Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
41
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 41 AS 3047/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 02.06.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.07.2010 verurteilt, den Bescheid vom 10.03.2010 abzuändern und den Klägern für die Zeit vom 01.04.2010 bis 30.09.2010 Kosten der Unterkunft und Heizung ausgehend von einer angemessenen Bruttokaltmiete von 376,00 EUR zu bewilligen.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens über die Verpflichtung der Beklagten, die tatsächlichen Kosten der Unterkunft der Kläger für die Zeit vom 01.04.2010 bis 30.09.2010 zu übernehmen.
Der Kläger zu 1 ist 1951und die Klägerin zu 2 ist 1955 geboren. Sie beziehen jedenfalls seit 2008 Grundsicherungsleistungen von der Beklagten.
Die Kläger wohnten zunächst in einer Wohnung unter der Adresse S.straße 24 b in E., die der Kläger zu 1 im Jahre 1999 zunächst alleine angemietet hatte. Der Zuzug der Klägerin zu 2 erfolgte im Jahr 2003. Am 16.03.2010 zogen die Kläger gemeinsam in eine Wohnung unter der Adresse O.straße 34.
Die alte Wohnung hatte eine Größe von 45 qm. Davon entfielen nach unbestrittenen Angaben der Kläger auf das Wohnzimmer 15,84 qm und auf die Küche 12,6 qm. Die Wohnung hatte zudem eine Diele und ein Badezimmer. Die Kläger hatten nach eigenen Angaben in der Küche eine dünne Wand eingezogen, hinter der sie ein Doppelbett untergebracht hatten. Hinsichtlich des Zuschnitts der Wohnung wird auf die Skizze Bl. 242 der Verwaltungsakte verwiesen.
Für diese Wohnung zahlten die Kläger ausweislich der letzte aktenkundigen Mietbescheinigung eine Nettokaltmiete von 245,22 EUR sowie eine Vorauszahlung auf die kalten Nebenkosten in Höhe von 57,00 EUR und auf die Heizkosten in Höhe von 72,00 EUR.
Die neue Wohnung hat eine Größe von rund 54 qm und enthält zwei Wohnräume. Hinsichtlich des Zuschnitts der Wohnung wird auf die Skizze Bl. 32 der Verfahrensakte S 41 AS 1326/10 verwiesen.
Den maßgeblichen Mietvertrag schlossen die Kläger am 09.12.2009 zum 01.02.2010 ab. Der Mietvertrag wies eine Nettokaltmiete von 307 EUR, sowie eine Vorauszahlung auf die kalten Nebenkosten in Höhe von 69,00 EUR und auf die Heizkosten in Höhe von 59,00 EUR aus.
Am 05.01.2010 sprachen die Kläger bei der Beklagten vor und begehrten die Zustimmung zum Umzug in die neue Wohnung. Mit Bescheid vom gleichen Tage lehnte die Beklagte die Zustimmung ab. Dies ist Gegenstand des Verfahrens S 41 AS 1326/10 gewesen.
Mit Bescheid vom 10.03.2010 bewilligte die Beklagte den Klägern auf den Fortzahlungsantrag vom 09.03.2010 hin Leistungen nach dem SGB II für den Bewilligungszeitraum April bis September 2010, der Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens ist. Der nachfolgende Bewilligungszeitraum war Gegenstand des Verfahrens S 41 AS 4852/10.
Bei ihrer Entscheidung berücksichtigte die Beklagte Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 373,22 EUR. Dieser Betrag setzte sich zusammen aus einer Nettokaltmiete von 245,22 EUR, Betriebskosten in Höhe von 69,00 EUR und Heizkosten in Höhe von 59,00 EUR.
Dieser Bescheid wurde nicht mit Widerspruch angefochten. Auf gerichtlichen Hinweis in dem Verfahren S 41 AS 1326/10 hin beantragten die Kläger mit Schreiben vom 01.06.2010 die Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 10.03.2010.
Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 02.06.2010 ab. Die Leistungen an die Kläger seien nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II auf die Kosten der bisherigen Unterkunft zu beschränken, da sie eine Zusicherung zum Umzug nicht erteilt habe und der Umzug nicht erforderlich gewesen sei.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Kläger vom 09.06.2010 wies die Beklagte mit Bescheid vom 28.07.2010 als unbegründet zurück. Weder sei der Auszug aus der alten Wohnung erforderlich gewesen, noch seien die Kläger in eine angemessene Wohnung eingezogen. Die von den Klägern vorgebrachten Gründe für den Auszug seien nicht stichhaltig. Die alte Wohnung sei für einen Zweipersonenhaushalt angemessen groß und auch vom Zuschnitt her sei ein Wohnen mit zwei Personen dort nicht unmöglich gewesen. Es bestünde jeweils für einen der Kläger die Möglichkeit, sich aus dem Wohnraum in die Küche zurückzuziehen. Die maßgebliche Angemessenheitsgrenze für die Nettokaltmiete liege für zwei Personen bei 282,75 EUR. Die neue Wohnung übersteige mit einer Nettokaltmiete von 307,00 EUR diesen Betrag.
Mit der hiergegen am 30.07.2010 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Die alte Wohnung sei untragbar geworden, seitdem der Kläger zu 1 erkrankungsbedingt arbeitslos geworden sei. Früher sei die Situation noch erträglich gewesen, als der Kläger zu 1 aufgrund auswärtiger Montagetätigkeit lediglich am Wochenende zu Hause gewesen sei. Die neue Wohnung sei angemessen. Unter Zugrundelegung eines von der Beklagten angesetzten Kaltmietenbetrags von 4,73 EUR und einer angemessenen Wohnfläche von 65 qm ergebe sich eine Angemessenheitsgrenze von 307,45 EUR. Die tatsächliche neue Kaltmiete bleibe hier hinter zurück.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten klargestellt, dass sich der Streitgegenstand ausdrücklich auf die Höhe der Kosten der Unterkunft beschränkt.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.06.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2010 zu verurteilen, den Bescheid vom 10.03.2010 abzuändern und ihnen für die Zeit vom 01.04.2010 bis 30.09.2010 Kosten der Unterkunft und Heizung ausgehend von einer angemessenen Bruttokaltmiete von 376,00 EUR zu bewilligen.
Die Vertreterin der Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält an ihrer bisherigen Rechtsauffassung fest. Sie hält den Auszug nicht für erforderlich. Die Angemessenheitsgrenze liege – unter Berücksichtigung einer Wohnfläche von 60 qm - nach wie vor für zwei Personen bei 282,75 EUR Nettokaltmiete.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten zu den Verfahren S 41 AS 3047/10, S 41 AS 1326/10 und S 41 AS 4852/10 sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, die allesamt Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Kläger haben nach § 44 SGB X unter Aufhebung des Bescheides vom 02.06.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2010 einen Anspruch darauf, dass die Beklagte dazu verpflichtet wird, den Bescheid vom 10.03.2010 abzuändern und ihnen Leistungen für Unterkunft und Heizung in tatsächlich angefallener Höhe zu bewilligen.
Denn die Beklagte hat im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X das Recht unrichtig angewandt.
Sie hat zu Unrecht die Ausnahmevorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II angewandt und die Nettokaltmiete auf die bisherigen Kosten beschränkt (siehe hierzu a). Die Beklagte hat vielmehr vorliegend die Kosten für Unterkunft und Heizung für die neue Wohnung der Kläger in tatsächlicher Höhe zu tragen, da diese angemessen sind (siehe hierzu b).
a) § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II regelt in seiner im streitigen Zeitraum gültigen Fassung, dass wenn sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erhöhen, die Leistungen weiterhin nur in Höhe der bis dahin zu tragenden angemessenen Aufwendungen erbracht werden.
Die Kammer ist zu der Überzeugung gelangt, dass ein Auszug aus der alten Wohnung erforderlich war. Dies ergibt sich bereits aus dem ungünstigen Zuschnitt der Wohnung. Es stand für den Bereich Wohnen und Schlafen lediglich ein Raum zur Verfügung, der nach dem unbestrittenen Vortrag der Kläger eine Fläche von 15,84 qm hatte. Es ist für die Kammer nachvollziehbar, dass die – überdimensioniert erscheinende - Diele mangels Heizung hier nicht zusätzlich als Wohnraum nutzbar gemacht werden konnte. Selbst wenn man die Küche mit 12,6 qm – ihrer konkreten Nutzung nach - noch als Wohn- und Schlafraum hinzunähme, ergäbe sich eine Wohnfläche von nicht einmal 30 qm. Dies erscheint der Kammer für zwei erwachsene Personen jedenfalls im konkreten Zuschnitt als unangemessen. Nach Einschätzung der Kammer können die Kläger in diesem Zusammenhang nicht darauf verwiesen werden, dass die Küche als Rückzugsraum zur Verfügung stand. Grundsätzlich sollte einem erwachsenen Paar neben einem Schlafzimmer ein Wohnzimmer zur Verfügung stehen. Nur wenn die Küche von vorne herein als ein integrierter Wohn-Essbereich zugeschnitten ist, mag sich von dieser Sichtweise eine Ausnahme ergeben. Eine Küche von rund zwölfeinhalb Quadratmetern bietet hierfür aber nach Einschätzung der Kammer auch dann keinen ausreichenden Raum, wenn man einmal von der konkreten Nutzung durch die Kläger als Schlafzimmer absieht. Insgesamt ist festzustellen, dass die alte Wohnung erkennbar für die Nutzung durch eine Person zugeschnitten war. Der Kläger hatte die Wohnung 1999 auch alleine angemietet.
Da der Auszug der Kläger erforderlich war, kann § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II seine anspruchsbeschränkende Wirkung nicht entfalten. Die Aufwendungen der Kläger sind damit nach § 22 Abs.1 SGB II in tatsächlicher Höhe zu übernehmen, soweit sie angemessen sind.
b) Die Aufwendungen der Kläger für die neue Wohnung sind angemessen.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 07.11.2006, B 7 b AS 7/07 R; Urteil v. 7.11.2006, B 7b AS 18/06 R; Urteil vom 7.11.2006, B 7b AS 10/06 R) setzt die Prüfung der Angemessenheit von Kosten für Unterkunft eine Einzelfallprüfung voraus: Hierfür ist zunächst die maßgebliche - angemessene - Größe der Wohnung zu bestimmen, und zwar typisierend anhand der landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen für die Förderung des sozialen Mietwohnungsbaus. Sodann ist der Wohnstandard festzulegen, wobei dem Hilfebedürftigen lediglich ein einfacher und im unteren Segment liegende Ausstattungsgrad der Wohnung zusteht (BSG aaO). Als Vergleichsmaßstab ist regelmäßig die Miete am Wohnort heranzuziehen. In Einzelfällen sind bei kleineren Gemeinden größere, bei Großstädten kleinere räumliche Bereiche denkbar (dazu ausführlich BSG, 17.12.2009, B 4 AS 27/09 R; 19.02.2009, B 4 AS 30/08 R). Insoweit kommt es letztlich darauf an, ob das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, der Angemessenheit entspricht. Nach Festlegung der abstrakten Angemessenheitsmaßstäbe muss im Rahmen einer konkreten Angemessenheitsprüfung festgestellt werden, ob eine bedarfsgerechte Wohnung konkret verfügbar und zugänglich war (so zuletzt Urteil der 3. Kammer des SG Duisburg vom 25.02.2011 - S 3 AS 3974/10).
aa) Hinsichtlich der Bestimmung der angemessenen Wohnraumgröße ist von vorliegend von 65 qm auszugehen. Die gegenüber der Berechnung der Beklagten um 5 qm erhöhte Wohnfläche ergibt sich daraus, dass die maßgeblichen landesrechtlichen Bestimmungen seit dem 01.01.2010 einen jeweils um 5 qm erhöhten Wohnraum ausweisen.
Die Kammer schließt sich insoweit den nachstehenden Erwägungen der 3. Kammer des Sozialgerichts Duisburg (Urt.v. 25.02.2011 – S 3 AS 3974/10) nach eigener Prüfung und Überzeugungsbildung an.
"Für die qm-Zahl ist nach der Rechtsprechung des BSG auf die in den landesrechtlichen Durchführungsvorschriften zu § 10 des Gesetzes für die soziale Wohnraumförderung vom 13.09.2001 (WoFG, BGBl I 2376) abzustellen (vgl. BSG, 17.12.2009, B 4 AS 27/09 R Rz. 15 m.w.N.). Bis 31.12.2009 kamen für Nordrhein-Westfalen grundsätzlich zwei Durchführungsvorschriften in Betracht: Nach Nr. 5.71 des Runderlasses des Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport zu § 27 Abs. 4 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 8.3.2002 (VV-Wobind, SMBl.NRW. 238) war für eine alleinstehende Person eine Wohnungsgröße von 45 qm angemessen. In Ziffer 2 der Verwaltungsvorschriften zum Wohnungsbindungsgesetz vom 05.07.2004 (Ministerialblatt für das Land NRW 2004, 660) war geregelt, dass diese Verwaltungsvorschriften auch für die Zeit nach Aufhebung des Wohnungsbindungsgesetzes und nach Inkrafttreten des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13.09.2001 (Bundesgesetzblatt I, 2376) weiterhin entsprechend anzuwenden waren. Ferner hatte das Land auf der Grundlage von § 10 WoFG die Wohnraumförderungsbestimmung (WFB) zur Förderung baulicher Maßnahmen erlassen, aus deren Anlage 1 sich eine Wohnflächengröße von 47 qm ergab.
Von diesen beiden war als sachnähere Vorschrift die VV-WoBindG mit einer Wohnfläche von 45 qm für einen alleinstehenden Hilfebedürftigen anzuwenden, denn in der Anlage 1 zur WFB war die Wohnungsgröße lediglich mit der Zahl der Zimmer verknüpft, was einer Heranziehung entgegenstand (s zu diesem Aspekt BSG, 17.12.2009, B 4 AS 27/09 R).
Die bundesgesetzliche Grundlage ist für das Land NRW aufgrund der - nach der Föderalismusreform möglichen - Ablösung von Bundesrecht durch Landesrecht durch das WFNG NRW ersetzt worden. Die darauf beruhenden Wohnraumförderbestimmungen entsprechen in ihrer Anlage 1 der früheren Fassung von Anlage 1 WFB. Die Wohnraumnutzungsbestimmungen sehen nun eine Wohnungsgröße für Alleinstehende von 50 qm vor.
Bessere Gründe sprechen dafür, für Alleinstehende ab dem 1.1.2010 50 qm zu Grunde zu legen. Hinsichtlich der Wohnraumförderbestimmungen gilt die vom BSG in der Entscheidung vom 17.12.2009 genannte Kritik weiterhin, dass die Wohnungsgröße lediglich mit der Zahl der Zimmer verknüpft werde. Zwar ist die Anhebung auf 50 qm nicht ohne Bedenken: Tatsächlich dürfte es so sein, dass der Gesetzgeber für den Bereich des SGB II eine Dynamisierung der Kosten der Unterkunft vom 31.12.2009 zum 01.01.2010 nicht beabsichtigt hatte. Auf der anderen Seite wohnt jedem unbestimmten Rechtsbegriff eine gewisse Dynamik inne; im Gesetz findet sich lediglich der Begriff der Angemessenheit. Dem Bundesgesetzgeber dürften hinsichtlich der Kosten der Unterkunft keine konkreten Vorstellungen "vor Augen gestanden" haben; im Wortlaut des § 22 Abs. 1 SGB II gibt es Anhaltspunkte dafür nicht. Eine Regelung von Details hat der Gesetzgeber vielmehr auf einen späteren Zeitpunkt und auf die Exekutive verschoben, wie die Regelung des § 27 Nr 2 SGB II zeigt. Bereits die Aufteilung der abstrakten Miete in die Komponenten qm-Preis und angemessene Wohnfläche ist nicht vom Gesetzgeber entwickelt worden, sondern von der Rechtsprechung. Dabei wurden landesrechtliche Unterschiede in Kauf genommen (siehe etwa BSG, 19.02.2009, B 4 AS 30/08 R). Weder einem Bundesgesetzgeber noch einem Bundessozialgericht kann deshalb die Frage vor Augen gestanden haben, ob 45 oder 50 qm für eine alleinstehende Person angemessen sind. Es ist zwar richtig, dass die Entwicklung des allgemeinen Mietenniveaus bereits über die Bezugnahme auf den Mietspiegel abgebildet wird; daneben könnte die Anhebung der Wohnflächen in den landesgesetzlichen Regelungen aber auch Ausdruck dessen sein, dass neben einer allgemeinen Preissteigerung auch ein gesellschaftlicher Trend zu größerem Wohnflächenbedarf für den Einzelnen Anerkennung finden muss.
Nach Auffassung der Kammer greift auch nicht der Einwand durch, die bisherige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei nicht mehr anwendbar, denn diese habe sich auf § 10 WoFG als bundesrechtliche Vorschrift gestützt; mit der Ablösung durch landesrechtliche Vorschriften aufgrund der Föderalismusreform sei die Grundlage dieser Rechtsprechung entfallen.
Dies würde bedeuten, dass es keine Leitlinien für die Bestimmung der Wohnungsgröße mehr gäbe - weder aus Gesetz noch aus Rechtsprechung der Obergerichte. Insofern ist es aus Sicht der Kammer richtig, an den Ausführungen des BSG in der Entscheidung vom 19.02.2009 (B 4 AS 30/08 R) festzuhalten, nach der es aus Gründen der Rechtssicherheit und der Praktikabilität trotz aller Bedenken vertretbar ist, die Wohnungsgröße aufgrund jener aktuell bestehenden landesrechtlichen Vorschriften zu bestimmen, welche die Größe der Wohnung nach Zahl der Personen festlegen."
Dem ist aus Sicht der Kammer wenig hinzuzufügen. Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 22.09.2009 (B 4 AS 70/08 R) ausdrücklich betont, dass es auf die jeweils aktuell im Land zur Ausfüllung des § 10 WoFG erlassenen Bestimmungen ankommt. Es nimmt insoweit konzeptionell billigend in Kauf, dass diese Werte einer Dynamisierung unterworfen sind, die nicht zwingend im Auge behält, welche Auswirkungen auf das Leistungssystem des SGB II damit verbunden sind (BSG a.a.O., Rd. 15). Mit dieser Anknüpfung der Auslegung des Begriffs der Angemessenheit an die landesrechtlichen Bestimmungen zur Wohnraumnutzung sollen Praktikabilität und Rechtssicherheit gewahrt bleiben. Dass der Bundesgesetzgeber die Kompetenz für die Bestimmungen der Wohnraumförderung und –nutzung auf den Landesgesetzgeber verlagert hat, verändert an der konzeptionellen Anknüpfung des Bundessozialgerichts nichts.
bb) Hinsichtlich der Berechnungsmethode für die zweite Komponente, des angemessenen Quadratmeterpreises, stützt sich die Kammer nach eigener Überzeugungsbildung zunächst auf die Vorgehensweise der 27. Kammer des Sozialgerichts Duisburg (Urt.v. 23.04.2008 – S 27 AS 154/07), welche das Bundessozialgericht in der Entscheidung vom 17.12.2009 (B 4 AS 27/09 R) bestätigt hat.
aaa) Das Sozialgericht hat in der vorgenannten Entscheidung die Angemessenheitsgrenze dem Mietspiegel der Stadt Essen entnommen, der hier in seiner Fassung für die Zeit ab dem 01.12.2009 Anwendung findet.
Nach diesem Mietspiegel setzt sich der Mietwert aus dem Mietrichtwert, dem Einfluss der Wohnlage und dem Einfluss sonstiger Ausstattungsmerkmale und Gegebenheiten zusammen. Der Mietwert errechnet sich aus dem Produkt dieser Faktoren (Miete = Mietrichtwert x Wohnlage x Ausstattung), wobei für die Wohnlage und die Ausstattungsmerkmale Punktwerte vergeben werden.
Der vom 4. Senat des BSG bestätigten Berechnungsmethode folgend ist der Durchschnitt über alle Richtwerte bis einschließlich 1984 zu bilden, woraus sich ein Grundwert von 5,64 EUR ergibt.
Die Kammer hält an dieser Berechnungsmethode vorerst auch in Kenntnis der drei Entscheidungen des 14. Senats des BSG vom 19.10.2010 (B 14 AS 65/09 R, B 14 AS 2/10 R und B 14 AS 50/10 R) fest. Der dortige Senat hatte entschieden, dass eine Beschränkung auf Daten bestimmter Baualtersklassen grundsätzlich nicht zulässig sei, solange nicht statistisch valides Material vorliege, dass eine Aussage darüber zulasse, welche Bauklassen in welchem Umfang tatsächlich die gesamte Stadt als Vergleichsraum prägten. Allerdings ist unklar, welches statistische Material als valide zu erachten ist (zu den Bedenken siehe SG Duisburg Urt. v. 25.02.2011 – S 3 AS 3974/10), so dass die Kammer sich zunächst noch an der vom 4. Senat bestätigten Begrenzung auf die bis 1984 bezugsfertigen Wohnungen orientiert.
Hinsichtlich der Modifikatoren "Wohnlage" und "Ausstattung" macht sich die Kammer die Erwägungen der 27. Kammer ebenfalls zu eigen (Urt.v. 23.04.2008, a.a.O), ohne zu verkennen, dass es hinsichtlich einzelner Punkte innerhalb der Modifikatoren durchaus streitig sein kann, ob diese zwar dem unteren, nicht aber dem untersten Bereich zuzuordnen sind.
Es ergibt sich hinsichtlich der Wohnlage ein Punktwert von 94 und hinsichtlich der Ausstattung ein Punktwert von 84. Multipliziert mit dem Grundwert von 5,64 EUR ergibt sich ein Betrag von gerundet 4,45 EUR (5,64 x 0,94 x 0,84). Dieser Wert ist als Faktor der Produktberechnung zu berücksichtigen.
Dass die Beklagte tatsächlich einen höheren Kaltmietenbetrag pro Quadratmeter in ihre Berechnungen eingestellt hat, ist insoweit unerheblich. Ein einzelner Berechnungsposten kann nicht in Bestandskraft erwachsen. Lediglich wenn das Ergebnis der gerichtlichen Bestimmung des angemessenen Betrags insgesamt hinter dem von der Beklagten angesetzten angemessenen Betrag zurückbliebe, wäre die Beklagte an dem für den Leistungsempfänger günstigeren Betrag festzuhalten.
bbb) Allerdings schließt sich die Kammer jedenfalls vorerst der Erwägung des 14. Senats in der Entscheidung vom 19.10.2010 (B 14 AS 50/10 R, dort Rz. 33ff) an, dass in das Produkt aus angemessenem Preis pro Quadratmeter und angemessener Quadratmeterzahl nicht die Nettokaltmiete pro Quadratmeter einzustellen ist, sondern die Bruttokaltmiete (teilweise als "erweiterte Produkttheorie" bezeichnet).
Diese Überlegung wird aus dem Wortlaut des Gesetzes abgeleitet, welcher die Übernahme der tatsächlichen Kosten von "Unterkunft und Heizung" im Rahmen der Angemessenheit vorsieht. Diese Erwägung berücksichtigt aus Sicht der Kammer zutreffend, dass der Mieter auf die Höhe der kalten Betriebskosten deutlich weniger Einfluss besitzt als auf die Höhe der Heizkosten. Die kalten Betriebskosten stellen damit eine auch für den Vermieter deutlich besser kalkulierbare Größe dar, mit der er auf dem Mietmarkt werben kann, und die regelmäßig wesentlicher Aspekt der Entscheidung des Wohnungssuchenden ist.
Nach dem Verständnis der Kammer ist die Bruttokaltmiete auf der Grundlage der Entscheidung des 14. Senat des BSG so zu bestimmen, dass wie bisher die angemessene Nettokaltmiete pro Quadratmeter errechnet wird und zu dieser sodann ein der Höhe nach ebenfalls zu bestimmender Betrag an angemessenen kalten Nebenkosten pro Quadratmeter addiert wird. Soweit die Vorauszahlung der kalten Betriebskosten pro Quadratmeter unter der als abstrakt angemessen erachteten Grenze für die kalten Betriebskosten bleibt, ergibt sich damit ein Differenzbetrag, der dem Nettokaltmietenbetrag zugeschlagen werden kann, der also im Ergebnis die Angemessenheitsgrenze für die Nettokaltmiete erhöht.
Die Kammer verkennt nicht, dass die Anwendung der "erweiterten Produkttheorie" zu Folgeproblemen führt. Insbesondere ist nicht ersichtlich, wie das Bundessozialgericht den Fall handhaben wird, dass die Jahresabrechnung der kalten Betriebskosten eine Nachforderung ergibt. Dies wäre allerdings nur dann ein Grund, der Überlegung des 14. Senats nicht zu folgen, wenn es keine zumindest ansatzweise schlüssige Auflösung des Problems gäbe. Nach Einschätzung der Kammer ergibt sich diese aber bei – nicht abschließender - Betrachtung wie folgt: Die Leistungen der Beklagten für die Aufwendungen der kalten Betriebskosten sind, auch nach dem objektiven Empfängerhorizont, nur insoweit auf die Nettokaltmietkosten aufzuschlagen, als sie nicht tatsächlich bereits durch die Aufwendungen für die kalten Betriebskosten aufgezehrt werden. Die tatsächliche Höhe der Betriebskosten ergibt sich erst durch die Jahresabrechnung. Bis dahin sind die Leistungen der Beklagten mit dieser Unsicherheit behaftet. Sie kann daher einem auf höhere Betriebskosten gerichteten Nachzahlungsbegehren des Leistungsempfängers den Erfüllungseinwand entgegen halten. Macht sich ein Leistungsempfänger also den Spielraum der erweiterten Produkttheorie zunutze, um eine von der Nettokaltmiete her an sich unangemessene Wohnung anzumieten, so ist das Risiko einer nachträglich erhöhten Betriebskostenabrechnung in seiner Sphäre angesiedelt. Er wird damit zutreffend demjenigen gleichgestellt, der aufgrund eines von vorne herein höheren Betriebskostenabschlags nicht die Möglichkeit hatte, eine unangemessen hohe Nettokaltmiete zu kompensieren. Für den Leistungsträger ergibt sich allerdings, dass er den Betroffenen frühestens nach Erteilung der Jahresrechnung zur Kostensenkung auffordern kann. Dies wäre nach dem Konzept des 14. Senats hinzunehmen.
Die angemessenen kalten Betriebskosten pro Quadratmeter bestimmen sich nach den örtlichen Betriebskostenspiegeln. Sofern diese nicht aktuell sind, liegt es aus Sicht des 14. Senats nahe, "vom Träger der Grundsicherung entsprechende Rückfragen bei den örtlichen Interessenverbänden durchführen zu lassen bzw. die Werte an die allgemeine Preisentwicklung anzupassen. Nur wenn sich konkret Anhaltspunkte dafür ergeben, dass vom Deutschen Mieterbund für das gesamte Bundesgebiet aufgestellte Übersichten gerade das örtliche Niveau besser abbilden, kann auf diese zurückgegriffen werden" (Urt.v. 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R).
Nach Einschätzung der Kammer ist vorliegend der jüngste Betriebskostenspiegel für Nordrhein-Westfalen zugrunde zu legen. Zwar beruht dieser auf den Daten für 2008, welche in 2009 und 2010 erhoben wurden. Ein aktuellerer Betriebskostenspiegel ist der Kammer allerdings nicht zugänglich. Insbesondere beruht der derzeit aktuellste Bundesbetriebskostenspiegel ebenfalls auf den Daten aus 2008. Aktuellere lokale Daten sind der Kammer nicht bekannt.
Der Betriebskostenspiegel für Nordrhein-Westfalen ergibt im streitigen Zeitraum einen angemessenen Quadratmeterbetrag von 1,89 EUR. Hierbei hat die Kammer die dort ebenfalls ausgewiesenen Kosten für Heizung und Warmwasser herausgelassen, da diese Elemente bereits anderweitig erfasst werden. Dadurch, dass somit bei der Bestimmung der abstrakten Angemessenheitsgrenze auch Elemente wie Kosten für einen Hauswart oder einen Aufzug Eingang in den angemessenen Betrag finden, sind die Leistungsempfänger auch hinsichtlich der Betriebskosten nicht auf den untersten Bereich des Wohnungsspektrums festgelegt.
ccc) Es ergibt sich ein Bruttokaltmietenbetrag pro Quadratmeter von 6,34 EUR.
cc) Multipliziert mit der als angemessen erachteten Wohnfläche von 65 qm ergibt sich eine angemessene Bruttokaltmiete von 412 EUR.
Die tatsächlich anfallende Bruttokaltmiete von 376 EUR bleibt hierhinter zurück.
Die Angemessenheit der Heizkosten von 59 EUR im Monat steht nicht in Frage, so dass sich die Kosten für die neue Wohnung insgesamt als angemessen erweisen.
Die Leistungen der Beklagten sind unter Berücksichtigung der tatsächlichen Bruttokaltmiete von 376 EUR zu erbringen. Dass die Kläger den Umzug erst nach Unterschrift unter den Mietvertrag angezeigt und die Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II begehrt haben, ist insoweit unbeachtlich. Bei der Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB handelt es sich nach einhelliger Auffassung nicht um eine Anspruchsvoraussetzung.
Durch die erstrittene Differenz zwischen den tatsächlich geleisteten Kosten der Unterkunft und den nunmehr zu tragenden Kosten wird bei einem streitigen Zeitraum von sechs Monaten der nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG maßgebliche Beschwerdewert von 750,00 EUR nicht überschritten. Die Kammer hatte allerdings den Entschluss gefasst und auch in der Verhandlung zum Ausdruck gebracht, die Berufung zuzulassen. Dies ist im Tenor der Entscheidung nicht zum Ausdruck gekommen. Eine Zulassung der Berufung kann allerdings auch in den Entscheidungsgründen zum Ausdruck gebracht werden (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 144 Rd. 39).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens über die Verpflichtung der Beklagten, die tatsächlichen Kosten der Unterkunft der Kläger für die Zeit vom 01.04.2010 bis 30.09.2010 zu übernehmen.
Der Kläger zu 1 ist 1951und die Klägerin zu 2 ist 1955 geboren. Sie beziehen jedenfalls seit 2008 Grundsicherungsleistungen von der Beklagten.
Die Kläger wohnten zunächst in einer Wohnung unter der Adresse S.straße 24 b in E., die der Kläger zu 1 im Jahre 1999 zunächst alleine angemietet hatte. Der Zuzug der Klägerin zu 2 erfolgte im Jahr 2003. Am 16.03.2010 zogen die Kläger gemeinsam in eine Wohnung unter der Adresse O.straße 34.
Die alte Wohnung hatte eine Größe von 45 qm. Davon entfielen nach unbestrittenen Angaben der Kläger auf das Wohnzimmer 15,84 qm und auf die Küche 12,6 qm. Die Wohnung hatte zudem eine Diele und ein Badezimmer. Die Kläger hatten nach eigenen Angaben in der Küche eine dünne Wand eingezogen, hinter der sie ein Doppelbett untergebracht hatten. Hinsichtlich des Zuschnitts der Wohnung wird auf die Skizze Bl. 242 der Verwaltungsakte verwiesen.
Für diese Wohnung zahlten die Kläger ausweislich der letzte aktenkundigen Mietbescheinigung eine Nettokaltmiete von 245,22 EUR sowie eine Vorauszahlung auf die kalten Nebenkosten in Höhe von 57,00 EUR und auf die Heizkosten in Höhe von 72,00 EUR.
Die neue Wohnung hat eine Größe von rund 54 qm und enthält zwei Wohnräume. Hinsichtlich des Zuschnitts der Wohnung wird auf die Skizze Bl. 32 der Verfahrensakte S 41 AS 1326/10 verwiesen.
Den maßgeblichen Mietvertrag schlossen die Kläger am 09.12.2009 zum 01.02.2010 ab. Der Mietvertrag wies eine Nettokaltmiete von 307 EUR, sowie eine Vorauszahlung auf die kalten Nebenkosten in Höhe von 69,00 EUR und auf die Heizkosten in Höhe von 59,00 EUR aus.
Am 05.01.2010 sprachen die Kläger bei der Beklagten vor und begehrten die Zustimmung zum Umzug in die neue Wohnung. Mit Bescheid vom gleichen Tage lehnte die Beklagte die Zustimmung ab. Dies ist Gegenstand des Verfahrens S 41 AS 1326/10 gewesen.
Mit Bescheid vom 10.03.2010 bewilligte die Beklagte den Klägern auf den Fortzahlungsantrag vom 09.03.2010 hin Leistungen nach dem SGB II für den Bewilligungszeitraum April bis September 2010, der Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens ist. Der nachfolgende Bewilligungszeitraum war Gegenstand des Verfahrens S 41 AS 4852/10.
Bei ihrer Entscheidung berücksichtigte die Beklagte Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 373,22 EUR. Dieser Betrag setzte sich zusammen aus einer Nettokaltmiete von 245,22 EUR, Betriebskosten in Höhe von 69,00 EUR und Heizkosten in Höhe von 59,00 EUR.
Dieser Bescheid wurde nicht mit Widerspruch angefochten. Auf gerichtlichen Hinweis in dem Verfahren S 41 AS 1326/10 hin beantragten die Kläger mit Schreiben vom 01.06.2010 die Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 10.03.2010.
Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 02.06.2010 ab. Die Leistungen an die Kläger seien nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II auf die Kosten der bisherigen Unterkunft zu beschränken, da sie eine Zusicherung zum Umzug nicht erteilt habe und der Umzug nicht erforderlich gewesen sei.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Kläger vom 09.06.2010 wies die Beklagte mit Bescheid vom 28.07.2010 als unbegründet zurück. Weder sei der Auszug aus der alten Wohnung erforderlich gewesen, noch seien die Kläger in eine angemessene Wohnung eingezogen. Die von den Klägern vorgebrachten Gründe für den Auszug seien nicht stichhaltig. Die alte Wohnung sei für einen Zweipersonenhaushalt angemessen groß und auch vom Zuschnitt her sei ein Wohnen mit zwei Personen dort nicht unmöglich gewesen. Es bestünde jeweils für einen der Kläger die Möglichkeit, sich aus dem Wohnraum in die Küche zurückzuziehen. Die maßgebliche Angemessenheitsgrenze für die Nettokaltmiete liege für zwei Personen bei 282,75 EUR. Die neue Wohnung übersteige mit einer Nettokaltmiete von 307,00 EUR diesen Betrag.
Mit der hiergegen am 30.07.2010 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Die alte Wohnung sei untragbar geworden, seitdem der Kläger zu 1 erkrankungsbedingt arbeitslos geworden sei. Früher sei die Situation noch erträglich gewesen, als der Kläger zu 1 aufgrund auswärtiger Montagetätigkeit lediglich am Wochenende zu Hause gewesen sei. Die neue Wohnung sei angemessen. Unter Zugrundelegung eines von der Beklagten angesetzten Kaltmietenbetrags von 4,73 EUR und einer angemessenen Wohnfläche von 65 qm ergebe sich eine Angemessenheitsgrenze von 307,45 EUR. Die tatsächliche neue Kaltmiete bleibe hier hinter zurück.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten klargestellt, dass sich der Streitgegenstand ausdrücklich auf die Höhe der Kosten der Unterkunft beschränkt.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.06.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2010 zu verurteilen, den Bescheid vom 10.03.2010 abzuändern und ihnen für die Zeit vom 01.04.2010 bis 30.09.2010 Kosten der Unterkunft und Heizung ausgehend von einer angemessenen Bruttokaltmiete von 376,00 EUR zu bewilligen.
Die Vertreterin der Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält an ihrer bisherigen Rechtsauffassung fest. Sie hält den Auszug nicht für erforderlich. Die Angemessenheitsgrenze liege – unter Berücksichtigung einer Wohnfläche von 60 qm - nach wie vor für zwei Personen bei 282,75 EUR Nettokaltmiete.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten zu den Verfahren S 41 AS 3047/10, S 41 AS 1326/10 und S 41 AS 4852/10 sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, die allesamt Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Kläger haben nach § 44 SGB X unter Aufhebung des Bescheides vom 02.06.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2010 einen Anspruch darauf, dass die Beklagte dazu verpflichtet wird, den Bescheid vom 10.03.2010 abzuändern und ihnen Leistungen für Unterkunft und Heizung in tatsächlich angefallener Höhe zu bewilligen.
Denn die Beklagte hat im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X das Recht unrichtig angewandt.
Sie hat zu Unrecht die Ausnahmevorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II angewandt und die Nettokaltmiete auf die bisherigen Kosten beschränkt (siehe hierzu a). Die Beklagte hat vielmehr vorliegend die Kosten für Unterkunft und Heizung für die neue Wohnung der Kläger in tatsächlicher Höhe zu tragen, da diese angemessen sind (siehe hierzu b).
a) § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II regelt in seiner im streitigen Zeitraum gültigen Fassung, dass wenn sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erhöhen, die Leistungen weiterhin nur in Höhe der bis dahin zu tragenden angemessenen Aufwendungen erbracht werden.
Die Kammer ist zu der Überzeugung gelangt, dass ein Auszug aus der alten Wohnung erforderlich war. Dies ergibt sich bereits aus dem ungünstigen Zuschnitt der Wohnung. Es stand für den Bereich Wohnen und Schlafen lediglich ein Raum zur Verfügung, der nach dem unbestrittenen Vortrag der Kläger eine Fläche von 15,84 qm hatte. Es ist für die Kammer nachvollziehbar, dass die – überdimensioniert erscheinende - Diele mangels Heizung hier nicht zusätzlich als Wohnraum nutzbar gemacht werden konnte. Selbst wenn man die Küche mit 12,6 qm – ihrer konkreten Nutzung nach - noch als Wohn- und Schlafraum hinzunähme, ergäbe sich eine Wohnfläche von nicht einmal 30 qm. Dies erscheint der Kammer für zwei erwachsene Personen jedenfalls im konkreten Zuschnitt als unangemessen. Nach Einschätzung der Kammer können die Kläger in diesem Zusammenhang nicht darauf verwiesen werden, dass die Küche als Rückzugsraum zur Verfügung stand. Grundsätzlich sollte einem erwachsenen Paar neben einem Schlafzimmer ein Wohnzimmer zur Verfügung stehen. Nur wenn die Küche von vorne herein als ein integrierter Wohn-Essbereich zugeschnitten ist, mag sich von dieser Sichtweise eine Ausnahme ergeben. Eine Küche von rund zwölfeinhalb Quadratmetern bietet hierfür aber nach Einschätzung der Kammer auch dann keinen ausreichenden Raum, wenn man einmal von der konkreten Nutzung durch die Kläger als Schlafzimmer absieht. Insgesamt ist festzustellen, dass die alte Wohnung erkennbar für die Nutzung durch eine Person zugeschnitten war. Der Kläger hatte die Wohnung 1999 auch alleine angemietet.
Da der Auszug der Kläger erforderlich war, kann § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II seine anspruchsbeschränkende Wirkung nicht entfalten. Die Aufwendungen der Kläger sind damit nach § 22 Abs.1 SGB II in tatsächlicher Höhe zu übernehmen, soweit sie angemessen sind.
b) Die Aufwendungen der Kläger für die neue Wohnung sind angemessen.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 07.11.2006, B 7 b AS 7/07 R; Urteil v. 7.11.2006, B 7b AS 18/06 R; Urteil vom 7.11.2006, B 7b AS 10/06 R) setzt die Prüfung der Angemessenheit von Kosten für Unterkunft eine Einzelfallprüfung voraus: Hierfür ist zunächst die maßgebliche - angemessene - Größe der Wohnung zu bestimmen, und zwar typisierend anhand der landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen für die Förderung des sozialen Mietwohnungsbaus. Sodann ist der Wohnstandard festzulegen, wobei dem Hilfebedürftigen lediglich ein einfacher und im unteren Segment liegende Ausstattungsgrad der Wohnung zusteht (BSG aaO). Als Vergleichsmaßstab ist regelmäßig die Miete am Wohnort heranzuziehen. In Einzelfällen sind bei kleineren Gemeinden größere, bei Großstädten kleinere räumliche Bereiche denkbar (dazu ausführlich BSG, 17.12.2009, B 4 AS 27/09 R; 19.02.2009, B 4 AS 30/08 R). Insoweit kommt es letztlich darauf an, ob das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, der Angemessenheit entspricht. Nach Festlegung der abstrakten Angemessenheitsmaßstäbe muss im Rahmen einer konkreten Angemessenheitsprüfung festgestellt werden, ob eine bedarfsgerechte Wohnung konkret verfügbar und zugänglich war (so zuletzt Urteil der 3. Kammer des SG Duisburg vom 25.02.2011 - S 3 AS 3974/10).
aa) Hinsichtlich der Bestimmung der angemessenen Wohnraumgröße ist von vorliegend von 65 qm auszugehen. Die gegenüber der Berechnung der Beklagten um 5 qm erhöhte Wohnfläche ergibt sich daraus, dass die maßgeblichen landesrechtlichen Bestimmungen seit dem 01.01.2010 einen jeweils um 5 qm erhöhten Wohnraum ausweisen.
Die Kammer schließt sich insoweit den nachstehenden Erwägungen der 3. Kammer des Sozialgerichts Duisburg (Urt.v. 25.02.2011 – S 3 AS 3974/10) nach eigener Prüfung und Überzeugungsbildung an.
"Für die qm-Zahl ist nach der Rechtsprechung des BSG auf die in den landesrechtlichen Durchführungsvorschriften zu § 10 des Gesetzes für die soziale Wohnraumförderung vom 13.09.2001 (WoFG, BGBl I 2376) abzustellen (vgl. BSG, 17.12.2009, B 4 AS 27/09 R Rz. 15 m.w.N.). Bis 31.12.2009 kamen für Nordrhein-Westfalen grundsätzlich zwei Durchführungsvorschriften in Betracht: Nach Nr. 5.71 des Runderlasses des Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport zu § 27 Abs. 4 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 8.3.2002 (VV-Wobind, SMBl.NRW. 238) war für eine alleinstehende Person eine Wohnungsgröße von 45 qm angemessen. In Ziffer 2 der Verwaltungsvorschriften zum Wohnungsbindungsgesetz vom 05.07.2004 (Ministerialblatt für das Land NRW 2004, 660) war geregelt, dass diese Verwaltungsvorschriften auch für die Zeit nach Aufhebung des Wohnungsbindungsgesetzes und nach Inkrafttreten des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13.09.2001 (Bundesgesetzblatt I, 2376) weiterhin entsprechend anzuwenden waren. Ferner hatte das Land auf der Grundlage von § 10 WoFG die Wohnraumförderungsbestimmung (WFB) zur Förderung baulicher Maßnahmen erlassen, aus deren Anlage 1 sich eine Wohnflächengröße von 47 qm ergab.
Von diesen beiden war als sachnähere Vorschrift die VV-WoBindG mit einer Wohnfläche von 45 qm für einen alleinstehenden Hilfebedürftigen anzuwenden, denn in der Anlage 1 zur WFB war die Wohnungsgröße lediglich mit der Zahl der Zimmer verknüpft, was einer Heranziehung entgegenstand (s zu diesem Aspekt BSG, 17.12.2009, B 4 AS 27/09 R).
Die bundesgesetzliche Grundlage ist für das Land NRW aufgrund der - nach der Föderalismusreform möglichen - Ablösung von Bundesrecht durch Landesrecht durch das WFNG NRW ersetzt worden. Die darauf beruhenden Wohnraumförderbestimmungen entsprechen in ihrer Anlage 1 der früheren Fassung von Anlage 1 WFB. Die Wohnraumnutzungsbestimmungen sehen nun eine Wohnungsgröße für Alleinstehende von 50 qm vor.
Bessere Gründe sprechen dafür, für Alleinstehende ab dem 1.1.2010 50 qm zu Grunde zu legen. Hinsichtlich der Wohnraumförderbestimmungen gilt die vom BSG in der Entscheidung vom 17.12.2009 genannte Kritik weiterhin, dass die Wohnungsgröße lediglich mit der Zahl der Zimmer verknüpft werde. Zwar ist die Anhebung auf 50 qm nicht ohne Bedenken: Tatsächlich dürfte es so sein, dass der Gesetzgeber für den Bereich des SGB II eine Dynamisierung der Kosten der Unterkunft vom 31.12.2009 zum 01.01.2010 nicht beabsichtigt hatte. Auf der anderen Seite wohnt jedem unbestimmten Rechtsbegriff eine gewisse Dynamik inne; im Gesetz findet sich lediglich der Begriff der Angemessenheit. Dem Bundesgesetzgeber dürften hinsichtlich der Kosten der Unterkunft keine konkreten Vorstellungen "vor Augen gestanden" haben; im Wortlaut des § 22 Abs. 1 SGB II gibt es Anhaltspunkte dafür nicht. Eine Regelung von Details hat der Gesetzgeber vielmehr auf einen späteren Zeitpunkt und auf die Exekutive verschoben, wie die Regelung des § 27 Nr 2 SGB II zeigt. Bereits die Aufteilung der abstrakten Miete in die Komponenten qm-Preis und angemessene Wohnfläche ist nicht vom Gesetzgeber entwickelt worden, sondern von der Rechtsprechung. Dabei wurden landesrechtliche Unterschiede in Kauf genommen (siehe etwa BSG, 19.02.2009, B 4 AS 30/08 R). Weder einem Bundesgesetzgeber noch einem Bundessozialgericht kann deshalb die Frage vor Augen gestanden haben, ob 45 oder 50 qm für eine alleinstehende Person angemessen sind. Es ist zwar richtig, dass die Entwicklung des allgemeinen Mietenniveaus bereits über die Bezugnahme auf den Mietspiegel abgebildet wird; daneben könnte die Anhebung der Wohnflächen in den landesgesetzlichen Regelungen aber auch Ausdruck dessen sein, dass neben einer allgemeinen Preissteigerung auch ein gesellschaftlicher Trend zu größerem Wohnflächenbedarf für den Einzelnen Anerkennung finden muss.
Nach Auffassung der Kammer greift auch nicht der Einwand durch, die bisherige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei nicht mehr anwendbar, denn diese habe sich auf § 10 WoFG als bundesrechtliche Vorschrift gestützt; mit der Ablösung durch landesrechtliche Vorschriften aufgrund der Föderalismusreform sei die Grundlage dieser Rechtsprechung entfallen.
Dies würde bedeuten, dass es keine Leitlinien für die Bestimmung der Wohnungsgröße mehr gäbe - weder aus Gesetz noch aus Rechtsprechung der Obergerichte. Insofern ist es aus Sicht der Kammer richtig, an den Ausführungen des BSG in der Entscheidung vom 19.02.2009 (B 4 AS 30/08 R) festzuhalten, nach der es aus Gründen der Rechtssicherheit und der Praktikabilität trotz aller Bedenken vertretbar ist, die Wohnungsgröße aufgrund jener aktuell bestehenden landesrechtlichen Vorschriften zu bestimmen, welche die Größe der Wohnung nach Zahl der Personen festlegen."
Dem ist aus Sicht der Kammer wenig hinzuzufügen. Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 22.09.2009 (B 4 AS 70/08 R) ausdrücklich betont, dass es auf die jeweils aktuell im Land zur Ausfüllung des § 10 WoFG erlassenen Bestimmungen ankommt. Es nimmt insoweit konzeptionell billigend in Kauf, dass diese Werte einer Dynamisierung unterworfen sind, die nicht zwingend im Auge behält, welche Auswirkungen auf das Leistungssystem des SGB II damit verbunden sind (BSG a.a.O., Rd. 15). Mit dieser Anknüpfung der Auslegung des Begriffs der Angemessenheit an die landesrechtlichen Bestimmungen zur Wohnraumnutzung sollen Praktikabilität und Rechtssicherheit gewahrt bleiben. Dass der Bundesgesetzgeber die Kompetenz für die Bestimmungen der Wohnraumförderung und –nutzung auf den Landesgesetzgeber verlagert hat, verändert an der konzeptionellen Anknüpfung des Bundessozialgerichts nichts.
bb) Hinsichtlich der Berechnungsmethode für die zweite Komponente, des angemessenen Quadratmeterpreises, stützt sich die Kammer nach eigener Überzeugungsbildung zunächst auf die Vorgehensweise der 27. Kammer des Sozialgerichts Duisburg (Urt.v. 23.04.2008 – S 27 AS 154/07), welche das Bundessozialgericht in der Entscheidung vom 17.12.2009 (B 4 AS 27/09 R) bestätigt hat.
aaa) Das Sozialgericht hat in der vorgenannten Entscheidung die Angemessenheitsgrenze dem Mietspiegel der Stadt Essen entnommen, der hier in seiner Fassung für die Zeit ab dem 01.12.2009 Anwendung findet.
Nach diesem Mietspiegel setzt sich der Mietwert aus dem Mietrichtwert, dem Einfluss der Wohnlage und dem Einfluss sonstiger Ausstattungsmerkmale und Gegebenheiten zusammen. Der Mietwert errechnet sich aus dem Produkt dieser Faktoren (Miete = Mietrichtwert x Wohnlage x Ausstattung), wobei für die Wohnlage und die Ausstattungsmerkmale Punktwerte vergeben werden.
Der vom 4. Senat des BSG bestätigten Berechnungsmethode folgend ist der Durchschnitt über alle Richtwerte bis einschließlich 1984 zu bilden, woraus sich ein Grundwert von 5,64 EUR ergibt.
Die Kammer hält an dieser Berechnungsmethode vorerst auch in Kenntnis der drei Entscheidungen des 14. Senats des BSG vom 19.10.2010 (B 14 AS 65/09 R, B 14 AS 2/10 R und B 14 AS 50/10 R) fest. Der dortige Senat hatte entschieden, dass eine Beschränkung auf Daten bestimmter Baualtersklassen grundsätzlich nicht zulässig sei, solange nicht statistisch valides Material vorliege, dass eine Aussage darüber zulasse, welche Bauklassen in welchem Umfang tatsächlich die gesamte Stadt als Vergleichsraum prägten. Allerdings ist unklar, welches statistische Material als valide zu erachten ist (zu den Bedenken siehe SG Duisburg Urt. v. 25.02.2011 – S 3 AS 3974/10), so dass die Kammer sich zunächst noch an der vom 4. Senat bestätigten Begrenzung auf die bis 1984 bezugsfertigen Wohnungen orientiert.
Hinsichtlich der Modifikatoren "Wohnlage" und "Ausstattung" macht sich die Kammer die Erwägungen der 27. Kammer ebenfalls zu eigen (Urt.v. 23.04.2008, a.a.O), ohne zu verkennen, dass es hinsichtlich einzelner Punkte innerhalb der Modifikatoren durchaus streitig sein kann, ob diese zwar dem unteren, nicht aber dem untersten Bereich zuzuordnen sind.
Es ergibt sich hinsichtlich der Wohnlage ein Punktwert von 94 und hinsichtlich der Ausstattung ein Punktwert von 84. Multipliziert mit dem Grundwert von 5,64 EUR ergibt sich ein Betrag von gerundet 4,45 EUR (5,64 x 0,94 x 0,84). Dieser Wert ist als Faktor der Produktberechnung zu berücksichtigen.
Dass die Beklagte tatsächlich einen höheren Kaltmietenbetrag pro Quadratmeter in ihre Berechnungen eingestellt hat, ist insoweit unerheblich. Ein einzelner Berechnungsposten kann nicht in Bestandskraft erwachsen. Lediglich wenn das Ergebnis der gerichtlichen Bestimmung des angemessenen Betrags insgesamt hinter dem von der Beklagten angesetzten angemessenen Betrag zurückbliebe, wäre die Beklagte an dem für den Leistungsempfänger günstigeren Betrag festzuhalten.
bbb) Allerdings schließt sich die Kammer jedenfalls vorerst der Erwägung des 14. Senats in der Entscheidung vom 19.10.2010 (B 14 AS 50/10 R, dort Rz. 33ff) an, dass in das Produkt aus angemessenem Preis pro Quadratmeter und angemessener Quadratmeterzahl nicht die Nettokaltmiete pro Quadratmeter einzustellen ist, sondern die Bruttokaltmiete (teilweise als "erweiterte Produkttheorie" bezeichnet).
Diese Überlegung wird aus dem Wortlaut des Gesetzes abgeleitet, welcher die Übernahme der tatsächlichen Kosten von "Unterkunft und Heizung" im Rahmen der Angemessenheit vorsieht. Diese Erwägung berücksichtigt aus Sicht der Kammer zutreffend, dass der Mieter auf die Höhe der kalten Betriebskosten deutlich weniger Einfluss besitzt als auf die Höhe der Heizkosten. Die kalten Betriebskosten stellen damit eine auch für den Vermieter deutlich besser kalkulierbare Größe dar, mit der er auf dem Mietmarkt werben kann, und die regelmäßig wesentlicher Aspekt der Entscheidung des Wohnungssuchenden ist.
Nach dem Verständnis der Kammer ist die Bruttokaltmiete auf der Grundlage der Entscheidung des 14. Senat des BSG so zu bestimmen, dass wie bisher die angemessene Nettokaltmiete pro Quadratmeter errechnet wird und zu dieser sodann ein der Höhe nach ebenfalls zu bestimmender Betrag an angemessenen kalten Nebenkosten pro Quadratmeter addiert wird. Soweit die Vorauszahlung der kalten Betriebskosten pro Quadratmeter unter der als abstrakt angemessen erachteten Grenze für die kalten Betriebskosten bleibt, ergibt sich damit ein Differenzbetrag, der dem Nettokaltmietenbetrag zugeschlagen werden kann, der also im Ergebnis die Angemessenheitsgrenze für die Nettokaltmiete erhöht.
Die Kammer verkennt nicht, dass die Anwendung der "erweiterten Produkttheorie" zu Folgeproblemen führt. Insbesondere ist nicht ersichtlich, wie das Bundessozialgericht den Fall handhaben wird, dass die Jahresabrechnung der kalten Betriebskosten eine Nachforderung ergibt. Dies wäre allerdings nur dann ein Grund, der Überlegung des 14. Senats nicht zu folgen, wenn es keine zumindest ansatzweise schlüssige Auflösung des Problems gäbe. Nach Einschätzung der Kammer ergibt sich diese aber bei – nicht abschließender - Betrachtung wie folgt: Die Leistungen der Beklagten für die Aufwendungen der kalten Betriebskosten sind, auch nach dem objektiven Empfängerhorizont, nur insoweit auf die Nettokaltmietkosten aufzuschlagen, als sie nicht tatsächlich bereits durch die Aufwendungen für die kalten Betriebskosten aufgezehrt werden. Die tatsächliche Höhe der Betriebskosten ergibt sich erst durch die Jahresabrechnung. Bis dahin sind die Leistungen der Beklagten mit dieser Unsicherheit behaftet. Sie kann daher einem auf höhere Betriebskosten gerichteten Nachzahlungsbegehren des Leistungsempfängers den Erfüllungseinwand entgegen halten. Macht sich ein Leistungsempfänger also den Spielraum der erweiterten Produkttheorie zunutze, um eine von der Nettokaltmiete her an sich unangemessene Wohnung anzumieten, so ist das Risiko einer nachträglich erhöhten Betriebskostenabrechnung in seiner Sphäre angesiedelt. Er wird damit zutreffend demjenigen gleichgestellt, der aufgrund eines von vorne herein höheren Betriebskostenabschlags nicht die Möglichkeit hatte, eine unangemessen hohe Nettokaltmiete zu kompensieren. Für den Leistungsträger ergibt sich allerdings, dass er den Betroffenen frühestens nach Erteilung der Jahresrechnung zur Kostensenkung auffordern kann. Dies wäre nach dem Konzept des 14. Senats hinzunehmen.
Die angemessenen kalten Betriebskosten pro Quadratmeter bestimmen sich nach den örtlichen Betriebskostenspiegeln. Sofern diese nicht aktuell sind, liegt es aus Sicht des 14. Senats nahe, "vom Träger der Grundsicherung entsprechende Rückfragen bei den örtlichen Interessenverbänden durchführen zu lassen bzw. die Werte an die allgemeine Preisentwicklung anzupassen. Nur wenn sich konkret Anhaltspunkte dafür ergeben, dass vom Deutschen Mieterbund für das gesamte Bundesgebiet aufgestellte Übersichten gerade das örtliche Niveau besser abbilden, kann auf diese zurückgegriffen werden" (Urt.v. 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R).
Nach Einschätzung der Kammer ist vorliegend der jüngste Betriebskostenspiegel für Nordrhein-Westfalen zugrunde zu legen. Zwar beruht dieser auf den Daten für 2008, welche in 2009 und 2010 erhoben wurden. Ein aktuellerer Betriebskostenspiegel ist der Kammer allerdings nicht zugänglich. Insbesondere beruht der derzeit aktuellste Bundesbetriebskostenspiegel ebenfalls auf den Daten aus 2008. Aktuellere lokale Daten sind der Kammer nicht bekannt.
Der Betriebskostenspiegel für Nordrhein-Westfalen ergibt im streitigen Zeitraum einen angemessenen Quadratmeterbetrag von 1,89 EUR. Hierbei hat die Kammer die dort ebenfalls ausgewiesenen Kosten für Heizung und Warmwasser herausgelassen, da diese Elemente bereits anderweitig erfasst werden. Dadurch, dass somit bei der Bestimmung der abstrakten Angemessenheitsgrenze auch Elemente wie Kosten für einen Hauswart oder einen Aufzug Eingang in den angemessenen Betrag finden, sind die Leistungsempfänger auch hinsichtlich der Betriebskosten nicht auf den untersten Bereich des Wohnungsspektrums festgelegt.
ccc) Es ergibt sich ein Bruttokaltmietenbetrag pro Quadratmeter von 6,34 EUR.
cc) Multipliziert mit der als angemessen erachteten Wohnfläche von 65 qm ergibt sich eine angemessene Bruttokaltmiete von 412 EUR.
Die tatsächlich anfallende Bruttokaltmiete von 376 EUR bleibt hierhinter zurück.
Die Angemessenheit der Heizkosten von 59 EUR im Monat steht nicht in Frage, so dass sich die Kosten für die neue Wohnung insgesamt als angemessen erweisen.
Die Leistungen der Beklagten sind unter Berücksichtigung der tatsächlichen Bruttokaltmiete von 376 EUR zu erbringen. Dass die Kläger den Umzug erst nach Unterschrift unter den Mietvertrag angezeigt und die Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II begehrt haben, ist insoweit unbeachtlich. Bei der Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB handelt es sich nach einhelliger Auffassung nicht um eine Anspruchsvoraussetzung.
Durch die erstrittene Differenz zwischen den tatsächlich geleisteten Kosten der Unterkunft und den nunmehr zu tragenden Kosten wird bei einem streitigen Zeitraum von sechs Monaten der nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG maßgebliche Beschwerdewert von 750,00 EUR nicht überschritten. Die Kammer hatte allerdings den Entschluss gefasst und auch in der Verhandlung zum Ausdruck gebracht, die Berufung zuzulassen. Dies ist im Tenor der Entscheidung nicht zum Ausdruck gekommen. Eine Zulassung der Berufung kann allerdings auch in den Entscheidungsgründen zum Ausdruck gebracht werden (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 144 Rd. 39).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
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