Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 22 AS 711/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 141/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 4. Juli 2008 wird abgeändert und wie folgt neu gefasst: Die Bescheide des Beklagten vom 20. Dezember 2004, 10. Januar 2005, 4. Mai 2005, 30. September 2005 und 11. Oktober 2005, alle in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 2005 werden abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, den Klägern zu 1. und 2. jeweils weitere 0,30 EUR und der Klägerin zu 3. weitere 0,84 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Erziehungsrente nach § 47 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) als Einkommen bei der Berechnung der Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu berücksichtigen ist.
Der 1964 geborene Kläger zu 1. lebte im streitigen Zeitraum in der Zeit von Januar bis Juni 2005 mit seiner 1960 geborenen Lebensgefährtin (Klägerin zu 2.) sowie mit deren am ... 1989 geborenen Tochter (Klägerin zu 3.) sowie dem Enkel seiner Lebensgefährtin D.-P. K. (geboren am 2001) in einer Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft zusammen. Der Klägerin zu 2. ist das alleinige Sorgerecht für D.-P. K. übertragen worden. Sie bezog im streitigen Zeitraum eine Erziehungsrente iHv 985,83 EUR brutto und nach Abzug der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von 898,09 EUR. Weiter erhielt sie im gesamten streitigen Zeitraum Kindergeld für die Klägerin zu 3. und ihren Enkel D.-P. K. sowie in den Monaten Januar und Februar 2005 Kindergeld für ihr nicht in der Bedarfsgemeinschaft lebendes Kind Kathrin iHv jeweils 154,00 EUR/Monat.
Mit Bescheid vom 20. Dezember 2004 bewilligte die Rechtsvorgängerin des Beklagten den Klägern als Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum von Januar bis April 2005 iHv insgesamt 106,94 EUR/Monat. Mit Bescheid vom 10. Januar 2005 reduzierte sie diese auf 68,02 EUR/Monat, weil sie von geringeren Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) iHv nun 380,25 EUR ausging. Diese Bewilligung wiederholte sie mit Bescheid vom 4. Mai 2005 und setzte zugleich die Leistungen wegen einer weiteren Veränderung der KdU für April 2005 auf 65,16 EUR und in gleicher Höhe für die Monate Mai und Juni 2005 fest, um dann mit zwei Bescheiden vom 30. September 2005 die Leistungen wegen des Wegfalls des Kindergeldes auf 222,02 EUR für den Monat März 2005 sowie auf 219,16 EUR für den Monat April 2005 zu erhöhen. Mit Bescheid vom 11. Oktober 2005 setzte sie schließlich für Mai und Juni 2005 ebenfalls den Betrag von 219,16 EUR/Monat fest. Als Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft wurden stets nur die Kläger zu 1.-3. aufgeführt. Auf die Kläger zu 1. und 2. entfielen Regelleistungen iHv jeweils 298,00 EUR; für die Klägerin zu 3. wurde der Regelsatz für Kinder ab Beginn des 15. Lebensjahres bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres iHv 265,00 EUR zu Grunde gelegt. Damit ergab sich ein Gesamtbedarf für die Regelleistungen iHv 861,00 EUR. Weiterhin wurde bei der Klägerin zu 2. die Erziehungsrente iHv 889,09 EUR unter Berücksichtigung eines Freibetrages von 30,00 EUR angerechnet. Ferner wurde bei der Klägerin zu 3. das Kindergeld iHv 154,00 EUR berücksichtigt. Das Kindergeld für den Enkel D.-P. K. wurde ebenfalls nicht als Einkommen der Klägerin zu 2. angesehen, sondern als Einkommen dieses Kindes. Damit errechnete sich ein zu berücksichtigendes Gesamteinkommen iHv 1.022,09 EUR.
Bereits gegen den Bescheid vom 20. Dezember 2004 legte der Kläger zu 1. Widerspruch ein. Er habe gegenüber der Klägerin zu 2. und deren Tochter keinen rechtlich durchsetzbaren Unterhaltsanspruch, so dass eine Anrechnung des Einkommens nicht möglich sei. Selbst wenn es möglich wäre, sei die volle Anrechnung des Einkommens und insbesondere der Erziehungsrente rechtswidrig. Denn insoweit handele es sich um privilegiertes Einkommen im Sinne von § 11 SGB II. Rechtswidrig sei weiterhin die unterbliebene Einbeziehung des Enkels D.-P. K ... Dieser lebe auf Dauer bei der Klägerin zu 2. Am 19. Mai 2005 erweiterte er seinen Widerspruch auch hinsichtlich des mit Bescheid vom 4. Mai 2005 neu erfassten Zeitraumes für die Monate Mai und Juni 2005.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2005 wies der Rechtsvorgänger des Beklagten nach Erlass der erwähnten Änderungsbescheide den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er unter anderem aus, D.-P. K. sei als vierjähriges Kind erwerbsunfähig. Er gehöre nicht zur Bedarfsgemeinschaft. Er bilde mit dem Kläger zu 1. lediglich eine Haushaltsgemeinschaft. Dieser habe lediglich Anspruch nach dem Zweiten Kapitel des Zwölften Sozialgesetzbuches (SGB XII). Die Berechnungen unter Anrechnung der Erziehungsrente seien rechtmäßig.
Gegen den am 18. Oktober 2005 zugegangenen Widerspruchsbescheid hat der Kläger zu 1. am 18. November 2005 Klage am Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben. Auf Nachfrage des SG haben die Klägerinnen zu 2. und 3. den Prozessbevollmächtigten des Klägers zu 1. ebenfalls mit der Vertretung beauftragt.
In einem Erörterungstermin am 16. April 2008 haben die Beteiligten ausdrücklich einen "Teilvergleich" dahingehend geschlossen, dass die KdU von dem Beklagten zutreffend berechnet worden seien und der Enkel D.-P. K. nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehöre. Die Beteiligten seien sich darüber einig, dass im Streit ausschließlich die Frage der Berücksichtigung der Erziehungsrente als Einkommen bleibe.
Mit Urteil vom 4. Juli 2008 hat das SG den Beklagten verpflichtet, Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe ohne Anrechnung der Erziehungsrente zu gewähren. Die Berücksichtigung der Erziehungsrente als Einkommen sei rechtswidrig, da diese zum sogenannten privilegierten Einkommen zähle. Zwar habe das Bundessozialgericht entschieden, dass die Erziehungsrente nicht zu den privilegierten Einnahmen nach § 138 Abs. 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) gehöre. Diese Entscheidungen könnten jedoch nicht auf den Regelungsbereich des SGB II übertragen werden. Es handele sich um eine zweckbestimmte Einnahme. Es sei nicht erforderlich, dass diese Zweckbestimmung ausdrücklich im leistungsgewährenden Gesetz genannt werde. Die Erziehungsrente solle gewährleisten, dass der geschiedene Ehegatte nach dem Tode des Versicherten nicht gezwungen werde, der Interessenlage des gemeinsamen Kindes zuwider zur Sicherung seines eigenen Unterhaltes einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Es handele sich nicht um eine Rente aus abgeleitetem Recht (aus der Versicherung des geschiedenen Ehegatten), sondern um eine Rente aus eigener Versicherung.
Gegen die ihr am 18. August 2008 zugestellte Entscheidung hat der Beklagte am 1. September 2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er vorgetragen, Sinn und Zweck der Regelung des § 47 SGB VI sei es gewesen, die durch den Wegfall des Anspruchs auf Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des Verstorbenen (des geschiedenen Ehegatten) entstandene Versorgungslücke zu schließen und einen Ausgleich für den durch dessen Tod weggefallenen Unterhaltsanspruch zu schaffen. Wie das SG insoweit zutreffend ausführe, sei diese keine Rente aus abgeleitetem Recht, sondern eine Rente aus eigener Versicherung. Daraus ergebe sich zunächst, dass es sich bei der Erziehungsrente ausschließlich um Einkommen der Klägerin zu 2. handele. Sie diene anstelle der Unterhaltszahlung des Verstorbenen der Bestreitung des Lebensunterhaltes der Mutter. Dem Kind komme dies nur mittelbar über die der Mutter ermöglichte Freizeit zugute. Hinsichtlich der Klägerin zu 2. sei ihr ausschließlicher Zweck, ihren Lebensunterhalt zu sichern. Daraus folge eine Zweckidentität mit der begehrten Leistung nach dem SGB II.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden. Sie ist auch statthaft iSv § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der ab dem zum 1. April 2008 geltenden Fassung. Danach ist die Berufung ohne Weiteres zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR übersteigt. Dies ist bei der Anrechnung der monatlich gezahlten Erziehungsrente iHv 889,09 EUR für einen Zeitraum von sechs Monaten offensichtlich der Fall.
Der Umstand, dass die Klägerinnen zu 2. und 3. vom SG nicht ins Rubrum aufgenommen worden waren, steht einer Sachentscheidung nicht entgegen; auch sie waren von Anfang an Kläger (vgl. BSG, 7.11.2006, B 7b AS 8/06 R (11-16)), wie auch schon das SG und der Senat klargestellt haben.
Die Berufung ist ganz überwiegend begründet. Das SG hat der Klage im Wesentlichen zu Unrecht stattgegeben. Denn die angefochtenen Bescheide vom 20. Dezember 2004, 10. Januar 2005, 4. Mai 2005, 30. September 2005 sowie vom 11. Oktober 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 2005 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger - abgesehen von geringfügigen Rundungsfehlern - nicht in ihren Rechten.
Streitgegenständlich ist im vorliegenden Fall allein die Höhe der von den Klägern geltend gemachten Regelleistungen in den Monaten Januar bis Juni 2005 ohne Anrechnung der Erziehungsrente. Hinsichtlich der darin enthaltenen weiteren Regelungen betreffend der KdU sind die Bewilligungsbescheide nicht Gegenstand des Verfahrens geworden. Die Kläger haben in dem Erörterungstermin am 16. April 2008 vor dem SG den Streit ausdrücklich durch einen Teilvergleich auf die Regelleistungen beschränkt, indem sie vereinbart haben, dass die KdU zutreffend berechnet worden seien und der Streit nur um die Anrechnung der Erziehungsrente gehe. Nach der ständigen Rspr. des BSG besteht aufgrund der Dispositionsfreiheit der Kläger die Möglichkeit, Teilelemente durch Teilvergleich oder Teilanerkenntnis "unstreitig zu stellen" (BSG, 13.11.2008, B 14/7b AS 2/07 R (14); BSG, 19.10.2010, B 14 AS 23/10 R (12); BSG, 7.11.2006, B 7b AS 8/06 R, (22); BSG, 19.3.2008, B 11b AS 31/06 R (15) - Abzüge für Warmwasserbereitung; vgl. Eicher in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 40 Rn. 11). Die angefochtenen Bescheide sind daher, soweit sie nicht die Regelleistung betreffen, bestandskräftig geworden. Diese Verfügungssätze sind ungeprüft zu übernehmen (vgl. BSG, 3.3.2009, B 4 AS 38/08 R (22)).
Die Kläger von 1-3. waren alle leistungsberechtigt iSv § 7 Abs. 1, 2 SGB II in der im maßgeblichen Zeitraum geltenden Fassung. Sie hatten alle das 15. Lebensjahr, aber das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet, hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland und waren hilfebedürftig. Der Senat hat auch keine Zweifel, dass die Kläger erwerbsfähig im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB II gewesen sind.
Die Kläger zu 1. und 2. haben für den streitigen Zeitraum Anspruch auf die Regelleistung iHv jeweils 297,90 EUR gemäß § 20 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 SGB II. Für die Klägerin zu 3. besteht ein Anspruch auf Sozialgeld gemäß § 28 Abs. 1 SGB II iHv 80 vom Hundert der nach § 20 Abs. 2 maßgebenden Regelleistung, d.h. 264,80 EUR abzüglich des Kindergeldes iHv 154,00 EUR (110,80 EUR). Zu runden sind gemäß § 41 SGB II entgegen der Berechnung der Beklagten erst die Zahlbeträge (BSG, 10.5.2011, B 4 AS 100/07 R (37)). Hinzu kommen im Januar und Februar 2005 die bestandskräftig bewilligten KdU iHv 383,11 EUR. Damit ergibt sich ein Gesamtbedarf iHv 1.089,71 EUR; d.h. für die Kläger zu 1. und 2. ein Bedarf iHv 425,60 EUR und für die Klägerin zu 3. iHv 238,50 EUR. Das im Streitzeitraum vierjährige Enkelkind der Klägerin zu 2. D.-P. K. war nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, da es kein Kind der in § 7 Abs. 3 a)-c) genannten Personen war; sein Bedarf bleibt unberücksichtigt.
Der Gesamtbedarf änderte sich im April 2005 aufgrund der Erhöhung der KdU auf 380,25 EUR geringfügig (Bedarf der Kläger zu 1. und 2 jeweils 424,65 EUR und für die Klägerin zu 3. 391,55 EUR.
Auf diesen Bedarf ist gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II das von der Klägerin zu 2. bezogene Einkommen anzurechnen; dies erfasst nach dem klaren Wortlaut dieser Vorschrift auch den Bedarf des Klägers zu 1.
Die Klägerin zu 2. hat in den Monaten Januar und Februar 2005 Kindergeld für ihr nicht in der Bedarfsgemeinschaft lebendes Kind K. iHv 154,00 EUR erhalten. Dieses ist nach § 11 Abs. 1 Satz 2, 3 SGB II als Einkommen der Klägerin zu 2. zu berücksichtigen (BSG, 23.11.2006, B 11b AS 1/06 (33, 34)). Das Kindergeld für die Klägerin zu 3. ist dagegen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II bei dieser und nicht bei der Klägerin zu 2. als Einkommen zu berücksichtigen.
Weiterhin ist bei der Klägerin zu 2. die Erziehungsrente iHv 898,09 EUR anzurechnen. Diese stellt insbesondere keine zweckbestimmte Einnahme iS des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II dar. Eine Leistung ist dann zweckbestimmt in diesem Sinne, wenn ihr vom Gesetzgeber erkennbar eine bestimmte Zweckrichtung beigemessen ist, die im Fall der Anrechnung der Leistung nach dem SGB II zu einer Zweckvereitelung führen würde; die Vorschrift soll aber auch verhindern, dass für einen identischen Zweck Doppelleistungen erbracht werden (vgl. BSG, 6.12.2007, B 14/7b AS 16/06 R (15) m.w.N.). Entgegen der Auffassung des SG muss sich eine gegenüber dem SGB II abweichende Zweckbestimmung unmittelbar aus dem Gesetz ergeben (BSG, 17.3.2009, B 14 AS 62/07 (25)).
Die Erziehungsrente nach § 47 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) ist nach ganz herrschender Meinung keine Leistung zur Erziehung eines Kindes oder Jugendlichen, sondern dient wie die Regelleistung nach dem SGB II der Sicherung des Lebensunterhalts (LSG Sachsen, 9.5.2003, L 2 AL 123/02 (20); LSG Berlin-Brandenburg, 8.8.2006, L 18 B 641/06 AS ER (4); LSG Bayern, 23.9.2005, L 7 AS 10/05 (29); Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11 Rn. 659 m.w.N; Hohm/Klaus, SGB II, § 11 Rn. 119; vgl. zur früheren Rechtslage bei der Arbeitslosenhilfe BSG, 29.6.2000, B 11 AL 85/99 R (18)).
Gemäß § 47 SGB VI hat der überlebende Ehegatte, der nicht wieder geheiratet hat, bei Erziehung eines Kindes einen eigenen Rentenanspruch, wenn er bis zum Tode des geschiedenen Ehegatten die allgemeine Wartezeit erfüllt hatte. Die Vorschrift dient nach der insoweit überzeugenden Ansicht des Rentensenats des Bayerischen LSG der Sicherung des Unterhalts, wenn der überlebende geschiedene Ehegatte wegen Kindererziehung nicht erwerbstätig sein kann (30.9.2009, L 1 R 204/09 (40); siehe auch die Rentenrechts-Kommentare Kreikebohm in Beckonline-Kommentar, § 47 SGB VI Rn. 2; Böhlken in JurisPK-SGB VI § 47 Rn. 12; Kamprad in Hauck/Noftz, SGB VI, § 47 Rn. 1). Denn soweit nach einer Scheidung einer der Ehegatten ein gemeinschaftliches Kind zu betreuen hat, steht ihm nach Maßgabe von § 1570 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in vielen Fällen dem Grunde nach ein Unterhaltsanspruch gegen den anderen Ehegatten zu. Stirbt dieser, kann der das Kind betreuende Ehegatte unter den relativ leicht zu erfüllenden Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 SGB VI in den Genuss einer Erziehungsrente kommen (Bayerisches LSG, a.a.O. (41)).
Die Erziehungsrente zählt wie die Hinterbliebenenrenten zu den Renten wegen Todes (§ 33 Abs. 3 SGB VI), die wie diese typischerweise den Verlust eines Unterhaltszahlers ausgleichen. Dem steht nicht entgegen, dass es sich um eine Rente aus eigener Versicherung handelt (§ 66 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI), da auch diese das Risiko des Verlustes eines Unterhaltszahlers abdecken kann. Diese Zuordnung ist rentenrechtlich schlüssig, da durch die Scheidung der Anknüpfungspunkt an die Rentenansprüche des ehemaligen Ehegatten verloren gegangen ist; aus Sicht des SGB II ist dies aber für die Bewertung unerheblich, da sowohl Hinterbliebenenrenten als auch Renten aus eigener Versicherung dem Lebensunterhalt dienen. Insoweit wäre es besonders zu begründen, wenn eine einzige Rente nach dem SGB VI im Gegensatz zu den übrigen nicht dem Unterhalt dienen sollte.
Dem Gedanken der Kompensation von Unterhaltsansprüchen und der Regelung bei Witwen-/Witwerrenten entsprechend entfällt die Erziehungsrente, wenn der Versicherte erneut heiratet und so neue (potentielle) Unterhaltsansprüche erwirbt. Ebenso folgerichtig entfällt die Erziehungsrente gemäß § 89 SGB VI, wenn für denselben Zeitraum Anspruch auf eine gleich hohe Rente wegen Alters oder voller Erwerbsminderung besteht. Dies zeigt deutlich, dass die Erziehungsrente nicht die Ausgaben abdecken soll, die der Erziehung dienen, sondern ungeachtet der familiären Situation wie die Rente wegen voller Erwerbsminderung oder die Altersrente dem allgemeinen Lebensunterhalt dient. Dies bestätigt auch der gleiche Rentenartfaktor für Altersrente, Rente wegen voller Erwerbsminderung und Erziehungsrente (vgl. § 67 SGB VI). Konsequent wird Erwerbseinkommen gemäß § 97 SGB VI angerechnet (vgl. LSG Baden-Württemberg, 11.9.1997, L 12 AR 4021/96, Juris; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11 Rn. 660). Bei Erreichen der Regelaltersgrenze entfällt die Erziehungsrente nach § 47 SGB VI generell. Schließlich nennt § 18 a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch die Erziehungsrente auch "Erwerbsersatzeinkommen".
Der Umstand, dass grundlegend für den Bezug einer Erziehungsrente die Erziehung eines Kindes ist, ändert hieran nichts. Denn dies ist auch Voraussetzung für den Bezug einer großen Witwenrente nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI. Dort ist ebenfalls deutlich, dass insoweit keine Mehrbelastungen für ein Kind ausgeglichen werden sollen, da nach § 46 Abs. 2 Nrn. 2, 3 SGB VI alternativ für den Bezug dieser Witwenrente auch die Vollendung des 47. Lebensjahres oder das Vorliegen einer Erwerbsminderung genügt.
Insoweit hat die Erziehungsrente eine andere Funktion als Kinderbetreuungszuschläge gemäß § 14b BAföG (vgl. Durchführungsanweisung der Bundesagentur für Arbeit 11.102a zu § 11), Pflegegeld, Elterngeld oder unter Umständen ein Erziehungshonorar (vgl. BSG, 1.7.2009, B 4 AS 9/09 R, juris).
Von der anzurechnenden Erziehungsrente iHv 985,83 EUR brutto sind gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II in der vom 1. Januar bis 30. September 2005 gültigen Fassung die Pflichtbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung iHv 87,74 EUR abzuziehen. Ferner hat der Beklagte korrekt einen Pauschbetrag für Versicherungen iHv 30,00 EUR/Monat gemäß § 3 Nr. 1 Alg II-V abgezogen. Andere abzugsfähige Beträge sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Ein Freibetrag nach § 30 SGB II war nicht abzuziehen (BSG, 30.9.2008, B 4 AS 57/06 (33)). Damit ergibt sich insoweit ein berücksichtigungsfähiges Einkommen von 868,09 EUR.
Für die Monate Januar und Februar 2005 ist zusätzlich das Kindergeld für das Kind K. iHv 154,00 EUR als Einkommen anzurechnen. Damit ergibt sich insgesamt bei der Klägerin zu 2. ein berücksichtigungsfähiges Einkommen iHv 1.022,09 EUR; bei der Klägerin zu 3. ist das Kindergeld iHv 154,00 EUR vorab vom Bedarf abzuziehen. Das verbleibende Einkommen ist verhältnismäßig zum Bedarf aufzuteilen (§ 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II; siehe dazu oben).
Damit ist bei den Klägern zu 1. und 2. jeweils für Januar und Februar 2005 ein Einkommen von 399,19 EUR abzuziehen. Für die Kläger zu 1. und 2. ergibt sich damit für Januar und Februar 2005 ein Bedarf iHv 26,41 EUR, d.h. nach Rundung gemäß § 41 Abs. 2 SGB II iHv 26,00 EUR. Bei der Klägerin zu 3. ist ein Einkommen iHv 223,70 EUR und ein Bedarf von 14,79 EUR und damit unter Beachtung der Rundungsvorschrift von 15,00 EUR zu berücksichtigen. Während die erstgenannten damit nach dem Bescheid vom 4. Mai 2005 sogar mehr Leistungen (26,57 EUR bzw. 26,56 EUR) erhalten haben als ihnen zustanden, ergibt sich für die Klägerin zu 3. (festgesetzte Leistung 14,89 EUR) eine Nachzahlung iHv 0,11 EUR. Unerheblich ist, dass die Bedarfsgemeinschaft als solche insgesamt höhere Leistungen erhalten hat, da es sich bei den Ansprüchen nach dem SGB II um Individualansprüche handelt (BSG, 18.6.2008, B 14 AS 55/07 R (27-29)). Auch eine Saldierung innerhalb der verschiedenen Monate eines Bewilligungsabschnitts ist unzulässig (BSG, 5.9.2007, B 11b AS 15/06 R (42)).
Wegen des Wegfalls des Kindergeldes zum März 2005 erhöhte sich dieser Betrag auf jeweils 87,00 EUR für die Kläger zu 1. und 2. und 49,00 EUR für die Klägerin zu 3. Damit haben die erstgenannten gemäß dem Bescheid vom 30. September 2005 weniger Leistungen (86,70 EUR) erhalten als ihnen zustanden; sie haben jeweils Anspruch auf eine Nachzahlung iHv 0,30 EUR. Ferner ergibt sich für die Klägerin zu 3. (festgesetzte Leistung 48,62 EUR) eine Nachzahlung iHv 0,38 EUR.
Wegen der unstreitigen und bestandskräftig festgestellten Änderung der KdU auf 380,25 EUR/Monat für den übrigen streitigen Zeitraum von April bis einschließlich Juni 2005 verändert sich dieser Betrag auf jeweils 85,00 EUR für die Kläger zu 1. und 2. und 48,00 EUR für die Klägerin zu 3. Während die erstgenannten damit in den Bescheiden vom 30. September 2005 und 11. Oktober 2005 sogar mehr Leistungen (85,62 EUR) erhalten haben als es ihnen zustand, ergibt sich für die Klägerin zu 3. (festgesetzte Leistung 47,92 EUR) eine Nachzahlung iHv 0,08 EUR/Monat.
Damit haben Anspruch auf eine Nachzahlung die Klägerin zu 3. iHv insgesamt 0,84 EUR und für März 2005 die Kläger zu 1. und 2. iHv jeweils 0,30 EUR. Nur insoweit waren die Bescheide des Beklagten rechtswidrig und zu korrigieren.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Das Obsiegen der Kläger ist im Verhältnis zu ihrem Unterliegen so gering, dass es bei der Frage der Kostenentscheidung zu vernachlässigen ist.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Erziehungsrente nach § 47 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) als Einkommen bei der Berechnung der Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu berücksichtigen ist.
Der 1964 geborene Kläger zu 1. lebte im streitigen Zeitraum in der Zeit von Januar bis Juni 2005 mit seiner 1960 geborenen Lebensgefährtin (Klägerin zu 2.) sowie mit deren am ... 1989 geborenen Tochter (Klägerin zu 3.) sowie dem Enkel seiner Lebensgefährtin D.-P. K. (geboren am 2001) in einer Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft zusammen. Der Klägerin zu 2. ist das alleinige Sorgerecht für D.-P. K. übertragen worden. Sie bezog im streitigen Zeitraum eine Erziehungsrente iHv 985,83 EUR brutto und nach Abzug der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von 898,09 EUR. Weiter erhielt sie im gesamten streitigen Zeitraum Kindergeld für die Klägerin zu 3. und ihren Enkel D.-P. K. sowie in den Monaten Januar und Februar 2005 Kindergeld für ihr nicht in der Bedarfsgemeinschaft lebendes Kind Kathrin iHv jeweils 154,00 EUR/Monat.
Mit Bescheid vom 20. Dezember 2004 bewilligte die Rechtsvorgängerin des Beklagten den Klägern als Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum von Januar bis April 2005 iHv insgesamt 106,94 EUR/Monat. Mit Bescheid vom 10. Januar 2005 reduzierte sie diese auf 68,02 EUR/Monat, weil sie von geringeren Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) iHv nun 380,25 EUR ausging. Diese Bewilligung wiederholte sie mit Bescheid vom 4. Mai 2005 und setzte zugleich die Leistungen wegen einer weiteren Veränderung der KdU für April 2005 auf 65,16 EUR und in gleicher Höhe für die Monate Mai und Juni 2005 fest, um dann mit zwei Bescheiden vom 30. September 2005 die Leistungen wegen des Wegfalls des Kindergeldes auf 222,02 EUR für den Monat März 2005 sowie auf 219,16 EUR für den Monat April 2005 zu erhöhen. Mit Bescheid vom 11. Oktober 2005 setzte sie schließlich für Mai und Juni 2005 ebenfalls den Betrag von 219,16 EUR/Monat fest. Als Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft wurden stets nur die Kläger zu 1.-3. aufgeführt. Auf die Kläger zu 1. und 2. entfielen Regelleistungen iHv jeweils 298,00 EUR; für die Klägerin zu 3. wurde der Regelsatz für Kinder ab Beginn des 15. Lebensjahres bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres iHv 265,00 EUR zu Grunde gelegt. Damit ergab sich ein Gesamtbedarf für die Regelleistungen iHv 861,00 EUR. Weiterhin wurde bei der Klägerin zu 2. die Erziehungsrente iHv 889,09 EUR unter Berücksichtigung eines Freibetrages von 30,00 EUR angerechnet. Ferner wurde bei der Klägerin zu 3. das Kindergeld iHv 154,00 EUR berücksichtigt. Das Kindergeld für den Enkel D.-P. K. wurde ebenfalls nicht als Einkommen der Klägerin zu 2. angesehen, sondern als Einkommen dieses Kindes. Damit errechnete sich ein zu berücksichtigendes Gesamteinkommen iHv 1.022,09 EUR.
Bereits gegen den Bescheid vom 20. Dezember 2004 legte der Kläger zu 1. Widerspruch ein. Er habe gegenüber der Klägerin zu 2. und deren Tochter keinen rechtlich durchsetzbaren Unterhaltsanspruch, so dass eine Anrechnung des Einkommens nicht möglich sei. Selbst wenn es möglich wäre, sei die volle Anrechnung des Einkommens und insbesondere der Erziehungsrente rechtswidrig. Denn insoweit handele es sich um privilegiertes Einkommen im Sinne von § 11 SGB II. Rechtswidrig sei weiterhin die unterbliebene Einbeziehung des Enkels D.-P. K ... Dieser lebe auf Dauer bei der Klägerin zu 2. Am 19. Mai 2005 erweiterte er seinen Widerspruch auch hinsichtlich des mit Bescheid vom 4. Mai 2005 neu erfassten Zeitraumes für die Monate Mai und Juni 2005.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2005 wies der Rechtsvorgänger des Beklagten nach Erlass der erwähnten Änderungsbescheide den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er unter anderem aus, D.-P. K. sei als vierjähriges Kind erwerbsunfähig. Er gehöre nicht zur Bedarfsgemeinschaft. Er bilde mit dem Kläger zu 1. lediglich eine Haushaltsgemeinschaft. Dieser habe lediglich Anspruch nach dem Zweiten Kapitel des Zwölften Sozialgesetzbuches (SGB XII). Die Berechnungen unter Anrechnung der Erziehungsrente seien rechtmäßig.
Gegen den am 18. Oktober 2005 zugegangenen Widerspruchsbescheid hat der Kläger zu 1. am 18. November 2005 Klage am Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben. Auf Nachfrage des SG haben die Klägerinnen zu 2. und 3. den Prozessbevollmächtigten des Klägers zu 1. ebenfalls mit der Vertretung beauftragt.
In einem Erörterungstermin am 16. April 2008 haben die Beteiligten ausdrücklich einen "Teilvergleich" dahingehend geschlossen, dass die KdU von dem Beklagten zutreffend berechnet worden seien und der Enkel D.-P. K. nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehöre. Die Beteiligten seien sich darüber einig, dass im Streit ausschließlich die Frage der Berücksichtigung der Erziehungsrente als Einkommen bleibe.
Mit Urteil vom 4. Juli 2008 hat das SG den Beklagten verpflichtet, Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe ohne Anrechnung der Erziehungsrente zu gewähren. Die Berücksichtigung der Erziehungsrente als Einkommen sei rechtswidrig, da diese zum sogenannten privilegierten Einkommen zähle. Zwar habe das Bundessozialgericht entschieden, dass die Erziehungsrente nicht zu den privilegierten Einnahmen nach § 138 Abs. 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) gehöre. Diese Entscheidungen könnten jedoch nicht auf den Regelungsbereich des SGB II übertragen werden. Es handele sich um eine zweckbestimmte Einnahme. Es sei nicht erforderlich, dass diese Zweckbestimmung ausdrücklich im leistungsgewährenden Gesetz genannt werde. Die Erziehungsrente solle gewährleisten, dass der geschiedene Ehegatte nach dem Tode des Versicherten nicht gezwungen werde, der Interessenlage des gemeinsamen Kindes zuwider zur Sicherung seines eigenen Unterhaltes einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Es handele sich nicht um eine Rente aus abgeleitetem Recht (aus der Versicherung des geschiedenen Ehegatten), sondern um eine Rente aus eigener Versicherung.
Gegen die ihr am 18. August 2008 zugestellte Entscheidung hat der Beklagte am 1. September 2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er vorgetragen, Sinn und Zweck der Regelung des § 47 SGB VI sei es gewesen, die durch den Wegfall des Anspruchs auf Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des Verstorbenen (des geschiedenen Ehegatten) entstandene Versorgungslücke zu schließen und einen Ausgleich für den durch dessen Tod weggefallenen Unterhaltsanspruch zu schaffen. Wie das SG insoweit zutreffend ausführe, sei diese keine Rente aus abgeleitetem Recht, sondern eine Rente aus eigener Versicherung. Daraus ergebe sich zunächst, dass es sich bei der Erziehungsrente ausschließlich um Einkommen der Klägerin zu 2. handele. Sie diene anstelle der Unterhaltszahlung des Verstorbenen der Bestreitung des Lebensunterhaltes der Mutter. Dem Kind komme dies nur mittelbar über die der Mutter ermöglichte Freizeit zugute. Hinsichtlich der Klägerin zu 2. sei ihr ausschließlicher Zweck, ihren Lebensunterhalt zu sichern. Daraus folge eine Zweckidentität mit der begehrten Leistung nach dem SGB II.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden. Sie ist auch statthaft iSv § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der ab dem zum 1. April 2008 geltenden Fassung. Danach ist die Berufung ohne Weiteres zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR übersteigt. Dies ist bei der Anrechnung der monatlich gezahlten Erziehungsrente iHv 889,09 EUR für einen Zeitraum von sechs Monaten offensichtlich der Fall.
Der Umstand, dass die Klägerinnen zu 2. und 3. vom SG nicht ins Rubrum aufgenommen worden waren, steht einer Sachentscheidung nicht entgegen; auch sie waren von Anfang an Kläger (vgl. BSG, 7.11.2006, B 7b AS 8/06 R (11-16)), wie auch schon das SG und der Senat klargestellt haben.
Die Berufung ist ganz überwiegend begründet. Das SG hat der Klage im Wesentlichen zu Unrecht stattgegeben. Denn die angefochtenen Bescheide vom 20. Dezember 2004, 10. Januar 2005, 4. Mai 2005, 30. September 2005 sowie vom 11. Oktober 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 2005 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger - abgesehen von geringfügigen Rundungsfehlern - nicht in ihren Rechten.
Streitgegenständlich ist im vorliegenden Fall allein die Höhe der von den Klägern geltend gemachten Regelleistungen in den Monaten Januar bis Juni 2005 ohne Anrechnung der Erziehungsrente. Hinsichtlich der darin enthaltenen weiteren Regelungen betreffend der KdU sind die Bewilligungsbescheide nicht Gegenstand des Verfahrens geworden. Die Kläger haben in dem Erörterungstermin am 16. April 2008 vor dem SG den Streit ausdrücklich durch einen Teilvergleich auf die Regelleistungen beschränkt, indem sie vereinbart haben, dass die KdU zutreffend berechnet worden seien und der Streit nur um die Anrechnung der Erziehungsrente gehe. Nach der ständigen Rspr. des BSG besteht aufgrund der Dispositionsfreiheit der Kläger die Möglichkeit, Teilelemente durch Teilvergleich oder Teilanerkenntnis "unstreitig zu stellen" (BSG, 13.11.2008, B 14/7b AS 2/07 R (14); BSG, 19.10.2010, B 14 AS 23/10 R (12); BSG, 7.11.2006, B 7b AS 8/06 R, (22); BSG, 19.3.2008, B 11b AS 31/06 R (15) - Abzüge für Warmwasserbereitung; vgl. Eicher in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 40 Rn. 11). Die angefochtenen Bescheide sind daher, soweit sie nicht die Regelleistung betreffen, bestandskräftig geworden. Diese Verfügungssätze sind ungeprüft zu übernehmen (vgl. BSG, 3.3.2009, B 4 AS 38/08 R (22)).
Die Kläger von 1-3. waren alle leistungsberechtigt iSv § 7 Abs. 1, 2 SGB II in der im maßgeblichen Zeitraum geltenden Fassung. Sie hatten alle das 15. Lebensjahr, aber das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet, hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland und waren hilfebedürftig. Der Senat hat auch keine Zweifel, dass die Kläger erwerbsfähig im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB II gewesen sind.
Die Kläger zu 1. und 2. haben für den streitigen Zeitraum Anspruch auf die Regelleistung iHv jeweils 297,90 EUR gemäß § 20 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 SGB II. Für die Klägerin zu 3. besteht ein Anspruch auf Sozialgeld gemäß § 28 Abs. 1 SGB II iHv 80 vom Hundert der nach § 20 Abs. 2 maßgebenden Regelleistung, d.h. 264,80 EUR abzüglich des Kindergeldes iHv 154,00 EUR (110,80 EUR). Zu runden sind gemäß § 41 SGB II entgegen der Berechnung der Beklagten erst die Zahlbeträge (BSG, 10.5.2011, B 4 AS 100/07 R (37)). Hinzu kommen im Januar und Februar 2005 die bestandskräftig bewilligten KdU iHv 383,11 EUR. Damit ergibt sich ein Gesamtbedarf iHv 1.089,71 EUR; d.h. für die Kläger zu 1. und 2. ein Bedarf iHv 425,60 EUR und für die Klägerin zu 3. iHv 238,50 EUR. Das im Streitzeitraum vierjährige Enkelkind der Klägerin zu 2. D.-P. K. war nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, da es kein Kind der in § 7 Abs. 3 a)-c) genannten Personen war; sein Bedarf bleibt unberücksichtigt.
Der Gesamtbedarf änderte sich im April 2005 aufgrund der Erhöhung der KdU auf 380,25 EUR geringfügig (Bedarf der Kläger zu 1. und 2 jeweils 424,65 EUR und für die Klägerin zu 3. 391,55 EUR.
Auf diesen Bedarf ist gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II das von der Klägerin zu 2. bezogene Einkommen anzurechnen; dies erfasst nach dem klaren Wortlaut dieser Vorschrift auch den Bedarf des Klägers zu 1.
Die Klägerin zu 2. hat in den Monaten Januar und Februar 2005 Kindergeld für ihr nicht in der Bedarfsgemeinschaft lebendes Kind K. iHv 154,00 EUR erhalten. Dieses ist nach § 11 Abs. 1 Satz 2, 3 SGB II als Einkommen der Klägerin zu 2. zu berücksichtigen (BSG, 23.11.2006, B 11b AS 1/06 (33, 34)). Das Kindergeld für die Klägerin zu 3. ist dagegen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II bei dieser und nicht bei der Klägerin zu 2. als Einkommen zu berücksichtigen.
Weiterhin ist bei der Klägerin zu 2. die Erziehungsrente iHv 898,09 EUR anzurechnen. Diese stellt insbesondere keine zweckbestimmte Einnahme iS des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II dar. Eine Leistung ist dann zweckbestimmt in diesem Sinne, wenn ihr vom Gesetzgeber erkennbar eine bestimmte Zweckrichtung beigemessen ist, die im Fall der Anrechnung der Leistung nach dem SGB II zu einer Zweckvereitelung führen würde; die Vorschrift soll aber auch verhindern, dass für einen identischen Zweck Doppelleistungen erbracht werden (vgl. BSG, 6.12.2007, B 14/7b AS 16/06 R (15) m.w.N.). Entgegen der Auffassung des SG muss sich eine gegenüber dem SGB II abweichende Zweckbestimmung unmittelbar aus dem Gesetz ergeben (BSG, 17.3.2009, B 14 AS 62/07 (25)).
Die Erziehungsrente nach § 47 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) ist nach ganz herrschender Meinung keine Leistung zur Erziehung eines Kindes oder Jugendlichen, sondern dient wie die Regelleistung nach dem SGB II der Sicherung des Lebensunterhalts (LSG Sachsen, 9.5.2003, L 2 AL 123/02 (20); LSG Berlin-Brandenburg, 8.8.2006, L 18 B 641/06 AS ER (4); LSG Bayern, 23.9.2005, L 7 AS 10/05 (29); Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11 Rn. 659 m.w.N; Hohm/Klaus, SGB II, § 11 Rn. 119; vgl. zur früheren Rechtslage bei der Arbeitslosenhilfe BSG, 29.6.2000, B 11 AL 85/99 R (18)).
Gemäß § 47 SGB VI hat der überlebende Ehegatte, der nicht wieder geheiratet hat, bei Erziehung eines Kindes einen eigenen Rentenanspruch, wenn er bis zum Tode des geschiedenen Ehegatten die allgemeine Wartezeit erfüllt hatte. Die Vorschrift dient nach der insoweit überzeugenden Ansicht des Rentensenats des Bayerischen LSG der Sicherung des Unterhalts, wenn der überlebende geschiedene Ehegatte wegen Kindererziehung nicht erwerbstätig sein kann (30.9.2009, L 1 R 204/09 (40); siehe auch die Rentenrechts-Kommentare Kreikebohm in Beckonline-Kommentar, § 47 SGB VI Rn. 2; Böhlken in JurisPK-SGB VI § 47 Rn. 12; Kamprad in Hauck/Noftz, SGB VI, § 47 Rn. 1). Denn soweit nach einer Scheidung einer der Ehegatten ein gemeinschaftliches Kind zu betreuen hat, steht ihm nach Maßgabe von § 1570 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in vielen Fällen dem Grunde nach ein Unterhaltsanspruch gegen den anderen Ehegatten zu. Stirbt dieser, kann der das Kind betreuende Ehegatte unter den relativ leicht zu erfüllenden Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 SGB VI in den Genuss einer Erziehungsrente kommen (Bayerisches LSG, a.a.O. (41)).
Die Erziehungsrente zählt wie die Hinterbliebenenrenten zu den Renten wegen Todes (§ 33 Abs. 3 SGB VI), die wie diese typischerweise den Verlust eines Unterhaltszahlers ausgleichen. Dem steht nicht entgegen, dass es sich um eine Rente aus eigener Versicherung handelt (§ 66 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI), da auch diese das Risiko des Verlustes eines Unterhaltszahlers abdecken kann. Diese Zuordnung ist rentenrechtlich schlüssig, da durch die Scheidung der Anknüpfungspunkt an die Rentenansprüche des ehemaligen Ehegatten verloren gegangen ist; aus Sicht des SGB II ist dies aber für die Bewertung unerheblich, da sowohl Hinterbliebenenrenten als auch Renten aus eigener Versicherung dem Lebensunterhalt dienen. Insoweit wäre es besonders zu begründen, wenn eine einzige Rente nach dem SGB VI im Gegensatz zu den übrigen nicht dem Unterhalt dienen sollte.
Dem Gedanken der Kompensation von Unterhaltsansprüchen und der Regelung bei Witwen-/Witwerrenten entsprechend entfällt die Erziehungsrente, wenn der Versicherte erneut heiratet und so neue (potentielle) Unterhaltsansprüche erwirbt. Ebenso folgerichtig entfällt die Erziehungsrente gemäß § 89 SGB VI, wenn für denselben Zeitraum Anspruch auf eine gleich hohe Rente wegen Alters oder voller Erwerbsminderung besteht. Dies zeigt deutlich, dass die Erziehungsrente nicht die Ausgaben abdecken soll, die der Erziehung dienen, sondern ungeachtet der familiären Situation wie die Rente wegen voller Erwerbsminderung oder die Altersrente dem allgemeinen Lebensunterhalt dient. Dies bestätigt auch der gleiche Rentenartfaktor für Altersrente, Rente wegen voller Erwerbsminderung und Erziehungsrente (vgl. § 67 SGB VI). Konsequent wird Erwerbseinkommen gemäß § 97 SGB VI angerechnet (vgl. LSG Baden-Württemberg, 11.9.1997, L 12 AR 4021/96, Juris; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11 Rn. 660). Bei Erreichen der Regelaltersgrenze entfällt die Erziehungsrente nach § 47 SGB VI generell. Schließlich nennt § 18 a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch die Erziehungsrente auch "Erwerbsersatzeinkommen".
Der Umstand, dass grundlegend für den Bezug einer Erziehungsrente die Erziehung eines Kindes ist, ändert hieran nichts. Denn dies ist auch Voraussetzung für den Bezug einer großen Witwenrente nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI. Dort ist ebenfalls deutlich, dass insoweit keine Mehrbelastungen für ein Kind ausgeglichen werden sollen, da nach § 46 Abs. 2 Nrn. 2, 3 SGB VI alternativ für den Bezug dieser Witwenrente auch die Vollendung des 47. Lebensjahres oder das Vorliegen einer Erwerbsminderung genügt.
Insoweit hat die Erziehungsrente eine andere Funktion als Kinderbetreuungszuschläge gemäß § 14b BAföG (vgl. Durchführungsanweisung der Bundesagentur für Arbeit 11.102a zu § 11), Pflegegeld, Elterngeld oder unter Umständen ein Erziehungshonorar (vgl. BSG, 1.7.2009, B 4 AS 9/09 R, juris).
Von der anzurechnenden Erziehungsrente iHv 985,83 EUR brutto sind gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II in der vom 1. Januar bis 30. September 2005 gültigen Fassung die Pflichtbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung iHv 87,74 EUR abzuziehen. Ferner hat der Beklagte korrekt einen Pauschbetrag für Versicherungen iHv 30,00 EUR/Monat gemäß § 3 Nr. 1 Alg II-V abgezogen. Andere abzugsfähige Beträge sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Ein Freibetrag nach § 30 SGB II war nicht abzuziehen (BSG, 30.9.2008, B 4 AS 57/06 (33)). Damit ergibt sich insoweit ein berücksichtigungsfähiges Einkommen von 868,09 EUR.
Für die Monate Januar und Februar 2005 ist zusätzlich das Kindergeld für das Kind K. iHv 154,00 EUR als Einkommen anzurechnen. Damit ergibt sich insgesamt bei der Klägerin zu 2. ein berücksichtigungsfähiges Einkommen iHv 1.022,09 EUR; bei der Klägerin zu 3. ist das Kindergeld iHv 154,00 EUR vorab vom Bedarf abzuziehen. Das verbleibende Einkommen ist verhältnismäßig zum Bedarf aufzuteilen (§ 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II; siehe dazu oben).
Damit ist bei den Klägern zu 1. und 2. jeweils für Januar und Februar 2005 ein Einkommen von 399,19 EUR abzuziehen. Für die Kläger zu 1. und 2. ergibt sich damit für Januar und Februar 2005 ein Bedarf iHv 26,41 EUR, d.h. nach Rundung gemäß § 41 Abs. 2 SGB II iHv 26,00 EUR. Bei der Klägerin zu 3. ist ein Einkommen iHv 223,70 EUR und ein Bedarf von 14,79 EUR und damit unter Beachtung der Rundungsvorschrift von 15,00 EUR zu berücksichtigen. Während die erstgenannten damit nach dem Bescheid vom 4. Mai 2005 sogar mehr Leistungen (26,57 EUR bzw. 26,56 EUR) erhalten haben als ihnen zustanden, ergibt sich für die Klägerin zu 3. (festgesetzte Leistung 14,89 EUR) eine Nachzahlung iHv 0,11 EUR. Unerheblich ist, dass die Bedarfsgemeinschaft als solche insgesamt höhere Leistungen erhalten hat, da es sich bei den Ansprüchen nach dem SGB II um Individualansprüche handelt (BSG, 18.6.2008, B 14 AS 55/07 R (27-29)). Auch eine Saldierung innerhalb der verschiedenen Monate eines Bewilligungsabschnitts ist unzulässig (BSG, 5.9.2007, B 11b AS 15/06 R (42)).
Wegen des Wegfalls des Kindergeldes zum März 2005 erhöhte sich dieser Betrag auf jeweils 87,00 EUR für die Kläger zu 1. und 2. und 49,00 EUR für die Klägerin zu 3. Damit haben die erstgenannten gemäß dem Bescheid vom 30. September 2005 weniger Leistungen (86,70 EUR) erhalten als ihnen zustanden; sie haben jeweils Anspruch auf eine Nachzahlung iHv 0,30 EUR. Ferner ergibt sich für die Klägerin zu 3. (festgesetzte Leistung 48,62 EUR) eine Nachzahlung iHv 0,38 EUR.
Wegen der unstreitigen und bestandskräftig festgestellten Änderung der KdU auf 380,25 EUR/Monat für den übrigen streitigen Zeitraum von April bis einschließlich Juni 2005 verändert sich dieser Betrag auf jeweils 85,00 EUR für die Kläger zu 1. und 2. und 48,00 EUR für die Klägerin zu 3. Während die erstgenannten damit in den Bescheiden vom 30. September 2005 und 11. Oktober 2005 sogar mehr Leistungen (85,62 EUR) erhalten haben als es ihnen zustand, ergibt sich für die Klägerin zu 3. (festgesetzte Leistung 47,92 EUR) eine Nachzahlung iHv 0,08 EUR/Monat.
Damit haben Anspruch auf eine Nachzahlung die Klägerin zu 3. iHv insgesamt 0,84 EUR und für März 2005 die Kläger zu 1. und 2. iHv jeweils 0,30 EUR. Nur insoweit waren die Bescheide des Beklagten rechtswidrig und zu korrigieren.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Das Obsiegen der Kläger ist im Verhältnis zu ihrem Unterliegen so gering, dass es bei der Frage der Kostenentscheidung zu vernachlässigen ist.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage.
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