Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 18 AS 3649/09
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 487/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Bewilligung höherer Leistung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II), insbesondere ohne Anrechnung von Kindergeld als bedarfsminderndes Einkommen für den Zeitraum vom 1. September 2009 bis 28. Februar 2010.
Die am ... 1963 geborene Klägerin ist seit dem 1. Januar 2009 dauerhaft getrennt lebend. Sie bezog im streitigen Zeitraum keinen Unterhalt von ihrem Ehemann. Sie zahlte diesem monatlich 150 EUR zur Tilgung eines gemeinsamen Immobiliendarlehens für ein Einfamilienhaus, das nur noch der Ehemann bewohnte. Die Klägerin bewohnte mit ihrem am ... 1985 geborenen Sohn eine Mietwohnung, für die eine Warmmiete von 420 EUR/Monat zu zahlen war.
Die Klägerin hatte bis zum 30. August 2009 Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III) i.H.v. 22,16 EUR/Tag bezogen. Daneben hatte sie bis August 2009 Wohngeld i.H.v. 25 EUR erhalten. Ferner wurde ihr monatlich das Kindergeld i.H.v. 164 EUR bis Dezember 2009 und i.H.v. 184 EUR ab Januar 2010 überwiesen.
Der Sohn der Klägerin ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 100 und den Merkzeichen H und G anerkannt. Er war in dem streitigen Zeitraum in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt und erhielt einen monatlichen Nettolohn i.H.v. 112 EUR. Daneben bezog er mit Bescheid des Landkreises W. vom 8. September 2009 im streitigen Zeitraum Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII) i.H.v. 499,37 EUR/Monat. Neben der Regelleistung wurden anteilige Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) i.H.v. 187,89 EUR/Monat und ein Mehrbedarf nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII i.H.v. 48,79 EUR/Monat anerkannt. Das Erwerbseinkommen wurde auf den Gesamtbedarf angerechnet, das Kindergeld hingegen nicht.
Die Klägerin erzielte im streitigen Zeitraum Einkommen aus einer versicherungsfreien Tätigkeit in unterschiedlicher Höhe, das jeweils im Folgemonat zur Auszahlung kam. Der Bruttolohn (bis auf Januar 2010 auch Nettolohn) betrug für August 2009 220 EUR, für September 2009 231 EUR, für Oktober 2009 291,50 EUR, für November 2009 214,50 EUR, für Dezember 2009 236,50 EUR, für Januar 2010 218,29 EUR (brutto 222,75 EUR) und für Februar 2010 180,56 EUR.
Auf ihren Leistungsantrag vom 27. August 2009 lehnte der Beklagte mit Bescheiden vom 8. September 2009 die Leistungsbewilligung für den 31. August 2009 ab und bewilligte vorläufig gemäß § 40 Abs. 1, Nr. 1a SGB II i.V.m. § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III für den Zeitraum vom 1. September 2009 bis 28. Februar 2010 479,03 EUR/Monat. Als durchschnittliches Nettoeinkommen legte der Beklagte 199,83 EUR/Monat zu Grunde. Über den Anspruch werde vorläufig entschieden, da die monatlichen Einnahmen noch nicht bekannt seien.
In ihrem dagegen gerichtete Widerspruch begehrte die Klägerin die Berücksichtigung der monatlichen Ratenzahlung für das Immobiliendarlehen. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2009 zurück. Es könnten keine Kosten für ein nicht selbst bewohntes Eigenheim übernommen werden.
Dagegen hat die Klägerin am 30. Oktober 2009 beim Sozialgericht Dessau-Roßlau Klage erhoben. Neben der Berücksichtigung der monatlichen Ratenzahlungen hat sie auch die Anrechnung des Kindergelds als Einkommen auf ihren Hilfebedarf beanstandet. Das Kindergeld sei eine zweckbestimmte Leistung gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II.
Der Beklagte hat mit Änderungsbescheid vom 18. Dezember 2009 vorläufig für die Zeit vom 1. Januar bis 28. Februar 2010 459,03 EUR/Monat bewilligt und das erhöhte Kindergeld berücksichtigt.
Mit weiterem Änderungsbescheid vom 27. Juli 2010 hat der Beklagte Leistungen vom 1. September bis 31. Dezember 2009 i.H.v. 456,05 EUR/Monat und vom 1. Januar bis 28. Februar 2010 i.H.v. 436,05 EUR/Monat bewilligt. Dabei hat er KdU i.H.v. 203,89 EUR/Monat zu Grunde gelegt. Ferner hat er ein Nettoerwerbseinkommen i.H.v. 228,73 EUR (Durchschnittseinkommen für September 2009 bis Februar 2010) und das Kindergeld auf den Gesamtbedarf angerechnet. Mit Bescheid vom gleichen Tag hat der Beklagte den Leistungsanspruch endgültig festgesetzt und einen überzahlten Betrag i.H.v. 137,88 EUR gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a i.V.m. § 328 Abs. 3 SGB III zur Erstattung gestellt.
In der mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits hat die Klägerin beantragt, den Beklagten unter Abänderung seiner Leistungsbescheide Leistungen unter Berücksichtigung von weiteren Unterkunftskosten sowie ohne Anrechnung des Kindergelds zu gewähren.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 19. Oktober 2010 abgewiesen. Die Klägerin habe kein Anspruch auf höhere Leistungen. Der Gesamtbedarf betrage 562,52 EUR (Regelleistung 359 EUR, KdU 203,53 EUR (½ der Kaltmiete abzüglich 6,47 EUR Warmwasserpauschale)). Die Ratenzahlungen für das Immobiliendarlehen seien keine KdU. Als bedarfsminderndes Einkommen seien das Kindergeld sowie das Einkommen aus Erwerbstätigkeit anzurechnen. Das Kindergeld sei keine zweckbestimmte Einnahme gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 1a SGB II. Es diene im Sinne eines allgemeinen Familienlastenausgleichs dem gleichen Zweck wie das SGB II. Ziel sei ein Ausgleich der wirtschaftlichen Belastungen von Familien mit noch nicht erwerbstätigen Kindern. Dies gelte auch für volljährige behinderte Kinder. Schon nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 2 Nr. 4 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) werde nicht abgestellt auf einen behinderungsbedingten Mehrbedarf, sondern auf die Unfähigkeit, sich selbst zu unterhalten. Ein Ausgleich des behinderungsbedingten Mehrbedarfs werde dem Sohn der Klägerin im Rahmen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung gewährt. Auch die anderen Fälle einer Kindergeldbewilligung über das 18. Lebensjahr hinaus seien nicht durch einen ausgleichsbedürftigen Mehrbedarf gekennzeichnet. Vielmehr handele es sich um besondere Situationen, in denen Eltern weiterhin für den Unterhalt des Kindes aufkommen müssten. Das Kindergeld sei auch als Einkommen der Klägerin gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 SGB II zu berücksichtigen. Ihr Sohn habe bedarfsdeckende Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII ohne Anrechnung des Kindergelds erhalten. Dieses sei demnach nicht zur Sicherung seines Lebensunterhalts benötigt worden. Das Einkommen der Klägerin aus Erwerbstätigkeit sei mit durchschnittlich 235,30 EUR netto (durchschnittlich zugeflossenes Einkommen von September 2009 bis Februar 2010) anzurechnen und um die Freibeträge auf 108,09 EUR zu bereinigen. Somit ergebe sich ein ungedeckter Bedarf i.H.v. 290,44 EUR/Monat für September bis Dezember 2009 und i.H.v. 270,44 EUR /Monat für Januar bis Februar 2010. Hinzu komme der Zuschlag nach § 24 SGB II, der zutreffend mit 160 EUR festgesetzt worden sei. Der Leistungsanspruch von 450,44 EUR/Monat bzw. 430,44 EUR/Monat liege unter den im Bescheid vom 27. Juli 2010 bewilligten Beträgen. Zu Recht seien die überzahlten Leistungen zur Erstattung gestellt worden. Über den Leistungsanspruch sei wegen der zunächst nicht feststehenden Höhe des Erwerbseinkommens vorläufig entschieden worden. Bei der endgültigen Festsetzung sei ein monatlich um 22,98 EUR geringerer Leistungsanspruch zuerkannt worden.
Gegen das ihr am 18. November 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16. Dezember 2010 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Sie rügt ausdrücklich nur noch die Anrechnung des Kindergeldes. Ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen führt sie aus, man müsse unterscheiden zwischen minderjährigen gesunden und volljährigen behinderten Kindern. Es handele sich hier um eine besondere Bedarfslage, weshalb das Kindergeld andere Bedarfe als im 4. Kapitel des SGB XII vorgesehen abdecke (Bezugnahme auf Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. März 2007, L 20 SO 94/06 zu § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII). Wegen der Behinderung ihres Sohns habe sie außergewöhnliche und besondere Belastungen. Die diesem gewährten Grundsicherungsleistungen seien nicht ausreichend, sodass das Kindergeld für den Unterhalt ihres Sohns verwendet werden müsse.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 19. Oktober 2010 und den Bescheid vom 27. Juli 2010 über die Erstattung eines Betrags von 137,88 EUR aufzuheben sowie den Änderungsbescheid vom 27. Juli 2010 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr vom 1. September 2009 bis 28. Februar 2010 Leistungen ohne Anrechnung von Kindergeld zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben mit Erklärungen vom 12. und 25. September 2012 einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrens und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten und Verwaltungsakten Bezug genommen. Die Verwaltungsakte des Beklagten hat vorgelegen und ist Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe:
I.1.
Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden. Sie ist auch statthaft i.S.v. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der seit dem 1. April 2008 geltenden Fassung. Danach ist die Berufung ohne Weiteres zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt gerichtet ist, 750 EUR übersteigt. Hier ist streitig, ob der Klägerin für einen Zeitraum von sechs Monaten jeweils 164 EUR bzw. 184 EUR höhere Leistungen zustehen.
2.
Der Beklagte ist gemäß § 70 Nr. 1 SGG als Rechtsnachfolger der Arbeitsgemeinschaft SGB II im Landkreis W. beteiligtenfähig.
3.
Gegenstand des Berufungsverfahrens kann - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht allein die Frage der Anrechnung von Kindergeld als Einkommen auf den grundsicherungsrechtlichen Hilfebedarf sein. Denn im Rahmen eines Höhenstreits nach dem SGB II können nur bestimmte, selbstständig anfechtbare Verfügungssätze wirksam abgetrennt und somit bestandskräftig werden. Da die Klägerin in ihrer Berufung nur noch Einwände hinsichtlich der Anrechnung Kindergeld für den streitigen Zeitraum macht, hat sie ihr Begehren eindeutig und unmissverständlich auf diese Frage beschränkt (BSG, Urteil vom 18. Februar 2010, B 14 AS 73/08 R (17)). Somit sind die Feststellungen zu den KdU bestandskräftig geworden (vgl. BSG, Urteil vom 3. März 2009, B 4 AS 39/08 R (12)). Streitgegenständlich bleiben jedoch die Frage des Gesamthilfebedarfs und der Anrechnung von Einkünften. Der Senat hatte daher den Hilfebedarf der Klägerin unter Berücksichtigung ihrer Einkünfte aus Einkommen und Kindergeld zu klären.
4.
Streitgegenständlich ist noch der Bescheid über die endgültige Leistungsbewilligung vom 27. Juli 2010, der die vorläufigen Bescheide vom 8. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Oktober 2009 sowie den vorläufigen Änderungsbescheid vom 18. Dezember 2009 ersetzt hat. Die vorläufigen Bescheide haben sich insoweit gemäß § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) erledigt (BSG, Urteil vom 10. Mai 2011, B 4 AS 139/10 (13)).
Nach dem Vorbringen der Klägerin ist ferner streitgegenständlich der Erstattungsbescheid vom 27. Juli 2010 über einen Betrag von 137,88 EUR im streitigen Zeitraum. Zwar hat die Klägerin insoweit keine Ausführungen gemacht, es geht ihr aber erkennbar auch darum, keine Leistungen erstatten zu müssen. Nach ihrer Auffassung hätte sie im streitigen Zeitraum nämlich Anspruch auf höhere Leistungen gehabt als ihr vorläufig bewilligt wurden.
5.
Der Senat durfte gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung über den Rechtsstreit entscheiden.
II.
Die Berufung ist jedoch unbegründet, weil das angefochtene Urteil des Sozialgerichts vom 19. Oktober 2010 rechtlich nicht zu beanstanden ist. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung höherer Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung von Kindergeld auf den Hilfebedarf im streitigen Zeitraum. Darüber hinaus ist die Rückforderung einer vorläufig überzahlten Leistung i.H.v. 137,88 EUR nicht zu beanstanden.
1.a.
Die Klägerin war im streitigen Zeitraum dem Grunde nach leistungsberechtigt dem SGB II.
Nach § 19 Satz 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Berechtigt, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu erhalten sind nach § 7 Abs.1 SGB II Personen, die
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht vollendet haben,
erwerbsfähig sind,
hilfebedürftig sind und
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.
Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht
durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit,
aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen
sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Die Klägerin war erwerbsfähig, im entsprechenden Alter und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Ferner war sie hilfebedürftig, da sie ihren Lebensunterhalt nicht ausreichend durch Einkommen sichern konnte. Hinweise auf ein einzusetzendes Vermögen hat der Senat nicht.
b.
Der Hilfebedarf der Klägerin betrug im streitigen Zeitraum 562,89 EUR/Monat. Neben der Regelleistung in Höhe von 359 EUR/Monat waren die KdU entsprechend der bestandskräftigen Bewilligung im Bescheid vom 27. Juli 2010 i.H.v. 203,89 EUR/Monat zu berücksichtigen
c.
Darauf waren das Kindergeld und das Erwerbseinkommen anzurechnen.
a.a.
Das Kindergeld ist Einkommen der Klägerin gemäß § 11 Abs. 1 SGB II. Insoweit sieht der Senat von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und macht sich die Ausführungen des Sozialgerichts vollumfänglich zu eigen (§ 153 Abs. 2 SGG). Das Kindergeld für die im Haushalt lebenden volljährigen Kinder ist Einkommen des Kindergeldberechtigten; unerheblich ist eine Auszahlung an das Kind. Etwas anderes gilt nur im - hier nicht vorliegenden - Fall der förmlichen Abzweigung gemäß § 74 Einkommensteuergesetz (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), Urteil vom 27. Januar 2009, B 14/7B AS 14/07 (24), Urteil vom 19. März 2008, B 11b AS 13/06 R (17), Urteil vom 6. Dezember 2007, B 14/7b AS 54/06 R (13)).
Zu Recht hat das Sozialgericht auch eine andere Zweckbestimmung gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II verneint. Ergänzend zu den dortigen zutreffenden Ausführungen weist der Senat darauf hin, dass nach einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung schon im Recht der Sozialhilfe als auch im SGB II eine Zweckidentität von Kindergeld und Sozialleistungen auch bei volljährigen, behinderten Kindern angenommen wird. Ausdrücklich war dies vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zu § 77 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) entschieden worden (Urteil vom 25. November 1993, 5 C 8/90 (12); vgl. Urteil vom 29. September 1994, 5 C 56/92 zu § 43 Abs. 3 BSHG). Auch das BSG hat im Hinblick auf die Anrechnung von Kindergeld im Rahmen der Sozialhilfe ausgeführt, dass das Kindergeld für volljährige, behinderte Kinder das gleiche Ziel wie eine Sozialleistung verfolgt, nämlich die Eltern typisierend von den kindbedingten Mehrkosten der allgemeinen Lebensführung zu entlasten (BSG, Urteil vom 26. August 2008, B 8/9b SO 16/07 R (17)). Nichts anderes gilt für die Sozialleistungen nach dem SGB II (so auch: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. Mai 2007, L 20 B 310/06 AS ER).
Darüber hinaus ist hinsichtlich der Frage, ob das Kindergeld für das volljährige, dauerhaft erwerbsgeminderte Kind diesem oder den Eltern zuzurechnen ist, obergerichtlich weder zum Grundsicherungsgesetz (GSiG) noch zum SGB II die Zweckidentität in Frage gestellt worden (BVerwG, Urteil vom 28. April 2005, 5 C 28/04; BSG, Urteil vom 8. Februar 2007, B 9b SO 6/06 R, jeweils zu § 3 Abs. 2 GSiG; BSG, Urteil vom 23. November 2006, B 11b AS 1/06 R zu § 11 SGB II für ein erwerbsfähiges volljähriges Kind mit einem Grad der Behinderung von 40). Die Zurechnung würde sich erübrigen, wenn das Kindergeld wegen einer anderweitigen Zweckbestimmung ohnehin von der Anrechnung als Einkommen auszunehmen wäre.
Da der Sohn der Klägerin wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer vom Leistungsbezug ausgeschlossen war, war eine Prüfung der zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigten Teile des Kindergelds nicht vorzunehmen. Denn § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II gilt nur für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder.
b.b.
Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit ist vom Sozialgericht zu Recht mit 235,30 EUR/Monat netto angesetzt worden.
Die Ermittlung eines Durchschnittseinkommens bei der endgültigen Leistungsbewilligung war gemäß § 2 Abs. 3 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) in der seinerzeit geltenden Fassung zulässig. Denn aufgrund des Einkommens in unterschiedlicher Höhe hatte der Beklagte bei der vorläufigen Leistungsbewilligung ein Durchschnittseinkommen zu Grunde legen dürfen. Dieses war allerdings nicht aus den Einkünften für September 2009 bis Februar 2010 zu ermitteln. Vielmehr das Sozialgericht zu Recht - aufgrund der Einkommensauszahlung im Folgemonat - das höhere Einkommen für die Monate August 2009 bis Januar 2010 zugrunde gelegt. Maßgeblich ist immer auf den tatsächlichen Einkommenszufluss im jeweiligen Monat abzustellen.
Da das tatsächliche Durchschnittsnettoeinkommen i.H.v. 235,30 EUR/Monat den vorläufig zu Grunde gelegten Betrag von 199,83 EUR/Monat netto um mehr als 20 EUR übersteigt, war bei der endgültigen Festsetzung nicht gemäß § 2 Abs. 3 Satz 3 Alg II-V das vorläufige monatliche Durchschnittseinkommen zugrunde zu legen.
c.c.
Zu Recht hat das Sozialgericht von dem Erwerbseinkommen Freibeträge nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II i.H.v. 100 EUR und i.H.v. 27,21 EUR nach § 30 Satz 1 SGB II abgesetzt.
Ein weiterer Abzug von dem Kindergeld i.H.v. 30 EUR gemäß § 6 Abs. 1 Ziffer 1 Alg II-V war nicht vorzunehmen. Der Pauschbetrag ist bereits in dem Betrag von 100 EUR gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II berücksichtigt. Er kann kein zweites Mal abgesetzt werden (BSG, Urteil vom 18. Februar 2010, B 14 AS 86/08 R (14)).
d.d.
Somit hatte die Klägerin für die Zeit von September bis Dezember 2009 einen gerundeten Anspruch auf Leistung nach dem SGB II i.H.v. 291 EUR/Monat und von Januar bis Februar 2010 i.H.v. 271 EUR/Monat.
d.
Dazu kommt der befristete Zuschlag, der gemäß § 24 Abs. 3 Ziffer 1 SGB II in Höhe des Höchstbetrag von 160 EUR geleistet wurde.
Insgesamt hatte die Klägerin somit für die Zeit von September bis Dezember 2009 einen Anspruch auf Leistungen i.H.v. 451 EUR/Monat und für die Zeit von Januar bis Februar 2010 i.H.v. 431 EUR/Monat. Der Beklagte hat ihr mit Bescheid vom 24. Juli 2010 jeweils endgültige höhere Leistungen bewilligt, so dass die Klägerin nicht beschwert ist.
2.
Auch die Erstattung der vorläufig zu hoch bewilligten Leistungen mit Bescheid vom 27. Juli 2010 i.H.v. 137,88 EUR ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage des Anspruchs ist § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II i.V.m. § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III. Danach sind aufgrund vorläufiger Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird. Die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs liegen hier vor.
Der Beklagte hatte der Klägerin wegen des zum Zeitpunkt der Leistungsbewilligung noch nicht feststehenden, weil wechselnden Einkommens, zu Recht vorläufig Leistungen erbracht. Er hat dies auch in den vorläufigen Leistungsbescheiden vom 8. September und 18. Dezember 2009 hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht. Die Voraussetzungen für eine vorläufige Entscheidung lagen vor, weil das zu erwartende Einkommen aus der Beschäftigung der Klägerin noch nicht feststand.
Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, hatte sich die vorläufige Bewilligung als unrichtig erwiesen. Die überzahlte Leistung hatte sogar noch über dem vom Beklagten geforderten Erstattungsbetrag gelegen.
Die Erstattungsforderung war auch nicht gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II i.H.v. 56% der bei der Leistung berücksichtigten Kosten für Unterkunft, mit Ausnahme der Kosten für Heizung und Warmwasserversorgung, zu reduzieren. Die Vorschrift findet auf vorläufige Leistungen keine unmittelbare oder entsprechende Anwendung (vgl. zum Vorstehenden: BSG, Urteil vom 23. August 2012, B 4 AS 169/11 R(13)).
Ein Ermessen hat der Beklagte nicht auszuüben.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Revision war nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherte Rechtsgrundlage.
Außergerichtliche Kosten sind nicht erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Bewilligung höherer Leistung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II), insbesondere ohne Anrechnung von Kindergeld als bedarfsminderndes Einkommen für den Zeitraum vom 1. September 2009 bis 28. Februar 2010.
Die am ... 1963 geborene Klägerin ist seit dem 1. Januar 2009 dauerhaft getrennt lebend. Sie bezog im streitigen Zeitraum keinen Unterhalt von ihrem Ehemann. Sie zahlte diesem monatlich 150 EUR zur Tilgung eines gemeinsamen Immobiliendarlehens für ein Einfamilienhaus, das nur noch der Ehemann bewohnte. Die Klägerin bewohnte mit ihrem am ... 1985 geborenen Sohn eine Mietwohnung, für die eine Warmmiete von 420 EUR/Monat zu zahlen war.
Die Klägerin hatte bis zum 30. August 2009 Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III) i.H.v. 22,16 EUR/Tag bezogen. Daneben hatte sie bis August 2009 Wohngeld i.H.v. 25 EUR erhalten. Ferner wurde ihr monatlich das Kindergeld i.H.v. 164 EUR bis Dezember 2009 und i.H.v. 184 EUR ab Januar 2010 überwiesen.
Der Sohn der Klägerin ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 100 und den Merkzeichen H und G anerkannt. Er war in dem streitigen Zeitraum in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt und erhielt einen monatlichen Nettolohn i.H.v. 112 EUR. Daneben bezog er mit Bescheid des Landkreises W. vom 8. September 2009 im streitigen Zeitraum Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII) i.H.v. 499,37 EUR/Monat. Neben der Regelleistung wurden anteilige Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) i.H.v. 187,89 EUR/Monat und ein Mehrbedarf nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII i.H.v. 48,79 EUR/Monat anerkannt. Das Erwerbseinkommen wurde auf den Gesamtbedarf angerechnet, das Kindergeld hingegen nicht.
Die Klägerin erzielte im streitigen Zeitraum Einkommen aus einer versicherungsfreien Tätigkeit in unterschiedlicher Höhe, das jeweils im Folgemonat zur Auszahlung kam. Der Bruttolohn (bis auf Januar 2010 auch Nettolohn) betrug für August 2009 220 EUR, für September 2009 231 EUR, für Oktober 2009 291,50 EUR, für November 2009 214,50 EUR, für Dezember 2009 236,50 EUR, für Januar 2010 218,29 EUR (brutto 222,75 EUR) und für Februar 2010 180,56 EUR.
Auf ihren Leistungsantrag vom 27. August 2009 lehnte der Beklagte mit Bescheiden vom 8. September 2009 die Leistungsbewilligung für den 31. August 2009 ab und bewilligte vorläufig gemäß § 40 Abs. 1, Nr. 1a SGB II i.V.m. § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III für den Zeitraum vom 1. September 2009 bis 28. Februar 2010 479,03 EUR/Monat. Als durchschnittliches Nettoeinkommen legte der Beklagte 199,83 EUR/Monat zu Grunde. Über den Anspruch werde vorläufig entschieden, da die monatlichen Einnahmen noch nicht bekannt seien.
In ihrem dagegen gerichtete Widerspruch begehrte die Klägerin die Berücksichtigung der monatlichen Ratenzahlung für das Immobiliendarlehen. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2009 zurück. Es könnten keine Kosten für ein nicht selbst bewohntes Eigenheim übernommen werden.
Dagegen hat die Klägerin am 30. Oktober 2009 beim Sozialgericht Dessau-Roßlau Klage erhoben. Neben der Berücksichtigung der monatlichen Ratenzahlungen hat sie auch die Anrechnung des Kindergelds als Einkommen auf ihren Hilfebedarf beanstandet. Das Kindergeld sei eine zweckbestimmte Leistung gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II.
Der Beklagte hat mit Änderungsbescheid vom 18. Dezember 2009 vorläufig für die Zeit vom 1. Januar bis 28. Februar 2010 459,03 EUR/Monat bewilligt und das erhöhte Kindergeld berücksichtigt.
Mit weiterem Änderungsbescheid vom 27. Juli 2010 hat der Beklagte Leistungen vom 1. September bis 31. Dezember 2009 i.H.v. 456,05 EUR/Monat und vom 1. Januar bis 28. Februar 2010 i.H.v. 436,05 EUR/Monat bewilligt. Dabei hat er KdU i.H.v. 203,89 EUR/Monat zu Grunde gelegt. Ferner hat er ein Nettoerwerbseinkommen i.H.v. 228,73 EUR (Durchschnittseinkommen für September 2009 bis Februar 2010) und das Kindergeld auf den Gesamtbedarf angerechnet. Mit Bescheid vom gleichen Tag hat der Beklagte den Leistungsanspruch endgültig festgesetzt und einen überzahlten Betrag i.H.v. 137,88 EUR gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a i.V.m. § 328 Abs. 3 SGB III zur Erstattung gestellt.
In der mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits hat die Klägerin beantragt, den Beklagten unter Abänderung seiner Leistungsbescheide Leistungen unter Berücksichtigung von weiteren Unterkunftskosten sowie ohne Anrechnung des Kindergelds zu gewähren.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 19. Oktober 2010 abgewiesen. Die Klägerin habe kein Anspruch auf höhere Leistungen. Der Gesamtbedarf betrage 562,52 EUR (Regelleistung 359 EUR, KdU 203,53 EUR (½ der Kaltmiete abzüglich 6,47 EUR Warmwasserpauschale)). Die Ratenzahlungen für das Immobiliendarlehen seien keine KdU. Als bedarfsminderndes Einkommen seien das Kindergeld sowie das Einkommen aus Erwerbstätigkeit anzurechnen. Das Kindergeld sei keine zweckbestimmte Einnahme gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 1a SGB II. Es diene im Sinne eines allgemeinen Familienlastenausgleichs dem gleichen Zweck wie das SGB II. Ziel sei ein Ausgleich der wirtschaftlichen Belastungen von Familien mit noch nicht erwerbstätigen Kindern. Dies gelte auch für volljährige behinderte Kinder. Schon nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 2 Nr. 4 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) werde nicht abgestellt auf einen behinderungsbedingten Mehrbedarf, sondern auf die Unfähigkeit, sich selbst zu unterhalten. Ein Ausgleich des behinderungsbedingten Mehrbedarfs werde dem Sohn der Klägerin im Rahmen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung gewährt. Auch die anderen Fälle einer Kindergeldbewilligung über das 18. Lebensjahr hinaus seien nicht durch einen ausgleichsbedürftigen Mehrbedarf gekennzeichnet. Vielmehr handele es sich um besondere Situationen, in denen Eltern weiterhin für den Unterhalt des Kindes aufkommen müssten. Das Kindergeld sei auch als Einkommen der Klägerin gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 SGB II zu berücksichtigen. Ihr Sohn habe bedarfsdeckende Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII ohne Anrechnung des Kindergelds erhalten. Dieses sei demnach nicht zur Sicherung seines Lebensunterhalts benötigt worden. Das Einkommen der Klägerin aus Erwerbstätigkeit sei mit durchschnittlich 235,30 EUR netto (durchschnittlich zugeflossenes Einkommen von September 2009 bis Februar 2010) anzurechnen und um die Freibeträge auf 108,09 EUR zu bereinigen. Somit ergebe sich ein ungedeckter Bedarf i.H.v. 290,44 EUR/Monat für September bis Dezember 2009 und i.H.v. 270,44 EUR /Monat für Januar bis Februar 2010. Hinzu komme der Zuschlag nach § 24 SGB II, der zutreffend mit 160 EUR festgesetzt worden sei. Der Leistungsanspruch von 450,44 EUR/Monat bzw. 430,44 EUR/Monat liege unter den im Bescheid vom 27. Juli 2010 bewilligten Beträgen. Zu Recht seien die überzahlten Leistungen zur Erstattung gestellt worden. Über den Leistungsanspruch sei wegen der zunächst nicht feststehenden Höhe des Erwerbseinkommens vorläufig entschieden worden. Bei der endgültigen Festsetzung sei ein monatlich um 22,98 EUR geringerer Leistungsanspruch zuerkannt worden.
Gegen das ihr am 18. November 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16. Dezember 2010 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Sie rügt ausdrücklich nur noch die Anrechnung des Kindergeldes. Ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen führt sie aus, man müsse unterscheiden zwischen minderjährigen gesunden und volljährigen behinderten Kindern. Es handele sich hier um eine besondere Bedarfslage, weshalb das Kindergeld andere Bedarfe als im 4. Kapitel des SGB XII vorgesehen abdecke (Bezugnahme auf Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. März 2007, L 20 SO 94/06 zu § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII). Wegen der Behinderung ihres Sohns habe sie außergewöhnliche und besondere Belastungen. Die diesem gewährten Grundsicherungsleistungen seien nicht ausreichend, sodass das Kindergeld für den Unterhalt ihres Sohns verwendet werden müsse.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 19. Oktober 2010 und den Bescheid vom 27. Juli 2010 über die Erstattung eines Betrags von 137,88 EUR aufzuheben sowie den Änderungsbescheid vom 27. Juli 2010 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr vom 1. September 2009 bis 28. Februar 2010 Leistungen ohne Anrechnung von Kindergeld zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben mit Erklärungen vom 12. und 25. September 2012 einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrens und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten und Verwaltungsakten Bezug genommen. Die Verwaltungsakte des Beklagten hat vorgelegen und ist Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe:
I.1.
Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden. Sie ist auch statthaft i.S.v. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der seit dem 1. April 2008 geltenden Fassung. Danach ist die Berufung ohne Weiteres zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt gerichtet ist, 750 EUR übersteigt. Hier ist streitig, ob der Klägerin für einen Zeitraum von sechs Monaten jeweils 164 EUR bzw. 184 EUR höhere Leistungen zustehen.
2.
Der Beklagte ist gemäß § 70 Nr. 1 SGG als Rechtsnachfolger der Arbeitsgemeinschaft SGB II im Landkreis W. beteiligtenfähig.
3.
Gegenstand des Berufungsverfahrens kann - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht allein die Frage der Anrechnung von Kindergeld als Einkommen auf den grundsicherungsrechtlichen Hilfebedarf sein. Denn im Rahmen eines Höhenstreits nach dem SGB II können nur bestimmte, selbstständig anfechtbare Verfügungssätze wirksam abgetrennt und somit bestandskräftig werden. Da die Klägerin in ihrer Berufung nur noch Einwände hinsichtlich der Anrechnung Kindergeld für den streitigen Zeitraum macht, hat sie ihr Begehren eindeutig und unmissverständlich auf diese Frage beschränkt (BSG, Urteil vom 18. Februar 2010, B 14 AS 73/08 R (17)). Somit sind die Feststellungen zu den KdU bestandskräftig geworden (vgl. BSG, Urteil vom 3. März 2009, B 4 AS 39/08 R (12)). Streitgegenständlich bleiben jedoch die Frage des Gesamthilfebedarfs und der Anrechnung von Einkünften. Der Senat hatte daher den Hilfebedarf der Klägerin unter Berücksichtigung ihrer Einkünfte aus Einkommen und Kindergeld zu klären.
4.
Streitgegenständlich ist noch der Bescheid über die endgültige Leistungsbewilligung vom 27. Juli 2010, der die vorläufigen Bescheide vom 8. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Oktober 2009 sowie den vorläufigen Änderungsbescheid vom 18. Dezember 2009 ersetzt hat. Die vorläufigen Bescheide haben sich insoweit gemäß § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) erledigt (BSG, Urteil vom 10. Mai 2011, B 4 AS 139/10 (13)).
Nach dem Vorbringen der Klägerin ist ferner streitgegenständlich der Erstattungsbescheid vom 27. Juli 2010 über einen Betrag von 137,88 EUR im streitigen Zeitraum. Zwar hat die Klägerin insoweit keine Ausführungen gemacht, es geht ihr aber erkennbar auch darum, keine Leistungen erstatten zu müssen. Nach ihrer Auffassung hätte sie im streitigen Zeitraum nämlich Anspruch auf höhere Leistungen gehabt als ihr vorläufig bewilligt wurden.
5.
Der Senat durfte gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung über den Rechtsstreit entscheiden.
II.
Die Berufung ist jedoch unbegründet, weil das angefochtene Urteil des Sozialgerichts vom 19. Oktober 2010 rechtlich nicht zu beanstanden ist. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung höherer Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung von Kindergeld auf den Hilfebedarf im streitigen Zeitraum. Darüber hinaus ist die Rückforderung einer vorläufig überzahlten Leistung i.H.v. 137,88 EUR nicht zu beanstanden.
1.a.
Die Klägerin war im streitigen Zeitraum dem Grunde nach leistungsberechtigt dem SGB II.
Nach § 19 Satz 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Berechtigt, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu erhalten sind nach § 7 Abs.1 SGB II Personen, die
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht vollendet haben,
erwerbsfähig sind,
hilfebedürftig sind und
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.
Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht
durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit,
aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen
sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Die Klägerin war erwerbsfähig, im entsprechenden Alter und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Ferner war sie hilfebedürftig, da sie ihren Lebensunterhalt nicht ausreichend durch Einkommen sichern konnte. Hinweise auf ein einzusetzendes Vermögen hat der Senat nicht.
b.
Der Hilfebedarf der Klägerin betrug im streitigen Zeitraum 562,89 EUR/Monat. Neben der Regelleistung in Höhe von 359 EUR/Monat waren die KdU entsprechend der bestandskräftigen Bewilligung im Bescheid vom 27. Juli 2010 i.H.v. 203,89 EUR/Monat zu berücksichtigen
c.
Darauf waren das Kindergeld und das Erwerbseinkommen anzurechnen.
a.a.
Das Kindergeld ist Einkommen der Klägerin gemäß § 11 Abs. 1 SGB II. Insoweit sieht der Senat von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und macht sich die Ausführungen des Sozialgerichts vollumfänglich zu eigen (§ 153 Abs. 2 SGG). Das Kindergeld für die im Haushalt lebenden volljährigen Kinder ist Einkommen des Kindergeldberechtigten; unerheblich ist eine Auszahlung an das Kind. Etwas anderes gilt nur im - hier nicht vorliegenden - Fall der förmlichen Abzweigung gemäß § 74 Einkommensteuergesetz (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), Urteil vom 27. Januar 2009, B 14/7B AS 14/07 (24), Urteil vom 19. März 2008, B 11b AS 13/06 R (17), Urteil vom 6. Dezember 2007, B 14/7b AS 54/06 R (13)).
Zu Recht hat das Sozialgericht auch eine andere Zweckbestimmung gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II verneint. Ergänzend zu den dortigen zutreffenden Ausführungen weist der Senat darauf hin, dass nach einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung schon im Recht der Sozialhilfe als auch im SGB II eine Zweckidentität von Kindergeld und Sozialleistungen auch bei volljährigen, behinderten Kindern angenommen wird. Ausdrücklich war dies vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zu § 77 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) entschieden worden (Urteil vom 25. November 1993, 5 C 8/90 (12); vgl. Urteil vom 29. September 1994, 5 C 56/92 zu § 43 Abs. 3 BSHG). Auch das BSG hat im Hinblick auf die Anrechnung von Kindergeld im Rahmen der Sozialhilfe ausgeführt, dass das Kindergeld für volljährige, behinderte Kinder das gleiche Ziel wie eine Sozialleistung verfolgt, nämlich die Eltern typisierend von den kindbedingten Mehrkosten der allgemeinen Lebensführung zu entlasten (BSG, Urteil vom 26. August 2008, B 8/9b SO 16/07 R (17)). Nichts anderes gilt für die Sozialleistungen nach dem SGB II (so auch: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. Mai 2007, L 20 B 310/06 AS ER).
Darüber hinaus ist hinsichtlich der Frage, ob das Kindergeld für das volljährige, dauerhaft erwerbsgeminderte Kind diesem oder den Eltern zuzurechnen ist, obergerichtlich weder zum Grundsicherungsgesetz (GSiG) noch zum SGB II die Zweckidentität in Frage gestellt worden (BVerwG, Urteil vom 28. April 2005, 5 C 28/04; BSG, Urteil vom 8. Februar 2007, B 9b SO 6/06 R, jeweils zu § 3 Abs. 2 GSiG; BSG, Urteil vom 23. November 2006, B 11b AS 1/06 R zu § 11 SGB II für ein erwerbsfähiges volljähriges Kind mit einem Grad der Behinderung von 40). Die Zurechnung würde sich erübrigen, wenn das Kindergeld wegen einer anderweitigen Zweckbestimmung ohnehin von der Anrechnung als Einkommen auszunehmen wäre.
Da der Sohn der Klägerin wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer vom Leistungsbezug ausgeschlossen war, war eine Prüfung der zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigten Teile des Kindergelds nicht vorzunehmen. Denn § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II gilt nur für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder.
b.b.
Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit ist vom Sozialgericht zu Recht mit 235,30 EUR/Monat netto angesetzt worden.
Die Ermittlung eines Durchschnittseinkommens bei der endgültigen Leistungsbewilligung war gemäß § 2 Abs. 3 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) in der seinerzeit geltenden Fassung zulässig. Denn aufgrund des Einkommens in unterschiedlicher Höhe hatte der Beklagte bei der vorläufigen Leistungsbewilligung ein Durchschnittseinkommen zu Grunde legen dürfen. Dieses war allerdings nicht aus den Einkünften für September 2009 bis Februar 2010 zu ermitteln. Vielmehr das Sozialgericht zu Recht - aufgrund der Einkommensauszahlung im Folgemonat - das höhere Einkommen für die Monate August 2009 bis Januar 2010 zugrunde gelegt. Maßgeblich ist immer auf den tatsächlichen Einkommenszufluss im jeweiligen Monat abzustellen.
Da das tatsächliche Durchschnittsnettoeinkommen i.H.v. 235,30 EUR/Monat den vorläufig zu Grunde gelegten Betrag von 199,83 EUR/Monat netto um mehr als 20 EUR übersteigt, war bei der endgültigen Festsetzung nicht gemäß § 2 Abs. 3 Satz 3 Alg II-V das vorläufige monatliche Durchschnittseinkommen zugrunde zu legen.
c.c.
Zu Recht hat das Sozialgericht von dem Erwerbseinkommen Freibeträge nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II i.H.v. 100 EUR und i.H.v. 27,21 EUR nach § 30 Satz 1 SGB II abgesetzt.
Ein weiterer Abzug von dem Kindergeld i.H.v. 30 EUR gemäß § 6 Abs. 1 Ziffer 1 Alg II-V war nicht vorzunehmen. Der Pauschbetrag ist bereits in dem Betrag von 100 EUR gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II berücksichtigt. Er kann kein zweites Mal abgesetzt werden (BSG, Urteil vom 18. Februar 2010, B 14 AS 86/08 R (14)).
d.d.
Somit hatte die Klägerin für die Zeit von September bis Dezember 2009 einen gerundeten Anspruch auf Leistung nach dem SGB II i.H.v. 291 EUR/Monat und von Januar bis Februar 2010 i.H.v. 271 EUR/Monat.
d.
Dazu kommt der befristete Zuschlag, der gemäß § 24 Abs. 3 Ziffer 1 SGB II in Höhe des Höchstbetrag von 160 EUR geleistet wurde.
Insgesamt hatte die Klägerin somit für die Zeit von September bis Dezember 2009 einen Anspruch auf Leistungen i.H.v. 451 EUR/Monat und für die Zeit von Januar bis Februar 2010 i.H.v. 431 EUR/Monat. Der Beklagte hat ihr mit Bescheid vom 24. Juli 2010 jeweils endgültige höhere Leistungen bewilligt, so dass die Klägerin nicht beschwert ist.
2.
Auch die Erstattung der vorläufig zu hoch bewilligten Leistungen mit Bescheid vom 27. Juli 2010 i.H.v. 137,88 EUR ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage des Anspruchs ist § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II i.V.m. § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III. Danach sind aufgrund vorläufiger Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird. Die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs liegen hier vor.
Der Beklagte hatte der Klägerin wegen des zum Zeitpunkt der Leistungsbewilligung noch nicht feststehenden, weil wechselnden Einkommens, zu Recht vorläufig Leistungen erbracht. Er hat dies auch in den vorläufigen Leistungsbescheiden vom 8. September und 18. Dezember 2009 hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht. Die Voraussetzungen für eine vorläufige Entscheidung lagen vor, weil das zu erwartende Einkommen aus der Beschäftigung der Klägerin noch nicht feststand.
Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, hatte sich die vorläufige Bewilligung als unrichtig erwiesen. Die überzahlte Leistung hatte sogar noch über dem vom Beklagten geforderten Erstattungsbetrag gelegen.
Die Erstattungsforderung war auch nicht gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II i.H.v. 56% der bei der Leistung berücksichtigten Kosten für Unterkunft, mit Ausnahme der Kosten für Heizung und Warmwasserversorgung, zu reduzieren. Die Vorschrift findet auf vorläufige Leistungen keine unmittelbare oder entsprechende Anwendung (vgl. zum Vorstehenden: BSG, Urteil vom 23. August 2012, B 4 AS 169/11 R(13)).
Ein Ermessen hat der Beklagte nicht auszuüben.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Revision war nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherte Rechtsgrundlage.
Rechtskraft
Aus
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SAN
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