S 26 AS 1486/14 ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Neuruppin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
26
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 26 AS 1486/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zum Bestehen durchgreifender Zweifel am Vorliegen einer den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigenden Notlage bei nur ausweichendem Auskunftsverhalten von Antragstellern.
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vom 16. Juli 2014 wird abgelehnt.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

Die Beteiligten streiten im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens um die Verpflichtung des Antragsgegners, dem Antragsteller vorläufig die Kosten für die Anschaffung einer Waschmaschine und eines Wäschetrockners nach Maßgabe der Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) zu gewähren.

Der bei dem Sozialgericht Neuruppin am 16. Juli 2014 eingegangene Antrag vom gleichen Tage, mit dem der Antragsteller (sinngemäß) beantragt,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig die Kosten für die Anschaffung einer Waschmaschine und eines Wäschetrockners zu gewähren,

hat keinen Erfolg.

Der gemäß § 86b Abs 2 S 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf den Erlass einer Regelungsanordnung gerichtete Antrag ist zulässig (dazu unter 1.), jedoch nicht begründet (dazu unter 2. bis 4.).

1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere geht die Kammer zugunsten des Antragstellers derzeit noch von dessen Prozessfähigkeit im Sinne des § 71 Abs 1 SGG aus und wartet insoweit die im Hauptsacheverfahren des Antragsteller – S 26 AS 977/11 – von Amts wegen durch die Einholung von fachpsychiatrischen Sachverständigengutachten bereits eingeleiteten medizinischen Ermittlungen zu dieser Frage ab.

2. Der danach zulässige Antrag des Antragstellers ist jedoch unbegründet. Nach der genannten Vorschrift des § 86b Abs 2 S 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis nach summarischer Prüfung des zur Verfügung stehenden Tatsachenmaterials treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile – insbesondere einer existenziellen Notlage – nötig erscheint. Anordnungsgrund, dh die Eilbedürftigkeit der begehrten vorläufigen Regelung, und Anordnungsanspruch, dh die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren begehrt wird, sind geltend und die zur Begründung erforderlichen Tatsachen sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 S 4 SGG iVm § 920 Abs 2 der Zivilprozessordnung).

Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt. Der Antragsteller hat bereits das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht glaubhaft gemacht (dazu unter 3.), so dass es nicht darauf ankommt, ob er auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft machen konnte (dazu unter 4.).

3. Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund, dh die Eilbedürftigkeit für eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Bereits das prozessuale Verhalten des Antragstellers spricht nicht für das tatsächliche Vorliegen besonderer Eilbedürftigkeit und mithin nicht für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Denn der Antragsteller hat auf die ausdrückliche gerichtliche Nachfrage vom 23. Juli 2014, warum erst etwa neun Monate nach der (vermeintlichen) irreparablen Beschädigung der Waschmaschine und des Wäschetrockners gerichtlicher Eilrechtsschutz in Anspruch genommen wird, nicht konkret geantwortet. Vielmehr erschöpfte sich seine Stellungnahme zu dieser – konkret auch von ihm bezeichneten – entsprechenden gerichtlichen Verfügung weitgehend in Wiederholungen des bisherigen Vorbringens. Gleiches gilt für die in der gleichen gerichtlichen Verfügung formulierten Frage, wie er – der Antragsteller – in einem Zeitraum von etwa neun Monaten für die Reinhaltung seiner Wäsche ohne funktionstüchtige Waschmaschine gesorgt hat. Auch hierauf blieb der Antragsteller eine konkrete und vor allem plausible Antwort schuldig. So aber verhält sich kein Antragsteller, der auf existenzsichernde Leistungen nach dem SGB II in einer Weise angewiesen ist, die – mangels anderweitiger Hilfemöglichkeiten – eine Leistungsgewährung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes rechtfertigen könnte und ein sofortiges (gerichtliches) Tätigwerden unabdingbar macht.

Vor diesem Hintergrund ist das Vorliegen eines Anordnungsgrundes weder glaubhaft gemacht noch plausibel. Insgesamt zeichnet das in den entscheidenden Punkten ausweichende Auskunftsverhalten des Antragstellers ein typisches Bild von Personen, die ihnen ungünstige tatsächliche Umstände verschleiern wollen oder die über nicht offenbarte – ggf anderweitige – Hilfemöglichkeiten verfügen. Dies weckt durchgreifende Zweifel am Vorliegen der den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigenden Notlage, was zur Ablehnung des Antrages auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes führt.

Schließlich – darauf ist der Antragsteller bereits mehrfach hingewiesen worden – verkennt der Antragsteller, dass eine einstweilige Anordnung nicht dazu dient, zu Lasten anderer Beteiligter der Hauptsacheverfahren eine schnellere Entscheidung zu erlangen oder gar um ein Tätigwerden eines Leistungsträgers bei der Bearbeitung von Anträgen oder Widersprüchen zu erzwingen. Sie ist vielmehr nur dann zu treffen, wenn ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine spätere Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Dies ist – wie ausgeführt – hier jedoch nicht der Fall. Die Beantwortung der von dem Antragsteller aufgeworfenen Frage zum Anspruch auf Gewährung der erstrebten Kosten muss daher einem ggf noch anhängig zu machenden Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, dessen Abwarten dem Antragsteller aus den genannten Gründen auch zuzumuten ist.

4. Da es der Antragsteller nicht vermocht hat, das Vorliegen einer den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigenden Notlage darzulegen und glaubhaft zu machen, kommt es nicht mehr darauf an, ob es ihm gelungen ist, die tatsächlichen Voraussetzungen für das Bestehen eines Anordnungsanspruches glaubhaft zu machen. Nur der Vollständigkeit halber weist die Kammer indes vorsorglich auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Abgrenzung von Erst- und Ersatzbeschaffung hin. Danach ist von einer Erstausstattung für eine Wohnung im Sinne des § 24 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB II auszugehen, wenn ein Bedarf für die Ausstattung einer Wohnung besteht, der nicht bereits durch vorhandene Möbel und andere Einrichtungsgegenstände gedeckt ist. Der Anspruch ist insoweit bedarfsbezogen zu verstehen (vgl nur BSG, Urteil vom 19. September 2008 – B 14 AS 64/07 R, BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2, RdNr 19 und vom 27. September 2011 – B 4 AS 202/10 R, SozR 4-4200 § 23 Nr 13, RdNr 16).

In Abgrenzung zu einem Erhaltungs- und Ergänzungsbedarf, der aus dem Regelbedarf zu bestreiten ist, kommt eine Wohnungserstausstattung allerdings auch bei einem erneuten Bedarfsanfall in Betracht, wenn der Hilfebedürftige nachweist, dass er - regelmäßig im Zusammenhang mit besonderen Ereignissen - über die nunmehr notwendigen Ausstattungsgegenstände bisher nicht oder nicht mehr verfügt. Von den in den Gesetzesmaterialien beispielhaft genannten Bedarfen für eine Wohnungserstausstattung, zB nach einem Wohnungsbrand oder bei Erstanmietung nach einer Haft (BT-Drucks 15/1514, S 60 zum gleichlautenden § 32 Abs 1 SGB XII aF), steht jedenfalls der Wohnungsbrand für Konstellationen, bei denen – nach dem Willen des Gesetzgebers – Leistungen nach § 24 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB II für einen erneuten Bedarfsanfall im Sinne einer Ersatzbeschaffung als "Wohnungserstausstattung" gewährt werden können. Entsprechend hat das BSG bereits entschieden, dass der erstmaligen Ausstattung einer Wohnung wertungsmäßig diejenigen Fälle einer Ersatzbeschaffung gleichzustellen sind, bei denen vorhandene Ausstattungsgegenstände allein durch einen vom Grundsicherungsträger veranlassten Umzug in eine angemessene Wohnung unbrauchbar geworden (Urteil vom 01. Juli 2009 – B 4 AS 77/08 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 4, RdNr 14f) oder bei einem Rückumzug aus dem Ausland im Ausland untergegangen sind (Urteil vom 27. September 2011 – B 4 AS 202/10 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 13, RdNr 17).

Im Hinblick auf den Vortrag des Antragstellers, die Waschmaschine sei bei dem Umzug irreparabel beschädigt worden, bedarf es – im Rahmen des offenbar noch durchzuführenden Widerspruchsverfahrens – weiterer Sachverhaltsaufklärung durch den Antragsgegner, wobei es entscheidend auf die (möglicherweise) aufgrund eines unvorhersehbaren Ereignisses plötzlich eingetretene Funktionsunfähigkeit des Geräts ohne Rücksicht darauf ankommen dürfte, ob es sich – wie der Antragsteller meint – um einen vom Antragsgegner veranlassten Umzug gehandelt hat. Selbst wenn sich nach weiterer Sachverhaltsaufklärung herausstellen sollte, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen als Zuschuss nach Maßgabe des § 24 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB II nicht vorliegen, wäre zu erwägen, ob dem Antragsteller nicht jedenfalls ein Anspruch auf Gewährung eines Darlehens nach Maßgabe des § 24 Abs 1 S 1 SGB II zusteht.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG; sie entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache, in der die Antragsteller vollumfänglich unterlagen. Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben.

Rechtsmittelbelehrung:
( ...)

A.
Richter am Sozialgericht
Rechtskraft
Aus
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