Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 2 EG 139/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 12. August 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2008 wird aufgehoben. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Berechtigung der Klägerin zum Bezug von Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) während der Zeit einer verbüßten Strafhaft.
Am. Oktober 2007 gebar die Klägerin ihre Tochter L , für die sie am 18. Dezember 2007 Elterngeld beantragte.
Mit Bescheid vom 24. Januar 2008 bewilligte der Beklagte Elterngeld in Höhe von 300,00 Euro monatlich für die ersten zwölf Lebensmonate des Kindes.
Am 27. Juni 2008 trat die Klägerin eine mehrmonatige Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt für Frauen des Landes B an. Auf eigenen Wunsch und auf Grundlage eines mit dem sozialpädagogischen Dienst des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg erstellten Hilfeplanes (Bl. 8 ff. der Gerichtsakten) nahm die Klägerin die Tochter L während der Haftzeit mit in die Justizvollzugsanstalt. In einem eigenständigen Trakt wurde der Klägerin zu diesem Zweck ein Haftraum mit eigenem Bad und der Möglichkeit der Nutzung einer Küchenzeile zugewiesen, da sie für die tatsächliche Versorgung ihrer Tochter (Füttern, Wickeln usw.) ausschließlich selbst verantwortlich war. Die Klägerin erhielt ab dem 22. Oktober 2008 täglich von 11-19 Uhr Freigang, um zusammen mit der Tochter L tagsüber die Vollzugsanstalt zu verlassen, um in ihrer beibehaltenen Wohnung auch für ihr älteres Kind – das in dieser Zeit über Nacht bei der Großmutter untergebracht war – zu sorgen. Zuvor war ihr bereits die Berechtigung zum Ausgang zur Erledigung notwendiger Besorgungen erteilt worden. Seitens der Vollzugsanstalt wurden ihr keine finanziellen Leistungen für die Versorgung des Kindes gewährt, hierfür standen der Klägerin lediglich der Unterhaltsvorschuss und das Kindergeld zur Verfügung.
Mit Bescheid vom 12. August 2008 änderte der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 24. Januar 2008 mit Wirkung zum 20. Juli 2008 dahingehend, dass die Bewilligung des Elterngeldes für die Haftzeit aufgehoben wurde.
Voraussetzung für den Anspruch auf Elterngeld sei ein gemeinsamer Haushalt im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 BEEG, der in einer Justizvollzugsanstalt ausweislich der Ziff. 1.1.2.2 der ministeriellen Richtlinien des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Elterngeldrecht in einer Justizvollzugsanstalt nicht begründet werden könne.
Hiergegen legte die Klägerin am 22. August 2008 Widerspruch ein.
Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 2 BEEG seien in ihrem Falle erfüllt. Die Berechtigung zum Bezug von Elterngeld ergebe sich daraus, dass sie innerhalb der Justizvollzugsanstalt mit ihrer Tochter in einem separaten räumlichen Umfeld lebe und für deren Versorgung allein zuständig sei. Auch der Umstand, dass sie selbstständige Ausgänge für notwendige Besorgungen für ihr Kind machen dürfe, spreche für die häusliche Gemeinschaft.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2008 wies der Beklagte den Widerspruch unter Verweis auf die Richtlinien des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zurück.
Mit ihrer am 20. November 2008 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Klagebegründung nimmt sie auf ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren Bezug.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 12. August 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2008 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf seine Richtliniengebundenheit und darauf, dass zwischen Untersuchungs- und Strafhaft zu unterscheiden sei. Während bei der Untersuchungshaft lediglich von einer vorübergehenden Abwesenheit vom eigenen Haushalt auszugehen sei, ginge der Anspruch auf Elterngeld mit dem Antritt einer Strafhaft unter.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Leistungsakten des Beklagten verwiesen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.
Entscheidungsgründe:
Die als Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) statthafte Klage ist auch im Übrigen zulässig und begründet.
Der Bescheid vom 12. August 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2008 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Bescheides vom 24. Januar 2008 ab dem 20. Juli 2008 liegen nicht vor. Nach § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben und soll unter bestimmten Voraussetzungen mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.
In dem Haftantritt der Klägerin kann jedoch keine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen gesehen werden, die den Anspruch auf Elterngeld entfallen lässt.
Nach § 1 Abs. 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld hat, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, mit seinem Kind in einem Haushalt lebt, dieses Kind selbst betreut und erzieht und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.
Nach § 2 Abs. 1 S. 1 BEEG in der für die Klägerin maßgeblichen Fassung wird Elterngeld in Höhe von 67 Prozent des in den 12 Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800,00 Euro monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. Nach § 2 Abs. 2 BEEG erhöht sich in den Fällen, in denen das durchschnittlich erzielte monatliche Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt geringer als 1.000,00 Euro war, der Prozentsatz von 67 Prozent um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die das maßgebliche Einkommen den Betrag von 1.000,00 Euro unterschreitet. Nach § 2 Abs. 5 BEEG wird Elterngeld mindestens in Höhe von 300,00 Euro gezahlt. Dies gilt auch, wenn in dem nach § 2 Abs.1 S. 1 BEEG maßgeblichen Zeitraum vor der Geburt des Kindes kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt worden ist.
Danach kann die Klägerin für die Lebensmonate 1-12 ihrer Tochter L Elterngeld in Höhe des Mindestelterngeldes beanspruchen. Sie hat bis heute ihren Wohnsitz in Deutschland, betreut und erzieht ihr Kind selbst und übte zum damaligen Zeitpunkt keine Erwerbstätigkeit aus.
Entgegen der Auffassung des Beklagten lebte sie darüber hinaus mit ihrem Kind auch während ihrer Inhaftierung in einem gemeinsamen Haushalt im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 BEEG.
Soweit die vom Beklagten herangezogene Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Ziff. 1.1.2.2 festlegt, dass "in einer Justizvollzugsanstalt oder einer Entziehungsanstalt" ein häusliche Gemeinschaft nicht begründet werden könne, bindet dies das Gericht – mangels Rechtsnormqualität - nicht und ist darüber hinaus jedenfalls unter Zugrundelegung des vorliegenden Sachverhaltes sachlich nicht gerechtfertigt.
Die Kammer kann, wegen der der Klägerin zugewiesenen und auch tatsächlich wahrgenommenen elterlichen Sorge für ihre Tochter während der Haftzeit, keine sachlichen Gründe erkennen, die es rechtfertigen würden, der Klägerin das Elterngeld für ihre Tochter vorzuenthalten. Mag es auch zutreffend sein, dass ein Wohnsitz in einer Justizvollzugsanstalt nicht begründet werden kann, berührt das jedenfalls nicht die Frage, wo die häusliche Gemeinschaft besteht. Denn diese wird lediglich durch die tatsächliche und verantwortende Verbundenheit zwischen Elternteil und Kind bestimmt.
Wie die vom Beklagten herangezogene Richtlinie in Ziff. 1.1.2.2 im vierten Absatz nämlich selbst zu der Frage der "häuslichen Gemeinschaft" bei getrennt lebenden Eltern ausführt, ist entscheidend bei welchem Elternteil das Kind seinen "Lebensmittelpunkt" hat. Hierzu heißt es wörtlich:
"Maßgeblich ist, wer für die Betreuung und Erziehung des Kindes überwiegend verantwortlich ist. Ergänzend kann darauf abgestellt werden, wer im Wesentlichen für die Pflege, für die Verköstigung, Kleidung, für die ordnende Gestaltung des Tagesablaufs sorgt und wo das Kind im Wesentlichen seinen emotionale Zuwendung erhält".
Der Lebensmittelpunkt ihrer Tochter L lag nach diesen Kriterien bei der Klägerin. Wie die Justizvollzugsanstalt für Frauen B auf Anfrage des Gerichts bestätigt hat, oblag die elterliche Verantwortung für die Tochter in tatsächlicher und wirtschaftlicher Hinsicht ausschließlich der Klägerin. Hilfen bei der Versorgung des Kindes wurden seitens der Vollzugsbehörde nicht gewährt. Die Klägerin war während der gesamten Haftzeit nicht von ihrer Tochter getrennt. Die maßgebliche emotionale Zuwendung erhielt das Kind ebenfalls von der Klägerin.
Auch als Ergebnis einer Wortlautauslegung des Begriffes "Haushalt" hat die Klägerin einen solchen mit ihrer Tochter innerhalb der Justizvollzugsanstalt geführt. Denn unter einem Haushalt ist die gemeinsame Wirtschaftführung mehrerer zusammenlebender Personen zu verstehen (Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 7. Auflage 2011, Stichwort: Haushalt). Dies war während der Haftzeit der Klägerin anzunehmen, da sie täglich die Ernährung und Pflege ihrer Tochter, z. B. durch das Aufwärmen von Fläschchen, Wickeln, An- und Auskleiden etc., zu besorgen hatte. Daneben oblag ihr auch die Verwaltung der ihr zur Verfügung stehenden Mittel (Unterhaltsvorschuss und Kindergeld) für die wirtschaftliche Versorgung ihrer Tochter.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt das Ergebnis in der Hauptsache.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Berechtigung der Klägerin zum Bezug von Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) während der Zeit einer verbüßten Strafhaft.
Am. Oktober 2007 gebar die Klägerin ihre Tochter L , für die sie am 18. Dezember 2007 Elterngeld beantragte.
Mit Bescheid vom 24. Januar 2008 bewilligte der Beklagte Elterngeld in Höhe von 300,00 Euro monatlich für die ersten zwölf Lebensmonate des Kindes.
Am 27. Juni 2008 trat die Klägerin eine mehrmonatige Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt für Frauen des Landes B an. Auf eigenen Wunsch und auf Grundlage eines mit dem sozialpädagogischen Dienst des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg erstellten Hilfeplanes (Bl. 8 ff. der Gerichtsakten) nahm die Klägerin die Tochter L während der Haftzeit mit in die Justizvollzugsanstalt. In einem eigenständigen Trakt wurde der Klägerin zu diesem Zweck ein Haftraum mit eigenem Bad und der Möglichkeit der Nutzung einer Küchenzeile zugewiesen, da sie für die tatsächliche Versorgung ihrer Tochter (Füttern, Wickeln usw.) ausschließlich selbst verantwortlich war. Die Klägerin erhielt ab dem 22. Oktober 2008 täglich von 11-19 Uhr Freigang, um zusammen mit der Tochter L tagsüber die Vollzugsanstalt zu verlassen, um in ihrer beibehaltenen Wohnung auch für ihr älteres Kind – das in dieser Zeit über Nacht bei der Großmutter untergebracht war – zu sorgen. Zuvor war ihr bereits die Berechtigung zum Ausgang zur Erledigung notwendiger Besorgungen erteilt worden. Seitens der Vollzugsanstalt wurden ihr keine finanziellen Leistungen für die Versorgung des Kindes gewährt, hierfür standen der Klägerin lediglich der Unterhaltsvorschuss und das Kindergeld zur Verfügung.
Mit Bescheid vom 12. August 2008 änderte der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 24. Januar 2008 mit Wirkung zum 20. Juli 2008 dahingehend, dass die Bewilligung des Elterngeldes für die Haftzeit aufgehoben wurde.
Voraussetzung für den Anspruch auf Elterngeld sei ein gemeinsamer Haushalt im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 BEEG, der in einer Justizvollzugsanstalt ausweislich der Ziff. 1.1.2.2 der ministeriellen Richtlinien des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Elterngeldrecht in einer Justizvollzugsanstalt nicht begründet werden könne.
Hiergegen legte die Klägerin am 22. August 2008 Widerspruch ein.
Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 2 BEEG seien in ihrem Falle erfüllt. Die Berechtigung zum Bezug von Elterngeld ergebe sich daraus, dass sie innerhalb der Justizvollzugsanstalt mit ihrer Tochter in einem separaten räumlichen Umfeld lebe und für deren Versorgung allein zuständig sei. Auch der Umstand, dass sie selbstständige Ausgänge für notwendige Besorgungen für ihr Kind machen dürfe, spreche für die häusliche Gemeinschaft.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2008 wies der Beklagte den Widerspruch unter Verweis auf die Richtlinien des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zurück.
Mit ihrer am 20. November 2008 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Klagebegründung nimmt sie auf ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren Bezug.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 12. August 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2008 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf seine Richtliniengebundenheit und darauf, dass zwischen Untersuchungs- und Strafhaft zu unterscheiden sei. Während bei der Untersuchungshaft lediglich von einer vorübergehenden Abwesenheit vom eigenen Haushalt auszugehen sei, ginge der Anspruch auf Elterngeld mit dem Antritt einer Strafhaft unter.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Leistungsakten des Beklagten verwiesen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.
Entscheidungsgründe:
Die als Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) statthafte Klage ist auch im Übrigen zulässig und begründet.
Der Bescheid vom 12. August 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2008 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Bescheides vom 24. Januar 2008 ab dem 20. Juli 2008 liegen nicht vor. Nach § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben und soll unter bestimmten Voraussetzungen mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.
In dem Haftantritt der Klägerin kann jedoch keine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen gesehen werden, die den Anspruch auf Elterngeld entfallen lässt.
Nach § 1 Abs. 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld hat, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, mit seinem Kind in einem Haushalt lebt, dieses Kind selbst betreut und erzieht und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.
Nach § 2 Abs. 1 S. 1 BEEG in der für die Klägerin maßgeblichen Fassung wird Elterngeld in Höhe von 67 Prozent des in den 12 Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800,00 Euro monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. Nach § 2 Abs. 2 BEEG erhöht sich in den Fällen, in denen das durchschnittlich erzielte monatliche Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt geringer als 1.000,00 Euro war, der Prozentsatz von 67 Prozent um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die das maßgebliche Einkommen den Betrag von 1.000,00 Euro unterschreitet. Nach § 2 Abs. 5 BEEG wird Elterngeld mindestens in Höhe von 300,00 Euro gezahlt. Dies gilt auch, wenn in dem nach § 2 Abs.1 S. 1 BEEG maßgeblichen Zeitraum vor der Geburt des Kindes kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt worden ist.
Danach kann die Klägerin für die Lebensmonate 1-12 ihrer Tochter L Elterngeld in Höhe des Mindestelterngeldes beanspruchen. Sie hat bis heute ihren Wohnsitz in Deutschland, betreut und erzieht ihr Kind selbst und übte zum damaligen Zeitpunkt keine Erwerbstätigkeit aus.
Entgegen der Auffassung des Beklagten lebte sie darüber hinaus mit ihrem Kind auch während ihrer Inhaftierung in einem gemeinsamen Haushalt im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 BEEG.
Soweit die vom Beklagten herangezogene Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Ziff. 1.1.2.2 festlegt, dass "in einer Justizvollzugsanstalt oder einer Entziehungsanstalt" ein häusliche Gemeinschaft nicht begründet werden könne, bindet dies das Gericht – mangels Rechtsnormqualität - nicht und ist darüber hinaus jedenfalls unter Zugrundelegung des vorliegenden Sachverhaltes sachlich nicht gerechtfertigt.
Die Kammer kann, wegen der der Klägerin zugewiesenen und auch tatsächlich wahrgenommenen elterlichen Sorge für ihre Tochter während der Haftzeit, keine sachlichen Gründe erkennen, die es rechtfertigen würden, der Klägerin das Elterngeld für ihre Tochter vorzuenthalten. Mag es auch zutreffend sein, dass ein Wohnsitz in einer Justizvollzugsanstalt nicht begründet werden kann, berührt das jedenfalls nicht die Frage, wo die häusliche Gemeinschaft besteht. Denn diese wird lediglich durch die tatsächliche und verantwortende Verbundenheit zwischen Elternteil und Kind bestimmt.
Wie die vom Beklagten herangezogene Richtlinie in Ziff. 1.1.2.2 im vierten Absatz nämlich selbst zu der Frage der "häuslichen Gemeinschaft" bei getrennt lebenden Eltern ausführt, ist entscheidend bei welchem Elternteil das Kind seinen "Lebensmittelpunkt" hat. Hierzu heißt es wörtlich:
"Maßgeblich ist, wer für die Betreuung und Erziehung des Kindes überwiegend verantwortlich ist. Ergänzend kann darauf abgestellt werden, wer im Wesentlichen für die Pflege, für die Verköstigung, Kleidung, für die ordnende Gestaltung des Tagesablaufs sorgt und wo das Kind im Wesentlichen seinen emotionale Zuwendung erhält".
Der Lebensmittelpunkt ihrer Tochter L lag nach diesen Kriterien bei der Klägerin. Wie die Justizvollzugsanstalt für Frauen B auf Anfrage des Gerichts bestätigt hat, oblag die elterliche Verantwortung für die Tochter in tatsächlicher und wirtschaftlicher Hinsicht ausschließlich der Klägerin. Hilfen bei der Versorgung des Kindes wurden seitens der Vollzugsbehörde nicht gewährt. Die Klägerin war während der gesamten Haftzeit nicht von ihrer Tochter getrennt. Die maßgebliche emotionale Zuwendung erhielt das Kind ebenfalls von der Klägerin.
Auch als Ergebnis einer Wortlautauslegung des Begriffes "Haushalt" hat die Klägerin einen solchen mit ihrer Tochter innerhalb der Justizvollzugsanstalt geführt. Denn unter einem Haushalt ist die gemeinsame Wirtschaftführung mehrerer zusammenlebender Personen zu verstehen (Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 7. Auflage 2011, Stichwort: Haushalt). Dies war während der Haftzeit der Klägerin anzunehmen, da sie täglich die Ernährung und Pflege ihrer Tochter, z. B. durch das Aufwärmen von Fläschchen, Wickeln, An- und Auskleiden etc., zu besorgen hatte. Daneben oblag ihr auch die Verwaltung der ihr zur Verfügung stehenden Mittel (Unterhaltsvorschuss und Kindergeld) für die wirtschaftliche Versorgung ihrer Tochter.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt das Ergebnis in der Hauptsache.
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