Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 36 R 691/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 R 148/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 8. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1961 geborene Kläger erlernte die Berufe eines Elektromonteurs und Gaststättenfacharbeiters. Er war als Elektriker, Büfettier, Kraftfahrer und selbständiger Bauunternehmer beschäftigt. Im Jahre 2000 beendete er die letztgenannte Tätigkeit. Im Mai 2001 unterzog er sich einer beidseitigen Leistenbruchoperation und ist seitdem arbeitsunfähig. Er bezieht seit dem 1. Januar 2005 Leistungen nach dem SGB II.
Am 13. November 2008 stellte der Kläger bei der Beklagten unter Beifügung eines Gutachtens des Oberarztes für Chirurgie des Vivantes-Klinikums S vom 3. August 2004 und Nachreichung eines Gutachtens von Dr. K vom Ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit vom 4. Januar 2009 einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Diesen lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 25. Februar 2009 unter Bezugnahme auf das Gutachten der Fachärztin für Innere Medizin Dr. F vom 10. Februar 2009 ab. Hiergegen legte der Kläger am 23. März 2009 Widerspruch ein. Diesen wies die Beklagte, nachdem sie einen Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. P eingeholt hatte, mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2009 mit der Begründung zurück, der Kläger könne noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein.
Mit der am 23. November 2009 beim Sozialgericht Potsdam eingelegten Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Aus dem Gesamtbild der festzustellenden Krankheiten ergebe sich eine vollständige bzw. teilweise Minderung der Erwerbstätigkeit. Das Gericht hat Befundberichte des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Z, des Facharztes für Chirurgie Dr. K und des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. P eingeholt. Weiterhin sind aufgrund richterlicher Beweisanordnungen am 17. April 2011 durch den Arzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. T und am 11. Oktober 2011 durch die Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. T medizinische Sachverständigengutachten erstattet worden. Dr. T ist zu der Einschätzung gelangt, bei dem Kläger bestehe eine Anpassungsstörung aufgrund eines heftigen Schmerzsyndroms in der Leistenregion und ein schädigender Gebrauch von Alkohol. Dr. T diagnostizierte eine Schmerzchronifizierung Stadium III nach Gerbershagen nach Leistenbruch nach Shouldice beidseits im Mai 2001, einen Verdacht auf Somatisierungsstörung, ein chronisches Lumbalsyndrom mit leichten degenerativen Veränderungen, eine initiale retropatellare Knorpelschädigung, ein rezidivierendes Zervikalsyndrom, eine Spinalstenose und Bandscheibenwölbung sowie eine Anpassungsstörung. Der Kläger sei trotz dieser gesundheitlichen Einschränkungen quantitativ in der Lage, vollschichtig erwerbstätig zu sein. Es bestünden bestimmte qualitative Leistungseinschränkungen. Besonderheiten hinsichtlich des Weges zur Arbeitsstätte seien nicht zu berücksichtigen.
Mit Urteil vom 8. Dezember 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.
Gegen dieses ihm 19. Januar 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20. Februar 2012 Berufung zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt.
Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts den Facharzt für Orthopädie, Rheumatologie Prof. Dr. S mit der Erstattung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beauftragt, welches dieser am 29. Oktober 2012 erstellte. Darin ist er zu der Einschätzung gelangt, dass zeitliche Leistungseinschränkungen nicht vorliegen.
Der Kläger meint, ihm stehe aufgrund seiner gesundheitsbedingten Einschränkungen eine Rente wegen Erwerbsminderung zu. Seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien nicht entsprechend seiner empfundenen Schmerzintensität berücksichtigt worden. Er sei weder körperlich noch psychisch für leichte Tätigkeiten belastbar. Bereits einfachste sportliche Anstrengungen seien nicht möglich.
Der Kläger beantragt zuletzt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 8. Dezember 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 25. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2009 zu verurteilen, dem Kläger ab dem 1. November 2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Feststellungen der Gutachter für überzeugend und meint, der Kläger sei weder vollständig noch teilweise erwerbsgemindert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 144 Absatz 1 SGG, in der Sache jedoch nicht begründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 25. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht der von ihm verfolgte Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht zu.
Die Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung sind in § 43 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) geregelt. Danach bestehen sowohl medizinische als auch versicherungsrechtliche Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer solchen Rente. Versicherte haben bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit erbracht und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI). Volle Erwerbsminderung liegt auch bei teilweiser Erwerbsminderung und verschlossenen Arbeitsmarkt vor. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 S. 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 1. HS SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbsfähig sein kann.
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen - drei Jahre Pflichtbeiträge in den letzten 5 Jahren - liegen bei dem Kläger seit Antragstellung vor. Dies ergibt sich aus dem in den Verwaltungsakten der Beklagten befindlichen Versicherungsverlauf. Da insoweit kein Streit besteht, wird von einer näheren Darstellung abgesehen.
Der Kläger erfüllt die genannten medizinischen Voraussetzungen jedoch nicht, da er in der Lage ist, zumindest körperlich und geistig leichte Arbeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Das Leistungsvermögen ist allein in qualitativer Hinsicht eingeschränkt. Dies entnimmt der Senat den vorliegenden medizinischen Ermittlungen, insbesondere den Ausführungen des Sachverständigen Dr. S.
Der gerichtliche Sachverständige Dr. S hat festgestellt, dass bei dem Kläger eine geringgradige Fehlform des Achsorgans mit geringgradigen Nervenwurzelreizerscheinungen vorliege. Weiterhin müsse von einer somatoformen Schmerzstörung und einer schwergradigen Alkoholkrankheit ausgegangen werden.
Der Kläger habe sich bei der Untersuchung in einem reduziertem Allgemein- und verminderten Ernährungszustand befunden. Seine Beschwerdeschilderung habe sich auf den Bereich der Leisten und der Hoden konzentriert. Im Bereich der Wirbelsäule und der Knie habe der Kläger nur wenige Beschwerden vorgetragen. Bei der eingehenden körperlichen Untersuchung sei dann auch am Stütz- und Bewegungsapparat ein nahezu unauffälliger Befund erhoben worden.
Auch für die geklagten Leiden im Bereich der Leisten habe sich klinisch kein Korrelat gefunden. Es läge kein Weichteilschaden vor und bestünde kein Anhalt auf eine entzündliche Veränderung oder eine Nervenstörung. Die vorgetragenen Beschwerden seien deshalb am ehesten im Sinne einer somatoformen Schmerzstörung zu definieren. Der Gutachter erläutert schlüssig, dass jedoch die vollkommen fehlende Behandlung der Schmerzen darauf hinweise, dass ein geringer Leidensdruck bestehe.
Es bestünden qualitative Einschränkungen insoweit, als der Kläger nicht ausschließlich schwere körperliche Tätigkeiten verrichten könne. Quantitative Leistungseinschränkungen liegen nicht vor. Der Kläger könne mindestens 6 Stunden täglich arbeiten. Auch Besonderheiten für den Weg zur Arbeit seien nicht zu beachten
Der Sachverständige Dr. S hat den Kläger eingehend untersucht sowie ausführlich die erhobenen Befunde dargestellt und ausgewertet. Er hat den Schweregrad der Erkrankungen genau herausgearbeitet und deren Auswirkungen auf das Leistungsvermögen untersucht. Bei dieser gründlichen und differenzierenden Betrachtungsweise sieht der Senat keine Gründe, an der Richtigkeit der Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. S zu zweifeln. Auch die Notwendigkeit der Einholung eines weiteren Gutachtens hat der Sachverständige nicht gesehen, so dass sich der Senat auch nicht zu weiteren Ermittlungen gedrängt sah. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Sachverständige auch die von dem Kläger geschilderten Schmerzen ausführlich wiedergegeben, bei der Erstellung seines Gutachtens berücksichtigt und in seine Einschätzung einbezogen hat.
Der Sachverständige Dr. S stimmt darüber hinaus in seiner Bewertung im Wesentlichen mit den bereits im Verwaltungsgericht beigezogenen Gutachten des Dr. K und des Gutachtens der Dr. F sowie den vom Sozialgericht eingeholte Sachverständigengutachten der Dr. T und des Dr. T überein. Dr. T benennt zwar weitere qualitative Einschränkungen, beispielsweise den Ausschluss von häufigen Überkopfarbeiten, von häufigen Rumpfzwangshaltungen, häufigem Bücken, häufigem Heben und Tragen von Lasten über 10 kg und häufigem Hocken und Knien und den Ausschluss von Tätigkeiten mit Rüttlungen und Stauchungen der Wirbelsäule, Tätigkeiten mit einseitigen körperlichen Belastungen, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten und Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an die Stressbelastbarkeit. Diese sind jedoch teilweise nicht nachvollziehbar, da die Gutachterin selbst ausführt, dass sich aus den diagnostizierten Lumbal- und Zervikalsyndrom und der Knorpelschädigung keine nennenswerten Funktionseinschränkungen ergeben.
Auch aus den weiteren medizinischen Unterlagen ergibt sich nichts anderes. Die Einschätzung des behandelnden Hausarztes Dr. P im Befundbericht vom 27. Oktober 2010 vermag nicht zu überzeugen. Dieser erklärt zwar, dass der Kläger nach seiner Ansicht körperlich und psychisch auch nicht für leichte Tätigkeiten belastbar sei. Er begründet dies jedoch nicht und nennt auch keine Funktionseinschränkungen. Die im Befundbericht benannten Beschwerden wurden auch von Dr. S berücksichtigt und sind so in dessen Einschätzung der Leistungsfähigkeit eingeflossen.
Das geschilderte Leistungsvermögen versetzt den Kläger damit durchaus in die Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich tätig zu sein. Eine Erwerbsminderung im Sinne des Rentenrechts besteht nicht. Unabhängig von dem Nichtbestehen quantitativer Leistungseinschränkungen, stellen die qualitativen Leistungseinschränkungen - hier nur Ausschluss schwerer Arbeiten - keine schwerwiegende spezifische Leistungseinschränkung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen dar, die unabhängig von quantitativen Einschränkungen dazu führen würde, dass bei Nichtbenennung einer konkreten Verweisungstätigkeit Erwerbsminderung anzunehmen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht ersichtlich sind.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1961 geborene Kläger erlernte die Berufe eines Elektromonteurs und Gaststättenfacharbeiters. Er war als Elektriker, Büfettier, Kraftfahrer und selbständiger Bauunternehmer beschäftigt. Im Jahre 2000 beendete er die letztgenannte Tätigkeit. Im Mai 2001 unterzog er sich einer beidseitigen Leistenbruchoperation und ist seitdem arbeitsunfähig. Er bezieht seit dem 1. Januar 2005 Leistungen nach dem SGB II.
Am 13. November 2008 stellte der Kläger bei der Beklagten unter Beifügung eines Gutachtens des Oberarztes für Chirurgie des Vivantes-Klinikums S vom 3. August 2004 und Nachreichung eines Gutachtens von Dr. K vom Ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit vom 4. Januar 2009 einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Diesen lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 25. Februar 2009 unter Bezugnahme auf das Gutachten der Fachärztin für Innere Medizin Dr. F vom 10. Februar 2009 ab. Hiergegen legte der Kläger am 23. März 2009 Widerspruch ein. Diesen wies die Beklagte, nachdem sie einen Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. P eingeholt hatte, mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2009 mit der Begründung zurück, der Kläger könne noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein.
Mit der am 23. November 2009 beim Sozialgericht Potsdam eingelegten Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Aus dem Gesamtbild der festzustellenden Krankheiten ergebe sich eine vollständige bzw. teilweise Minderung der Erwerbstätigkeit. Das Gericht hat Befundberichte des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Z, des Facharztes für Chirurgie Dr. K und des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. P eingeholt. Weiterhin sind aufgrund richterlicher Beweisanordnungen am 17. April 2011 durch den Arzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. T und am 11. Oktober 2011 durch die Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. T medizinische Sachverständigengutachten erstattet worden. Dr. T ist zu der Einschätzung gelangt, bei dem Kläger bestehe eine Anpassungsstörung aufgrund eines heftigen Schmerzsyndroms in der Leistenregion und ein schädigender Gebrauch von Alkohol. Dr. T diagnostizierte eine Schmerzchronifizierung Stadium III nach Gerbershagen nach Leistenbruch nach Shouldice beidseits im Mai 2001, einen Verdacht auf Somatisierungsstörung, ein chronisches Lumbalsyndrom mit leichten degenerativen Veränderungen, eine initiale retropatellare Knorpelschädigung, ein rezidivierendes Zervikalsyndrom, eine Spinalstenose und Bandscheibenwölbung sowie eine Anpassungsstörung. Der Kläger sei trotz dieser gesundheitlichen Einschränkungen quantitativ in der Lage, vollschichtig erwerbstätig zu sein. Es bestünden bestimmte qualitative Leistungseinschränkungen. Besonderheiten hinsichtlich des Weges zur Arbeitsstätte seien nicht zu berücksichtigen.
Mit Urteil vom 8. Dezember 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.
Gegen dieses ihm 19. Januar 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20. Februar 2012 Berufung zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt.
Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts den Facharzt für Orthopädie, Rheumatologie Prof. Dr. S mit der Erstattung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beauftragt, welches dieser am 29. Oktober 2012 erstellte. Darin ist er zu der Einschätzung gelangt, dass zeitliche Leistungseinschränkungen nicht vorliegen.
Der Kläger meint, ihm stehe aufgrund seiner gesundheitsbedingten Einschränkungen eine Rente wegen Erwerbsminderung zu. Seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien nicht entsprechend seiner empfundenen Schmerzintensität berücksichtigt worden. Er sei weder körperlich noch psychisch für leichte Tätigkeiten belastbar. Bereits einfachste sportliche Anstrengungen seien nicht möglich.
Der Kläger beantragt zuletzt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 8. Dezember 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 25. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2009 zu verurteilen, dem Kläger ab dem 1. November 2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Feststellungen der Gutachter für überzeugend und meint, der Kläger sei weder vollständig noch teilweise erwerbsgemindert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 144 Absatz 1 SGG, in der Sache jedoch nicht begründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 25. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht der von ihm verfolgte Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht zu.
Die Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung sind in § 43 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) geregelt. Danach bestehen sowohl medizinische als auch versicherungsrechtliche Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer solchen Rente. Versicherte haben bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit erbracht und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI). Volle Erwerbsminderung liegt auch bei teilweiser Erwerbsminderung und verschlossenen Arbeitsmarkt vor. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 S. 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 1. HS SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbsfähig sein kann.
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen - drei Jahre Pflichtbeiträge in den letzten 5 Jahren - liegen bei dem Kläger seit Antragstellung vor. Dies ergibt sich aus dem in den Verwaltungsakten der Beklagten befindlichen Versicherungsverlauf. Da insoweit kein Streit besteht, wird von einer näheren Darstellung abgesehen.
Der Kläger erfüllt die genannten medizinischen Voraussetzungen jedoch nicht, da er in der Lage ist, zumindest körperlich und geistig leichte Arbeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Das Leistungsvermögen ist allein in qualitativer Hinsicht eingeschränkt. Dies entnimmt der Senat den vorliegenden medizinischen Ermittlungen, insbesondere den Ausführungen des Sachverständigen Dr. S.
Der gerichtliche Sachverständige Dr. S hat festgestellt, dass bei dem Kläger eine geringgradige Fehlform des Achsorgans mit geringgradigen Nervenwurzelreizerscheinungen vorliege. Weiterhin müsse von einer somatoformen Schmerzstörung und einer schwergradigen Alkoholkrankheit ausgegangen werden.
Der Kläger habe sich bei der Untersuchung in einem reduziertem Allgemein- und verminderten Ernährungszustand befunden. Seine Beschwerdeschilderung habe sich auf den Bereich der Leisten und der Hoden konzentriert. Im Bereich der Wirbelsäule und der Knie habe der Kläger nur wenige Beschwerden vorgetragen. Bei der eingehenden körperlichen Untersuchung sei dann auch am Stütz- und Bewegungsapparat ein nahezu unauffälliger Befund erhoben worden.
Auch für die geklagten Leiden im Bereich der Leisten habe sich klinisch kein Korrelat gefunden. Es läge kein Weichteilschaden vor und bestünde kein Anhalt auf eine entzündliche Veränderung oder eine Nervenstörung. Die vorgetragenen Beschwerden seien deshalb am ehesten im Sinne einer somatoformen Schmerzstörung zu definieren. Der Gutachter erläutert schlüssig, dass jedoch die vollkommen fehlende Behandlung der Schmerzen darauf hinweise, dass ein geringer Leidensdruck bestehe.
Es bestünden qualitative Einschränkungen insoweit, als der Kläger nicht ausschließlich schwere körperliche Tätigkeiten verrichten könne. Quantitative Leistungseinschränkungen liegen nicht vor. Der Kläger könne mindestens 6 Stunden täglich arbeiten. Auch Besonderheiten für den Weg zur Arbeit seien nicht zu beachten
Der Sachverständige Dr. S hat den Kläger eingehend untersucht sowie ausführlich die erhobenen Befunde dargestellt und ausgewertet. Er hat den Schweregrad der Erkrankungen genau herausgearbeitet und deren Auswirkungen auf das Leistungsvermögen untersucht. Bei dieser gründlichen und differenzierenden Betrachtungsweise sieht der Senat keine Gründe, an der Richtigkeit der Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. S zu zweifeln. Auch die Notwendigkeit der Einholung eines weiteren Gutachtens hat der Sachverständige nicht gesehen, so dass sich der Senat auch nicht zu weiteren Ermittlungen gedrängt sah. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Sachverständige auch die von dem Kläger geschilderten Schmerzen ausführlich wiedergegeben, bei der Erstellung seines Gutachtens berücksichtigt und in seine Einschätzung einbezogen hat.
Der Sachverständige Dr. S stimmt darüber hinaus in seiner Bewertung im Wesentlichen mit den bereits im Verwaltungsgericht beigezogenen Gutachten des Dr. K und des Gutachtens der Dr. F sowie den vom Sozialgericht eingeholte Sachverständigengutachten der Dr. T und des Dr. T überein. Dr. T benennt zwar weitere qualitative Einschränkungen, beispielsweise den Ausschluss von häufigen Überkopfarbeiten, von häufigen Rumpfzwangshaltungen, häufigem Bücken, häufigem Heben und Tragen von Lasten über 10 kg und häufigem Hocken und Knien und den Ausschluss von Tätigkeiten mit Rüttlungen und Stauchungen der Wirbelsäule, Tätigkeiten mit einseitigen körperlichen Belastungen, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten und Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an die Stressbelastbarkeit. Diese sind jedoch teilweise nicht nachvollziehbar, da die Gutachterin selbst ausführt, dass sich aus den diagnostizierten Lumbal- und Zervikalsyndrom und der Knorpelschädigung keine nennenswerten Funktionseinschränkungen ergeben.
Auch aus den weiteren medizinischen Unterlagen ergibt sich nichts anderes. Die Einschätzung des behandelnden Hausarztes Dr. P im Befundbericht vom 27. Oktober 2010 vermag nicht zu überzeugen. Dieser erklärt zwar, dass der Kläger nach seiner Ansicht körperlich und psychisch auch nicht für leichte Tätigkeiten belastbar sei. Er begründet dies jedoch nicht und nennt auch keine Funktionseinschränkungen. Die im Befundbericht benannten Beschwerden wurden auch von Dr. S berücksichtigt und sind so in dessen Einschätzung der Leistungsfähigkeit eingeflossen.
Das geschilderte Leistungsvermögen versetzt den Kläger damit durchaus in die Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich tätig zu sein. Eine Erwerbsminderung im Sinne des Rentenrechts besteht nicht. Unabhängig von dem Nichtbestehen quantitativer Leistungseinschränkungen, stellen die qualitativen Leistungseinschränkungen - hier nur Ausschluss schwerer Arbeiten - keine schwerwiegende spezifische Leistungseinschränkung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen dar, die unabhängig von quantitativen Einschränkungen dazu führen würde, dass bei Nichtbenennung einer konkreten Verweisungstätigkeit Erwerbsminderung anzunehmen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht ersichtlich sind.
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