Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 6 R 8/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 5/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist ein Prüfbescheid der Beklagten.
Gesellschafter der Klägerin sind der Landkreis B, verschiedenen Gemeinden und Ämter des Kreises sowie die Tourismusgemeinschaft B ... Ihr Gegenstand ist die Wirtschafts- und Tourismusförderung im Landkreis. Die Klägerin hat einen Aufsichtsrat, der die Geschäftsführung der Gesellschaft überwacht aufgrund Nr. XIII des Gesellschaftervertrages. Der Geschäftsführer bedarf unter anderem der Zustimmung des Aufsichtsrates für die Vornahme von Geschäfts- und Rechtshandlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb der Gesellschaft hinausgehen.
Die Klägerin betraute in der Zeit vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2006 die Beigeladene zu 1) mit der Lohn- und Gehaltsabrechnung.
Sie bestellte mit Geschäftsführer-Anstellungsvertrag vom 30. Dezember 2002 den Beigeladenen zu 2) mit Wirkung vom 1. Januar 2003 zum Geschäftsführer der Gesellschaft. Auf den Vertrag wird ergänzend verwiesen.
Auf die Klägerin ging zu diesem Zeitpunkt aufgrund eines Auftrages der I GmbH E die Betriebsführung deren Innovations- und Gründerzentrums an den Standorten Eberswalde und Bernau über. Die Klägerin übernahm in diesem Zusammenhang aufgrund Personalüberleitungsvertrages vom 2. Januar 2003 das gesamte Personal der I.
Im Zusammenhang mit der Geschäftsführertätigkeit des Beigeladenen zu 2) hatte die Rechtsvorgängerin der heutigen Beigeladenen zu 3), die AOK Brandenburg (nachfolgend nur noch: "Beigeladene zu 3)") mit Abhilfebescheid vom 25. Februar 1999 unter Aufhebung des Bescheides vom 19. Januar 1999 festgestellt, dass der Beigeladene zu 2) ab 1. Juli 1992 in seiner Beschäftigung bei der I versicherungsfrei beschäftigt gewesen sei. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (nachfolgend nur noch: "die Beklagte") war ausweislich des Prüfbescheides vom 23. April 2004 der Rechtsauffassung, dass der Beigeladene zu 2) in seiner Tätigkeit für die I versicherungsfrei gewesen sei. Auch die Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG) ging ausweislich des Schreibens vom 14. Dezember 2000 an die I davon aus, dass er nicht zum Kreis der pflichtversicherten Personen zu zählen gewesen sei.
Die Beklagte hatte ihn mit Bescheid vom 6. Juli 2000 von der Versicherungspflicht in der "Rentenversicherung für Selbständige mit einem Auftraggeber" ab 1. Januar 1999 befreit. Der Beigeladene schloss daraufhin als Altersvorsorge Lebensversicherungsverträge ab.
Die Beklagte führte (ausweislich des späteren Bescheides) am 28. November 2006 eine Betriebsprüfung gemäß § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) in Verbindung mit § 7b SGB IV (in der Fassung vom 31. Januar 2006, die bis zum Inkrafttreten am 1. Januar 2008 des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und andere Gesetze vom 19. Dezember 2007 [BGBl. I, Seite 3024] am 1. Januar 2008 gegolten hatte = SGB IV a. F.) durch. Der Beigeladenen zu 2) reichte im Rahmen des Anhörungsverfahrens einen Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Fremdgeschäftsführers einer GmbH ein.
Er schied zum 31. Dezember 2006 als Geschäftsführer der Klägerin aus.
Die Klägerin führte in ihrem Schreiben vom 21. Februar 2007 aus, der Beigeladene zu 2) habe als Einziger die zur Führung des Unternehmens erforderlichen Kenntnisse gehabt. Die Gesellschafter hätten keine sachkompetente Überwachungs- und Beratungsfunktion ausüben können. Auch sei der Unternehmenszweck der Klägerin dem der I so ähnlich, dass der Beigeladene zu 2) auch bei ihr selbständig tätig gewesen sei. Der Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 2000 befreie auch hinsichtlich der Tätigkeit für die Klägerin. Jedenfalls scheide grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 7b SGB IV a. F ... aus. Die Beigeladene zu 3) habe ihre Entscheidung im Widerspruchsverfahren, d. h. nach einer besonders sorgfältigen Überprüfung der Sach- und Rechtslage getroffen. Der Befreiungsbescheid der Beklagten gelte ausdrücklich für alle künftigen Tätigkeiten. Die Beklagte habe diese Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 2) auch nach einer Betriebsprüfung bestätigt. Der Beigeladene zu 2) verfüge auch über eine ausreichende soziale Absicherung im Hinblick auf Krankheit und Alter.
Mit Bescheid vom 16. August 2007 forderte die Beklagte von der Klägerin Beiträge in Höhe von 59.442,88 Euro sowie Säumniszuschläge nach § 24 Abs. 1 SGB IV in Höhe von 12.416,50 Euro, insgesamt 67.859,38 Euro, nach. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen überwögen die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung. Die Feststellung der selbständigen Tätigkeit der I GmbH sei nicht übertragbar auf die bei der Klägerin. Die vertraglichen und tatsächlichen Verhältnisse hätten sich geändert. Ein Fall des § 7b SGB IV a. F. läge nicht vor. Die Klägerin sei grob fahrlässig von einer selbständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 2) ausgegangen. Die Beigeladene zu 3) habe im Bescheid vom 19. Januar 1999 darauf hingewiesen, dass Änderungen eine neue versicherungsrechtliche Beurteilung erforderlich machten. Zwar sei dieser Bescheid im Widerspruchsverfahren aufgehoben worden. Allerdings könne der Beigeladene zu 2) nicht bestreiten, dass er dieses Schreiben gekannt habe.
Auf den Bescheid, einschließlich dessen Anlage zur Berechnung der Beiträge, wird ergänzend Bezug genommen.
Die Klägerin erhob Widerspruch. Grobe Fahrlässigkeit im Sinne einer Verletzung der verkehrsüblichen Sorgfalt in besonders großem Maße könne dem Beigeladenen zu 2) keinesfalls vorgeworfen werden. Dieser habe nicht einfachste, jedem einleuchtende Überlegungen nicht angestellt. Vielmehr sei die Rechtslage kompliziert. Die Gleichartigkeit dessen Tätigkeiten für die I und für sie habe diesen geradezu zu der von ihm vorgenommenen Beurteilung führen müssen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2007 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 9. Januar 2008 Klage beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) (SG) erhoben. Zu der Begründung hat sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt.
Der Beigeladene zu 2) hat mit Erklärung vom 29. Juli 2008 einem Eintritt der Versicherungspflicht erst mit dem Tag der Entscheidung der Beklagten nach § 7b SGB IV a. F. zugestimmt.
Die Klägerin hat diverse Kopien zum Nachweis der verschiedenen Lebensversicherungen, welche der Beigeladene zu 2) abgeschlossen hat, eingereicht, auf die ergänzend verwiesen wird.
Die Beigeladene zu 3) hat sich den inhaltlichen Ausführungen der Beklagten angeschlossen. Die versicherungsrechtliche Beurteilung im Bescheid vom 25. Februar 1999 habe sich ausdrücklich auf die Tätigkeit des Beigeladenen zu 2) bei der I bezogen.
Der Beigeladene zu 2) teilt die Rechtsauffassung der Klägerin, von grober Fahrlässigkeit könne nicht ausgegangen werden. Da er im Anstellungsvertrag von Beschränkungen des § 181 BGB befreit gewesen sei und auch als Einziger die erforderlichen Branchenkenntnisse gehabt habe, die Urlaubszeiten selbst habe festlegen können, habe sich ihm nicht erschließen müssen, dass die Beklagte bei unveränderter Sach- und Rechtslage ihre Rechtsansicht geändert habe. Er sei überdies weder seitens des Steuerbüros noch des Aufsichtsrates auf eine etwaige Versicherungspflicht hingewiesen worden. Alle Beteiligten seien von derselben Sach- und Rechtslage ausgegangen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22. November 2010 abgewiesen. Der Beigeladene zu 2) sei abhängig beschäftigt gewesen im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Er sei an der Klägerin nicht beteiligt gewesen. Er habe auch nicht schalten und walten können, wie er es gewollt habe. Bereits nach dem Arbeitsvertrag sei er nicht hinsichtlich des Orts der Arbeitsausführung frei gewesen. Nach XIII.1 des Gesellschaftsvertrages sei er vom Aufsichtsrat kontrolliert und überwacht worden. Es habe zustimmungsbedürftige Geschäfte gegeben. Zudem sei für die Aufnahme von Krediten, der Übernahme von Bürgschaften und sonstigen Sicherheiten die Gesellschafterversammlung zuständig gewesen. Die Versicherungspflicht sei auch nicht erst mit dem Tag der Bekanntgabe nach § 7b SGB IV a. F. eingetreten. Der Beigeladene zu 2) sei grob fahrlässig von einer selbständigen Tätigkeit ausgegangen. Zur Überzeugung der Kammer stehe fest, dass aufgrund der erteilten Bescheide der Beigeladenen zu 3) und der Beklagten, der VBG und dem Anstellungsvertrag dem Beigeladenen zu 2) hätte einleuchten müssen, dass seine Tätigkeit nunmehr bei der Klägerin erneut versicherungsrechtlich hätte überprüft werden müssen. Diese jedem einleuchtende Überlegung sei unterlassen worden. Auch habe die Beigeladene zu 3) im Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 1999 zwar Versicherungsfreiheit festgestellt, allerdings erneut darauf hingewiesen, dass "im Allgemeinen davon auszugehen ist, dass der Geschäftsführer, der nicht am Stammkapital beteiligt ist, in abhängiger Beschäftigung tätig und daher sozialversicherungspflichtig ist". Dass dem Beigeladenen zu 2) die Problematik bewusst gewesen sei, ergäbe sich aus der ausführlichen Begründung seines Widerspruches gegen den Bescheid der Beigeladenen zu 3) vom 19. Januar 1999. Auch nach § 6.3 des Anstellungsvertrages vom 30. November 2002 hätte die in § 3.2 geregelte Umwandlung und Auszahlung der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung spätestens zum 1. Januar 2003 auf ihre Wirksamkeit und Aktualität überprüft werden müssen. Hieraus werde deutlich, dass sowohl die Klägerin als auch der Beigeladene zu 2) vom Erfordernis der ständigen Überprüfung und Aktualisierung des gesamten Anstellungsvertrages, also auch der versicherungsrechtlichen Beurteilung, ausgegangen seien. Die grobe Fahrlässigkeit des Beigeladenen zu 2) werde der Klägerin gemäß § 31 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) analog zugerechnet. Insoweit sei auch von grober Fahrlässigkeit der Klägerin selbst auszugehen. Ob auch ein Verschulden der Abrechnungsstelle vorliege, könne dahinstehen. Ganz allgemein sei jedoch ein Verschulden des steuerlichen Beraters dem Arbeitgeber zuzurechnen (Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 23. September 2004 – IX ZR 148/03 – und Urteil vom 12. Februar 2004 – IX ZR 246/02).
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beigeladenen zu 2). Zur Begründung hat er ausgeführt, er habe die Subsumtion in einfachen Worten, mit welcher die Beigeladene zu 3) die Versicherungsfreiheit 1999 angenommen habe, ohne Weiteres auf die Situation bei der Klägerin übertragen dürfen. Von den diffizilen Überlegungen und Kriterien der Beklagten in ihrem Bescheid 2007 sei nie zuvor gesprochen worden. Jedenfalls habe der Beigeladene zu 2) auf die Einschätzung der Beigeladenen zu 1) vertraut und habe auch vertrauen dürfen.
Der Beigeladene zu 2) beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 22. November 2010 den Bescheid der Beklagten vom 16. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das Unterlassen, die sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen einer neuen Tätigkeit durch die zuständige Einzugstelle oder in einem Statusfeststellungsverfahren klären zu lassen, könne bereits bedingt vorsätzlich sein. Dies liege hier nahe, weil der Beigeladene zu 2) eine eigene Subsumtion vorgenommen habe.
Entscheidungsgründe:
Es konnte im schriftlichen Verfahren nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden werden. Alle Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt.
Der Berufung bleibt Erfolg versagt. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung bloßer Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen wird, abgewiesen.
Der Bescheid der Beklagten vom 6. Juli 2000 befreit von der Rentenversicherungspflicht der Selbständigen im Hinblick auf eine vor dem 10. Dezember 1998 aufgebaute, der Altersvorsorge dienende, Lebens- oder Rentenversicherung. Sie gilt ausdrücklich (nur) für die derzeit ausgeübte und alle künftigen selbständigen Tätigkeiten mit einem Auftraggeber. Sie entfaltet jedoch keine Rechtswirkungen für nichtselbständige Tätigkeiten.
Die Anwendung des § 7b SGB IV a. F. scheidet aus, weil – wie das SG zutreffend ausgeführt hat – von grober Fahrlässigkeit sowohl der Klägerin als auch des Beigeladenen zu 2) auszugehen ist.
Richtig ist das SG von der Zurechnung des (etwaigen) Verschuldens der Beigeladenen zu 1) als Abrechnungsstelle und des Beigeladenen zu 2) ausgegangen. § 278 BGB ist auch im Sozialrecht anzuwenden (BSG, Urt. v. 18. August 2005 -B 7a AL 4/05 R- juris Rdnr. 1 mit Bezugnahme auf BSGE 28, 258, 259 ff).
Der steuerliche Berater, der im Auftrag des Arbeitgebers die Lohnabrechnungen besorgt, muss grundsätzlich auch prüfen, ob eine Befreiung von der Versicherungspflicht vorliegt, wenn Beiträge nicht abgeführt werden sollen (vgl. BGH, Urt. v. 12. Februar 2004 juris Rdnr. 11ff). Ergeben sich in einem solchen Fall tatsächliche Unklarheiten oder sozialversicherungsrechtliche Schwierigkeiten, so ist der steuerliche Berater gehalten, die Unklarheiten durch eigene Rückfragen auszuräumen oder deswegen ebenso wie für die Klärung sozialversicherungsrechtlicher Zweifel auf die Einschaltung eines hierfür fachlich geeigneten Beraters hinzuwirken (so wörtlich BGH, Urt. v. 23. September 2004 -IX ZR 148/03- juris Rdnr. 13).
Grob fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (BSGE 42, 184, 187; BSGE 62, 32, 35). Dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie der besonderen Umstände des Falles zu beurteilen (subjektiver Sorgfaltsmaßstab, vgl. auch BSG, Urt. v. 25.01.2001 -B 4 RA 110/00 R- juris-Rdnr. 16:). Der Sorgfaltsmaßstab des Erfüllungsgehilfen richtet sich zwar grundsätzlich nach der Stellung des Schuldners. Tritt jedoch der Erfüllungsgehilfe mit besonderer Sachkunde auf, verstärkt dies auch die Sorgfaltspflichten des Geschäftsherrn (BGH Urteil vom 26.04.1991 -V ZR 165/89- BGHZ 114, 263-273, juris Rn. 23 -).
Hier haben der Beigeladene zu 2) und die Beigeladene zu 1) gegen die jedem, insbesondere dem Fachkundigen unmittelbar einleuchtenden Pflicht verstoßen, die Frage etwaiger abhängige Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 SGB IV prüfen zu lassen. Angesichts des Ausnahmecharakters der Selbstständigkeit eines GmbH-Fremdgeschäftsführers, die diesen beiden Beigeladenen bekannt sein musste, wie das SG zutreffend entwickelt hat, drängte sich die Prüfungspflicht auch auf, auch wenn die Beigeladene zu 3) für die Irechtsfehlerhaft zu einem anderen Ergebnis gelangt war.
Die Kostenentscheidung folgt für das Berufungsverfahren aus §§ 183, 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Sache. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Im Streit ist ein Prüfbescheid der Beklagten.
Gesellschafter der Klägerin sind der Landkreis B, verschiedenen Gemeinden und Ämter des Kreises sowie die Tourismusgemeinschaft B ... Ihr Gegenstand ist die Wirtschafts- und Tourismusförderung im Landkreis. Die Klägerin hat einen Aufsichtsrat, der die Geschäftsführung der Gesellschaft überwacht aufgrund Nr. XIII des Gesellschaftervertrages. Der Geschäftsführer bedarf unter anderem der Zustimmung des Aufsichtsrates für die Vornahme von Geschäfts- und Rechtshandlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb der Gesellschaft hinausgehen.
Die Klägerin betraute in der Zeit vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2006 die Beigeladene zu 1) mit der Lohn- und Gehaltsabrechnung.
Sie bestellte mit Geschäftsführer-Anstellungsvertrag vom 30. Dezember 2002 den Beigeladenen zu 2) mit Wirkung vom 1. Januar 2003 zum Geschäftsführer der Gesellschaft. Auf den Vertrag wird ergänzend verwiesen.
Auf die Klägerin ging zu diesem Zeitpunkt aufgrund eines Auftrages der I GmbH E die Betriebsführung deren Innovations- und Gründerzentrums an den Standorten Eberswalde und Bernau über. Die Klägerin übernahm in diesem Zusammenhang aufgrund Personalüberleitungsvertrages vom 2. Januar 2003 das gesamte Personal der I.
Im Zusammenhang mit der Geschäftsführertätigkeit des Beigeladenen zu 2) hatte die Rechtsvorgängerin der heutigen Beigeladenen zu 3), die AOK Brandenburg (nachfolgend nur noch: "Beigeladene zu 3)") mit Abhilfebescheid vom 25. Februar 1999 unter Aufhebung des Bescheides vom 19. Januar 1999 festgestellt, dass der Beigeladene zu 2) ab 1. Juli 1992 in seiner Beschäftigung bei der I versicherungsfrei beschäftigt gewesen sei. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (nachfolgend nur noch: "die Beklagte") war ausweislich des Prüfbescheides vom 23. April 2004 der Rechtsauffassung, dass der Beigeladene zu 2) in seiner Tätigkeit für die I versicherungsfrei gewesen sei. Auch die Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG) ging ausweislich des Schreibens vom 14. Dezember 2000 an die I davon aus, dass er nicht zum Kreis der pflichtversicherten Personen zu zählen gewesen sei.
Die Beklagte hatte ihn mit Bescheid vom 6. Juli 2000 von der Versicherungspflicht in der "Rentenversicherung für Selbständige mit einem Auftraggeber" ab 1. Januar 1999 befreit. Der Beigeladene schloss daraufhin als Altersvorsorge Lebensversicherungsverträge ab.
Die Beklagte führte (ausweislich des späteren Bescheides) am 28. November 2006 eine Betriebsprüfung gemäß § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) in Verbindung mit § 7b SGB IV (in der Fassung vom 31. Januar 2006, die bis zum Inkrafttreten am 1. Januar 2008 des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und andere Gesetze vom 19. Dezember 2007 [BGBl. I, Seite 3024] am 1. Januar 2008 gegolten hatte = SGB IV a. F.) durch. Der Beigeladenen zu 2) reichte im Rahmen des Anhörungsverfahrens einen Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Fremdgeschäftsführers einer GmbH ein.
Er schied zum 31. Dezember 2006 als Geschäftsführer der Klägerin aus.
Die Klägerin führte in ihrem Schreiben vom 21. Februar 2007 aus, der Beigeladene zu 2) habe als Einziger die zur Führung des Unternehmens erforderlichen Kenntnisse gehabt. Die Gesellschafter hätten keine sachkompetente Überwachungs- und Beratungsfunktion ausüben können. Auch sei der Unternehmenszweck der Klägerin dem der I so ähnlich, dass der Beigeladene zu 2) auch bei ihr selbständig tätig gewesen sei. Der Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 2000 befreie auch hinsichtlich der Tätigkeit für die Klägerin. Jedenfalls scheide grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 7b SGB IV a. F ... aus. Die Beigeladene zu 3) habe ihre Entscheidung im Widerspruchsverfahren, d. h. nach einer besonders sorgfältigen Überprüfung der Sach- und Rechtslage getroffen. Der Befreiungsbescheid der Beklagten gelte ausdrücklich für alle künftigen Tätigkeiten. Die Beklagte habe diese Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 2) auch nach einer Betriebsprüfung bestätigt. Der Beigeladene zu 2) verfüge auch über eine ausreichende soziale Absicherung im Hinblick auf Krankheit und Alter.
Mit Bescheid vom 16. August 2007 forderte die Beklagte von der Klägerin Beiträge in Höhe von 59.442,88 Euro sowie Säumniszuschläge nach § 24 Abs. 1 SGB IV in Höhe von 12.416,50 Euro, insgesamt 67.859,38 Euro, nach. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen überwögen die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung. Die Feststellung der selbständigen Tätigkeit der I GmbH sei nicht übertragbar auf die bei der Klägerin. Die vertraglichen und tatsächlichen Verhältnisse hätten sich geändert. Ein Fall des § 7b SGB IV a. F. läge nicht vor. Die Klägerin sei grob fahrlässig von einer selbständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 2) ausgegangen. Die Beigeladene zu 3) habe im Bescheid vom 19. Januar 1999 darauf hingewiesen, dass Änderungen eine neue versicherungsrechtliche Beurteilung erforderlich machten. Zwar sei dieser Bescheid im Widerspruchsverfahren aufgehoben worden. Allerdings könne der Beigeladene zu 2) nicht bestreiten, dass er dieses Schreiben gekannt habe.
Auf den Bescheid, einschließlich dessen Anlage zur Berechnung der Beiträge, wird ergänzend Bezug genommen.
Die Klägerin erhob Widerspruch. Grobe Fahrlässigkeit im Sinne einer Verletzung der verkehrsüblichen Sorgfalt in besonders großem Maße könne dem Beigeladenen zu 2) keinesfalls vorgeworfen werden. Dieser habe nicht einfachste, jedem einleuchtende Überlegungen nicht angestellt. Vielmehr sei die Rechtslage kompliziert. Die Gleichartigkeit dessen Tätigkeiten für die I und für sie habe diesen geradezu zu der von ihm vorgenommenen Beurteilung führen müssen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2007 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 9. Januar 2008 Klage beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) (SG) erhoben. Zu der Begründung hat sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt.
Der Beigeladene zu 2) hat mit Erklärung vom 29. Juli 2008 einem Eintritt der Versicherungspflicht erst mit dem Tag der Entscheidung der Beklagten nach § 7b SGB IV a. F. zugestimmt.
Die Klägerin hat diverse Kopien zum Nachweis der verschiedenen Lebensversicherungen, welche der Beigeladene zu 2) abgeschlossen hat, eingereicht, auf die ergänzend verwiesen wird.
Die Beigeladene zu 3) hat sich den inhaltlichen Ausführungen der Beklagten angeschlossen. Die versicherungsrechtliche Beurteilung im Bescheid vom 25. Februar 1999 habe sich ausdrücklich auf die Tätigkeit des Beigeladenen zu 2) bei der I bezogen.
Der Beigeladene zu 2) teilt die Rechtsauffassung der Klägerin, von grober Fahrlässigkeit könne nicht ausgegangen werden. Da er im Anstellungsvertrag von Beschränkungen des § 181 BGB befreit gewesen sei und auch als Einziger die erforderlichen Branchenkenntnisse gehabt habe, die Urlaubszeiten selbst habe festlegen können, habe sich ihm nicht erschließen müssen, dass die Beklagte bei unveränderter Sach- und Rechtslage ihre Rechtsansicht geändert habe. Er sei überdies weder seitens des Steuerbüros noch des Aufsichtsrates auf eine etwaige Versicherungspflicht hingewiesen worden. Alle Beteiligten seien von derselben Sach- und Rechtslage ausgegangen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22. November 2010 abgewiesen. Der Beigeladene zu 2) sei abhängig beschäftigt gewesen im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Er sei an der Klägerin nicht beteiligt gewesen. Er habe auch nicht schalten und walten können, wie er es gewollt habe. Bereits nach dem Arbeitsvertrag sei er nicht hinsichtlich des Orts der Arbeitsausführung frei gewesen. Nach XIII.1 des Gesellschaftsvertrages sei er vom Aufsichtsrat kontrolliert und überwacht worden. Es habe zustimmungsbedürftige Geschäfte gegeben. Zudem sei für die Aufnahme von Krediten, der Übernahme von Bürgschaften und sonstigen Sicherheiten die Gesellschafterversammlung zuständig gewesen. Die Versicherungspflicht sei auch nicht erst mit dem Tag der Bekanntgabe nach § 7b SGB IV a. F. eingetreten. Der Beigeladene zu 2) sei grob fahrlässig von einer selbständigen Tätigkeit ausgegangen. Zur Überzeugung der Kammer stehe fest, dass aufgrund der erteilten Bescheide der Beigeladenen zu 3) und der Beklagten, der VBG und dem Anstellungsvertrag dem Beigeladenen zu 2) hätte einleuchten müssen, dass seine Tätigkeit nunmehr bei der Klägerin erneut versicherungsrechtlich hätte überprüft werden müssen. Diese jedem einleuchtende Überlegung sei unterlassen worden. Auch habe die Beigeladene zu 3) im Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 1999 zwar Versicherungsfreiheit festgestellt, allerdings erneut darauf hingewiesen, dass "im Allgemeinen davon auszugehen ist, dass der Geschäftsführer, der nicht am Stammkapital beteiligt ist, in abhängiger Beschäftigung tätig und daher sozialversicherungspflichtig ist". Dass dem Beigeladenen zu 2) die Problematik bewusst gewesen sei, ergäbe sich aus der ausführlichen Begründung seines Widerspruches gegen den Bescheid der Beigeladenen zu 3) vom 19. Januar 1999. Auch nach § 6.3 des Anstellungsvertrages vom 30. November 2002 hätte die in § 3.2 geregelte Umwandlung und Auszahlung der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung spätestens zum 1. Januar 2003 auf ihre Wirksamkeit und Aktualität überprüft werden müssen. Hieraus werde deutlich, dass sowohl die Klägerin als auch der Beigeladene zu 2) vom Erfordernis der ständigen Überprüfung und Aktualisierung des gesamten Anstellungsvertrages, also auch der versicherungsrechtlichen Beurteilung, ausgegangen seien. Die grobe Fahrlässigkeit des Beigeladenen zu 2) werde der Klägerin gemäß § 31 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) analog zugerechnet. Insoweit sei auch von grober Fahrlässigkeit der Klägerin selbst auszugehen. Ob auch ein Verschulden der Abrechnungsstelle vorliege, könne dahinstehen. Ganz allgemein sei jedoch ein Verschulden des steuerlichen Beraters dem Arbeitgeber zuzurechnen (Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 23. September 2004 – IX ZR 148/03 – und Urteil vom 12. Februar 2004 – IX ZR 246/02).
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beigeladenen zu 2). Zur Begründung hat er ausgeführt, er habe die Subsumtion in einfachen Worten, mit welcher die Beigeladene zu 3) die Versicherungsfreiheit 1999 angenommen habe, ohne Weiteres auf die Situation bei der Klägerin übertragen dürfen. Von den diffizilen Überlegungen und Kriterien der Beklagten in ihrem Bescheid 2007 sei nie zuvor gesprochen worden. Jedenfalls habe der Beigeladene zu 2) auf die Einschätzung der Beigeladenen zu 1) vertraut und habe auch vertrauen dürfen.
Der Beigeladene zu 2) beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 22. November 2010 den Bescheid der Beklagten vom 16. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das Unterlassen, die sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen einer neuen Tätigkeit durch die zuständige Einzugstelle oder in einem Statusfeststellungsverfahren klären zu lassen, könne bereits bedingt vorsätzlich sein. Dies liege hier nahe, weil der Beigeladene zu 2) eine eigene Subsumtion vorgenommen habe.
Entscheidungsgründe:
Es konnte im schriftlichen Verfahren nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden werden. Alle Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt.
Der Berufung bleibt Erfolg versagt. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung bloßer Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen wird, abgewiesen.
Der Bescheid der Beklagten vom 6. Juli 2000 befreit von der Rentenversicherungspflicht der Selbständigen im Hinblick auf eine vor dem 10. Dezember 1998 aufgebaute, der Altersvorsorge dienende, Lebens- oder Rentenversicherung. Sie gilt ausdrücklich (nur) für die derzeit ausgeübte und alle künftigen selbständigen Tätigkeiten mit einem Auftraggeber. Sie entfaltet jedoch keine Rechtswirkungen für nichtselbständige Tätigkeiten.
Die Anwendung des § 7b SGB IV a. F. scheidet aus, weil – wie das SG zutreffend ausgeführt hat – von grober Fahrlässigkeit sowohl der Klägerin als auch des Beigeladenen zu 2) auszugehen ist.
Richtig ist das SG von der Zurechnung des (etwaigen) Verschuldens der Beigeladenen zu 1) als Abrechnungsstelle und des Beigeladenen zu 2) ausgegangen. § 278 BGB ist auch im Sozialrecht anzuwenden (BSG, Urt. v. 18. August 2005 -B 7a AL 4/05 R- juris Rdnr. 1 mit Bezugnahme auf BSGE 28, 258, 259 ff).
Der steuerliche Berater, der im Auftrag des Arbeitgebers die Lohnabrechnungen besorgt, muss grundsätzlich auch prüfen, ob eine Befreiung von der Versicherungspflicht vorliegt, wenn Beiträge nicht abgeführt werden sollen (vgl. BGH, Urt. v. 12. Februar 2004 juris Rdnr. 11ff). Ergeben sich in einem solchen Fall tatsächliche Unklarheiten oder sozialversicherungsrechtliche Schwierigkeiten, so ist der steuerliche Berater gehalten, die Unklarheiten durch eigene Rückfragen auszuräumen oder deswegen ebenso wie für die Klärung sozialversicherungsrechtlicher Zweifel auf die Einschaltung eines hierfür fachlich geeigneten Beraters hinzuwirken (so wörtlich BGH, Urt. v. 23. September 2004 -IX ZR 148/03- juris Rdnr. 13).
Grob fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (BSGE 42, 184, 187; BSGE 62, 32, 35). Dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie der besonderen Umstände des Falles zu beurteilen (subjektiver Sorgfaltsmaßstab, vgl. auch BSG, Urt. v. 25.01.2001 -B 4 RA 110/00 R- juris-Rdnr. 16:). Der Sorgfaltsmaßstab des Erfüllungsgehilfen richtet sich zwar grundsätzlich nach der Stellung des Schuldners. Tritt jedoch der Erfüllungsgehilfe mit besonderer Sachkunde auf, verstärkt dies auch die Sorgfaltspflichten des Geschäftsherrn (BGH Urteil vom 26.04.1991 -V ZR 165/89- BGHZ 114, 263-273, juris Rn. 23 -).
Hier haben der Beigeladene zu 2) und die Beigeladene zu 1) gegen die jedem, insbesondere dem Fachkundigen unmittelbar einleuchtenden Pflicht verstoßen, die Frage etwaiger abhängige Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 SGB IV prüfen zu lassen. Angesichts des Ausnahmecharakters der Selbstständigkeit eines GmbH-Fremdgeschäftsführers, die diesen beiden Beigeladenen bekannt sein musste, wie das SG zutreffend entwickelt hat, drängte sich die Prüfungspflicht auch auf, auch wenn die Beigeladene zu 3) für die Irechtsfehlerhaft zu einem anderen Ergebnis gelangt war.
Die Kostenentscheidung folgt für das Berufungsverfahren aus §§ 183, 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Sache. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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