Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
22
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 22 AS 869/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Frage der Rechtmäßigkeit der Absenkung der maßgebenden Regelleistung nach § 31 I 1 Nr. 1 c SGB II.
Verstoßen einzelne Bestimmungen eines Arbeitsvertrages gegen wesentliche arbeitsrechtliche Grundsätze, so ist die dem Hilfeempfänger angebotene Beschäftigung nicht zumutbar.
Verstoßen einzelne Bestimmungen eines Arbeitsvertrages gegen wesentliche arbeitsrechtliche Grundsätze, so ist die dem Hilfeempfänger angebotene Beschäftigung nicht zumutbar.
1. Der Bescheid vom 18.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2009 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Absenkung des Arbeitslosengeldes II sowie des befristeten Zuschlages.
Der 1966 geborene Kläger stand bei der Beklagten im Leistungsbezug. Er absolvierte bei der Firma C. GmbH im Januar 2009 ein Praktikum. Am 08.01.2009 unterbreitete die Beklagte dem Kläger einen Vermittlungsvorschlag als Kraftfahrer bei der Firma C. GmbH. Das Beschäftigungsverhältnis kam nicht zustande. Gegenüber der Beklagten gab der Kläger an, dass 1700,00 EUR Einkommen zu wenig seien und er dafür auch am Samstag hätte arbeiten müssen.
Nach Anhörung (13.03.2009) teilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 18.03.2009 mit, der ihm zustehende Anteil des Arbeitslosengeldes II werde für die Zeit vom 01.04. bis 30.06.2009 monatlich um 30% der maßgebenden Regelleistung abgesenkt, höchstens jedoch in Höhe des ihm zustehenden Gesamtbetrages. Dadurch ergebe sich eine Absenkung seines Arbeitslosengeldes II in Höhe von 112,00 EUR monatlich. Während des genannten Zeitraums entfalle auch der dem Kläger gewährte befristete Zuschlag in Höhe von 17,00 EUR. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 26.03.2009 Widerspruch ein und machte geltend, er habe eine wöchentliche Arbeitszeit von 72 Stunden bereits während des Praktikums gehabt. Die arbeitsvertraglichen Regelungen des § 5 und des § 12 des Arbeitsvertrages seien rechtswidrig.
Nach Stellungnahme des Arbeitgebers (31.03.2009) wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.06.2009 als unbegründet zurück. Auf den Inhalt der Entscheidung wird Bezug genommen.
Dagegen richtet sich die Klage vom 15.07.2009.
Der Kläger wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 18.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig und bezieht sich zur Begründung ihres Antrages auf ihren Schriftsatz vom 16.02.2010.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen. Wegen des weiteren Sachvortrags der Beteiligten und des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig (§§ 87, 90, 92 SGG).
Sie ist auch begründet.
Der Bescheid vom 18.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2009 erweist sich als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 54 Abs. 2 SGG.
Die Beklagte war nicht berechtigt, das dem Kläger für die Zeit vom 01.04. bis 30.06.2009 bewilligte Arbeitslosengeld II um 30% der maßgebenden Regelleistung abzusenken.
Die Absenkungsentscheidung der Beklagten misst sich an § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c SGB II bzw. an § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II i. V. m. § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III. Nach den genannten Vorschriften wird das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlages nach § 24 SGB II in einer ersten Stufe um 30% der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz der Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen oder fortzuführen (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c SGB II). § 31 Abs. 1 SGB II gilt entsprechend bei einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, der die im SGB III genannten Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit erfüllt, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruches auf Arbeitslosengeld begründen. Gemäß der insoweit einzig einschlägigen Regelung in § 144 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer einer Sperrzeit, wenn der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt u. a. dann vor, wenn der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine von der Agentur für Arbeit unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Beschäftigung nicht annimmt oder nicht antritt oder die Anbahnung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere das Zustandekommen eines Vorstellungsgespräches, durch sein Verhalten verhindert (Sperrzeit bei Arbeitsablehnung).
Dem Kläger ist von der Beklagten mit Schreiben vom 08.01.2009 eine Beschäftigung bei der C. GmbH unter Benennung der Art der Tätigkeit schriftlich und hinreichend konkretisiert angeboten worden. Dem Zweck der Konkretisierungspflicht wird schon dann genügt, wenn der Arbeitssuchende auf der Grundlage der Angaben im Vermittlungsvorschlag in die Lage versetzt wird, ein Vorstellungsgespräch mit dem künftigen Arbeitgeber zu vereinbaren, was im vorliegenden Fall im Hinblick auf das vorgelagerte Praktikum entbehrlich war. Die dem Kläger angebotene Beschäftigung als Kraftfahrer war diesem jedoch im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c SGB II nicht zumutbar.
Dies ergibt sich aus dem von der Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 25.11.2009 vorgelegten Arbeitsvertrag zwischen C. GmbH und dem Kläger vom 09.02.2009. Sowohl § 5 des Arbeitsvertrages als auch § 12 des Arbeitsvertrages verstoßen gegen wesentliche arbeitsrechtliche Grundsätze, so dass der Kläger sich auf die vom Arbeitgeber gestellten Arbeitsbedingungen nicht einlassen musste. Die Regelung in § 5 Arbeitsvertrag ist gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Bei der Regelung handelt es sich um eine Klausel aus einem Standardarbeitsvertrag und damit um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB. Es handelt sich insoweit um eine Regelung zur Vergütung der Arbeitsleistung des Klägers und damit um eine Vereinbarung bezüglich der Hauptleistungspflicht. Solche Vereinbarungen unterliegen gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie können jedoch wegen Intransparenz oder Unbestimmtheit gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam sein, § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB.
Nach dem Transparenz- und Bestimmtheitsgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Klausel so genau beschrieben sein, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Sinn des Transparenzgebotes ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird (vgl. BAG 5 AZR 517/09; 10 AZR 825/06; 5 AZR 545/04). Eine Klausel muss im Rahmen des rechtlich Zulässigen und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Klauselverwenders so klar und präzise wie möglich umschreiben. Sie verletzt das Bestimmtheitsgebot, wenn sie vermeidbare Unklarheiten und Spielräume enthält.
"Eine die pauschale Vergütung von Mehrarbeit regelnde Klausel ist nur dann klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen von ihr erfasst werden sollen. Anderenfalls ließe sich nicht erkennen, ab wann ein Anspruch auf zusätzliche Vergütung besteht. Der Umfang der Leistungspflicht muss so bestimmt oder zumindest durch die konkrete Begrenzung der Anordnungsbefugnis hinsichtlich der zu leistenden Überstunden so bestimmbar sein, dass der Arbeitnehmer bereits bei Vertragsschluss erkennen kann, was ggf. "auf ihn zukommt" und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss. Aufgrund einer unklar abgefassten Pauschalisierungsklausel besteht die Gefahr, dass der Arbeitnehmer in der Annahme, er habe keinen Rechtsanspruch auf eine gesonderte Überstundenvergütung, seinen Anspruch nicht geltend macht" (BAG, 5 AZR 517/09).
§ 5 des Arbeitsvertrages vom 09.02.2009 ist nach diesen Kriterien nicht klar und verständlich. Diese Klausel erfasst offensichtlich alle Arbeitsstunden. Deren Umfang ist im Arbeitsvertrag nicht bestimmt. Für den Kläger war nicht ersichtlich, bis zu welcher Obergrenze er ggf. verpflichtet war, ohne zusätzliche Vergütung Überstunden zu leisten.
Infolge der Unwirksamkeit der pauschalen Abgeltungsregelung für Überstunden in § 5 des Arbeitsvertrages war dem Kläger das Arbeitsangebot bereits aus diesem Grund nicht zumutbar.
Des Weiteren ist die Mitarbeiterhaftung bei Schadensfall in § 12 des Arbeitsvertrages unwirksam. Bei der Haftungsregelung handelt es sich um eine Standardvereinbarung und damit um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB, die die Firma C. GmbH als Verwender des Vertragsformulars dem Kläger gegenüber gestellt hat. Auf eine Einbeziehung nach § 305 Abs. 2 und Abs. 3 BGB kommt es gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB nicht an.
Die Mitarbeiterhaftungsklausel in § 12 des Arbeitsvertrages ist nach § 307 BGB unwirksam. Hierbei ist zum Schutz des Arbeitnehmers ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BAG 8 AZR 425/04; 8 AZR 136/03). Diese Grundsätze gelten entsprechend für erwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne des SGB II, die sich in einer arbeitnehmerähnlichen Position gegenüber der Behörde befinden.
Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Es bedarf einer umfassenden Würdigung der beiderseitigen Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben (BGHZ 153, 344).
Die unangemessene Benachteiligung ergibt sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Bestimmung in § 12 des Arbeitsvertrages vom 09.02.2009 nicht klar und verständlich ist (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Denn eine Bestimmung muss den Grund der Verwirkung der Mitarbeiterhaftung bei Schadensfall ebenso wie deren Angemessenheit und Zumutbarkeit erkennen lassen (vgl. BAG 5 AZR 364/04).
Im vorliegenden Fall ist die Klausel des § 12 des Arbeitsvertrages hinsichtlich des Grundes der Verwirkung der Haftung zu unbestimmt und enthält inhaltlich eine unangemessene Benachteiligung des potentiellen Arbeitnehmers.
Im Lichte dessen ist die Haftungsabrede schon wegen mangelnder Bestimmtheit unwirksam. Die Verwirkung der vereinbarten Mitarbeiterhaftung bei Schadensfall ist nicht klar und verständlich, weil die Pflichtverletzungen nicht hinreichend bestimmt sind. Die vereinbarte Schadensersatzpflicht muss nämlich nicht nur die zu leistende Schadenshöhe, sondern auch die sie auslösende Pflichtverletzung so klar bezeichnen, dass sich der Versprechende in seinem Verhalten darauf einstellen kann. Globale Haftungsversprechen, die auf die Absicherung aller arbeitsvertraglichen Pflichten zielen, sind wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot unwirksam (vgl. BAG 8 AZR 425/04). Die Regelung muss erkennen lassen, welche konkreten Pflichten durch sie tatsächlich gesichert werden sollen. Nur so kann der Arbeitnehmer erkennen, was ggf. "auf ihn zukommt". "Bei Schäden, die der Mitarbeiter selbst verschuldet hat (fahrlässig) und die einen Anspruch Dritter gegenüber der Firma auslösen oder ist der Eigentümer des Arbeitgebers selbst betroffen, so wird der Mitarbeiter gegenüber der Firma schadensersatzpflichtig in Höhe des Schadens" (§ 12 Satz 1 Arbeitsvertrag) ohne nähere Konkretisierung enthält demzufolge nicht die nötige Warnfunktion und entspricht wegen des Strafcharakters der Haftungsregelung auch nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen.
Im Übrigen ist die vorliegende Haftungsregelung hinsichtlich des Verwirkungsgrundes zu weit gefasst und damit auch als solche inhaltlich unangemessen. Da die Haftungsregelung einseitig nur an Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers zugunsten des Arbeitgebers anknüpft, muss die Verwirkung der Vertragsstrafe nach Treu und Glauben den Interessen beider Arbeitsvertragsparteien gerecht werden.
Im Falle der vorsätzlichen Schadensverursachung durch den Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an der Einhaltung der arbeitsvertraglichen Hauptpflicht, während der Arbeitnehmer weder ein Recht noch ein schützenswertes Interesse daran hat, die Haftung herbeizuführen.
Bei einem schuldhaften Verhalten, das den Arbeitgeber zu einer Kündigung veranlasst, wird der Interessenausgleich in erster Linie durch die Möglichkeit der Kündigung des Arbeitgebers herbeigeführt. Eine darüber hinausgehende Bestrafung des Arbeitnehmers durch die Haftung auch für die geringste Form von Fahrlässigkeit kann nur durch Verletzung weiterer schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein, so z. B. durch bestimmte Eigentums- oder Vermögensverletzungen durch den Arbeitnehmer. Für eine Haftung, die durch jegliches schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers verwirkt wird, fehlt es am berechtigten Interesse des Arbeitgebers. Eine solche Abrede zielt auf die Absicherung aller vertraglichen Pflichten und enthält damit eine unangemessene Übersicherung. Somit ist die Haftungsregelung in § 12 des Arbeitsvertrages hier gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, so dass der Kläger auch insoweit berechtigt war, die angebotene Arbeit abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Rechtsmittelbelehrung berücksichtigt die Höhe des streitigen Anspruchs (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
2. Die Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Absenkung des Arbeitslosengeldes II sowie des befristeten Zuschlages.
Der 1966 geborene Kläger stand bei der Beklagten im Leistungsbezug. Er absolvierte bei der Firma C. GmbH im Januar 2009 ein Praktikum. Am 08.01.2009 unterbreitete die Beklagte dem Kläger einen Vermittlungsvorschlag als Kraftfahrer bei der Firma C. GmbH. Das Beschäftigungsverhältnis kam nicht zustande. Gegenüber der Beklagten gab der Kläger an, dass 1700,00 EUR Einkommen zu wenig seien und er dafür auch am Samstag hätte arbeiten müssen.
Nach Anhörung (13.03.2009) teilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 18.03.2009 mit, der ihm zustehende Anteil des Arbeitslosengeldes II werde für die Zeit vom 01.04. bis 30.06.2009 monatlich um 30% der maßgebenden Regelleistung abgesenkt, höchstens jedoch in Höhe des ihm zustehenden Gesamtbetrages. Dadurch ergebe sich eine Absenkung seines Arbeitslosengeldes II in Höhe von 112,00 EUR monatlich. Während des genannten Zeitraums entfalle auch der dem Kläger gewährte befristete Zuschlag in Höhe von 17,00 EUR. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 26.03.2009 Widerspruch ein und machte geltend, er habe eine wöchentliche Arbeitszeit von 72 Stunden bereits während des Praktikums gehabt. Die arbeitsvertraglichen Regelungen des § 5 und des § 12 des Arbeitsvertrages seien rechtswidrig.
Nach Stellungnahme des Arbeitgebers (31.03.2009) wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.06.2009 als unbegründet zurück. Auf den Inhalt der Entscheidung wird Bezug genommen.
Dagegen richtet sich die Klage vom 15.07.2009.
Der Kläger wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 18.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig und bezieht sich zur Begründung ihres Antrages auf ihren Schriftsatz vom 16.02.2010.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen. Wegen des weiteren Sachvortrags der Beteiligten und des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig (§§ 87, 90, 92 SGG).
Sie ist auch begründet.
Der Bescheid vom 18.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2009 erweist sich als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 54 Abs. 2 SGG.
Die Beklagte war nicht berechtigt, das dem Kläger für die Zeit vom 01.04. bis 30.06.2009 bewilligte Arbeitslosengeld II um 30% der maßgebenden Regelleistung abzusenken.
Die Absenkungsentscheidung der Beklagten misst sich an § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c SGB II bzw. an § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II i. V. m. § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III. Nach den genannten Vorschriften wird das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlages nach § 24 SGB II in einer ersten Stufe um 30% der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz der Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen oder fortzuführen (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c SGB II). § 31 Abs. 1 SGB II gilt entsprechend bei einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, der die im SGB III genannten Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit erfüllt, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruches auf Arbeitslosengeld begründen. Gemäß der insoweit einzig einschlägigen Regelung in § 144 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer einer Sperrzeit, wenn der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt u. a. dann vor, wenn der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine von der Agentur für Arbeit unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Beschäftigung nicht annimmt oder nicht antritt oder die Anbahnung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere das Zustandekommen eines Vorstellungsgespräches, durch sein Verhalten verhindert (Sperrzeit bei Arbeitsablehnung).
Dem Kläger ist von der Beklagten mit Schreiben vom 08.01.2009 eine Beschäftigung bei der C. GmbH unter Benennung der Art der Tätigkeit schriftlich und hinreichend konkretisiert angeboten worden. Dem Zweck der Konkretisierungspflicht wird schon dann genügt, wenn der Arbeitssuchende auf der Grundlage der Angaben im Vermittlungsvorschlag in die Lage versetzt wird, ein Vorstellungsgespräch mit dem künftigen Arbeitgeber zu vereinbaren, was im vorliegenden Fall im Hinblick auf das vorgelagerte Praktikum entbehrlich war. Die dem Kläger angebotene Beschäftigung als Kraftfahrer war diesem jedoch im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c SGB II nicht zumutbar.
Dies ergibt sich aus dem von der Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 25.11.2009 vorgelegten Arbeitsvertrag zwischen C. GmbH und dem Kläger vom 09.02.2009. Sowohl § 5 des Arbeitsvertrages als auch § 12 des Arbeitsvertrages verstoßen gegen wesentliche arbeitsrechtliche Grundsätze, so dass der Kläger sich auf die vom Arbeitgeber gestellten Arbeitsbedingungen nicht einlassen musste. Die Regelung in § 5 Arbeitsvertrag ist gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Bei der Regelung handelt es sich um eine Klausel aus einem Standardarbeitsvertrag und damit um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB. Es handelt sich insoweit um eine Regelung zur Vergütung der Arbeitsleistung des Klägers und damit um eine Vereinbarung bezüglich der Hauptleistungspflicht. Solche Vereinbarungen unterliegen gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie können jedoch wegen Intransparenz oder Unbestimmtheit gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam sein, § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB.
Nach dem Transparenz- und Bestimmtheitsgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Klausel so genau beschrieben sein, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Sinn des Transparenzgebotes ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird (vgl. BAG 5 AZR 517/09; 10 AZR 825/06; 5 AZR 545/04). Eine Klausel muss im Rahmen des rechtlich Zulässigen und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Klauselverwenders so klar und präzise wie möglich umschreiben. Sie verletzt das Bestimmtheitsgebot, wenn sie vermeidbare Unklarheiten und Spielräume enthält.
"Eine die pauschale Vergütung von Mehrarbeit regelnde Klausel ist nur dann klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen von ihr erfasst werden sollen. Anderenfalls ließe sich nicht erkennen, ab wann ein Anspruch auf zusätzliche Vergütung besteht. Der Umfang der Leistungspflicht muss so bestimmt oder zumindest durch die konkrete Begrenzung der Anordnungsbefugnis hinsichtlich der zu leistenden Überstunden so bestimmbar sein, dass der Arbeitnehmer bereits bei Vertragsschluss erkennen kann, was ggf. "auf ihn zukommt" und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss. Aufgrund einer unklar abgefassten Pauschalisierungsklausel besteht die Gefahr, dass der Arbeitnehmer in der Annahme, er habe keinen Rechtsanspruch auf eine gesonderte Überstundenvergütung, seinen Anspruch nicht geltend macht" (BAG, 5 AZR 517/09).
§ 5 des Arbeitsvertrages vom 09.02.2009 ist nach diesen Kriterien nicht klar und verständlich. Diese Klausel erfasst offensichtlich alle Arbeitsstunden. Deren Umfang ist im Arbeitsvertrag nicht bestimmt. Für den Kläger war nicht ersichtlich, bis zu welcher Obergrenze er ggf. verpflichtet war, ohne zusätzliche Vergütung Überstunden zu leisten.
Infolge der Unwirksamkeit der pauschalen Abgeltungsregelung für Überstunden in § 5 des Arbeitsvertrages war dem Kläger das Arbeitsangebot bereits aus diesem Grund nicht zumutbar.
Des Weiteren ist die Mitarbeiterhaftung bei Schadensfall in § 12 des Arbeitsvertrages unwirksam. Bei der Haftungsregelung handelt es sich um eine Standardvereinbarung und damit um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB, die die Firma C. GmbH als Verwender des Vertragsformulars dem Kläger gegenüber gestellt hat. Auf eine Einbeziehung nach § 305 Abs. 2 und Abs. 3 BGB kommt es gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB nicht an.
Die Mitarbeiterhaftungsklausel in § 12 des Arbeitsvertrages ist nach § 307 BGB unwirksam. Hierbei ist zum Schutz des Arbeitnehmers ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BAG 8 AZR 425/04; 8 AZR 136/03). Diese Grundsätze gelten entsprechend für erwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne des SGB II, die sich in einer arbeitnehmerähnlichen Position gegenüber der Behörde befinden.
Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Es bedarf einer umfassenden Würdigung der beiderseitigen Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben (BGHZ 153, 344).
Die unangemessene Benachteiligung ergibt sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Bestimmung in § 12 des Arbeitsvertrages vom 09.02.2009 nicht klar und verständlich ist (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Denn eine Bestimmung muss den Grund der Verwirkung der Mitarbeiterhaftung bei Schadensfall ebenso wie deren Angemessenheit und Zumutbarkeit erkennen lassen (vgl. BAG 5 AZR 364/04).
Im vorliegenden Fall ist die Klausel des § 12 des Arbeitsvertrages hinsichtlich des Grundes der Verwirkung der Haftung zu unbestimmt und enthält inhaltlich eine unangemessene Benachteiligung des potentiellen Arbeitnehmers.
Im Lichte dessen ist die Haftungsabrede schon wegen mangelnder Bestimmtheit unwirksam. Die Verwirkung der vereinbarten Mitarbeiterhaftung bei Schadensfall ist nicht klar und verständlich, weil die Pflichtverletzungen nicht hinreichend bestimmt sind. Die vereinbarte Schadensersatzpflicht muss nämlich nicht nur die zu leistende Schadenshöhe, sondern auch die sie auslösende Pflichtverletzung so klar bezeichnen, dass sich der Versprechende in seinem Verhalten darauf einstellen kann. Globale Haftungsversprechen, die auf die Absicherung aller arbeitsvertraglichen Pflichten zielen, sind wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot unwirksam (vgl. BAG 8 AZR 425/04). Die Regelung muss erkennen lassen, welche konkreten Pflichten durch sie tatsächlich gesichert werden sollen. Nur so kann der Arbeitnehmer erkennen, was ggf. "auf ihn zukommt". "Bei Schäden, die der Mitarbeiter selbst verschuldet hat (fahrlässig) und die einen Anspruch Dritter gegenüber der Firma auslösen oder ist der Eigentümer des Arbeitgebers selbst betroffen, so wird der Mitarbeiter gegenüber der Firma schadensersatzpflichtig in Höhe des Schadens" (§ 12 Satz 1 Arbeitsvertrag) ohne nähere Konkretisierung enthält demzufolge nicht die nötige Warnfunktion und entspricht wegen des Strafcharakters der Haftungsregelung auch nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen.
Im Übrigen ist die vorliegende Haftungsregelung hinsichtlich des Verwirkungsgrundes zu weit gefasst und damit auch als solche inhaltlich unangemessen. Da die Haftungsregelung einseitig nur an Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers zugunsten des Arbeitgebers anknüpft, muss die Verwirkung der Vertragsstrafe nach Treu und Glauben den Interessen beider Arbeitsvertragsparteien gerecht werden.
Im Falle der vorsätzlichen Schadensverursachung durch den Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an der Einhaltung der arbeitsvertraglichen Hauptpflicht, während der Arbeitnehmer weder ein Recht noch ein schützenswertes Interesse daran hat, die Haftung herbeizuführen.
Bei einem schuldhaften Verhalten, das den Arbeitgeber zu einer Kündigung veranlasst, wird der Interessenausgleich in erster Linie durch die Möglichkeit der Kündigung des Arbeitgebers herbeigeführt. Eine darüber hinausgehende Bestrafung des Arbeitnehmers durch die Haftung auch für die geringste Form von Fahrlässigkeit kann nur durch Verletzung weiterer schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein, so z. B. durch bestimmte Eigentums- oder Vermögensverletzungen durch den Arbeitnehmer. Für eine Haftung, die durch jegliches schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers verwirkt wird, fehlt es am berechtigten Interesse des Arbeitgebers. Eine solche Abrede zielt auf die Absicherung aller vertraglichen Pflichten und enthält damit eine unangemessene Übersicherung. Somit ist die Haftungsregelung in § 12 des Arbeitsvertrages hier gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, so dass der Kläger auch insoweit berechtigt war, die angebotene Arbeit abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Rechtsmittelbelehrung berücksichtigt die Höhe des streitigen Anspruchs (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
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