem habe der Kläger in kurzer Zeit 5 kg abgenommen. Den Empfehlungen des Deutschen Vereines, wonach bei Diabetes Vollkost angezeigt sei, wird ausdrücklich - allerdings ohne weitere Begründung - nicht gefolgt. Auch auf diesen Befundbericht wird ergänzend Bezug genommen. Das Gericht hat weiterhin Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bei dem Internisten und Sozialmediziner Dr. K ... Die wesentlichen Beweisfragen- und anordnungen vom 21.12.2010 lauteten (Bl. 64 ff. GA): Unter welchen ernährungsrelevanten Gesundheitsstörungen der Kläger leide; ob ein krankheitsbedingtes Untergewicht gegeben sei bzw. ein schwerer Verlauf der ernährungsrelevanten Gesundheitsstörungen im Sinne einer starken Gewichtsabnahme in jüngster Zeit vorliege; verschiedene Gesundheitsstörungen sich wechselseitig beeinflussten; ein Abweichen von der Normalkost erforderlich sei und inwiefern dem Ergebnis des Deutschen Vereines für öffentliche und private Fürsorge zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe im Hinblick auf die Empfehlung von Vollkost bei Diabetes zugestimmt werden könne.
Das unter dem 13.4.2010 erstellte Gutachten beantwortet die Fragen dahingehend, dass der Kläger an Diabetes, einer Gefühlsstörung der Füße und Pankreatitis leide und ein dringender Verdacht auf einen chronischen Alkoholabusus mit Fettleber bestehe; hinsichtlich dieser Krankheiten sei kein schwerer Verlauf zu verzeichnen, allerdings eine unzufrieden stellende Einstellung der Zuckerstoffwechselstörung, was jedoch eindeutig auf den Lebensstil des Klägers zurückzuführen sei; dass das Gewicht des Klägers im Normalbereich liege und seit dem 16.12.2009 konstant sei; dass die erhobenen Befunde sich ernährungstechnisch nicht wechselseitig auswirkten; der Bauchspeicheldrüsenentzündung könne mit Alkoholabstinenz, dem Diabetes mit einer ausgewogenen Vollkost unter regulierter Energiezufuhr begegnet werden; dass die Empfehlungen des Deutschen Vereines für öffentliche und private Fürsorge zu Recht davon ausgehen, dass bei Diabetes keine Abweichung von der Vollkost erforderlich sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Klage ist unbegründet.
Der Bescheid vom 19.12.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.1.2009 war nicht unter gleichzeitiger Verurteilung der Beklagten zur Gewährung eines Mehrbedarfes aufzuheben im Sinne von § 54 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 1 und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Danach ist ein Verwaltungsakt aufzuheben und zugleich eine Verurteilung zu einer Leistung vorzunehmen, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig ist und auf die Leistungsgewährung ein Rechtsanspruch besteht.
Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Der Bescheid war rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung eines Mehrbedarfes wegen kostenaufwändiger Ernährung für die Zeit vom 1.1.2009 bis 30.6.2009.
Vorliegend war zunächst davon auszugehen, dass streitgegenständlich im Hinblick auf die Frage des Mehrbedarfes die Zeit vom 1.1.2009 bis 30.6.2009 war. Die Beklagte hatte dem Kläger bis einschließlich zum 31.12.2008 infolge seines Diabetes noch einen Mehrbedarf in Höhe von EUR 51,13 gewährt, so dass der Folgeantrag vom 19.11.2008 bzw. 19.12.2008 auf die Zeit ab dem 1.1.2009 zu beziehen war. Als Ende des streitgegenständlichen Bewilligungsabschnittes ist der 30.6.2009 anzusehen. Zum einen lag durch einen mittlerweile beschiedenen Fortzahlungsantrag vom 19.5.2009 und den erneuten Antrag auf Mehrbedarf eine Zäsur vor, die von dem angegriffenen Bescheid nicht mehr erfasst wird (vgl. BSG, Urteile v. 1.6.2010 – B 4 AS 67/09 R; v. 28.10.2009 – B 14 AS 62/08 R; grundlegend: v. 31.10.2007, B 14/11b AS 59/06 R; vgl. auch LSG NRW, Urteil v. 11.5.2010, L 6 AS 19/09, je unter www.sozialgerichtsbarkeit.de). Zum anderen hat das Bundessozialgericht zuletzt mit Urteil vom 18.2.2010 (B 4 AS 29/09 R unter www.sozialgerichtsbarkeit.de) ausdrücklich klargestellt , dass Mehrbedarfe nach § 21 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes sind und daher keinen eigenständigen von der Höhe der Regelleistung abtrennbaren Streitgegenstand darstellen (vgl. auch BSG, Urteil v. 2.7.2009 – B 14 AS 54/08 R; BSG, Urteil v. 3.3.2009 – B 4 AS 50/07 je unter www.sozialgerichtsbarkeit.de). Ab dem Folgeantrag vom 19.5.2009 war diese Rechtsprechung daher dergestalt zu berücksichtigen, dass die Entscheidung über die Bewilligung der Regelleistung auch parallel als Entscheidung über die Bewilligung eines Mehrbedarfes zu werten ist. Für den vorliegenden auf die Zeit vor der höchstrichterlichen Rechtsprechung vom 18.2.2010 (a.a.O.) datierenden Antrag aus November bzw. Dezember 2008 und den von ihm erfassten Zeitraum vom 1.1.2009 bis 30.6.2009 war eine isolierte Antragstellung und Bescheidung hingegen noch als zulässig zu erachten. Die Beklagte war weiterhin beteiligtenfähig nach § 70 Nr 2 SGG (vgl. hierzu BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat zwar § 44b SGB II als mit Art. 28 und 83 Grundgesetz (GG) unvereinbar erklärt (Urteil vom 20.12.2007, 2 BvR 2433/04 und 2 BvR 2434/04 = BVerfGE 119, 331). Die gemäß § 44b SGB II gebildeten Arbeitsgemeinschaften können jedoch für eine Übergangszeit bis zum 31.12.2010 (BVerfG, a.a.O.) auf der bisherigen Rechtsgrundlage tätig werden (vgl. zuletzt BSG, Urteil v. 18.2.2010 a.a.O. Rn. 12).
Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum auch grundsätzlich leistungsberechtigt im Sinne des SGB II. Er erfüllt die Voraussetzungen von § 7 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 19 S. 1 SGB II. Nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erhalten Grundsicherungsleistungen Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr. 1), erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig (Nr. 3) sind, sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Der 52jährige Kläger, mit gewöhnlichem Aufenthalt in Oberhausen, war hilfebedürftig im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II, weil er seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern konnte und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhielt. Im streitgegenständlichen Zeitraum lag auch keine Erwerbsunfähigkeit vor.
Insoweit stand dem Kläger dem Grunde nach ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung gem. §§ 19, 20 Abs. 2 SGB II zu.
Ein Anspruch auf Gewährung eines Mehrbedarfes war hingegen nicht gegeben. Nach § 21 Abs. 5 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Erforderlich ist danach die Feststellung einer Erkrankung, die Notwendigkeit einer kostenaufwändigen Ernährung und schließlich die Ursächlichkeit der Krankheit für den Mehraufwand (vgl. Münder in: LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, § 21 Rn. 25).
Diese Voraussetzungen sind nach den Ermittlungen der Kammer und dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht gegeben.
Bei den ernährungsrelevanten Befunden Diabetes und Pankreatitis wird weder von den anerkannten Sachverständigengremien noch von der Rechtsprechung ein ernährungsbedingter Mehrbedarf bejaht. Auch das eingeholte Sachverständigengutachten konnte die Anhaltspunkte für einen Mehrbedarf aus dem Befundbericht des behandelnden Diabetologen des Klägers nicht bestätigen. Danach war insbesondere nicht auszuschließen, dass temporäre deutlichere Gewichtsabnahmen des Klägers im Zusammenhang mit dem vom Sachverständigen geäußerten dringenden Verdacht auf Alkoholmissbrauch oder aber eine falsche Ernährungsweise zurückzuführen sind. Schließlich sind die vom Kläger in seinen Ernährungsplänen aufgezählten Lebensmittel alle von der in der Bemessung der Regelleistung berücksichtigten Vollkost erfasst.
Im Einzelnen:
a) Bereits die abstrakten Expertenempfehlungen rechtfertigen den geltend gemachten Mehrbedarf nicht.
Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen zur Konkretisierung der Angemessenheit des Mehrbedarfs die hierzu vom Deutschen Verein für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe entwickelten und an typisierbaren Fallgestaltungen ausgerichteten Mehrbedarfsempfehlungen herangezogen werden (vgl. BT-Drucks. 15/1516 S. 57). Bei der Erstellung dieser Mehrbedarfsempfehlungen, die schon im früheren Recht der Sozialhilfe nach § 23 Abs. 4 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) Anwendung fanden, haben Experten aus medizinischen und ernährungs-wissenschaftlichen Fachbereichen zusammengearbeitet und dabei die medizinisch notwendigen Ernährungsformen bei verschiedenen Krankheiten festgestellt sowie die Kostenunterschiede zur "Normalernährung" ermittelt. Anschließend wurden die Pauschalbeträge für die krankheitsbedingten Mehrbedarfe mit Hilfe der Deutschen Gesellschaft für Ernährung auf der Basis eines Schemas der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin entwickelt. Die Mehrbedarfsempfehlungen wurden erstmals 1974 und in überarbeiteter Form 1997 ausgegeben und liegen aktuell in der im Oktober 2008 völlig neu bearbeiteten Fassung vor. Ob den Mehrbedarfsempfehlungen, die keine Rechtsnormen darstellen (vgl. BSG, Urteil vom 27.2.2008, - B 14/7 b AS 64/06 unter www.sozialgerichtsbarkeit.de), die Bedeutung eines antizipierten Sachverständigen-gutachtens zukommt, kann dahinstehen (verneinend für die 1997 herausgegebenen Mehrbedarfsempfehlungen mangels Wiedergabe einer einheitliche Auffassung der medizinischen Wissenschaft bzw. Berücksichtigung aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse BSG, Urteile v. 27.2.2008 a.a.O. und B 14/7b AS 32/06 R, sowie vom 15.4.2008, B 14/11 AS 3/07 R , je unter www.sozialgerichtsbarkeit.de). Denn selbst für den Fall, dass der nunmehr vorliegenden dritten Auflage der Empfehlungen weiterhin nicht die Bedeutung eines antizipierten Sachverständigengutachtens beigemessen werden sollte (dafür beispielsweise LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 9.3.2009, L 8 AS 68/08; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 3.2.2009 – L 9 B 339/08 AS, je unter www.sozialgerichtsbarkeit.de), war selbst für die früheren Mehrbedarfsempfehlungen und damit erst recht für die aktualisierten anzuerkennen, dass sie zumindest als Orientierungshilfe dienen können und weitere Ermittlungen im Einzelfall nur dann erforderlich waren, soweit Anhaltspunkte für Besonderheiten bestehen (BSG, Urteil vom 27.2.2008, a.a.0.).
Nach der jetzt geltenden Fassung der Mehrbedarfsempfehlungen erfordert die beim Kläger bestehende Erkrankung Diabetes mellitus - unabhängig vom Typ und der Behand-lungsintensität - lediglich eine Vollkost im Sinne der in dem "Rationalisierungsschema 2004" getroffenen Definition, deren Beschaffung keine erhöhten Kosten verursacht. Dass der Mindestaufwand für eine Vollkost, die bei der Erkrankung "Diabetes mellitus" angezeigt ist, durch den Regelsatz für Haushaltsvorstände und Alleinlebende gedeckt ist, ergibt sich dabei aus der wissenschaftlichen Ausarbeitung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. zum Thema "Lebensmittelkosten im Rahmen einer vollwertigen Ernährung" (Quelle: www.dge.de/pdf/ws/Lebensmittelkosten-vollwertige-Ernährung.pdf), die den Mehrbedarfsempfehlungen aus 2008 zugrunde gelegen hat. Dort wird ein von der Vollkost abweichender spezieller Ernährungsaufwand bei einem Diabetes mellitus verneint. Dies steht in Einklang mit den "evidenzbasierten Ernährungsempfehlungen zur Behandlung und Prävention des Diabetes mellitus" der Deutschen Diabetes Gesellschaft (Quelle: www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de) und den "Ernährungsempfehlungen für Diabetiker" des Verbandes für Ernährung und Diätetik (Quelle: www.vfed.de) (vgl. zusammenfassend zu den allgemein anerkannten Erkenntnissen zum Ernährungsbedarf bei Diabetes mellitus, vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 9.3.2009, a.a.O.).
Die beim Kläger ebenfalls diagnostizierte (chronische) Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis) wird von den Empfehlungen des Deutschen Vereines hingegen nicht explizit als ernährungsrelevante Krankheit behandelt. Dafür ist dem Begutachtungsleitfaden für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung (Krankenkost-zulagen) gem. § 23 Abs. 4 BSHG (jetzt § 30 Abs. 5 SGB XII), einem dem Deutschen Verein vergleichbaren Expertengremium (vgl. hierzu LSG NRW, Beschluss v. 22.7.2007 – L 19 AS 41/08) aus Medizinern und Ernährungswissenschaftlern des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (zu finden unter www.lwl.org/spur-download/Mehrbedarf.pdf) zu entnehmen, dass bei der Pankreatitis ebenfalls keine besondere Kost angezeigt sei (vgl. S. 13 des Leitfadens). Im Vordergrund stünde die Vermeidung einer weiteren Schädigung des Organges durch Weglassen von Alkohol und schädigenden Medikamenten, sowie durch einen niedrigen Fettgehalt in der Nahrung.
b) Auch die eingeholten Befundberichte können den geltend gemachten Mehrbedarf nicht stützen.
Der Neurologe Dr. K. empfiehlt in seinem Befundbericht vom 16.10.2009 (Bl. 55 ff. GA) keine besondere Ernährung, diagnostiziert jedoch das Vorliegen von Alkoholismus.
Soweit der behandelnde Diabetologe des Klägers, Dr. L., in seinem Befundbericht vom 15.10.2009 ( Bl. 52 ff. und 62 f. GA) eine kurzfristige Gewichtsabnahme von 5 kg beim Kläger festgestellt hat und eine Vollkost bei Diabetes nicht für ausreichend hält, ergibt sich daraus nichts anderes. Zum einen gibt der Arzt nicht an, welche insbesondere kostenaufwändige Ernährungsform stattdessen angezeigt sei. Zum anderen besteht seine Ernährungsempfehlung - neben dem Weglassen von Alkohol - im Verzehr fettarmer Kost. Das Weglassen von fettreichen Speisen (z.B. Milchprodukte und bestimmte Wurstwaren) führt jedoch nicht zwangsläufig zu einem erhöhten Kostenaufwand, sondern eher zu einer Kostenentlastung.
c) Schließlich hat auch das eingeholte Sachverständigengutachten des Internisten Dr. K. vom 13.4.2010 (Bl. 77 ff. GA) die Notwendigkeit eines ernährungsbedingten Mehrbedarfes umfassend verneint. Das Gutachten ist stichhaltig und schlüssig. Die Kammer hatte keine Anhaltspunkte an den wesentlichen Ergebnissen zu zweifeln.
Insbesondere kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass sich das Gewicht des Klägers stabilisiert hat und im Normalbereicht liegt, sowie eine wechselseitige Beeinflussung der Befunde insulinpflichtiger Diabetes und Pankreatitis zu verzehrenden Auswirkungen auf die Ernährungssituation nicht gegeben ist.
Der Diabetes sei aufgrund der intensivierten Insulintherapie durch eine ausgewogene Vollkost zu begleiten. Bei der Pankreatitis sei Alkoholabstinenz angezeigt.
Der Einwand des Klägers aus der mündlichen Verhandlung, dass er seine Blutzuckerwerte überdurchschnittlich oft kontrollieren müsse (achtmal am Tag), verfängt insoweit nicht, als der Sachverständige so zu verstehen ist, dass dies auf eine unzureichende Einstellung des Zuckerstoffwechsels zurückzuführen ist (S. 11 des Gutachtens, Bl. 87 GA) und dieser Zustand bei einer Anpassung des fettbelasteten Lebensstils und einer dringend empfohlenen Ernährungsberatung (S. 13 des Gutachtens, Bl. 89 GA) behoben werden kann.
Der weitere Einwand des Klägers aus der mündlichen Verhandlung, dass sein Diabetes nicht eindeutig einem Typ zuzuordnen sei, vermag an den Auswirkungen auf die Ernährung nichts zu ändern. Zum einen kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass der Diabetes dem Typ I gleichzustellen ist. Ausfälle in der Erscheinungsform der Krankheit seien mit einer ordnungsgemäßen Einstellung und Anpassung des Lebenswandels zu beheben.
Dies entspricht den bereits zitierten Expertenempfehlungen des Deutschen Vereines für Öffentliche und Private Fürsorge und des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, die bei Diabetes unabhängig von Typ und Behandlungsintensität einen Mehrbedarf verneinen (s.o.).
Schließlich hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt, bisher an Ernährungsschulungen teilgenommen zu haben, die überwiegend auf übergewichtige Diabetiker spezialisiert waren, so dass eine gezielte Schulung zielführend wäre.
d) Im Rahmen ihrer Entscheidungsfindung konnte die Kammer nicht unberücksichtigt lassen, dass sowohl die eingeholten Befundberichte als auch das Sachverständigengutachten dem Kläger übereinstimmend Alkoholabstinenz nahelegen. Es ist davon auszugehen, dass die Einstellung des Diabetes, insbesondere im Rahmen der Gewichtsstabilität des Klägers und die Symptome der Bauchspeicheldrüsenentzündung durch Alkoholkonsum jedenfalls nicht begünstigt werden.
e) Die Verneinung eines Zusammenhangs zwischen den beim Klägern diagnostizierten Krankheitsbildern und einem ernährungsbedingten Mehraufwand wird auch von der bisherigen Rechtsprechung geteilt. Entsprechend wird ein Mehrbedarf bei Diabetes aller Formen ebenso abgelehnt (vgl. insbesondere LSG NRW, Beschluss v. 17.3.2008, L 20 B 217/07 AS; Urteil v. 11.12.2008, L 9 AS 34/08; Urteil v. 11.5.2010 – L 6 AS 19/09; Beschluss v. 5.8.2010, L 9 AS 932/10 B), wie bei Pankreatitis (vgl. nur SG Dortmund v. 16.2.2007, S 35 AS 5/05) oder beim Zusammentreffen beider Befunde (vgl. LSG NRW, Beschluss v. 21.9.2009, L 20 B 17/09; SG Düsseldorf, Gerichtsbescheid v. 16.4.2007, S 35 AS 315/05).
f) Schließlich entsprechen die vom Kläger in seinen Ernährungsplänen aufgeführten Lebensmitteln denjenigen Grundnahrungsmitteln (z.B. Obst, Gemüse, Getreideprodukte, Fleisch, Milchprodukte etc.), die im Rahmen einer von der Regelleistung erfassten Vollkost im Sinne der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (s.o.) angezeigt sind und heutzutage in Discountern erhältlich sind. Besondere diätetische Lebensmittel (wie z.B. laktosefreie Milch, glutenfreie Produkte), die unter Umständen mit Mehrkosten verbunden sind, werden gerade nicht konsumiert. Auch die Mengenangaben liegen im Rahmen der üblichen Kalorienzufuhr bei einem erwachsenen Menschen ohne Übergewicht.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
3. Da der geltend gemachte Anspruch – ausgehend von der bisher gewährten Mehrbedarfshöhe von EUR 51,13 pro Monat und einem sechsmonatigen Bewilligungszeitraum – die Berufungssumme von EUR 750,00 nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG nicht übersteigt, bedurfte die Berufung der Zulassung.
Die Kammer hat die Berufung gem. § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil die Frage der wechselseitigen Beeinflussung bzw. Kumulation ernährungsrelevanter Krankheiten grundsätzliche Bedeutung hat und bisher noch nicht abschließend obergerichtlich geklärt wurde (vgl. Lang/Knickrehm in: Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2. Aufl. 2008, § 21 Rn. 56). Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die Auswirkungen bei Verdacht auf begleitenden Alkoholmissbrauch. Unter dem Aktenzeichen B 4 AS 100/10 R ist derzeit ein Verfahren beim Bundessozialgericht anhängig, dass sich mit der Frage befasst, ob ein Hilfebedürftiger, der einen erhöhten Kalorienbedarf geltend macht, der weder durch den vorliegenden Diabetes Mellitus, noch durch sonstige krankheitsbedingte Gründe verursacht ist, einen Anspruch auf Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung haben kann.
Tatbestand:
I.
Die Beteiligten streiten um das Vorliegen eines Mehrbedarfes wegen kostenaufwändiger Ernährung aus medizinischen Gründen.
Der 52ährige alleinlebende Kläger steht seit September 2007 fortlaufend im Leistungsbezug bei der Beklagten.
Er ist schwerbehindert und hat einen GdB von 50. Unter dem 13.4.2010 wog er 70 kg bei einer Körpergröße von 176,5 cm.
Der Kläger leidet unter einen chronischen Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis), einer Zuckerstoffwechselstörung (Diabetes mellitus) und einer diabetesbedingten Sensibilitätsstörung der Nerven in den Gliedmaßen (Polyneuropathie).
Am 10.7.2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten erstmalig einen Kostenausgleich für einen ernährungsbedingten Mehrbedarf infolge Diabetes mellitus Typ I.
Die Beklagte gewährte daraufhin einen ernährungsbedingten Mehrbedarf in Höhe von EUR 51,13 bis einschließlich Dezember 2008.
Unter dem 19.11.2008 und 19.12.2008 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Gewährung eines Mehrbedarfes. Zur Begründung fügte er ein Attest des praktischen Arztes Dr. D. vom 17.11.2008 bzw. 10.12.2008 bei, das ihm bis auf weiteres die Notwendigkeit eines ernährungsbedingten Mehrbedarfes infolge Diabetes mellitus Typ I bescheinigte.
Mit Bescheid vom 19.12.2008 lehnte die Beklagte die Gewährung des Mehrbedarfes ab. Nach den aktuellen Empfehlungen des Deutschen Vereines für öffentliche und private Fürsorge vom 1.10.2008 sei wissenschaftlich belegt, dass bei Diabetes keine Mehrkosten gegenüber der normalen Ernährung bestünden.
Gegen die ablehnende Entscheidung vom 19.12.2008 legte der Kläger unter dem 10.1.2009 Widerspruch ein. Die Beklagte könne nicht alle Diabetes-Fälle pauschal ablehnen. In seinem Falle handle es sich um einen Diabetes infolge einer chronischen Bauchspeicheldrüsenentzündung und beispielsweise nicht um einen Altersdiabetes. Er habe dadurch Mehrkosten, die nicht vom Regelsatz gedeckt seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück.
Mit der hiergegen fristgerecht erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Anliegen weiter. Zur Dokumentation hat er das Attest des Facharztes für Innere Medizin mit Schwerpunkt Diabetologie - Dr. L. - vom 26.2.2009 zu den Akten gereicht (Bl. 5 GA), das ihm bescheinigt, eine intensive Insulintherapie zu benötigen und unter Diabeteskomplikationen (der peripheren Polyneuropathie s.o.) zu leiden.
Ein ebenfalls zu den Akten gereichtes Schreiben der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) aus April 2009 (Bl. 24 f.) belege zudem, dass sein Langzeitblutzuckerwert nicht im Normalbereich liege. Nach den Ernährungsempfehlungen der DAK müsse er 3 Mahlzeiten am Tag zu sich nehmen, Vollkornprodukte, sowie fettarme Fleisch- und Wurstwaren, sowie Fisch. Diese Art von Ernährung und die für ihn notwendigen Mengen verursachten Mehrkosten. Er habe in den letzten 5 Monaten stark abgenommen. Der Kläger hat ergänzend einen Ernährungsplan für die Zeit vom 30.3.2009 bis 5.4.2009 (Bl. 16 GA) und einen weiteren für die Zeit vom 6.9.2009 bis 19.9.2009 zu den Akten gereicht, auf den jeweils ergänzend Bezug genommen wird. Die Empfehlungen des Deutschen Vereines seien keine ausreichende Grundlage für eine Leistungsablehnung, vielmehr sei eine Einzelfallentscheidung nötig. Bei ihm läge die Besonderheit vor, dass er seine Blutzuckerwerte achtfach am Tag kontrollieren müsse und sein Diabetes weder eindeutig Typ I noch Typ II zuzuordnen sei.
Der Kläger beantragt, den Bescheid vom 19.12.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.1.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1.1.2009 bis 30.6.2009 einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung in gesetzlicher Höhe zu gewähren,
hilfsweise, die Berufung zuzulassen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist auch im Klageverfahren auf ihre bereits im Vorverfahren geäußerte Rechtsansicht. Ergänzend trägt sie vor, das Attest von Dr. L. bescheinige nur eine kostenintensive Insulintherapie, jedoch keine ernährungsbedingten Mehrkosten und setze sich auch nicht mit den Empfehlungen des Deutschen Vereines auseinander. In der vom Kläger selbst angeführten Ernährungsempfehlung der DAK hieße es wörtlich "Eine gesunde Ernährung für Sie als Diabetiker unterscheidet sich nicht mehr von der gesunden Ernährung für jedermann ". Entsprechend seien auch die vom Kläger vorgelegten Ernährungspläne nach neuestem wissenschaftlichen Stand aus dem Rahmen der Vollkost und damit aus der Regelleistung zu bestreiten.
Unter dem 19.5.2009 hat der Kläger bei der Beklagten einen Fortzahlungsantrag auf Grundsicherungsleistungen für das zweite Halbjahr 2009 gestellt und in diesem Zusammenhang auch seinen Antrag auf Gewährung eines Mehrbedarfes erneuert. Die Grundsicherungsleistungen sind auch für das zweite Halbjahr 2009 fortlaufend gewährt worden, der Mehrbedarf hingegen nicht.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholen eines Befundberichtes bei dem Facharzt für Neurolgie und Psychiater Dr. K. vom 16.10.2009 (Bl. 55 ff. GA). Der Befundbericht attestiert dem Kläger Alkoholismus, eine generalisierte Angststörung und eine diabetische Polyneuropathie. Hinsichtlich dieser Krankheitsbilder liege kein schwerer Verlauf vor. Es sei auch keine spezielle Ernährung erforderlich. Auf den Befundbericht wird ergänzend Bezug genommen.
Das Gericht hat ferner Beweis erhoben durch Einholen eines Befundberichtes bei dem Facharzt für Innere Medizin und Diabetologen Dr. L. vom 15.10.2009 (Bl. 52 bis 54 und 62 f. d. GA). Der Befundbericht attestiert dem Kläger einen insulinpflichtigen Diabetes, sowie eine Pankreatitis und empfiehlt dem Kläger eine fettarme Kost, sowie das Weglassen von Alkohol. Schwer verlaufen sei die Krankheit des Klägers insofern, als er bereits nach kurzer Zeit nach Diagnose des Diabetes an Polyneuropathie erkrankt sei. Zudem habe der Kläger in kurzer Zeit 5 kg abgenommen. Den Empfehlungen des Deutschen Vereines, wonach bei Diabetes Vollkost angezeigt sei, wird ausdrücklich - allerdings ohne weitere Begründung - nicht gefolgt. Auch auf diesen Befundbericht wird ergänzend Bezug genommen. Das Gericht hat weiterhin Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bei dem Internisten und Sozialmediziner Dr. K ... Die wesentlichen Beweisfragen- und anordnungen vom 21.12.2010 lauteten (Bl. 64 ff. GA): Unter welchen ernährungsrelevanten Gesundheitsstörungen der Kläger leide; ob ein krankheitsbedingtes Untergewicht gegeben sei bzw. ein schwerer Verlauf der ernährungsrelevanten Gesundheitsstörungen im Sinne einer starken Gewichtsabnahme in jüngster Zeit vorliege; verschiedene Gesundheitsstörungen sich wechselseitig beeinflussten; ein Abweichen von der Normalkost erforderlich sei und inwiefern dem Ergebnis des Deutschen Vereines für öffentliche und private Fürsorge zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe im Hinblick auf die Empfehlung von Vollkost bei Diabetes zugestimmt werden könne.
Das unter dem 13.4.2010 erstellte Gutachten beantwortet die Fragen dahingehend, dass der Kläger an Diabetes, einer Gefühlsstörung der Füße und Pankreatitis leide und ein dringender Verdacht auf einen chronischen Alkoholabusus mit Fettleber bestehe; hinsichtlich dieser Krankheiten sei kein schwerer Verlauf zu verzeichnen, allerdings eine unzufrieden stellende Einstellung der Zuckerstoffwechselstörung, was jedoch eindeutig auf den Lebensstil des Klägers zurückzuführen sei; dass das Gewicht des Klägers im Normalbereich liege und seit dem 16.12.2009 konstant sei; dass die erhobenen Befunde sich ernährungstechnisch nicht wechselseitig auswirkten; der Bauchspeicheldrüsenentzündung könne mit Alkoholabstinenz, dem Diabetes mit einer ausgewogenen Vollkost unter regulierter Energiezufuhr begegnet werden; dass die Empfehlungen des Deutschen Vereines für öffentliche und private Fürsorge zu Recht davon ausgehen, dass bei Diabetes keine Abweichung von der Vollkost erforderlich sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Klage ist unbegründet.
Der Bescheid vom 19.12.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.1.2009 war nicht unter gleichzeitiger Verurteilung der Beklagten zur Gewährung eines Mehrbedarfes aufzuheben im Sinne von § 54 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 1 und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Danach ist ein Verwaltungsakt aufzuheben und zugleich eine Verurteilung zu einer Leistung vorzunehmen, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig ist und auf die Leistungsgewährung ein Rechtsanspruch besteht.
Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Der Bescheid war rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung eines Mehrbedarfes wegen kostenaufwändiger Ernährung für die Zeit vom 1.1.2009 bis 30.6.2009.
Vorliegend war zunächst davon auszugehen, dass streitgegenständlich im Hinblick auf die Frage des Mehrbedarfes die Zeit vom 1.1.2009 bis 30.6.2009 war. Die Beklagte hatte dem Kläger bis einschließlich zum 31.12.2008 infolge seines Diabetes noch einen Mehrbedarf in Höhe von EUR 51,13 gewährt, so dass der Folgeantrag vom 19.11.2008 bzw. 19.12.2008 auf die Zeit ab dem 1.1.2009 zu beziehen war. Als Ende des streitgegenständlichen Bewilligungsabschnittes ist der 30.6.2009 anzusehen. Zum einen lag durch einen mittlerweile beschiedenen Fortzahlungsantrag vom 19.5.2009 und den erneuten Antrag auf Mehrbedarf eine Zäsur vor, die von dem angegriffenen Bescheid nicht mehr erfasst wird (vgl. BSG, Urteile v. 1.6.2010 – B 4 AS 67/09 R; v. 28.10.2009 – B 14 AS 62/08 R; grundlegend: v. 31.10.2007, B 14/11b AS 59/06 R; vgl. auch LSG NRW, Urteil v. 11.5.2010, L 6 AS 19/09, je unter www.sozialgerichtsbarkeit.de). Zum anderen hat das Bundessozialgericht zuletzt mit Urteil vom 18.2.2010 (B 4 AS 29/09 R unter www.sozialgerichtsbarkeit.de) ausdrücklich klargestellt , dass Mehrbedarfe nach § 21 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes sind und daher keinen eigenständigen von der Höhe der Regelleistung abtrennbaren Streitgegenstand darstellen (vgl. auch BSG, Urteil v. 2.7.2009 – B 14 AS 54/08 R; BSG, Urteil v. 3.3.2009 – B 4 AS 50/07 je unter www.sozialgerichtsbarkeit.de). Ab dem Folgeantrag vom 19.5.2009 war diese Rechtsprechung daher dergestalt zu berücksichtigen, dass die Entscheidung über die Bewilligung der Regelleistung auch parallel als Entscheidung über die Bewilligung eines Mehrbedarfes zu werten ist. Für den vorliegenden auf die Zeit vor der höchstrichterlichen Rechtsprechung vom 18.2.2010 (a.a.O.) datierenden Antrag aus November bzw. Dezember 2008 und den von ihm erfassten Zeitraum vom 1.1.2009 bis 30.6.2009 war eine isolierte Antragstellung und Bescheidung hingegen noch als zulässig zu erachten. Die Beklagte war weiterhin beteiligtenfähig nach § 70 Nr 2 SGG (vgl. hierzu BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat zwar § 44b SGB II als mit Art. 28 und 83 Grundgesetz (GG) unvereinbar erklärt (Urteil vom 20.12.2007, 2 BvR 2433/04 und 2 BvR 2434/04 = BVerfGE 119, 331). Die gemäß § 44b SGB II gebildeten Arbeitsgemeinschaften können jedoch für eine Übergangszeit bis zum 31.12.2010 (BVerfG, a.a.O.) auf der bisherigen Rechtsgrundlage tätig werden (vgl. zuletzt BSG, Urteil v. 18.2.2010 a.a.O. Rn. 12).
Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum auch grundsätzlich leistungsberechtigt im Sinne des SGB II. Er erfüllt die Voraussetzungen von § 7 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 19 S. 1 SGB II. Nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erhalten Grundsicherungsleistungen Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr. 1), erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig (Nr. 3) sind, sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Der 52jährige Kläger, mit gewöhnlichem Aufenthalt in Oberhausen, war hilfebedürftig im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II, weil er seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern konnte und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhielt. Im streitgegenständlichen Zeitraum lag auch keine Erwerbsunfähigkeit vor.
Insoweit stand dem Kläger dem Grunde nach ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung gem. §§ 19, 20 Abs. 2 SGB II zu.
Ein Anspruch auf Gewährung eines Mehrbedarfes war hingegen nicht gegeben. Nach § 21 Abs. 5 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Erforderlich ist danach die Feststellung einer Erkrankung, die Notwendigkeit einer kostenaufwändigen Ernährung und schließlich die Ursächlichkeit der Krankheit für den Mehraufwand (vgl. Münder in: LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, § 21 Rn. 25).
Diese Voraussetzungen sind nach den Ermittlungen der Kammer und dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht gegeben.
Bei den ernährungsrelevanten Befunden Diabetes und Pankreatitis wird weder von den anerkannten Sachverständigengremien noch von der Rechtsprechung ein ernährungsbedingter Mehrbedarf bejaht. Auch das eingeholte Sachverständigengutachten konnte die Anhaltspunkte für einen Mehrbedarf aus dem Befundbericht des behandelnden Diabetologen des Klägers nicht bestätigen. Danach war insbesondere nicht auszuschließen, dass temporäre deutlichere Gewichtsabnahmen des Klägers im Zusammenhang mit dem vom Sachverständigen geäußerten dringenden Verdacht auf Alkoholmissbrauch oder aber eine falsche Ernährungsweise zurückzuführen sind. Schließlich sind die vom Kläger in seinen Ernährungsplänen aufgezählten Lebensmittel alle von der in der Bemessung der Regelleistung berücksichtigten Vollkost erfasst.
Im Einzelnen:
a) Bereits die abstrakten Expertenempfehlungen rechtfertigen den geltend gemachten Mehrbedarf nicht.
Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen zur Konkretisierung der Angemessenheit des Mehrbedarfs die hierzu vom Deutschen Verein für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe entwickelten und an typisierbaren Fallgestaltungen ausgerichteten Mehrbedarfsempfehlungen herangezogen werden (vgl. BT-Drucks. 15/1516 S. 57). Bei der Erstellung dieser Mehrbedarfsempfehlungen, die schon im früheren Recht der Sozialhilfe nach § 23 Abs. 4 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) Anwendung fanden, haben Experten aus medizinischen und ernährungs-wissenschaftlichen Fachbereichen zusammengearbeitet und dabei die medizinisch notwendigen Ernährungsformen bei verschiedenen Krankheiten festgestellt sowie die Kostenunterschiede zur "Normalernährung" ermittelt. Anschließend wurden die Pauschalbeträge für die krankheitsbedingten Mehrbedarfe mit Hilfe der Deutschen Gesellschaft für Ernährung auf der Basis eines Schemas der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin entwickelt. Die Mehrbedarfsempfehlungen wurden erstmals 1974 und in überarbeiteter Form 1997 ausgegeben und liegen aktuell in der im Oktober 2008 völlig neu bearbeiteten Fassung vor. Ob den Mehrbedarfsempfehlungen, die keine Rechtsnormen darstellen (vgl. BSG, Urteil vom 27.2.2008, - B 14/7 b AS 64/06 unter www.sozialgerichtsbarkeit.de), die Bedeutung eines antizipierten Sachverständigen-gutachtens zukommt, kann dahinstehen (verneinend für die 1997 herausgegebenen Mehrbedarfsempfehlungen mangels Wiedergabe einer einheitliche Auffassung der medizinischen Wissenschaft bzw. Berücksichtigung aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse BSG, Urteile v. 27.2.2008 a.a.O. und B 14/7b AS 32/06 R, sowie vom 15.4.2008, B 14/11 AS 3/07 R , je unter www.sozialgerichtsbarkeit.de). Denn selbst für den Fall, dass der nunmehr vorliegenden dritten Auflage der Empfehlungen weiterhin nicht die Bedeutung eines antizipierten Sachverständigengutachtens beigemessen werden sollte (dafür beispielsweise LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 9.3.2009, L 8 AS 68/08; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 3.2.2009 – L 9 B 339/08 AS, je unter www.sozialgerichtsbarkeit.de), war selbst für die früheren Mehrbedarfsempfehlungen und damit erst recht für die aktualisierten anzuerkennen, dass sie zumindest als Orientierungshilfe dienen können und weitere Ermittlungen im Einzelfall nur dann erforderlich waren, soweit Anhaltspunkte für Besonderheiten bestehen (BSG, Urteil vom 27.2.2008, a.a.0.).
Nach der jetzt geltenden Fassung der Mehrbedarfsempfehlungen erfordert die beim Kläger bestehende Erkrankung Diabetes mellitus - unabhängig vom Typ und der Behand-lungsintensität - lediglich eine Vollkost im Sinne der in dem "Rationalisierungsschema 2004" getroffenen Definition, deren Beschaffung keine erhöhten Kosten verursacht. Dass der Mindestaufwand für eine Vollkost, die bei der Erkrankung "Diabetes mellitus" angezeigt ist, durch den Regelsatz für Haushaltsvorstände und Alleinlebende gedeckt ist, ergibt sich dabei aus der wissenschaftlichen Ausarbeitung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. zum Thema "Lebensmittelkosten im Rahmen einer vollwertigen Ernährung" (Quelle: www.dge.de/pdf/ws/Lebensmittelkosten-vollwertige-Ernährung.pdf), die den Mehrbedarfsempfehlungen aus 2008 zugrunde gelegen hat. Dort wird ein von der Vollkost abweichender spezieller Ernährungsaufwand bei einem Diabetes mellitus verneint. Dies steht in Einklang mit den "evidenzbasierten Ernährungsempfehlungen zur Behandlung und Prävention des Diabetes mellitus" der Deutschen Diabetes Gesellschaft (Quelle: www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de) und den "Ernährungsempfehlungen für Diabetiker" des Verbandes für Ernährung und Diätetik (Quelle: www.vfed.de) (vgl. zusammenfassend zu den allgemein anerkannten Erkenntnissen zum Ernährungsbedarf bei Diabetes mellitus, vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 9.3.2009, a.a.O.).
Die beim Kläger ebenfalls diagnostizierte (chronische) Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis) wird von den Empfehlungen des Deutschen Vereines hingegen nicht explizit als ernährungsrelevante Krankheit behandelt. Dafür ist dem Begutachtungsleitfaden für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung (Krankenkost-zulagen) gem. § 23 Abs. 4 BSHG (jetzt § 30 Abs. 5 SGB XII), einem dem Deutschen Verein vergleichbaren Expertengremium (vgl. hierzu LSG NRW, Beschluss v. 22.7.2007 – L 19 AS 41/08) aus Medizinern und Ernährungswissenschaftlern des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (zu finden unter www.lwl.org/spur-download/Mehrbedarf.pdf) zu entnehmen, dass bei der Pankreatitis ebenfalls keine besondere Kost angezeigt sei (vgl. S. 13 des Leitfadens). Im Vordergrund stünde die Vermeidung einer weiteren Schädigung des Organges durch Weglassen von Alkohol und schädigenden Medikamenten, sowie durch einen niedrigen Fettgehalt in der Nahrung.
b) Auch die eingeholten Befundberichte können den geltend gemachten Mehrbedarf nicht stützen.
Der Neurologe Dr. K. empfiehlt in seinem Befundbericht vom 16.10.2009 (Bl. 55 ff. GA) keine besondere Ernährung, diagnostiziert jedoch das Vorliegen von Alkoholismus.
Soweit der behandelnde Diabetologe des Klägers, Dr. L., in seinem Befundbericht vom 15.10.2009 ( Bl. 52 ff. und 62 f. GA) eine kurzfristige Gewichtsabnahme von 5 kg beim Kläger festgestellt hat und eine Vollkost bei Diabetes nicht für ausreichend hält, ergibt sich daraus nichts anderes. Zum einen gibt der Arzt nicht an, welche insbesondere kostenaufwändige Ernährungsform stattdessen angezeigt sei. Zum anderen besteht seine Ernährungsempfehlung - neben dem Weglassen von Alkohol - im Verzehr fettarmer Kost. Das Weglassen von fettreichen Speisen (z.B. Milchprodukte und bestimmte Wurstwaren) führt jedoch nicht zwangsläufig zu einem erhöhten Kostenaufwand, sondern eher zu einer Kostenentlastung.
c) Schließlich hat auch das eingeholte Sachverständigengutachten des Internisten Dr. K. vom 13.4.2010 (Bl. 77 ff. GA) die Notwendigkeit eines ernährungsbedingten Mehrbedarfes umfassend verneint. Das Gutachten ist stichhaltig und schlüssig. Die Kammer hatte keine Anhaltspunkte an den wesentlichen Ergebnissen zu zweifeln.
Insbesondere kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass sich das Gewicht des Klägers stabilisiert hat und im Normalbereicht liegt, sowie eine wechselseitige Beeinflussung der Befunde insulinpflichtiger Diabetes und Pankreatitis zu verzehrenden Auswirkungen auf die Ernährungssituation nicht gegeben ist.
Der Diabetes sei aufgrund der intensivierten Insulintherapie durch eine ausgewogene Vollkost zu begleiten. Bei der Pankreatitis sei Alkoholabstinenz angezeigt.
Der Einwand des Klägers aus der mündlichen Verhandlung, dass er seine Blutzuckerwerte überdurchschnittlich oft kontrollieren müsse (achtmal am Tag), verfängt insoweit nicht, als der Sachverständige so zu verstehen ist, dass dies auf eine unzureichende Einstellung des Zuckerstoffwechsels zurückzuführen ist (S. 11 des Gutachtens, Bl. 87 GA) und dieser Zustand bei einer Anpassung des fettbelasteten Lebensstils und einer dringend empfohlenen Ernährungsberatung (S. 13 des Gutachtens, Bl. 89 GA) behoben werden kann.
Der weitere Einwand des Klägers aus der mündlichen Verhandlung, dass sein Diabetes nicht eindeutig einem Typ zuzuordnen sei, vermag an den Auswirkungen auf die Ernährung nichts zu ändern. Zum einen kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass der Diabetes dem Typ I gleichzustellen ist. Ausfälle in der Erscheinungsform der Krankheit seien mit einer ordnungsgemäßen Einstellung und Anpassung des Lebenswandels zu beheben.
Dies entspricht den bereits zitierten Expertenempfehlungen des Deutschen Vereines für Öffentliche und Private Fürsorge und des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, die bei Diabetes unabhängig von Typ und Behandlungsintensität einen Mehrbedarf verneinen (s.o.).
Schließlich hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt, bisher an Ernährungsschulungen teilgenommen zu haben, die überwiegend auf übergewichtige Diabetiker spezialisiert waren, so dass eine gezielte Schulung zielführend wäre.
d) Im Rahmen ihrer Entscheidungsfindung konnte die Kammer nicht unberücksichtigt lassen, dass sowohl die eingeholten Befundberichte als auch das Sachverständigengutachten dem Kläger übereinstimmend Alkoholabstinenz nahelegen. Es ist davon auszugehen, dass die Einstellung des Diabetes, insbesondere im Rahmen der Gewichtsstabilität des Klägers und die Symptome der Bauchspeicheldrüsenentzündung durch Alkoholkonsum jedenfalls nicht begünstigt werden.
e) Die Verneinung eines Zusammenhangs zwischen den beim Klägern diagnostizierten Krankheitsbildern und einem ernährungsbedingten Mehraufwand wird auch von der bisherigen Rechtsprechung geteilt. Entsprechend wird ein Mehrbedarf bei Diabetes aller Formen ebenso abgelehnt (vgl. insbesondere LSG NRW, Beschluss v. 17.3.2008, L 20 B 217/07 AS; Urteil v. 11.12.2008, L 9 AS 34/08; Urteil v. 11.5.2010 – L 6 AS 19/09; Beschluss v. 5.8.2010, L 9 AS 932/10 B), wie bei Pankreatitis (vgl. nur SG Dortmund v. 16.2.2007, S 35 AS 5/05) oder beim Zusammentreffen beider Befunde (vgl. LSG NRW, Beschluss v. 21.9.2009, L 20 B 17/09; SG Düsseldorf, Gerichtsbescheid v. 16.4.2007, S 35 AS 315/05).
f) Schließlich entsprechen die vom Kläger in seinen Ernährungsplänen aufgeführten Lebensmitteln denjenigen Grundnahrungsmitteln (z.B. Obst, Gemüse, Getreideprodukte, Fleisch, Milchprodukte etc.), die im Rahmen einer von der Regelleistung erfassten Vollkost im Sinne der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (s.o.) angezeigt sind und heutzutage in Discountern erhältlich sind. Besondere diätetische Lebensmittel (wie z.B. laktosefreie Milch, glutenfreie Produkte), die unter Umständen mit Mehrkosten verbunden sind, werden gerade nicht konsumiert. Auch die Mengenangaben liegen im Rahmen der üblichen Kalorienzufuhr bei einem erwachsenen Menschen ohne Übergewicht.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
3. Da der geltend gemachte Anspruch – ausgehend von der bisher gewährten Mehrbedarfshöhe von EUR 51,13 pro Monat und einem sechsmonatigen Bewilligungszeitraum – die Berufungssumme von EUR 750,00 nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG nicht übersteigt, bedurfte die Berufung der Zulassung.
Die Kammer hat die Berufung gem. § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil die Frage der wechselseitigen Beeinflussung bzw. Kumulation ernährungsrelevanter Krankheiten grundsätzliche Bedeutung hat und bisher noch nicht abschließend obergerichtlich geklärt wurde (vgl. Lang/Knickrehm in: Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2. Aufl. 2008, § 21 Rn. 56). Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die Auswirkungen bei Verdacht auf begleitenden Alkoholmissbrauch. Unter dem Aktenzeichen B 4 AS 100/10 R ist derzeit ein Verfahren beim Bundessozialgericht anhängig, dass sich mit der Frage befasst, ob ein Hilfebedürftiger, der einen erhöhten Kalorienbedarf geltend macht, der weder durch den vorliegenden Diabetes Mellitus, noch durch sonstige krankheitsbedingte Gründe verursacht ist, einen Anspruch auf Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung haben kann.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
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