S 45 AS 3893/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
45
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 45 AS 3893/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte zu Recht die Gewährung von Unterkunftskosten auf einen von ihr als angemessen erachteten Betrag begrenzt hat.

Die am 23.12.19xx geborene Klägerin bewohnt seit dem 01.05.2007 eine nach eigenen Angaben 55 qm große Wohnung im Sch. 5 in E ... Als monatliche Unterkunftskosten hat die Klägerin entsprechend eines Mietvertrags vom 21.04.2007 290,00 Euro Grundmiete zuzüglich 80,00 Euro Betriebs- und 60,00 Heizkosten zu tragen. Nach Antragstellung am 01.04.2009 und Fortzahlungsantrag vom 27.05.2009 gewährte die Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung der Unterkunft nach dem Sozialge-setzbuch, 2. Buch (SGB II) zunächst bis einschließlich November 2009.

Mit Schreiben vom 29.07.2009 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass die leistungsrechtlich angemessenen Unterkunftskosten für eine allein stehende Person bei einer Grundmiete von 217,50 lägen. Die von der Klägerin zu leistende Grundmiete übersteige diesen Betrag um 72,50 Euro. Die Klägerin werde aufgefordert, die Unterkunftskosten zu senken, z.B. durch Untervermietung oder Umzug in eine preisgünstigere angemessene Wohnung. Der Klägerin werde eine Frist von 6 Monaten gesetzt bis zum 31.01.2010. Die Klägerin werde gebeten spätestens nach Ablauf einer Frist von 2 Monaten Nachweise über entsprechende Eigenbemühungen zu erbringen. Alle Möglichkeiten einer Wohnungssuche müssten intensiv ausgeschöpft werden. Erfolge nach Ablauf der 6-Monatsfrist von der Klägerin keine Reaktion, werde nach Aktenlage entschieden. Bis zum Ablauf der Frist würden zunächst die Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe berücksichtigt. Es wurde darauf hingewiesen, dass die unangemessenen Unterkunftskosten nur solange anzuerkennen seien, wie der Klägerin eine Änderung der Verhältnisse nicht möglich sei.

Nach Vorlage eines Bewilligungsbescheides der Bundesagentur für Arbeit vom 25.09.2009, hob die Beklagte am 23.12.2009 ihre Leistungsbewilligung für den Zeitraum 31.08.2008 bis 30.11.2009 wegen des Bezuges von Arbeitslosengeld I auf und forderte von der Klägerin die Erstattung der gewährten Leistungen. Bereits am 22.12.2009 - nach Ablauf ihres ALG I – Anspruchs – hatte die Klägerin erneut einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gestellt, welche die Beklagte für den Zeitraum 22.12.2009 bis 30.06.2010 unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unter-kunft gewährte. Nach Stellung des Fortzahlungsantrags am 16.06.2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin anschließend mit Bescheid vom 17.06.2010 Leistungen der Grundsicherung für den Zeitraum 01.07.2010 bis 31.12.2010. Anders als zuvor berücksichtigte die Beklagte jedoch nicht die tatsächlichen Kosten der Unterkunft, sondern nur Kosten der Unterkunft in einer monatlichen Gesamthöhe von 357,50 Euro.

Die Klägerin legte gegen den Bescheid vom 17.06.2010 am 13.07.2010 Widerspruch ein und machte geltend, sie sei bei Antragstellung Anfang Dezember nicht darauf hingewiesen worden, dass sie nach sechs Monaten umziehen müsse. Außerdem sei sie mitten in einer Umschulung und habe daher wenig Zeit eine neue Wohnung in kurzer Zeit zu finden. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.08.2010, abgesandt am 24.08.2010, wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass entgegen der Ansicht der Widerspruchsführerin ein erneuter Hinweis bei der Antragsabgabe am 22.12.2009 nicht notwendig gewesen sei, da in dem Schreiben vom 29.07.2009 die Folgen des erfolglosen Fristablaufs für die Klägerin eindeutig erkennbar gewesen seien. Weiterhin könne sich die Klägerin auch nicht auf die bevorstehende Zwischenprüfung zum 01.10.2010 berufen, da sie aufgrund der frühzeitigen Aufforderung zur Senkung der Unterkunftskosten vom 29.07.2009 genügend Zeit zur intensiven Wohnungssuche gehabt hätte. Der Leistungsträger orientiere sich bei der Beurteilung der angemessenen Unterkunftskosten hinsichtlich der Wohnungsgröße an den Richtwerten des Wohnungsbindungsgesetzes und hinsichtlich des Quadratmeterpreises am unteren Bereich des örtlichen Mietspiegels. § 22 SGB II lasse eine andere Entscheidung nicht zu. Die tatsächliche Kaltmiete betrage im vorliegenden Fall 290,00 Euro und liege damit 72,50 Euro über der Angemessenheitsgrenze.

Die Klägerin hat am 27.09.2010 Klage erhoben. Sie vertritt die Auffassung, dass sie im Rahmen der Antragstellung im Dezember 2009 erneut auf die von ihr geforderte Senkung der Unterkunftskosten hätte aufmerksam gemacht werden müssen. Tatsächlich sei zu keinem Zeitpunkt innerhalb der erneuten Leistungsbewilligung ab 22.12.2009 eine entsprechende Mitteilung von Seiten der Beklagten erfolgt.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Abänderung des Bescheides vom 17.06.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2010 für den Zeit-raum 01.07.2010 bis 31.12.2010 die tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf ihre Ausführungen im Rahmen des Widerspruchsbescheides.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Alle Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 17.06.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.08.2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Entgegen der Auffassung der Klägerin hat die Beklagte insbesondere zu Recht den für die Klägerin anzusetzenden Leistungsbedarf nicht (mehr) unter Berücksichtigung der tatsächlich der Klägerin entstehenden Unterkunftskosten, sondern unter Berücksichtigung einer angemessenen Nettokaltmiete in Höhe von 217,50 Euro berechnet.

Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II so lange zu berücksichtigen, wie es dem allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

Vorliegend übersteigen die Aufwendungen für die Unterkunft der Klägerin den angemessenen Umfang jedenfalls in der von der Beklagten in ihrer Bedarfsberechnung zugrunde gelegten Höhe.

Als unbestimmter Rechtsbegriff ist der Begriff der angemessenen Unterkunftskosten vollinhaltlich gerichtlich zu überprüfen, wobei die Kammer in Übereinstimmung mit dem Bundessozialgericht (vgl. BSG Urteil vom 07.11.2006, Az. B 7b AS 18/06 R) die Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II in drei Schritte unterteilt: Feststellung der für die Klägerin angemessenen Wohnungsgröße (I.), Feststellung der für die Klägerin abstrakt angemessenen Kosten der Unterkunft (II.) und Überprüfung, ob für die Klägerin Wohnraum zu den abstrakt angemessenen Kosten tatsächlich konkret verfügbar war (III.).

I. Die Kammer hält es in Übereinstimmung mit dem Bundessozialgericht für zutreffend, von einer angemessenen Wohnungsgröße bis zu 50 qm auszugehen. Der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts folgend ist bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche auf die für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau anerkannten Wohnungsgrößen abzustellen (vgl. BSG Urteil vom 07.11.2006, Az. B 7b AS 18/06 R, BSG Urteil vom 17.12.2009, Az. B 4 27/09 R). Entsprechend § 18 Abs. 2 des Gesetzes zur Förderung und Nutzung von Wohnraum für das Land Nordrhein-Westfalen vom 08.12.2009 (WFNG NRW) i.V.m. Punkt 8.2 der Wohnnutzungsbestimmungen (WNB, RdErl. d. Ministeriums für Bauen und Verkehr – IV. 5-619-1665/09 vom 12.12.2009) ist eine Wohnungsgröße von 50 qm für eine allein stehende Person als angemessen zugrunde zu legen. Soweit das Landessozialgericht Nordrhein - Westfalen in seinem Urteil vom 29.04.2010 (Az. L 9 AS 58/08) anders als die hier entscheidende Kammer die Anwendung der aktuellen landesrechtlichen Regelungen ablehnt, vermag die Kammer dieser Auffassung nicht zu folgen. Die vom Bundessozialgericht herangezogenen Bestimmungen für angemessene Wohnflächen im sozialen Mietwohnungsbau gewährleisten, dass die Auslegung des Begriffs der "Angemessenheit" im Sinne des § 22 SGB II im Gleichklang zu den landes- rechtlichen Bestimmungen des sozialen Wohnungsbaus stehen. Zwei verschiedene Angemessenheitsgrenzen, eine nach dem SGB II und einen nach dem WFNG, wären kaum zu rechtfertigen. Auslegung – insbesondere die Auslegung des von der Allgemeinheit zu tragenden, für einen Hilfebedürftigen angemessenen Wohnraums - steht immer im Kontext gesellschaftlicher und politischer Wertungen. Die Ankoppelung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 SGB II an die Bestimmungen des sozialen Wohnungsbaus gewährleistet, dass Veränderungen in der gesellschaftlichen und politischen Vorstellung, sobald diese in den landesrechtlichen Vorschriften zum Ausdruck gebracht werden, auch in die Auslegung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 SGB II einfließen. Ein statisches Verständnis des Begriffs der Angemessenheit und damit eine Abkoppelung des Angemessenheitsbegriffs von den sich verändernden landesrechtlichen Vorschriften ist weder von Seiten des Bundessozialgerichts gewollt noch überzeugend zu begründen.

Die von den Klägern tatsächlich genutzte Wohnung mit einer Wohnfläche von 55,00 qm überschreitet die der Klägerin als angemessen zuzubilligende Wohnfläche von 50,00 qm.

II. Die unangemessene Wohnungsgröße wäre zu vernachlässigen, wenn das Produkt aus angemessener Wohnfläche und den durch den Mietzins vermittelten angemessenem Wohnungsstandard angemessen wäre (sogenannte abstrakte Angemessenheit). Dies ist jedoch nach Auffassung der Kammer vorliegend nicht der Fall.

Die Kammer prüft die abstrakte Angemessenheit der Kosten der Unterkunft anhand des Produktes aus angemessener Wohnfläche und dem Wohnungsstandard, denn es ist - wie das Bundessozialgericht zu Recht ausgeführt hat - für die Frage der Angemessenheit der Unterkunftskosten nicht die Angemessenheit einzelner Faktoren wie Ausstattung, Lage etc. entscheidend, sondern die sich insgesamt aus diesen Faktoren ergebene Belastung des Grundsicherungsträgers (sog. Produkttheorie, vgl. BSG Urteil vom 07.11.2006, Az. B 7b AS 18/06 R). Bezüglich des Wohnungsstandards sind Aufwendungen für die Wohnung nur dann angemessen, wenn die Wohnung nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnungsstandard aufweist. Die Wohnung muss von daher hinsichtlich der aufgeführten Kriterien, die als Mietpreis bildende Faktoren regelmäßig im Quadratmeterpreis ihren Niederschlag finden, im unteren Segment der nach der Größe in Betracht kommenden Wohnungen in dem räumlichen Bezirk liegen, der den Vergleichsmaßstab bildet (vgl. BSG Urteile vom 07.11.2006, B 7b AS 10/06 R und B 7b AS 18/06 R). Räumlicher Vergleichsmaßstab ist dabei in erster Linie der Wohnort des Hilfebedürftigen, der im Hinblick auf dessen Größe durchaus unterschiedlich sein kann.

Vorliegend hält es die Kammer für sachgerecht, das Gebiet der Stadt Essen in den kommunalverfassungsrechtlichen Grenzen als räumlichen Vergleichsmaßstab zur Ermittlung des abstrakt angemessenen Quadratmeterpreises heranzuziehen. Dieses Vorgehen wurde für die Stadt Essen bereits vom Bundessozialgericht bestätigt (vgl. Urteil vom 17.12.2009, Az. B 4 AS 27/09 R). Nach der Rechtsprechung des Bundes-sozialgerichts muss es sich bei dem Vergleichsraum um einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung handeln, der auf Grund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnraum bildet (BSG Urteil vom 19.02.2009, Az. B 4 AS 30/08 R). Zu Recht hat das Landessozialgericht hierzu unter anderem festgestellt, dass der öffentliche Nahverkehr in Essen auf die Erreichbarkeit des Stadtkerns von allen Stadtteilen, auch solchen in Randlagen, ausgerichtet ist (vgl. LSG NW Urteil vom 16.02.2009, Az. L 19 AS 62/08). Trotz des relativ großen Vergleichsgebietes würde der Klägerin kein Umzug unter Aufgabe ihres sozialen Umfeldes zugemutet, denn durch das öffentliche Verkehrsnetz ist es möglich und zumutbar soziale Kontakte auch nach einem Umzug in ein relativ weit entferntes Stadtgebiet weiterhin aufrechtzuerhalten (LSG NRW Urteil vom 16.02.2009, L 19 AS 62/08).

Bei Heranziehung des Stadtgebietes der Stadt Essen als räumlichen Vergleichsmaßstab ist bei einem Ein-Personenhaushalt der von der Beklagten zu Grunde gelegte Wert von 217,50 Euro Nettokaltmiete – dies entspricht bei 50qm einem Qm-Preis von 4,35 Euro nicht zu beanstanden.

Für die Ermittlung des angemessenen Mietzinses hat das Bundessozialgericht ein Konzept gefordert, welches folgende Schlüssigkeitsanforderungen erfüllen muss (BSG Urteil vom 22.09.2009, Az. B 4 AS 18/09 R): • Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung), • es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen – Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße, • Angaben über den Beobachtungszeitraum, • Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung, • Repräsentativität des Umfangs der einbezogenen Daten, • Validität der Datenerhebung, • Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswer-tung und • Angaben über die gezogenen Schlüsse.

Die Kammer hält den nach § 558c Bürgerliches Gesetzbuch qualifizierten Essener Miet-spiegel – in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG Urteil vom 17.12.2009, Az. B 4 AS 27/09 R) für eine zulässige Grundlage eines sol-chen Konzeptes.

Der für den hier streitigen Zeitraum heranzuziehende Essener Mietspiegel 2009 stellt die Quadratmeterpreise als Produkt folgender Komponenten dar: Mietrichtwert, Wohnlage, Ausstattung und sonstige Gegebenheiten. Als Mietrichtwert (Tabelle 1 des Mietspiegels) ist die Kammer – wie bereits die von Seiten des BSG bestätigte Rechtsprechung (SG Duisburg Urteil vom 23.04.2008, Az. S 27 AS 154/07) von einem Wert von 5,64 ausgegangen. Dieser Wert ist der Durchschnittswert der sechs Mietrichtwerte für den Zeitraum 1912 bis 1984. Für die Wohnlage (Tabelle 2 des Mietspiegels) ist die Kammer von einem Punktwert von 0,94 ausgegangen. Dies entspricht dem höchsten Wert in der Rubrik "einfache Wohnlage" und dem niedrigsten Wert der Rubrik " einfach bis mittlerer Wohnlage". Für Ausstattung (Tabelle 3 des Mietspiegels) und sonstige Gegebenheiten (Tabelle 4) hat die Kammer einen Wert von insgesamt 0,78 angesetzt. Dabei hat die Kammer bezüglich der Ausstattung (Heizung, Hausaußenwände, Treppenhaus, Fenster, Elektroanschlüsse, Warmwasserversorgung, Sanitäreinrichtungen, Wandfliesen und Fußbodenbeläge jeweils den unteren Wert angesetzt und aus dem Bereich der sonstigen Einflüsse (Tabelle 4 des Mietspiegels) einen Abzug von 0,05 in Ansatz gebracht.

Das Gericht hat anders als bei den sonstigen Einflüssen im Rahmen der Ausstattungsbewertung von den jeweils drei zur Verfügung stehenden Werten stets den Untersten eingesetzt, weil diese zum einen einfaches aber zumutbares Wohnniveau widerspiegeln und zum anderen, die dort genannten Einzelkriterien, sofern sie finanzielle Einschnitte für den Mieter bedeuten - durch weitere Ansprüche der Leistungsberechtigten ohnehin abgefangen werden. Die etwa durch die Anlagentechnik und die Einfachverglasung hohen Heizkosten der Leistungsempfänger werden von Seiten des Grundsicherungsträgers übernommen, solange sie nicht mit Blick auf den Heizkostenspiegel (vgl. BSG Urteil vom 20.08.2009, Az. B 14 AS 65/08 R) – d.h. unter Berücksichtigung der Heiztechnik - als zu hoch anzusehen sind. Sollte in der Wohnung kein Fußboden vorhanden sein, so hat der Leistungsberechtigte auch insoweit ggf. einen Anspruch gegenüber den Grundsicherungsträger auf Übernahme der erforderlichen Renovierungskosten. Bezüglich der sonstigen Einflüsse hat die Kammer nicht die untersten Werte angesetzt, sondern für mögliche Abzüge im Bereich Geschosslage, Anzahl der Wohneinheiten und Balkon/Loggia/Terrasse einen Abzug von insgesamt 0,05 angesetzt. Dieser relativ geringe Abzug rechtfertigt sich aus Sicht des Gerichts aus der Überlegung, dass nicht alle als sonstige Einflüsse in Abzug zu bringenden Nachteile gleichzeitig bei einer Wohnung vorliegen werden.

Insgesamt errechnet sich so für die Kammer eine angemessene Untergrenze für die Nettokaltmiete von 4,14 Euro/qm (5,64 Mietrichtwert x 0,94 Lage der Wohnung x 0,78 Aus-stattung und sonstige Einflüsse). Die von der Beklagten gewährten 217,50 Euro - 4,35 Euro/qm bei einer 50qm Wohnung – liegen über dieser Untergrenze und würden mit Blick auf den Mietspiegel sogar die Berücksichtigung weiterer 4 (Ausstattungs-)Punkte zulassen. Die von der Beklagten gewährte Bruttokaltmiete in Höhe von 217,50 Euro ist dementsprechend nach Auffassung der Kammer auch bei Berücksichtigung einer angemessenen Wohnfläche von 50 qm nicht zu beanstanden.

III. Die von der Beklagten gewährte Bruttokaltmiete hält auch der konkreten Angemessenheitsprüfung stand, obwohl das Gericht aus heutiger Sicht nicht mehr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachvollziehen kann, dass im Jahr 2010 abstrakt angemessener Wohnraum der Klägerin konkret zur Verfügung stand. Grundsätzlich hat die Beklagte im Rahmen ihrer Amtsermittlung zu prüfen und ggf. zu beweisen, dass für den Leistungsempfänger konkret Wohnraum zu dem als abstrakt angemessenen anerkannten Mietzins verfügbar ist. Vorliegend ist die Beklagte ihrer Amtsermittlung dadurch nachgekommen, dass sie die Klägerin mit Schreiben vom 29.07.2009 aufgefordert hat, die Kosten der Unterkunft ggf. durch einen Umzug zu senken und Nachweise über ihre Bemühungen der Kostensenkung vorzulegen. Hätte sich die Klägerin entsprechend des Schreibens der Beklagten vom 29.07.2009 verhalten, hätte sie entweder eine Wohnung zu den abstrakt als angemessen bewerteten Mietzins gefunden – die konkrete Verfügbarkeit wäre nachgewiesen gewesen – oder ihre Nachweise hätten dargelegt, dass es ihr bisher nicht möglich gewesen ist, die Unterkunftskosten durch einen Umzug zu senken. Indem die Klägerin trotz des Schreibens vom 29.07.2009 keinerlei Initiative entwickelt hat, hat sie somit selbst den Beweis bzgl. der konkreten Verfügbarkeit bzw. Nichtverfügbarkeit abstrakt angemessenen Wohnraums vereitelt. Dies muss die Klägerin nunmehr im Rahmen einer Beweislastumkehr gegen sich gelten lassen (hierzu ausführlich SG Reutlingen, Urteil vom 30.09.2008, Az. S 2 AS 198/08; Bay. LSG , Urteil vom 25.01.2008, Az. L 7 AS 93/07). Nur ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass die Klägerin bis zu ihrem Umzug im Jahr 2007 tatsächlich in einer Wohnung zu einem Mietzins in Höhe von 204,26 Euro lebte. Der Mietspiegel von Essen hat sich zwischen 2007 und 2009 nicht verändert, von einem angespannten Mietwohnungsmarkt kann dementsprechend nicht ausgegangen werden.

Soweit die Klägerin geltend macht, sie hätte erneut auf die erforderliche Kostensenkung hingewiesen werden müssen, nachdem sie für kurze Zeit aufgrund des Arbeitslosengeld I - Bezugs keine Leistungen nach dem SGB II erhalten hatte, so folgt die Kammer dieser Argumentation nicht. Das Hinweisschreiben der Beklagten hatte lediglich Hinweis- und Warnfunktion (vgl. Eicher/Spellbrink/Lang/Link SGB II Kom. 2. Aufl., § 22 Rn. 45e) und diente dazu, die Klägerin subjektiv in die Lage zu versetzen, kostenangemessenen Wohnraum zu suchen. Diese Funktion hat das Hinweisschreiben auch trotz des zwischenzeitlichen Aussetzens des Leistungsbezugs erfüllt. Die Klägerin war ausdrücklich über die Höhe der für sie als angemessenen geltenden Unterkunftskosten informiert worden und hatte zudem den Hinweis erhalten, dass die unangemessenen Unterkunftskosten nur solange anzuerkennen seien, als der Klägerin eine Änderung der Verhältnisse nicht möglich sei. Das die Absenkung zu Gunsten der Klägerin erst zum 01.07.2010 erfolgte und nicht wie angekündigt bereits zum 01.02.2010 ändert nichts daran, dass die Klägerin über die Notwendigkeit der Kostensenkung informiert war.

Letztlich kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg auf die im Herbst 2010 von ihr zu absolvierende Zwischenprüfung verweisen. Eine anstehende Prüfung schließt nach Überzeugung der Kammer allenfalls kurzfristig - für ein oder zwei Wochen -, nicht jedoch über Monate hinweg eine Wohnungssuche aus.

Der Bescheid der Beklagten vom 17.06.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.08.2010 ist dementsprechend nicht zu beanstanden. Die Klage ist abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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