Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 52 AS 1676/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 AS 767/09 NZB
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist ein Wertzufluss, der vor Antragstellung nach § 37 SGB II erfolgt, als Vermögen i. S. d. § 12 SGB II zu qualifizieren, ein Wertzufluss ab Antragstellung als Einkommen nach § 11 SGB II (vgl. nur BSG, Urteil vom 01.07.2009 Az. B 14 AS 4/08 R, ZFSH/SGB 2009, 740). Die Frage, wie zu entscheiden ist, wenn Wertzufluss und Antragstellung am selben Tag erfolgen, ob insbesondere die Uhrzeit von Antragstellung und Wertzufluss maßgeblich ist, oder ob wegen der Rückwirkung der Antragstellung auf den Tagesbeginn ein Geldzufluss am Tag der Antragstellung immer als Einkommen anzusehen ist, ist höchstrichterlich nicht entschieden und stellt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar.
I. Auf die Beschwerde der Beklagten wird die Nichtzulassung der Berufung
im Urteil des Sozialgerichts München vom 07.10.2009 aufgehoben und
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.10.2009
zugelassen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgen der Kostenentscheidung in
der Hauptsache.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein am Tag der Antragstellung ausgezahltes Gehalt als Einkommen oder als Vermögen zu berücksichtigen ist.
Der Kläger (Kl.) arbeitete bis zum 03.03.2008 und bekam sein letztes Gehalt für den Monat März 2008 in Höhe von 1.189,45 EUR netto am 01.04.2008 auf seinem Konto gutgeschrieben. Ebenfalls am 01.04.2008 stellte er bei der Beklagten (Bekl.) einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 22.04.2008 für den Monat April 2008 mit der Begründung abgelehnt, dass der Kl. angesichts des Zuflusses von 1.189,45 EUR in diesem Monat nicht hilfebedürftig sei. Den dagegen am 27.05.2008 eingelegten Widerspruch wies die Bekl. mit Widerspruchsbescheid vom 01.06.2008 als unbegründet zurück. Der Kl. sei nicht hilfebedürftig, weil ihm am 01.04.2008 das Märzgehalt zugeflossen sei. Dieses Gehalt sei gemäß § 2 Abs. 2 Arbeitslosengeld II/ Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) unter Berücksichtigung der Kfz-Versicherung, Werbungskostenpauschale und Freibeträge nach § 30 SGB II in Höhe von 909,45 EUR anzurechnen.
Hiergegen hat der Kl. am 11.07.2008 beim Sozialgericht München (SG) Klage eingereicht. Das SG hat mit Urteil vom 07.10.2009 (Az. S 52 AS 1676/08) entsprechend dem gleich lautenden Klageantrag der Kl. den Bescheid vom 22.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2008 aufgehoben und die Bekl. verpflichtet, dem Kl. für April 2008 Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung des Märzgehaltes zu zahlen. In der Rechtsmittelbelehrung hat das SG darauf hingewiesen, dass das Urteil nicht mit der Berufung angefochten werden könne, weil sie gesetzlich ausgeschlossen und vom SG nicht zugelassen worden sei. Das Urteil ist der Bekl. am 15.10.2009 zugestellt worden.
Das SG hat sein Urteil damit begründet, dass der Zufluss auf dem Konto am 01.04.2008 um 0.01 Uhr erfolgt sei, die Antragstellung jedoch erst später zu den gewöhnlichen Öffnungszeiten der Bekl. Damit sei der Zufluss noch vor Antragstellung erfolgt, und das zugeflossene Geld sei als Vermögen und nicht als Einkommen zu qualifizieren.
Am 10.11.2009 hat die Bekl. gegen das Urteil Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Sie macht geltend, soweit das Urteil des SG nach der Uhrzeit differenziere, zu der das Geld zugeflossen und der Antrag gestellt worden sei, stehe es im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sowie des Bayerischen Landessozialgerichts, wonach der Tag der Antragstellung unabhängig von der Uhrzeit der Antragstellung als Ganzer zum Leistungszeitraum zähle. Außerdem handle es sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Akten der Beklagten verwiesen.
II.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht ist gemäß § 145 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt.
Die Beschwerde ist auch begründet und dementsprechend die Berufung zuzulassen, weil die Beschwerde zulassungsbedürftig ist und ein Zulassungsgrund vorliegt.
Die Berufung bedarf nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGG der Zulassung, weil sie nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr, sondern eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft und der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 EUR nicht übersteigt. Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist danach zu bestimmen, was das SG dem Rechtsmittelkläger versagt hat und was von diesem mit seinen Berufungsanträgen weiter verfolgt wird (Meyer-Ladewig/Keller/Leithe-rer, SGG, 9. Aufl., 2008, § 144 Rdnr. 14). Im vorliegenden Fall geht es nur um die Regelleistung für einen Monat in Höhe von 347 EUR, nicht die Kosten der Unterkunft, da die Bekl. mit dem Landkreis, in dem die Kl. ihren Aufenthalt hat, keine Arbeitsgemeinschaft nach § 44b SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung gebildet hatte, und die Kosten der Unterkunft und Heizung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II vom Landkreis geschuldet werden.
Gemäß § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Streitsache wirft eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage auf, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist ein Wertzufluss, der vor Antragstellung nach § 37 SGB II erfolgt, als Vermögen i. S. d. § 12 SGB II zu qualifizieren, ein Wertzufluss ab Antragstellung als Einkommen nach § 11 SGB II (vgl. nur BSG, Urteil vom 01.07.2009 Az. B 14 AS 4/08 R, ZFSH/SGB 2009, 740). Die Frage, wie zu entscheiden ist, wenn Wertzufluss und Antragstellung am selben Tag erfolgen, ob insbesondere - wie das SG meint - die Uhrzeit von Antragstellung und Wertzufluss maßgeblich ist, oder ob - wie die Bekl. meint - wegen der Rückwirkung der Antragstellung auf den Tagesbeginn ein Geldzufluss am Tag der Antragstellung immer als Einkommen anzusehen ist, ist höchstrichterlich nicht entschieden und stellt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar.
Da die Berufung zugelassen wird, bleibt die Kostenentscheidung der Entscheidung über die Berufung vorbehalten, die dann die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde umfasst (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., 2008, § 145 Rdnr. 10; zur Zulassung der Revision auf Nichtzulassungsbeschwerde BSG, Beschluss vom 01.12.1988 Az. 8/5a RKn 11/87 = SozR 1500 § 193 Nr. 7).
Das Beschwerdeverfahren wird als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht (§ 145 Abs. 5 Satz 1 SGG).
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
im Urteil des Sozialgerichts München vom 07.10.2009 aufgehoben und
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.10.2009
zugelassen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgen der Kostenentscheidung in
der Hauptsache.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein am Tag der Antragstellung ausgezahltes Gehalt als Einkommen oder als Vermögen zu berücksichtigen ist.
Der Kläger (Kl.) arbeitete bis zum 03.03.2008 und bekam sein letztes Gehalt für den Monat März 2008 in Höhe von 1.189,45 EUR netto am 01.04.2008 auf seinem Konto gutgeschrieben. Ebenfalls am 01.04.2008 stellte er bei der Beklagten (Bekl.) einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 22.04.2008 für den Monat April 2008 mit der Begründung abgelehnt, dass der Kl. angesichts des Zuflusses von 1.189,45 EUR in diesem Monat nicht hilfebedürftig sei. Den dagegen am 27.05.2008 eingelegten Widerspruch wies die Bekl. mit Widerspruchsbescheid vom 01.06.2008 als unbegründet zurück. Der Kl. sei nicht hilfebedürftig, weil ihm am 01.04.2008 das Märzgehalt zugeflossen sei. Dieses Gehalt sei gemäß § 2 Abs. 2 Arbeitslosengeld II/ Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) unter Berücksichtigung der Kfz-Versicherung, Werbungskostenpauschale und Freibeträge nach § 30 SGB II in Höhe von 909,45 EUR anzurechnen.
Hiergegen hat der Kl. am 11.07.2008 beim Sozialgericht München (SG) Klage eingereicht. Das SG hat mit Urteil vom 07.10.2009 (Az. S 52 AS 1676/08) entsprechend dem gleich lautenden Klageantrag der Kl. den Bescheid vom 22.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2008 aufgehoben und die Bekl. verpflichtet, dem Kl. für April 2008 Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung des Märzgehaltes zu zahlen. In der Rechtsmittelbelehrung hat das SG darauf hingewiesen, dass das Urteil nicht mit der Berufung angefochten werden könne, weil sie gesetzlich ausgeschlossen und vom SG nicht zugelassen worden sei. Das Urteil ist der Bekl. am 15.10.2009 zugestellt worden.
Das SG hat sein Urteil damit begründet, dass der Zufluss auf dem Konto am 01.04.2008 um 0.01 Uhr erfolgt sei, die Antragstellung jedoch erst später zu den gewöhnlichen Öffnungszeiten der Bekl. Damit sei der Zufluss noch vor Antragstellung erfolgt, und das zugeflossene Geld sei als Vermögen und nicht als Einkommen zu qualifizieren.
Am 10.11.2009 hat die Bekl. gegen das Urteil Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Sie macht geltend, soweit das Urteil des SG nach der Uhrzeit differenziere, zu der das Geld zugeflossen und der Antrag gestellt worden sei, stehe es im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sowie des Bayerischen Landessozialgerichts, wonach der Tag der Antragstellung unabhängig von der Uhrzeit der Antragstellung als Ganzer zum Leistungszeitraum zähle. Außerdem handle es sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Akten der Beklagten verwiesen.
II.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht ist gemäß § 145 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt.
Die Beschwerde ist auch begründet und dementsprechend die Berufung zuzulassen, weil die Beschwerde zulassungsbedürftig ist und ein Zulassungsgrund vorliegt.
Die Berufung bedarf nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGG der Zulassung, weil sie nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr, sondern eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft und der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 EUR nicht übersteigt. Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist danach zu bestimmen, was das SG dem Rechtsmittelkläger versagt hat und was von diesem mit seinen Berufungsanträgen weiter verfolgt wird (Meyer-Ladewig/Keller/Leithe-rer, SGG, 9. Aufl., 2008, § 144 Rdnr. 14). Im vorliegenden Fall geht es nur um die Regelleistung für einen Monat in Höhe von 347 EUR, nicht die Kosten der Unterkunft, da die Bekl. mit dem Landkreis, in dem die Kl. ihren Aufenthalt hat, keine Arbeitsgemeinschaft nach § 44b SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung gebildet hatte, und die Kosten der Unterkunft und Heizung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II vom Landkreis geschuldet werden.
Gemäß § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Streitsache wirft eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage auf, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist ein Wertzufluss, der vor Antragstellung nach § 37 SGB II erfolgt, als Vermögen i. S. d. § 12 SGB II zu qualifizieren, ein Wertzufluss ab Antragstellung als Einkommen nach § 11 SGB II (vgl. nur BSG, Urteil vom 01.07.2009 Az. B 14 AS 4/08 R, ZFSH/SGB 2009, 740). Die Frage, wie zu entscheiden ist, wenn Wertzufluss und Antragstellung am selben Tag erfolgen, ob insbesondere - wie das SG meint - die Uhrzeit von Antragstellung und Wertzufluss maßgeblich ist, oder ob - wie die Bekl. meint - wegen der Rückwirkung der Antragstellung auf den Tagesbeginn ein Geldzufluss am Tag der Antragstellung immer als Einkommen anzusehen ist, ist höchstrichterlich nicht entschieden und stellt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar.
Da die Berufung zugelassen wird, bleibt die Kostenentscheidung der Entscheidung über die Berufung vorbehalten, die dann die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde umfasst (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., 2008, § 145 Rdnr. 10; zur Zulassung der Revision auf Nichtzulassungsbeschwerde BSG, Beschluss vom 01.12.1988 Az. 8/5a RKn 11/87 = SozR 1500 § 193 Nr. 7).
Das Beschwerdeverfahren wird als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht (§ 145 Abs. 5 Satz 1 SGG).
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
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