Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 10 AS 1543/09
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 354/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger und Berufungsführer wendet sich gegen eine Eingliederungsvereinbarung (EV) mittels Verwaltungsakt des Beklagten und Berufungsgegners.
Der am ... 1954 geborene Kläger bezog im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 29. Februar 2012 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) von dem Beklagten. Für den Zeitraum Juni bis November 2009 bewilligte der Beklagte Leistungen iHv 644,67 EUR monatlich (Bescheid vom 13. Mai 2009).
Nachdem bei zwei Vorsprachen des Klägers bei dem Beklagten am 5. Februar und 15. Mai 2009 Bemühungen des Beklagten um den Abschluss einer EV ausweislich der hierüber gefertigten Gesprächsvermerke scheiterten, erließ dieser am 15. Mai 2009 einen ersetzenden Verwaltungsakt gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II, dessen Regelungen für den Zeitraum vom 15. Mai bis zum 14. November 2009 gelten sollten. Als Ziel der EV war die "Verringerung bzw. Abbau der Hilfebedürftigkeit" angegeben. Dazu wurden vom Kläger folgende Aktivitäten verlangt:
"Sie nutzen alle Möglichkeiten, um ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten und an allen Maßnahmen zur Eingliederung mitzuwirken.
Sie teilen rechtzeitig Ortsabwesenheit mit.
Einladungen in die Jobcenter ARGE Magdeburg GmbH nehmen sie wahr.
Alle Veränderung ihrer persönlichen Situation teilen Sie mit."
Am 2. Juni 2009 hat der Kläger gegen diesen Bescheid Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben. Er sei "wegen Nichtigkeit anzufechten", da er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leide, gegen die Sitten verstoße und tatsächlich unausführbar sei.
Mit einem am 3. Juni 2009 bei dem Beklagten eingegangenen Schreiben bat er um Überprüfung des Bescheids. Er sei weder reifeverzögert noch entwicklungsgehemmt, sodass der Erziehungsgedanke nicht greife. Es bedürfe der EV nicht, die zudem inhaltlich bereits dem Grundsatz des Förderns und des Forderns entspreche. Im Schriftsatz an das SG vom 22. Juni 2009 hat der Beklagte ausgeführt, er habe das Schreiben des Klägers als Widerspruch gegen die EV vom 15. Mai 2009 registriert. Das Widerspruchsverfahren sei jedoch noch nicht abgeschlossen, sodass die Klage unzulässig sei.
Einen entsprechenden Hinweis hat das SG mit Schreiben vom 2. Juli 2009 dem Kläger erteilt und für den Fall der Fortführung des Klageverfahrens eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid angekündigt. Daraufhin hat dieser am 20. Juli 2009 beim SG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Mit Gerichtsbescheid vom 1. September 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Diese sei vor Abschluss des Vorverfahrens unzulässig. Am 24. September 2009 hat der Kläger beim LSG Berufung eingelegt. Die EV sei zu überprüfen. Der Bescheid sei überflüssig, weil er seinen Mitwirkungsverpflichtungen nachkomme.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2009 hat der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die EV sei nicht nichtig und nicht rechtswidrig. Da der Kläger zum Abschluss der EV nicht bereit gewesen sei, sei der ersetzende Verwaltungsakt erlassen worden. Die Regelungen der EV stellten keine unzumutbaren Belastungen dar.
Der Beklagte hat unter dem 3. August 2011 ausgeführt, der Kläger sei aufgrund der streitigen EV nicht sanktioniert worden.
Mit Schreiben vom 8. August 2011 hat die Berichterstatterin den Kläger darauf hingewiesen, dass sich nach Ablauf der Gültigkeitsdauer der EV der angegriffene Bescheid erledigt habe, sodass dieser nicht mehr aufgehoben werden müsse. Damit sei das Rechtsschutzbedürfnis für die Fortsetzung des Berufungsverfahrens entfallen. Hierzu hat der Kläger sich nicht geäußert.
Am 22. Dezember 2011 hat das SG zu dem im Senat anhängigen weiteren Verfahren des Klägers mit dem Aktenzeichen L 5 AS 127/11 B mitgeteilt, dem Kläger sei für den Zeitraum vom 1. März 2011 bis zum 28. Februar 2014 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt worden.
Mit einem weiterem Schreiben vom 5. Juli 2012, das dem Kläger am 12. Juli 2012 zugestellt worden ist, hat die Berichterstatterin darauf hingewiesen, dass nach Erledigung des Bescheids und Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses für die Anfechtungsklage eine Fortführung des Verfahrens nur im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage möglich sei. Diese setze ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse voraus, das nach Aktenlage nicht ersichtlich sei. Der Kläger werde um Stellungnahme zur Fortsetzung des Verfahrens gebeten. Auch dazu hat sich der Kläger nicht geäußert.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 1. September 2009 und den Bescheid des Beklagten vom 15. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Dezember 2009 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat mit Schreiben vom 13. Juli 2012 ausgeführt, die SGB II-Leistungsbewilligung sei mit Bescheid vom 14. Februar 2012 gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch –Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) wegen fehlender Erwerbsfähigkeit ab 1. März 2012 aufgehoben worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten der Verfahren L 5 AS 354/09 und L 5 AS 127/11 B, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz des Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil dieser in der Terminsladung auf diese Verfahrensweise hingewiesen worden ist (§ 126 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die Berufung hat keinen Erfolg.
Sie ist zunächst zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. SGG erhoben sowie iSv § 143 SGG statthaft. Die Regelung des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG über die Beschränkung der Berufung greift vorliegend nicht, weil die Klage nicht eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, und es nicht um eine Erstattungsstreitigkeit geht. Die hier im Wege der Anfechtungsklage angegriffene EV mittels Verwaltungsakt ist keiner der genannten Fallgruppen zuzuordnen, sodass die Berufung unbeschränkt statthaft ist.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der klageabweisende Gerichtsbescheid des SG ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Kläger kann die Aufhebung des angefochtenen Bescheids vom 15. Mai 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 16. Dezember 2009 nicht beanspruchen, denn er ist durch diesen Bescheid nicht (mehr) beschwert iSv § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der angefochtene Bescheid, mit dem der Beklagte eine EV mittels Verwaltungsakt erlassen hat, war vom 15. Mai bis 14. November 2009 gültig. Nur in diesem Zeitraum konnte er Rechtswirkungen iSv Belastungen für den Kläger entfalten. Mit Ablauf des 14. November 2009 gingen von dem angefochtenen Bescheid keine Rechtswirkungen mehr aus. Der Bescheid hat sich gemäß § 39 Abs. 2 SGB X durch Zeitablauf erledigt und ist unwirksam geworden.
Danach tritt die Erledigung eines Verwaltungsakts durch Zeitablauf oder auf andere Weise ein, wenn er seine regelnde Wirkung verliert oder die Ausführung seines Hauptverfügungssatzes rechtlich oder tatsächlich unmöglich geworden ist. Vorliegend ist seit dem 15. November 2009 dem Kläger die Ausführung der durch den Bescheid auferlegten Verpflichtungen (Bemühungen um einen Arbeitsplatz im vorgenannten Zeitraum) tatsächlich unmöglich geworden. Der Regelungsgegenstand des Verwaltungsakts, die dem Kläger auferlegten Bemühungen zur Eingliederung in Arbeit, hat mit dem Ablauf der Gültigkeitsdauer seine verpflichtende Wirkung verloren. Da vorliegend Bestand und Rechtswirkungen des angegriffenen Bescheids von vornherein für den Kläger als Adressaten erkennbar an einen bestimmten Zeitrahmen (15. Mai bis 14. November 2009) gebunden waren, ist er mit Ablauf dieses Zeitrahmens gegen-standslos geworden (vgl. z. Vorst.: Beschluss des Senats vom 24. November 2010, Az.: L 5 B 397/07 AS, juris RN 18; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. August 2008, Az.: L 19 B 116/08 AS, juris RN 10; zur Erledigung auf andere Weise: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Oktober 2010, Az.: L 1 KR 304/10, juris RN 22).
Damit hat zwar im Zeitpunkt der Klageerhebung beim SG am 2. Juni 2009, des Erlasses des Gerichtsbescheids am 1. September 2009 und der Einlegung der Berufung beim LSG am 24. September 2009 noch ein wirksamer Ausgangsbescheid vorgelegen, der grundsätzlich – vorbehaltlich des Vorliegens der Zulässigkeitsvoraussetzungen im Übrigen – mittels Anfechtungsklage angreifbar war. Indes war zu den genannten Daten mangels Durchführung des Vorverfahrens (§ 78 SGG) die bereits erhobene Klage noch unzulässig.
Aber als nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens mit Erlass und Bekanntgabe des Widerspruchbescheids vom 16. Dezember 2009 die Prozessvoraussetzungen für die Anfechtungsklage vorlagen, hatte sich der Ausgangsbescheid wegen Zeitablaufs bereits erledigt und war nicht mehr im Wege der Anfechtungsklage aufhebbar.
Vorliegend kann sich die Klage auch nicht allein gegen den Widerspruchsbescheid richten, da dieser keine gegenüber dem Ausgangsbescheid vom 15. Mai 2009 zusätzliche, selbstständige Beschwer für den Kläger enthält. Soweit der Beklagte den Widerspruch fehlerhaft nicht als unzulässig, sondern als unbegründet zurückgewiesen hat, begründet dies – insbesondere mangels Vorliegens eines wirksamen Ausgangsbescheids – keine Beschwer.
Die im Zeitpunkt ihrer Erhebung mangels Durchführung des Vorverfahrens bereits unzulässige Klage des Klägers ist nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des angegriffenen Bescheids zusätzlich und unveränderlich deshalb unzulässig, weil sich der Bescheid erledigt hatte.
Die bei dieser Sachlage einzig in Betracht kommende Möglichkeit der Weiterführung des Klageverfahrens durch Umstellung auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage führt vorliegend ebenfalls nicht zum Erfolg.
Gemäß § 131 Abs. 1 Satz 1 SGG spricht das Gericht – wenn sich ein Verwaltungsakt durch Zurücknahme oder anders erledigt hat – auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig war, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Festsstellung hat.
Zunächst hat der Kläger den erforderlichen Antrag auf Umstellung der vormaligen Anfechtungsklage in eine Fortsetzungsfeststellungsklage trotz der Hinweise der Berichterstatterin in den Schreiben vom 8. August 2001 und 5. Juli 2012 nicht gestellt. Selbst wenn man unter Beachtung des Meistbegünstigungsgrundsatzes das Klagebegehren des Klägers als Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 5. Mai 2009 auslegen wollte, wäre diese Fortsetzungsfeststellungsklage unzulässig. Denn ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides ist weder geltend gemacht noch ersichtlich.
Ein für die Feststellung vorausgesetztes schutzwürdiges Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein (vgl. zu den Anforderungen: BSG, Urteil vom 28. August 2007, Az.: B 7/7a AL 16/06 R, juris). Ein Feststellungsinteresse kommt in Betracht bei
Vorgreiflichkeit, d.h. wenn die Entscheidung in einem anderen streitigen Rechtsverhältnis, wie z.B. einem Schadensersatz- oder einem Entschädigungsprozess bedeutsam sein kann,
Wiederholungsgefahr sowie
Rehabilitationsinteresse.
Vorgreiflichkeit begründet ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse, wenn die Feststellung für die Geltendmachung von Ansprüchen aus Amtshaftung nach Art. 34 Grundgesetz iVm § 839 Bürgerliches Gesetzbuch oder von sonstigen Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüchen erheblich ist, ein entsprechender Prozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist und nicht offenbar aussichtslos erscheint. Für das Bestehen einer derartigen Prozessabsicht des Klägers gibt es jedoch keine Anhaltspunkte.
Ein berechtigtes Interesse wegen einer Wiederholungsgefahr setzt die hinreichend konkrete Gefahr voraus, dass in naher Zukunft oder doch in absehbarer Zeit unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen oder rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen kann (BSG, Beschluss vom 16. Mai 2007, Az.: B 7b AS 40/06 R, juris). Hier besteht eine Wiederholungsgefahr in naher Zukunft oder in absehbarer Zeit nicht, weil der Kläger zwischenzeitlich aus dem SGB II-Leistungs-bezug ausgeschieden ist. Die ihm zuerkannte befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung für einen Zeitraum von drei Jahren beruht auf einem unter dreistündigen Leistungsvermögen. Damit liegt keine Erwerbsfähigkeit iSv § 8 SGB II mehr vor. Der Kläger gehört daher nicht mehr zu den Leistungsberechtigten iSv § 7 SGB II. Da er derzeit und für 18 weitere Monate nicht mehr dem Leistungssystem des SGB II unterliegt, ist dem Beklagten der Abschluss einer EV mit dem Kläger nicht möglich.
Ein Rehabilitationsinteresse schließlich ist zu bejahen, wenn die begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts als Genugtuung und/oder zur Rehabilitation erforderlich ist, weil der Verwaltungsakt diskriminierenden Charakter hatte und sich aus ihm eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen ergibt. Einen derartigen diskriminierenden Inhalt hatte der angegriffene Verwaltungsakt vorliegend nicht. Dies gilt insbesondere schon deshalb, weil mit der EV dem Kläger keine zusätzlichen Verhaltungspflichten auferlegt wurden, die inhaltlich über die bereits von Gesetzes wegen bestehenden Verhaltenspflichten (§§ 2, 7 Abs. 4a, 10SGB II) hinausgingen. Die mit dem Bescheid dem Kläger abverlangten Bemühungen um eine Eingliederung in Arbeit entsprachen den gesetzlich geregelten Obliegenheiten.
Da die Klage vorliegend wegen der Erledigung des angegriffenen Bescheids vom 15. Mai 2009 (endgültig) unzulässig ist, war sie abzuweisen. Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger und Berufungsführer wendet sich gegen eine Eingliederungsvereinbarung (EV) mittels Verwaltungsakt des Beklagten und Berufungsgegners.
Der am ... 1954 geborene Kläger bezog im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 29. Februar 2012 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) von dem Beklagten. Für den Zeitraum Juni bis November 2009 bewilligte der Beklagte Leistungen iHv 644,67 EUR monatlich (Bescheid vom 13. Mai 2009).
Nachdem bei zwei Vorsprachen des Klägers bei dem Beklagten am 5. Februar und 15. Mai 2009 Bemühungen des Beklagten um den Abschluss einer EV ausweislich der hierüber gefertigten Gesprächsvermerke scheiterten, erließ dieser am 15. Mai 2009 einen ersetzenden Verwaltungsakt gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II, dessen Regelungen für den Zeitraum vom 15. Mai bis zum 14. November 2009 gelten sollten. Als Ziel der EV war die "Verringerung bzw. Abbau der Hilfebedürftigkeit" angegeben. Dazu wurden vom Kläger folgende Aktivitäten verlangt:
"Sie nutzen alle Möglichkeiten, um ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten und an allen Maßnahmen zur Eingliederung mitzuwirken.
Sie teilen rechtzeitig Ortsabwesenheit mit.
Einladungen in die Jobcenter ARGE Magdeburg GmbH nehmen sie wahr.
Alle Veränderung ihrer persönlichen Situation teilen Sie mit."
Am 2. Juni 2009 hat der Kläger gegen diesen Bescheid Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben. Er sei "wegen Nichtigkeit anzufechten", da er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leide, gegen die Sitten verstoße und tatsächlich unausführbar sei.
Mit einem am 3. Juni 2009 bei dem Beklagten eingegangenen Schreiben bat er um Überprüfung des Bescheids. Er sei weder reifeverzögert noch entwicklungsgehemmt, sodass der Erziehungsgedanke nicht greife. Es bedürfe der EV nicht, die zudem inhaltlich bereits dem Grundsatz des Förderns und des Forderns entspreche. Im Schriftsatz an das SG vom 22. Juni 2009 hat der Beklagte ausgeführt, er habe das Schreiben des Klägers als Widerspruch gegen die EV vom 15. Mai 2009 registriert. Das Widerspruchsverfahren sei jedoch noch nicht abgeschlossen, sodass die Klage unzulässig sei.
Einen entsprechenden Hinweis hat das SG mit Schreiben vom 2. Juli 2009 dem Kläger erteilt und für den Fall der Fortführung des Klageverfahrens eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid angekündigt. Daraufhin hat dieser am 20. Juli 2009 beim SG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Mit Gerichtsbescheid vom 1. September 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Diese sei vor Abschluss des Vorverfahrens unzulässig. Am 24. September 2009 hat der Kläger beim LSG Berufung eingelegt. Die EV sei zu überprüfen. Der Bescheid sei überflüssig, weil er seinen Mitwirkungsverpflichtungen nachkomme.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2009 hat der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die EV sei nicht nichtig und nicht rechtswidrig. Da der Kläger zum Abschluss der EV nicht bereit gewesen sei, sei der ersetzende Verwaltungsakt erlassen worden. Die Regelungen der EV stellten keine unzumutbaren Belastungen dar.
Der Beklagte hat unter dem 3. August 2011 ausgeführt, der Kläger sei aufgrund der streitigen EV nicht sanktioniert worden.
Mit Schreiben vom 8. August 2011 hat die Berichterstatterin den Kläger darauf hingewiesen, dass sich nach Ablauf der Gültigkeitsdauer der EV der angegriffene Bescheid erledigt habe, sodass dieser nicht mehr aufgehoben werden müsse. Damit sei das Rechtsschutzbedürfnis für die Fortsetzung des Berufungsverfahrens entfallen. Hierzu hat der Kläger sich nicht geäußert.
Am 22. Dezember 2011 hat das SG zu dem im Senat anhängigen weiteren Verfahren des Klägers mit dem Aktenzeichen L 5 AS 127/11 B mitgeteilt, dem Kläger sei für den Zeitraum vom 1. März 2011 bis zum 28. Februar 2014 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt worden.
Mit einem weiterem Schreiben vom 5. Juli 2012, das dem Kläger am 12. Juli 2012 zugestellt worden ist, hat die Berichterstatterin darauf hingewiesen, dass nach Erledigung des Bescheids und Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses für die Anfechtungsklage eine Fortführung des Verfahrens nur im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage möglich sei. Diese setze ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse voraus, das nach Aktenlage nicht ersichtlich sei. Der Kläger werde um Stellungnahme zur Fortsetzung des Verfahrens gebeten. Auch dazu hat sich der Kläger nicht geäußert.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 1. September 2009 und den Bescheid des Beklagten vom 15. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Dezember 2009 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat mit Schreiben vom 13. Juli 2012 ausgeführt, die SGB II-Leistungsbewilligung sei mit Bescheid vom 14. Februar 2012 gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch –Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) wegen fehlender Erwerbsfähigkeit ab 1. März 2012 aufgehoben worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten der Verfahren L 5 AS 354/09 und L 5 AS 127/11 B, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz des Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil dieser in der Terminsladung auf diese Verfahrensweise hingewiesen worden ist (§ 126 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die Berufung hat keinen Erfolg.
Sie ist zunächst zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. SGG erhoben sowie iSv § 143 SGG statthaft. Die Regelung des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG über die Beschränkung der Berufung greift vorliegend nicht, weil die Klage nicht eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, und es nicht um eine Erstattungsstreitigkeit geht. Die hier im Wege der Anfechtungsklage angegriffene EV mittels Verwaltungsakt ist keiner der genannten Fallgruppen zuzuordnen, sodass die Berufung unbeschränkt statthaft ist.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der klageabweisende Gerichtsbescheid des SG ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Kläger kann die Aufhebung des angefochtenen Bescheids vom 15. Mai 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 16. Dezember 2009 nicht beanspruchen, denn er ist durch diesen Bescheid nicht (mehr) beschwert iSv § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der angefochtene Bescheid, mit dem der Beklagte eine EV mittels Verwaltungsakt erlassen hat, war vom 15. Mai bis 14. November 2009 gültig. Nur in diesem Zeitraum konnte er Rechtswirkungen iSv Belastungen für den Kläger entfalten. Mit Ablauf des 14. November 2009 gingen von dem angefochtenen Bescheid keine Rechtswirkungen mehr aus. Der Bescheid hat sich gemäß § 39 Abs. 2 SGB X durch Zeitablauf erledigt und ist unwirksam geworden.
Danach tritt die Erledigung eines Verwaltungsakts durch Zeitablauf oder auf andere Weise ein, wenn er seine regelnde Wirkung verliert oder die Ausführung seines Hauptverfügungssatzes rechtlich oder tatsächlich unmöglich geworden ist. Vorliegend ist seit dem 15. November 2009 dem Kläger die Ausführung der durch den Bescheid auferlegten Verpflichtungen (Bemühungen um einen Arbeitsplatz im vorgenannten Zeitraum) tatsächlich unmöglich geworden. Der Regelungsgegenstand des Verwaltungsakts, die dem Kläger auferlegten Bemühungen zur Eingliederung in Arbeit, hat mit dem Ablauf der Gültigkeitsdauer seine verpflichtende Wirkung verloren. Da vorliegend Bestand und Rechtswirkungen des angegriffenen Bescheids von vornherein für den Kläger als Adressaten erkennbar an einen bestimmten Zeitrahmen (15. Mai bis 14. November 2009) gebunden waren, ist er mit Ablauf dieses Zeitrahmens gegen-standslos geworden (vgl. z. Vorst.: Beschluss des Senats vom 24. November 2010, Az.: L 5 B 397/07 AS, juris RN 18; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. August 2008, Az.: L 19 B 116/08 AS, juris RN 10; zur Erledigung auf andere Weise: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Oktober 2010, Az.: L 1 KR 304/10, juris RN 22).
Damit hat zwar im Zeitpunkt der Klageerhebung beim SG am 2. Juni 2009, des Erlasses des Gerichtsbescheids am 1. September 2009 und der Einlegung der Berufung beim LSG am 24. September 2009 noch ein wirksamer Ausgangsbescheid vorgelegen, der grundsätzlich – vorbehaltlich des Vorliegens der Zulässigkeitsvoraussetzungen im Übrigen – mittels Anfechtungsklage angreifbar war. Indes war zu den genannten Daten mangels Durchführung des Vorverfahrens (§ 78 SGG) die bereits erhobene Klage noch unzulässig.
Aber als nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens mit Erlass und Bekanntgabe des Widerspruchbescheids vom 16. Dezember 2009 die Prozessvoraussetzungen für die Anfechtungsklage vorlagen, hatte sich der Ausgangsbescheid wegen Zeitablaufs bereits erledigt und war nicht mehr im Wege der Anfechtungsklage aufhebbar.
Vorliegend kann sich die Klage auch nicht allein gegen den Widerspruchsbescheid richten, da dieser keine gegenüber dem Ausgangsbescheid vom 15. Mai 2009 zusätzliche, selbstständige Beschwer für den Kläger enthält. Soweit der Beklagte den Widerspruch fehlerhaft nicht als unzulässig, sondern als unbegründet zurückgewiesen hat, begründet dies – insbesondere mangels Vorliegens eines wirksamen Ausgangsbescheids – keine Beschwer.
Die im Zeitpunkt ihrer Erhebung mangels Durchführung des Vorverfahrens bereits unzulässige Klage des Klägers ist nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des angegriffenen Bescheids zusätzlich und unveränderlich deshalb unzulässig, weil sich der Bescheid erledigt hatte.
Die bei dieser Sachlage einzig in Betracht kommende Möglichkeit der Weiterführung des Klageverfahrens durch Umstellung auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage führt vorliegend ebenfalls nicht zum Erfolg.
Gemäß § 131 Abs. 1 Satz 1 SGG spricht das Gericht – wenn sich ein Verwaltungsakt durch Zurücknahme oder anders erledigt hat – auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig war, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Festsstellung hat.
Zunächst hat der Kläger den erforderlichen Antrag auf Umstellung der vormaligen Anfechtungsklage in eine Fortsetzungsfeststellungsklage trotz der Hinweise der Berichterstatterin in den Schreiben vom 8. August 2001 und 5. Juli 2012 nicht gestellt. Selbst wenn man unter Beachtung des Meistbegünstigungsgrundsatzes das Klagebegehren des Klägers als Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 5. Mai 2009 auslegen wollte, wäre diese Fortsetzungsfeststellungsklage unzulässig. Denn ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides ist weder geltend gemacht noch ersichtlich.
Ein für die Feststellung vorausgesetztes schutzwürdiges Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein (vgl. zu den Anforderungen: BSG, Urteil vom 28. August 2007, Az.: B 7/7a AL 16/06 R, juris). Ein Feststellungsinteresse kommt in Betracht bei
Vorgreiflichkeit, d.h. wenn die Entscheidung in einem anderen streitigen Rechtsverhältnis, wie z.B. einem Schadensersatz- oder einem Entschädigungsprozess bedeutsam sein kann,
Wiederholungsgefahr sowie
Rehabilitationsinteresse.
Vorgreiflichkeit begründet ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse, wenn die Feststellung für die Geltendmachung von Ansprüchen aus Amtshaftung nach Art. 34 Grundgesetz iVm § 839 Bürgerliches Gesetzbuch oder von sonstigen Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüchen erheblich ist, ein entsprechender Prozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist und nicht offenbar aussichtslos erscheint. Für das Bestehen einer derartigen Prozessabsicht des Klägers gibt es jedoch keine Anhaltspunkte.
Ein berechtigtes Interesse wegen einer Wiederholungsgefahr setzt die hinreichend konkrete Gefahr voraus, dass in naher Zukunft oder doch in absehbarer Zeit unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen oder rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen kann (BSG, Beschluss vom 16. Mai 2007, Az.: B 7b AS 40/06 R, juris). Hier besteht eine Wiederholungsgefahr in naher Zukunft oder in absehbarer Zeit nicht, weil der Kläger zwischenzeitlich aus dem SGB II-Leistungs-bezug ausgeschieden ist. Die ihm zuerkannte befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung für einen Zeitraum von drei Jahren beruht auf einem unter dreistündigen Leistungsvermögen. Damit liegt keine Erwerbsfähigkeit iSv § 8 SGB II mehr vor. Der Kläger gehört daher nicht mehr zu den Leistungsberechtigten iSv § 7 SGB II. Da er derzeit und für 18 weitere Monate nicht mehr dem Leistungssystem des SGB II unterliegt, ist dem Beklagten der Abschluss einer EV mit dem Kläger nicht möglich.
Ein Rehabilitationsinteresse schließlich ist zu bejahen, wenn die begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts als Genugtuung und/oder zur Rehabilitation erforderlich ist, weil der Verwaltungsakt diskriminierenden Charakter hatte und sich aus ihm eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen ergibt. Einen derartigen diskriminierenden Inhalt hatte der angegriffene Verwaltungsakt vorliegend nicht. Dies gilt insbesondere schon deshalb, weil mit der EV dem Kläger keine zusätzlichen Verhaltungspflichten auferlegt wurden, die inhaltlich über die bereits von Gesetzes wegen bestehenden Verhaltenspflichten (§§ 2, 7 Abs. 4a, 10SGB II) hinausgingen. Die mit dem Bescheid dem Kläger abverlangten Bemühungen um eine Eingliederung in Arbeit entsprachen den gesetzlich geregelten Obliegenheiten.
Da die Klage vorliegend wegen der Erledigung des angegriffenen Bescheids vom 15. Mai 2009 (endgültig) unzulässig ist, war sie abzuweisen. Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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