Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 6 AS 2810/10
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 798/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist ein Auskunftsanspruch des Beklagten gegenüber dem Kläger.
Die am ... 1971 geborene B. S. (im Folgenden: Kindesmutter) beantragte am 20. Juli 2010 erneut für sich und den am ... 1993 geborenen B. B. (im Folgenden: Unterhaltsberechtigter) Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Der Kläger ist Vater des Unterhaltsberechtigten. Im familienrechtlichen Verfahren 330 F 02199/08 vor dem Amtsgericht L. verlangte der Unterhaltsberechtigte, vertreten durch die Kindesmutter, vom Kläger die Zahlung von rückständigem Unterhalt. Nach einem Protokoll des Amtsgerichts L. kam es in diesem Verfahren zu einer vergleichsweisen Regelung der Unterhaltsfrage. Der Tenor des Vergleiches vom 28. Januar 2009 lautete wörtlich: 1. In Abänderung der Jugendamtsurkunde der Stadt L. vom 15. August 1997, Urkundsregisternummer ... /1997, verpflichtet sich der Beklagte einen rückständigen Kindesunterhalt betreffend den Zeitraum vom Juli 2008 bis Dezember 2008 in Höhe von 114,00 EUR an den Kläger, zu Händen der gesetzlichen Vertreterin zu zahlen.
2. Darüber hinaus verpflichtet sich der Beklagte in Abänderung der vorgenannten Unterhaltsverpflichtungsurkunde beginnend ab 1. Januar 2009 einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 314,00 EUR an den Kläger, zu Händen der gesetzlichen Vertreterin und zwar auf das Konto bei der Sparkasse L., Kontonummer ..., Bankleitzahl ... zu zahlen.
Dem Beklagten war dieser Vergleich noch im Jahr 2009 bekannt geworden.
Mit Bescheid vom 26. Juli 2010 bewilligte der Beklagte der Kindesmutter für die Zeit vom 1. September bis 31. Dezember 2010 Leistungen in Gesamthöhe von 458,55 EUR (Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes: 279,28 EUR; Kosten für Unterkunft und Heizung 179,27 EUR). Für weitere Zeiträume ergaben sich Ansprüche der Kindesmutter in Höhe von 211,72 EUR (1. bis 13. Januar 2011) bzw. 252,46 EUR (14. bis 31. Januar 2011) und in Höhe von 445,55 EUR (Februar 2011). Für die Zeit vom 1. bis 13. Januar 2011 errechnete der Beklagte für den Unterhaltsberechtigten einen Anspruch auf Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 0,02 EUR. Im Übrigen bewilligte der Beklagte dem Unterhaltsberechtigten keine weiteren Leistungen.
Ohne vorherige Anhörung erließ der Beklagte den Bescheid vom 23. Juli 2010 gegenüber dem Kläger und verlangte von ihm Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse gemäß § 60 Abs. 2 SGB II bis zum 16. August 2010. Dem Schreiben war ein umfangreicher Fragebogen beigefügt. Dieser enthielt Angaben zur Person, Fragen zum Einkommen, zu berufsbedingten Aufwendungen sowie zu Kindern. In einer eigenständigen durchgehenden Spalte des Fragebogens befand sich unter der Überschrift "Ehegatte" ein eigenständiger Beantwortungsbereich, der den Ehegatten – wie den Unterhaltsverpflichteten – zu Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vorsah. Auf Bl. 101 bis Bl. 103 der Gerichtsakte wird ausdrücklich Bezug genommen.
Hiergegen legte der Kläger, nunmehr anwaltlich vertreten, am 9. August 2010 Widerspruch ein und machte geltend: Er leiste aus dem bestandskräftigen familienrechtlichen Unterhaltsvergleich vom 28. Januar 2009 entsprechende Zahlungen an den Unterhaltsberechtigten. Für die Erforschung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse bestehe keine Rechtsgrundlage. Im angegriffenen Bescheid sei nicht einmal mitgeteilt worden, welche Leistungen der Unterhaltsberechtigte tatsächlich vom Beklagten bezogen habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 2010 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und führte zur Begründung aus: Der Kläger sei gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II zur Auskunft verpflichtet. Hiernach seien Dritte, die jemandem, der eine Leistung nach dem SGB II beantragt hat oder beziehe, zu Leistungen verpflichtet sind, zur Auskunft verpflichtet. Dieser Anspruch bestehe unabhängig davon, ob ein Unterhaltsanspruch gegeben sei. Der Unterhaltsberechtigte habe einen Leistungsanspruch aus Regelleistung und anteiligen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 466,28 EUR. Dieser Anspruch werde zwar durch den Unterhalt des Klägers (314,00 EUR), das Wohngeld (121,00 EUR) sowie das Kindergeld (184,00 EUR) gedeckt. Das übersteigende Kindergeld in Höhe von 152,72 EUR sei jedoch auf die Kindesmutter, die ebenfalls im Leistungsbezug stehen, zu übertragen. Wäre es dem Kläger aufgrund möglicherweise geänderter Einkommensverhältnisse zwischenzeitlich möglich, den gesetzlichen Mindestunterhalt in Höhe von 334,00 Euro zu zahlen, ergebe sich ein höherer Anteil an dem zu übertragenden Kindergeld, was den Leistungsanspruch der Kindesmutter gegenüber dem Beklagten verringere.
Hiergegen hat der Kläger am 17. September 2010 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) erhoben, die Aufhebung der Bescheide begehrt und ergänzend ausgeführt: Für einen weitergehenden Auskunftsanspruch des Beklagten fehle es an einer Anspruchsgrundlage, da der Kläger seinen gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen jeweils nachgekommen sei. Offenbar sei es die Intention des Beklagten, über das Auskunftsbegehren zu versuchen, seine Leistungen an die Kindesmutter zu reduzieren. Diese habe jedoch gegenüber dem Kläger keine Unterhaltsansprüche, so dass kein Auskunftsanspruch bestehe. Seiner Auskunftspflicht sei er durch Vorlage des familienrechtlichen Unterhaltstitels gegenüber dem Beklagten nachgekommen. Dieser habe nicht das Recht, die Bestandskraft zivilrechtlicher Titel im Wege eines öffentlichen Verwaltungsaktes wieder aufzuheben. Die vorratsweise Erforschung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse verstoße gegen sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Der Umfang einer Auskunftspflicht beschränke sich allenfalls auf mögliche Zahlungsrückstände, die jedoch unter Vorlage der jeweiligen Zahlungsnachweise nicht vorlägen.
Der Beklagte ist dieser Rechtsauffassung entgegengetreten und hat geltend gemacht: Er sei nicht an die Vorgaben des Unterhaltstitels im Vergleich von 2009 gebunden und könne unbeschränkt darauf hinwirken, dass ein Unterhaltsverpflichteter seiner gesetzlichen Unterhalts- und Leistungspflicht in vollem Umfange nachkomme, um den Leistungsanspruch des Leistungsberechtigten zu verringern. Der Unterhaltsanspruch der Kindesmutter sowie des Unterhaltsberechtigten sei gemäß § 33 Abs. 1 SGB II auf den Beklagten übergegangen. Ausschlussgründe nach § 33 Abs. 2 SGB II seien nicht erkennbar. Im vorliegenden Fall sei der tatsächliche Bedarf des Unterhaltsberechtigten durch den Unterhalt, das Wohngeld sowie das anteilige Kindergeld vollständig gedeckt worden. Bei der Kindesmutter habe jedoch ein Bedarf von 581,27 EUR bestanden, der durch die Anrechnung des Kindergeldes nur teilweise gedeckt sei. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II werde das Kindergeld dem Kinde nur angerechnet, soweit es hilfebedürftig sei. Wäre der Kläger also zu einer höheren Unterhaltszahlung verpflichtet, käme der Kindesmutter das volle Kindergeld zugute. Dies entspreche auch der zivilrechtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 1. Dezember 2010, XII ZR 19/09).
Der Kläger hat am 28. September 2011 ein weiteres Protokoll des Amtsgerichts L. – Familiengericht – im Verfahren ... F 00966/11 vom 22. August 2011 vorgelegt. Hiernach haben der Kläger und der Unterhaltsberechtigte folgenden Vergleich geschlossen:
"1. Die Hauptbeteiligten sind sich darüber einig dass der Antragsteller aus dem vor dem Amtsgericht L. am 28.01.2009 zum Az.: ... F 2199/08 geschlossenen Prozessvergleich seit 1. August 2011 keinen Unterhalt mehr schuldet.
2. der Antragsgegner zahlt an den Antragsteller überzahlten Unterhalt in Höhe von insgesamt 1.100,00 EUR ( ) zurück."
Hierzu hat er ergänzend ausgeführt: Aus dem neuen Titel sei die zivilrechtliche Unterhaltspflicht vom zuständigen Gericht nochmals konkretisiert worden, was auch für den Beklagten verbindlich sei. Auskunftsansprüche des Beklagten seien bezüglich erfüllter zivilrechtlicher Unterhaltsansprüche nicht erkennbar. Da der Unterhaltsberechtigte mittlerweile eine Ausbildungsvergütung erhalte, bestehe aktuell überhaupt kein Unterhaltsanspruch mehr.
Das SG hat mit Urteil vom 8. August 2012 den Bescheid des Beklagten vom 23. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2010 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt: Die Umbenennung der ARGE L. in die neue Rechtspersönlichkeit des Beklagten stelle einen Beteiligtenwechsels kraft Gesetzes dar, der von Amts wegen zu berichtigen sei. Der Hinweis des Beklagten auf einen Übergang des Auskunftsanspruchs gemäß § 33 SGB II sei unzutreffend. Im vorliegenden Fall habe der Kläger die titulierten Unterhaltsansprüche jeweils durch Zahlung erfüllt, was zu einem Ausschluss des Forderungsüberganges nach § 33 Abs. 2 Satz 2 SGB II führen müsse. Auch ein Auskunftsanspruch nach § 60 Abs. 2 SGB II bestehe nicht. Zwar habe eine Unterhaltsverpflichtung des Klägers bestanden. § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II verlange jedoch einen Antrag bzw. einen Leistungsbezug des Unterhaltsberechtigten. Daher bestehe ein Auskunftsanspruch zeitlich nur für die Zeit der Antragstellung sowie während der Zeit des Leistungsbezuges. Der Beklagte habe jedoch dem Unterhaltsberechtigten keine SGB II – Leistungen gewährt. Für eine erweiternde Auslegung bestehe gerade wegen des verfassungsrechtlichen Eingriffscharakters einer Auskunftspflicht in die informationelle Selbstbestimmung kein Raum. In Kenntnis der Besonderheiten des § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II habe der Gesetzgeber die Sonderregelung des § 33 Abs. 1 Satz 2 SGB II eingeführt, jedoch keine entsprechende Regelung in § 60 SGB II geschaffen. Die möglicherweise geringeren SGB II – Ansprüche der Kindesmutter nach Anrechnung eines höheren Kindergeldanteils des Unterhaltsberechtigten seien insoweit unbeachtlich. Soweit ein höherer Leistungsanspruch des Unterhaltsberechtigten gegenüber dem Beklagte bestanden haben sollte, stehe dem ein bestandskräftiger Ablehnungsbescheid entgegen. Die Aufforderung des Beklagten, Angaben zum Einkommen- und Vermögen des Ehegatten des Klägers in dem übersandten Fragebogen zu machen, sei von der Rechtsgrundlage des § 60 Abs. 2 SGB II nicht gedeckt.
Der Beklagte hat gegen das ihm am 28. August 2012 zugestellte Urteil am 26. September 2012 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt: § 60 Abs. 2 SGB II sei im Lichte des § 33 Abs. 1 Satz 2 SGB II erweiternd auszulegen. Danach sei eine öffentlichrechtliche Auskunftspflicht anzunehmen, wenn allein wegen der Anrechnung von Kindergeld kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II für den Unterhaltsberechtigten bestehen würde. Mit Einführung des § 33 Abs. 1 Satz 2 SGB II sei ein Korrektiv zur Regelung des § 11 Abs. 1, Satz 3 SGB II geschaffen worden. Hiernach sollen streitige Ansprüche auch dann auf den Leistungsträger übergehen, wenn ein Leistungsanspruch des Unterhaltsberechtigten nur deshalb nicht bestehe, weil ein Kindergeldbedarf bei diesem habe angerechnet werden können. Im Ergebnis werde damit die steuerrechtlich mögliche Zuordnung des Kindergeldes zu dem Kindergeldberechtigten wiederhergestellt und eine ungerechtfertigte Privilegierung des Dritten, bei dem es sich regelmäßig um einen Unterhaltsschuldner handeln dürfte, vermieden. § 60 Abs. 2 SGB II könne erweiternd auf die vorliegende Konstellation angewandt werden. Die Auffassung des SG führe zu einer Verkürzung der behördlichen Möglichkeiten, da ein kraft Gesetzes übergegangener zivilrechtlicher Auskunftsanspruch nach § 1605 BGB weiter gehen würde, als ein behördlicher Auskunftsanspruch nach § 60 SGB II.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Dessau-Roßlau vom 8. August 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat ergänzend ausgeführt: Bereits der vom Beklagten verwandte Fragebogen verstoße gegen elementare Rechtsgrundsätze (Verhältnismäßigkeit; Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung). Zu Unrecht habe der Beklagte den Fragebogen auf Personen ausgeweitet, die keinen Unterhaltspflichten ausgesetzt sein könnten. Auch sei zu Unrecht das Vermögen von unbeteiligten Dritten in die Bewertung des Fragebogens einbezogen worden. Ein Auskunftsersuchen könne dagegen nur bei einer Verletzung gesetzlicher Unterhaltspflichten verlangt werden.
Auf gerichtliche Nachfrage hat der Beklagte den Änderungsbescheid vom 20. April 2010 vorgelegt. Hiernach bewilligte der Beklagte der Kindesmutter für den vorangegangenen Bewilligungsabschnitt 1. Mai 2010 bis 31. August 2010 monatlich 458,55 EUR. Der namentlich in diesem Bescheid erwähnte Unterhaltsberechtigte erhielt dagegen keine Leistungen.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden. Sie ist jedoch unbegründet, da dem Beklagten gegenüber dem Kläger kein Auskunftsanspruch zustand.
Der Kläger hat sein Begehren zutreffend mit der isolierten Anfechtungsklage verfolgt, weil der Auskunftsanspruch mittels Verwaltungsakt geltend gemacht worden ist. Zum Erlass eines solchen Verwaltungsaktes war der Beklagte auch grundsätzlich berechtigt (vgl. BSG, Urteil vom 24. Februar 2011, B 14 AS 87/09 R, juris).
Der Bescheid des Beklagten vom 23. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2010 verletzt den Kläger in seinen Rechten und ist deshalb aufzuheben.
Der Beklagte ist zuständiger Leistungsträger im Sinne des § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II.
Auch zählt der Kläger zu dem von § 60 Abs. 2 SGB II erfassten Personenkreis, weil er als Unterhaltspflichtiger gegenüber dem Unterhaltsberechtigten in Betracht kam, wie sich auch aus dem Unterhaltsvergleich vom 26. Januar 2009 ergibt.
Der Beklagte hat es versäumt, den Kläger vor Erlass des Bescheides vom 23. Juli 2010 gemäß § 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) anzuhören. Hierbei kann es der Senat offenlassen, ob dieser Anhörungsmangel im Widerspruchsverfahren geheilt worden ist oder noch nachzuholen wäre. Denn der angegriffene Bescheid ist unabhängig von dieser möglichen Verfahrensverletzung auch materiell rechtswidrig.
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 60 Abs. 2 SGB II. § 60 Abs. 2 SGB II begründet, wie auch die Regelung des § 117 SGB XII, eine eigenständige öffentlich-rechtliche Pflicht zur Auskunftserteilung. Diese korrespondiert mit einem Auskunftsanspruch des Sozialhilfe- bzw. Grundsicherungsträgers. Hierin liegt eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, das Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Auskunftsansprüche gegenüber Dritten und damit verbundene Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sind nicht durchweg verboten. Vielmehr kommt es entscheidend auf die Abwägung zwischen der grundrechtlichen Beeinträchtigung und dem verfolgten staatlichen Zweck der Auskunftserteilung an (vgl. mit weiteren Nachweisen zu Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. September 2011, L 13 AS 4950/10, juris).
In § 60 Abs. 2 SGB II ist wörtlich geregelt: "Wer jemandem, der eine Leistung nach diesem Buch beantragt hat oder bezieht, zu Leistungen verpflichtet ist, die geeignet sind, Leistungen nach diesem Buch auszuschließen oder zu mindern, oder wer für ihn Guthaben führt oder Vermögensgegenstände verwahrt, hat der Agentur für Arbeit auf Verlangen hierüber sowie über damit im Zusammenhang stehendes Einkommen oder Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit es zur Durchführung der Aufgaben nach diesem Buch erforderlich ist. § 21 Abs. 3 Satz 4 des Zehnten Buches gilt entsprechend. Für die Feststellung einer Unterhaltsverpflichtung ist § 1605 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzuwenden."
§ 60 Abs. 2 SGB II verlangt damit zunächst, dass der Unterhaltsberechtigte Leistungen
nach dem SGB II beantragt hat oder solche erhält. Nach dem Beklagten vorgelegten Bescheid vom 20. April 2010 bezog der Unterhaltsberechtigte zum Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Bescheides keine SGB II-Leistungen. Vielmehr war sein von der Kindesmutter gestellte Leistungsantrag – soweit es ihn betraf – abgelehnt worden, da sein Einkommen aus den Unterhaltszahlungen sowie des Kinder- und Wohngeldes zu hoch waren. Auch seinen von der Kindesmutter gestellten Weiterbewilligungsantrag vom 20. Juli 2010 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 26. Juli 2010 bestandskräftig ab. Mithin lagen die Voraussetzungen für einen Auskunftsanspruch des Beklagten nach § 60 Abs. 2 SGB II nicht vor.
Eine erweiternde Auslegung und Anwendung der Vorschrift des § 60 Abs. 2 SGB II auf Personen, die alleine wegen der Hinzurechnung von Kindergeld keinen Leistungsanspruch nach dem SGB II haben, kommt nicht in Betracht. Vergleicht man § 33 Abs. 1 Satz 2 SGB II, den der Beklagte zur Begründung der Notwendigkeit der erweiternden Auslegung heranzieht, mit § 60 Abs. 2 SGB II, ergibt sich ein unterschiedlicher Regelungsgehalt. § 33 SGB II begründet einen gesetzlichen Anspruchsübergang auf den Leistungsträger nach Leistungsgewährung. § 60 SGB II regelt dagegen Auskunftspflichten in der Regel im Vorfeld einer Leistungsgewährung. Zwar mag es sinnvoll erscheinen, beide Anwendungsbereiche gleich zu regeln; indes ist es nicht erfolgt, obwohl der Gesetzgeber diese Fallgruppe gesehen haben muss. Eine Regelungslücke liegt daher bereits nicht vor (zutreffend LSG Baden-Württemberg a.a.O.). Verfassungsrechtlich unvertretbar ist dabei die Auffassung des Beklagten, einen Auskunftsanspruch mittels einer erweiternden Auslegung begründen zu wollen. Die Anforderung von Auskünften und Unterlagen ist der sog. Eingriffsverwaltung zuzuordnen. Für einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung – wie hier – bedarf es daher einer eindeutigen gesetzlichen Regelung, die es für die vorliegende Fallkonstellation nicht gibt. Analogien, die staatliche Eingriffe rechtfertigen sollen, sind damit verfassungsrechtlich nicht erlaubt (vgl. schon LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27. März 2014, L 2 AS 877/12).
Auch die weiteren Grundvoraussetzungen des § 60 Abs. 2 SGB II liegen nicht vor, da die Auskunftserteilung in Form des vom Beklagten verwandten Fragebogens rechtswidrig und eine weitergehende Auskunft auch nicht erforderlich war.
Im Rahmen der Prüfung der Erforderlichkeit konkretisiert sich der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Erforderlich ist dabei eine Güterabwägung zwischen dem Auskunftsinteresse des Leistungsträgers einerseits und den schutzwürdigen Persönlichkeitsinteressen des Auskunftsverpflichteten andererseits. Der Auskunftsanspruch besteht daher nicht, wenn der Leistungsträger über die gewünschten Informationen bereits verfügt oder sie auch auf einfachere Weise beschaffen kann. Ebenso kann der Leistungsträger keine Auskunft verlangen, wenn feststeht, dass die Auskunft den Leistungsanspruch nicht (mehr) beeinflussen kann, weil er aus anderen, insbesondere rechtlichen Gründen nicht besteht. Schließlich ist das Auskunftsverlangen auch dann rechtswidrig, wenn feststeht, dass der behauptete Unterhaltsanspruch aus anderen Gründen als der mangelnden Leistungsfähigkeit des auf Auskunft in Anspruch genommenen unabhängig von dessen Einkommen oder Vermögen nicht gegeben ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29. Januar 2007, L 1 AS 12/06; zustimmend Sächsisches LSG, Urteil vom 13. Februar 2014, L 7 AS 34/10, juris).
Bereits der vom Beklagten verwandte Fragebogen verletzt die rechtlichen Vorgaben des § 60 Abs. 2 SGB II. Hiernach kann Auskunft nur von demjenigen verlangt werden, der dem SGB II-Leistungsbezieher zu Leistungen "verpflichtet ist". Diese Pflicht traf zwar den Kläger, nicht jedoch einen vom Fragebogen ebenfalls mitumfassten Ehegatten. Da es sich beim Unterhaltsberechtigten nicht um ein leibliches oder adoptiertes Kind einer Ehefrau des Klägers handeln konnte, greift der vom Beklagten verwendete Fragebogen in der vorliegenden Fallkonstellation zu weit und nimmt Personen in die Auskunftsverpflichtung auf, die offenkundig im vorliegenden Fall nicht unterhaltspflichtig sein konnten und damit auch außerhalb eines möglichen Auskunftsrechtes des Beklagten gelegen haben. Dabei ist es dem Kläger wegen des Eingriffscharakters des die Auskunftsverpflichtung konkret umsetzenden Fragebogens unzumutbar, den unzulässigen Teilbereich "Ehegatte" selbständig herauszustreichen oder unbeantwortet zu lassen. In der Eingriffsverwaltung – wie hier – bleibt aus verfassungsrechtlichen Gründen auch kein Raum für eine sog. geltungserhaltene Reduktion, die zur bloßen Teilrechtswidrigkeit des vom Beklagten verwandten Fragebogens führen würde. Der vom Beklagten verwandte Fragebogen ist daher insgesamt rechtswidrig und musste vom Kläger nicht beachtet werden (vgl. zur geltungserhaltenden Reduktion bei Fragebögen: LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27. März 2014 a.a.O.).
Im Übrigen war eine weitergehende Auskunft des Klägers an den Beklagten auch nicht erforderlich im Sinne des § 60 Abs. 2 SGB II. Der behauptete Auskunftsanspruch des Beklagten sowie der bereits titulierte Unterhaltsanspruch stehen nicht beziehungslos nebeneinander. Vielmehr dient der Auskunftsanspruch des Beklagten dazu, einen möglichen Unterhaltsanspruch zu ermitteln, um diesen ggf. gerichtlich geltend zu machen. Ist dagegen ein Unterhaltsanspruch – wie hier – durch einen familiengerichtlichen Vergleich bereits rechtskräftig tituliert, kann der Leistungsträger nur unter sehr engen Grenzen noch den Versuch unternehmen, diese ggf. für den Unterhaltsberechtigten und damit auch für ihn nachteilige Regelung wieder zu beseitigen. Das Auskunftsbegehren ist dabei kein Selbstzweck für ein allgemeines Ausforschungsinteresse des Leistungsträgers, sondern dient dem konkreten Ziel, einen (ggf. höheren) Unterhaltsanspruch zu verfolgen. Das Auskunftsinteresse des Beklagten hat sich daher zunächst darauf zu beschränken, ob entgegen des auch für ihn verbindlichen zivilrechtlichen Vergleiches vom 29. Januar 2009 dem Unterhaltsberechtigten ein höherer Unterhaltsanspruch zustand oder nicht. Dies wäre beispielsweise nur bei einer Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) oder einem Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB denkbar gewesen. Hinweise für eine derartige Nichtigkeit des Vergleiches finden sich nicht und sind auch vom Beklagten nicht vorgetragen oder ermittelt worden. Auch für einen weitergehenden Auskunftsanspruch wegen möglicherweise höherer Einkünfte des Klägers nach dem 1. Januar 2009 sind zumindest zum Zeitpunkt des Auskunftsverlangens des Beklagten keine Gesichtspunkte erkennbar. Nach § 1605 Abs. 2 BGB kann Auskunft vom Unterhaltsberechtigten erneut – vor Ablauf von zwei Jahren – nur verlangt werden, wenn der Unterhaltsverpflichtete wesentlich höhere Einkünfte oder weiteres Vermögen erworben hat. Zwar verweist § 60 Abs. 2 Satz 3 SGB II nur auf § 1605 Abs. 1 und nicht ausdrücklich auch auf Abs. 2 dieser Norm. Von daher kann der Leistungsträger grundsätzlich zu jedem Zeitpunkt, in dem die Auskunft benötigt wird, zur Nachfrage berechtigt sein (Münder SGB II, 5. Auflage, 2013, § 60 Rdn. 29). Dies steht jedoch immer unter dem Vorbehalt der konkreten Erforderlichkeit. Diese ist bei einem erst etwas über einem Jahr zurückliegenden Unterhaltstitel, dem ein entsprechendes Auskunftsverfahren vorausgegangen sein muss, entsprechend der Wertung des § 1605 Abs. 2 BGB erst dann anzunehmen, wenn konkrete Hinweise für eine bessere Einkommens- und Vermögenslage des Unterhaltpflichtigen vorliegen bzw. glaubhaft gemacht werden können. Hierfür liegen keine Gründe vor.
Selbst wenn dieser Auslegung des Senats zum § 60 Abs. 2 SGB II nicht gefolgt werden sollte, hätte der Beklagte sein Auskunftsbegehren gegenüber dem Kläger spätestens nach Erhalt des familiengerichtlichen Vergleich vom 22. August 2011 im Oktober 2011 für erledigt erklären müssen, da ein weitergehender Unterhaltsanspruch gegen des Unterhaltsberechtigten gegen den Kläger offenkundig ausgeschlossen war. In diesem neuen Vergleich ist auch für den Beklagten verbindlich festgestellt worden, dass dem Unterhaltsberechtigten für die Zeit nach dem 1. Januar 2009 keine weitergehenden Unterhaltsansprüche zugestanden haben. Vielmehr musste der Unterhaltsberechtigte für diesen Zeitraum sogar an den Kläger einen nicht unerheblichen Betrag zurückzahlen. Auf der Grundlage beider Unterhaltstitel konnte es keine Anhaltspunkte für einen denkbaren höheren Unterhaltsanspruch des Unterhaltsberechtigten mehr geben. Dies hat auch der Beklagte im Verfahren nicht in Abrede gestellt. § 60 Abs. 2 SGB II ist keine Rechtsgrundlage für ein "allgemeines Ausforschungsinteresse" des Beklagten. Das Festhalten an dem Auskunftsbegehren ist daher spätestens nach Zugang des Vergleichs vom 22. August 2011 unverhältnismäßig geworden. Damit ist auch ein Auskunftsanspruch nicht mehr erforderlich im Sinne des § 60 Abs. 2 SGB II. Die angefochtenen Bescheide sind damit rechtswidrig und aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Als Unterliegender hat der Beklagte auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Da der Kläger nicht zum Personenkreis des § 183 SGG gehört, kann § 193 SGG keine Anwendung finden.
Bei der Festsetzung des Streitwerts gemäß § 52 Abs. 1, 2 Gerichtskostengesetz geht der Senat bei einem Auskunftsanspruch vom Regelstreitwert aus (vgl. BSG, Urteil vom 24. Februar 2011, B 14 AS 87/09 R, juris).
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 SGG). Es handelt es sich um einen Einzelfall auf gesicherter Rechtsgrundlage.
Der Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist ein Auskunftsanspruch des Beklagten gegenüber dem Kläger.
Die am ... 1971 geborene B. S. (im Folgenden: Kindesmutter) beantragte am 20. Juli 2010 erneut für sich und den am ... 1993 geborenen B. B. (im Folgenden: Unterhaltsberechtigter) Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Der Kläger ist Vater des Unterhaltsberechtigten. Im familienrechtlichen Verfahren 330 F 02199/08 vor dem Amtsgericht L. verlangte der Unterhaltsberechtigte, vertreten durch die Kindesmutter, vom Kläger die Zahlung von rückständigem Unterhalt. Nach einem Protokoll des Amtsgerichts L. kam es in diesem Verfahren zu einer vergleichsweisen Regelung der Unterhaltsfrage. Der Tenor des Vergleiches vom 28. Januar 2009 lautete wörtlich: 1. In Abänderung der Jugendamtsurkunde der Stadt L. vom 15. August 1997, Urkundsregisternummer ... /1997, verpflichtet sich der Beklagte einen rückständigen Kindesunterhalt betreffend den Zeitraum vom Juli 2008 bis Dezember 2008 in Höhe von 114,00 EUR an den Kläger, zu Händen der gesetzlichen Vertreterin zu zahlen.
2. Darüber hinaus verpflichtet sich der Beklagte in Abänderung der vorgenannten Unterhaltsverpflichtungsurkunde beginnend ab 1. Januar 2009 einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 314,00 EUR an den Kläger, zu Händen der gesetzlichen Vertreterin und zwar auf das Konto bei der Sparkasse L., Kontonummer ..., Bankleitzahl ... zu zahlen.
Dem Beklagten war dieser Vergleich noch im Jahr 2009 bekannt geworden.
Mit Bescheid vom 26. Juli 2010 bewilligte der Beklagte der Kindesmutter für die Zeit vom 1. September bis 31. Dezember 2010 Leistungen in Gesamthöhe von 458,55 EUR (Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes: 279,28 EUR; Kosten für Unterkunft und Heizung 179,27 EUR). Für weitere Zeiträume ergaben sich Ansprüche der Kindesmutter in Höhe von 211,72 EUR (1. bis 13. Januar 2011) bzw. 252,46 EUR (14. bis 31. Januar 2011) und in Höhe von 445,55 EUR (Februar 2011). Für die Zeit vom 1. bis 13. Januar 2011 errechnete der Beklagte für den Unterhaltsberechtigten einen Anspruch auf Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 0,02 EUR. Im Übrigen bewilligte der Beklagte dem Unterhaltsberechtigten keine weiteren Leistungen.
Ohne vorherige Anhörung erließ der Beklagte den Bescheid vom 23. Juli 2010 gegenüber dem Kläger und verlangte von ihm Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse gemäß § 60 Abs. 2 SGB II bis zum 16. August 2010. Dem Schreiben war ein umfangreicher Fragebogen beigefügt. Dieser enthielt Angaben zur Person, Fragen zum Einkommen, zu berufsbedingten Aufwendungen sowie zu Kindern. In einer eigenständigen durchgehenden Spalte des Fragebogens befand sich unter der Überschrift "Ehegatte" ein eigenständiger Beantwortungsbereich, der den Ehegatten – wie den Unterhaltsverpflichteten – zu Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vorsah. Auf Bl. 101 bis Bl. 103 der Gerichtsakte wird ausdrücklich Bezug genommen.
Hiergegen legte der Kläger, nunmehr anwaltlich vertreten, am 9. August 2010 Widerspruch ein und machte geltend: Er leiste aus dem bestandskräftigen familienrechtlichen Unterhaltsvergleich vom 28. Januar 2009 entsprechende Zahlungen an den Unterhaltsberechtigten. Für die Erforschung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse bestehe keine Rechtsgrundlage. Im angegriffenen Bescheid sei nicht einmal mitgeteilt worden, welche Leistungen der Unterhaltsberechtigte tatsächlich vom Beklagten bezogen habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 2010 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und führte zur Begründung aus: Der Kläger sei gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II zur Auskunft verpflichtet. Hiernach seien Dritte, die jemandem, der eine Leistung nach dem SGB II beantragt hat oder beziehe, zu Leistungen verpflichtet sind, zur Auskunft verpflichtet. Dieser Anspruch bestehe unabhängig davon, ob ein Unterhaltsanspruch gegeben sei. Der Unterhaltsberechtigte habe einen Leistungsanspruch aus Regelleistung und anteiligen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 466,28 EUR. Dieser Anspruch werde zwar durch den Unterhalt des Klägers (314,00 EUR), das Wohngeld (121,00 EUR) sowie das Kindergeld (184,00 EUR) gedeckt. Das übersteigende Kindergeld in Höhe von 152,72 EUR sei jedoch auf die Kindesmutter, die ebenfalls im Leistungsbezug stehen, zu übertragen. Wäre es dem Kläger aufgrund möglicherweise geänderter Einkommensverhältnisse zwischenzeitlich möglich, den gesetzlichen Mindestunterhalt in Höhe von 334,00 Euro zu zahlen, ergebe sich ein höherer Anteil an dem zu übertragenden Kindergeld, was den Leistungsanspruch der Kindesmutter gegenüber dem Beklagten verringere.
Hiergegen hat der Kläger am 17. September 2010 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) erhoben, die Aufhebung der Bescheide begehrt und ergänzend ausgeführt: Für einen weitergehenden Auskunftsanspruch des Beklagten fehle es an einer Anspruchsgrundlage, da der Kläger seinen gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen jeweils nachgekommen sei. Offenbar sei es die Intention des Beklagten, über das Auskunftsbegehren zu versuchen, seine Leistungen an die Kindesmutter zu reduzieren. Diese habe jedoch gegenüber dem Kläger keine Unterhaltsansprüche, so dass kein Auskunftsanspruch bestehe. Seiner Auskunftspflicht sei er durch Vorlage des familienrechtlichen Unterhaltstitels gegenüber dem Beklagten nachgekommen. Dieser habe nicht das Recht, die Bestandskraft zivilrechtlicher Titel im Wege eines öffentlichen Verwaltungsaktes wieder aufzuheben. Die vorratsweise Erforschung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse verstoße gegen sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Der Umfang einer Auskunftspflicht beschränke sich allenfalls auf mögliche Zahlungsrückstände, die jedoch unter Vorlage der jeweiligen Zahlungsnachweise nicht vorlägen.
Der Beklagte ist dieser Rechtsauffassung entgegengetreten und hat geltend gemacht: Er sei nicht an die Vorgaben des Unterhaltstitels im Vergleich von 2009 gebunden und könne unbeschränkt darauf hinwirken, dass ein Unterhaltsverpflichteter seiner gesetzlichen Unterhalts- und Leistungspflicht in vollem Umfange nachkomme, um den Leistungsanspruch des Leistungsberechtigten zu verringern. Der Unterhaltsanspruch der Kindesmutter sowie des Unterhaltsberechtigten sei gemäß § 33 Abs. 1 SGB II auf den Beklagten übergegangen. Ausschlussgründe nach § 33 Abs. 2 SGB II seien nicht erkennbar. Im vorliegenden Fall sei der tatsächliche Bedarf des Unterhaltsberechtigten durch den Unterhalt, das Wohngeld sowie das anteilige Kindergeld vollständig gedeckt worden. Bei der Kindesmutter habe jedoch ein Bedarf von 581,27 EUR bestanden, der durch die Anrechnung des Kindergeldes nur teilweise gedeckt sei. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II werde das Kindergeld dem Kinde nur angerechnet, soweit es hilfebedürftig sei. Wäre der Kläger also zu einer höheren Unterhaltszahlung verpflichtet, käme der Kindesmutter das volle Kindergeld zugute. Dies entspreche auch der zivilrechtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 1. Dezember 2010, XII ZR 19/09).
Der Kläger hat am 28. September 2011 ein weiteres Protokoll des Amtsgerichts L. – Familiengericht – im Verfahren ... F 00966/11 vom 22. August 2011 vorgelegt. Hiernach haben der Kläger und der Unterhaltsberechtigte folgenden Vergleich geschlossen:
"1. Die Hauptbeteiligten sind sich darüber einig dass der Antragsteller aus dem vor dem Amtsgericht L. am 28.01.2009 zum Az.: ... F 2199/08 geschlossenen Prozessvergleich seit 1. August 2011 keinen Unterhalt mehr schuldet.
2. der Antragsgegner zahlt an den Antragsteller überzahlten Unterhalt in Höhe von insgesamt 1.100,00 EUR ( ) zurück."
Hierzu hat er ergänzend ausgeführt: Aus dem neuen Titel sei die zivilrechtliche Unterhaltspflicht vom zuständigen Gericht nochmals konkretisiert worden, was auch für den Beklagten verbindlich sei. Auskunftsansprüche des Beklagten seien bezüglich erfüllter zivilrechtlicher Unterhaltsansprüche nicht erkennbar. Da der Unterhaltsberechtigte mittlerweile eine Ausbildungsvergütung erhalte, bestehe aktuell überhaupt kein Unterhaltsanspruch mehr.
Das SG hat mit Urteil vom 8. August 2012 den Bescheid des Beklagten vom 23. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2010 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt: Die Umbenennung der ARGE L. in die neue Rechtspersönlichkeit des Beklagten stelle einen Beteiligtenwechsels kraft Gesetzes dar, der von Amts wegen zu berichtigen sei. Der Hinweis des Beklagten auf einen Übergang des Auskunftsanspruchs gemäß § 33 SGB II sei unzutreffend. Im vorliegenden Fall habe der Kläger die titulierten Unterhaltsansprüche jeweils durch Zahlung erfüllt, was zu einem Ausschluss des Forderungsüberganges nach § 33 Abs. 2 Satz 2 SGB II führen müsse. Auch ein Auskunftsanspruch nach § 60 Abs. 2 SGB II bestehe nicht. Zwar habe eine Unterhaltsverpflichtung des Klägers bestanden. § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II verlange jedoch einen Antrag bzw. einen Leistungsbezug des Unterhaltsberechtigten. Daher bestehe ein Auskunftsanspruch zeitlich nur für die Zeit der Antragstellung sowie während der Zeit des Leistungsbezuges. Der Beklagte habe jedoch dem Unterhaltsberechtigten keine SGB II – Leistungen gewährt. Für eine erweiternde Auslegung bestehe gerade wegen des verfassungsrechtlichen Eingriffscharakters einer Auskunftspflicht in die informationelle Selbstbestimmung kein Raum. In Kenntnis der Besonderheiten des § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II habe der Gesetzgeber die Sonderregelung des § 33 Abs. 1 Satz 2 SGB II eingeführt, jedoch keine entsprechende Regelung in § 60 SGB II geschaffen. Die möglicherweise geringeren SGB II – Ansprüche der Kindesmutter nach Anrechnung eines höheren Kindergeldanteils des Unterhaltsberechtigten seien insoweit unbeachtlich. Soweit ein höherer Leistungsanspruch des Unterhaltsberechtigten gegenüber dem Beklagte bestanden haben sollte, stehe dem ein bestandskräftiger Ablehnungsbescheid entgegen. Die Aufforderung des Beklagten, Angaben zum Einkommen- und Vermögen des Ehegatten des Klägers in dem übersandten Fragebogen zu machen, sei von der Rechtsgrundlage des § 60 Abs. 2 SGB II nicht gedeckt.
Der Beklagte hat gegen das ihm am 28. August 2012 zugestellte Urteil am 26. September 2012 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt: § 60 Abs. 2 SGB II sei im Lichte des § 33 Abs. 1 Satz 2 SGB II erweiternd auszulegen. Danach sei eine öffentlichrechtliche Auskunftspflicht anzunehmen, wenn allein wegen der Anrechnung von Kindergeld kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II für den Unterhaltsberechtigten bestehen würde. Mit Einführung des § 33 Abs. 1 Satz 2 SGB II sei ein Korrektiv zur Regelung des § 11 Abs. 1, Satz 3 SGB II geschaffen worden. Hiernach sollen streitige Ansprüche auch dann auf den Leistungsträger übergehen, wenn ein Leistungsanspruch des Unterhaltsberechtigten nur deshalb nicht bestehe, weil ein Kindergeldbedarf bei diesem habe angerechnet werden können. Im Ergebnis werde damit die steuerrechtlich mögliche Zuordnung des Kindergeldes zu dem Kindergeldberechtigten wiederhergestellt und eine ungerechtfertigte Privilegierung des Dritten, bei dem es sich regelmäßig um einen Unterhaltsschuldner handeln dürfte, vermieden. § 60 Abs. 2 SGB II könne erweiternd auf die vorliegende Konstellation angewandt werden. Die Auffassung des SG führe zu einer Verkürzung der behördlichen Möglichkeiten, da ein kraft Gesetzes übergegangener zivilrechtlicher Auskunftsanspruch nach § 1605 BGB weiter gehen würde, als ein behördlicher Auskunftsanspruch nach § 60 SGB II.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Dessau-Roßlau vom 8. August 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat ergänzend ausgeführt: Bereits der vom Beklagten verwandte Fragebogen verstoße gegen elementare Rechtsgrundsätze (Verhältnismäßigkeit; Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung). Zu Unrecht habe der Beklagte den Fragebogen auf Personen ausgeweitet, die keinen Unterhaltspflichten ausgesetzt sein könnten. Auch sei zu Unrecht das Vermögen von unbeteiligten Dritten in die Bewertung des Fragebogens einbezogen worden. Ein Auskunftsersuchen könne dagegen nur bei einer Verletzung gesetzlicher Unterhaltspflichten verlangt werden.
Auf gerichtliche Nachfrage hat der Beklagte den Änderungsbescheid vom 20. April 2010 vorgelegt. Hiernach bewilligte der Beklagte der Kindesmutter für den vorangegangenen Bewilligungsabschnitt 1. Mai 2010 bis 31. August 2010 monatlich 458,55 EUR. Der namentlich in diesem Bescheid erwähnte Unterhaltsberechtigte erhielt dagegen keine Leistungen.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden. Sie ist jedoch unbegründet, da dem Beklagten gegenüber dem Kläger kein Auskunftsanspruch zustand.
Der Kläger hat sein Begehren zutreffend mit der isolierten Anfechtungsklage verfolgt, weil der Auskunftsanspruch mittels Verwaltungsakt geltend gemacht worden ist. Zum Erlass eines solchen Verwaltungsaktes war der Beklagte auch grundsätzlich berechtigt (vgl. BSG, Urteil vom 24. Februar 2011, B 14 AS 87/09 R, juris).
Der Bescheid des Beklagten vom 23. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2010 verletzt den Kläger in seinen Rechten und ist deshalb aufzuheben.
Der Beklagte ist zuständiger Leistungsträger im Sinne des § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II.
Auch zählt der Kläger zu dem von § 60 Abs. 2 SGB II erfassten Personenkreis, weil er als Unterhaltspflichtiger gegenüber dem Unterhaltsberechtigten in Betracht kam, wie sich auch aus dem Unterhaltsvergleich vom 26. Januar 2009 ergibt.
Der Beklagte hat es versäumt, den Kläger vor Erlass des Bescheides vom 23. Juli 2010 gemäß § 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) anzuhören. Hierbei kann es der Senat offenlassen, ob dieser Anhörungsmangel im Widerspruchsverfahren geheilt worden ist oder noch nachzuholen wäre. Denn der angegriffene Bescheid ist unabhängig von dieser möglichen Verfahrensverletzung auch materiell rechtswidrig.
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 60 Abs. 2 SGB II. § 60 Abs. 2 SGB II begründet, wie auch die Regelung des § 117 SGB XII, eine eigenständige öffentlich-rechtliche Pflicht zur Auskunftserteilung. Diese korrespondiert mit einem Auskunftsanspruch des Sozialhilfe- bzw. Grundsicherungsträgers. Hierin liegt eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, das Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Auskunftsansprüche gegenüber Dritten und damit verbundene Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sind nicht durchweg verboten. Vielmehr kommt es entscheidend auf die Abwägung zwischen der grundrechtlichen Beeinträchtigung und dem verfolgten staatlichen Zweck der Auskunftserteilung an (vgl. mit weiteren Nachweisen zu Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. September 2011, L 13 AS 4950/10, juris).
In § 60 Abs. 2 SGB II ist wörtlich geregelt: "Wer jemandem, der eine Leistung nach diesem Buch beantragt hat oder bezieht, zu Leistungen verpflichtet ist, die geeignet sind, Leistungen nach diesem Buch auszuschließen oder zu mindern, oder wer für ihn Guthaben führt oder Vermögensgegenstände verwahrt, hat der Agentur für Arbeit auf Verlangen hierüber sowie über damit im Zusammenhang stehendes Einkommen oder Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit es zur Durchführung der Aufgaben nach diesem Buch erforderlich ist. § 21 Abs. 3 Satz 4 des Zehnten Buches gilt entsprechend. Für die Feststellung einer Unterhaltsverpflichtung ist § 1605 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzuwenden."
§ 60 Abs. 2 SGB II verlangt damit zunächst, dass der Unterhaltsberechtigte Leistungen
nach dem SGB II beantragt hat oder solche erhält. Nach dem Beklagten vorgelegten Bescheid vom 20. April 2010 bezog der Unterhaltsberechtigte zum Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Bescheides keine SGB II-Leistungen. Vielmehr war sein von der Kindesmutter gestellte Leistungsantrag – soweit es ihn betraf – abgelehnt worden, da sein Einkommen aus den Unterhaltszahlungen sowie des Kinder- und Wohngeldes zu hoch waren. Auch seinen von der Kindesmutter gestellten Weiterbewilligungsantrag vom 20. Juli 2010 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 26. Juli 2010 bestandskräftig ab. Mithin lagen die Voraussetzungen für einen Auskunftsanspruch des Beklagten nach § 60 Abs. 2 SGB II nicht vor.
Eine erweiternde Auslegung und Anwendung der Vorschrift des § 60 Abs. 2 SGB II auf Personen, die alleine wegen der Hinzurechnung von Kindergeld keinen Leistungsanspruch nach dem SGB II haben, kommt nicht in Betracht. Vergleicht man § 33 Abs. 1 Satz 2 SGB II, den der Beklagte zur Begründung der Notwendigkeit der erweiternden Auslegung heranzieht, mit § 60 Abs. 2 SGB II, ergibt sich ein unterschiedlicher Regelungsgehalt. § 33 SGB II begründet einen gesetzlichen Anspruchsübergang auf den Leistungsträger nach Leistungsgewährung. § 60 SGB II regelt dagegen Auskunftspflichten in der Regel im Vorfeld einer Leistungsgewährung. Zwar mag es sinnvoll erscheinen, beide Anwendungsbereiche gleich zu regeln; indes ist es nicht erfolgt, obwohl der Gesetzgeber diese Fallgruppe gesehen haben muss. Eine Regelungslücke liegt daher bereits nicht vor (zutreffend LSG Baden-Württemberg a.a.O.). Verfassungsrechtlich unvertretbar ist dabei die Auffassung des Beklagten, einen Auskunftsanspruch mittels einer erweiternden Auslegung begründen zu wollen. Die Anforderung von Auskünften und Unterlagen ist der sog. Eingriffsverwaltung zuzuordnen. Für einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung – wie hier – bedarf es daher einer eindeutigen gesetzlichen Regelung, die es für die vorliegende Fallkonstellation nicht gibt. Analogien, die staatliche Eingriffe rechtfertigen sollen, sind damit verfassungsrechtlich nicht erlaubt (vgl. schon LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27. März 2014, L 2 AS 877/12).
Auch die weiteren Grundvoraussetzungen des § 60 Abs. 2 SGB II liegen nicht vor, da die Auskunftserteilung in Form des vom Beklagten verwandten Fragebogens rechtswidrig und eine weitergehende Auskunft auch nicht erforderlich war.
Im Rahmen der Prüfung der Erforderlichkeit konkretisiert sich der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Erforderlich ist dabei eine Güterabwägung zwischen dem Auskunftsinteresse des Leistungsträgers einerseits und den schutzwürdigen Persönlichkeitsinteressen des Auskunftsverpflichteten andererseits. Der Auskunftsanspruch besteht daher nicht, wenn der Leistungsträger über die gewünschten Informationen bereits verfügt oder sie auch auf einfachere Weise beschaffen kann. Ebenso kann der Leistungsträger keine Auskunft verlangen, wenn feststeht, dass die Auskunft den Leistungsanspruch nicht (mehr) beeinflussen kann, weil er aus anderen, insbesondere rechtlichen Gründen nicht besteht. Schließlich ist das Auskunftsverlangen auch dann rechtswidrig, wenn feststeht, dass der behauptete Unterhaltsanspruch aus anderen Gründen als der mangelnden Leistungsfähigkeit des auf Auskunft in Anspruch genommenen unabhängig von dessen Einkommen oder Vermögen nicht gegeben ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29. Januar 2007, L 1 AS 12/06; zustimmend Sächsisches LSG, Urteil vom 13. Februar 2014, L 7 AS 34/10, juris).
Bereits der vom Beklagten verwandte Fragebogen verletzt die rechtlichen Vorgaben des § 60 Abs. 2 SGB II. Hiernach kann Auskunft nur von demjenigen verlangt werden, der dem SGB II-Leistungsbezieher zu Leistungen "verpflichtet ist". Diese Pflicht traf zwar den Kläger, nicht jedoch einen vom Fragebogen ebenfalls mitumfassten Ehegatten. Da es sich beim Unterhaltsberechtigten nicht um ein leibliches oder adoptiertes Kind einer Ehefrau des Klägers handeln konnte, greift der vom Beklagten verwendete Fragebogen in der vorliegenden Fallkonstellation zu weit und nimmt Personen in die Auskunftsverpflichtung auf, die offenkundig im vorliegenden Fall nicht unterhaltspflichtig sein konnten und damit auch außerhalb eines möglichen Auskunftsrechtes des Beklagten gelegen haben. Dabei ist es dem Kläger wegen des Eingriffscharakters des die Auskunftsverpflichtung konkret umsetzenden Fragebogens unzumutbar, den unzulässigen Teilbereich "Ehegatte" selbständig herauszustreichen oder unbeantwortet zu lassen. In der Eingriffsverwaltung – wie hier – bleibt aus verfassungsrechtlichen Gründen auch kein Raum für eine sog. geltungserhaltene Reduktion, die zur bloßen Teilrechtswidrigkeit des vom Beklagten verwandten Fragebogens führen würde. Der vom Beklagten verwandte Fragebogen ist daher insgesamt rechtswidrig und musste vom Kläger nicht beachtet werden (vgl. zur geltungserhaltenden Reduktion bei Fragebögen: LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27. März 2014 a.a.O.).
Im Übrigen war eine weitergehende Auskunft des Klägers an den Beklagten auch nicht erforderlich im Sinne des § 60 Abs. 2 SGB II. Der behauptete Auskunftsanspruch des Beklagten sowie der bereits titulierte Unterhaltsanspruch stehen nicht beziehungslos nebeneinander. Vielmehr dient der Auskunftsanspruch des Beklagten dazu, einen möglichen Unterhaltsanspruch zu ermitteln, um diesen ggf. gerichtlich geltend zu machen. Ist dagegen ein Unterhaltsanspruch – wie hier – durch einen familiengerichtlichen Vergleich bereits rechtskräftig tituliert, kann der Leistungsträger nur unter sehr engen Grenzen noch den Versuch unternehmen, diese ggf. für den Unterhaltsberechtigten und damit auch für ihn nachteilige Regelung wieder zu beseitigen. Das Auskunftsbegehren ist dabei kein Selbstzweck für ein allgemeines Ausforschungsinteresse des Leistungsträgers, sondern dient dem konkreten Ziel, einen (ggf. höheren) Unterhaltsanspruch zu verfolgen. Das Auskunftsinteresse des Beklagten hat sich daher zunächst darauf zu beschränken, ob entgegen des auch für ihn verbindlichen zivilrechtlichen Vergleiches vom 29. Januar 2009 dem Unterhaltsberechtigten ein höherer Unterhaltsanspruch zustand oder nicht. Dies wäre beispielsweise nur bei einer Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) oder einem Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB denkbar gewesen. Hinweise für eine derartige Nichtigkeit des Vergleiches finden sich nicht und sind auch vom Beklagten nicht vorgetragen oder ermittelt worden. Auch für einen weitergehenden Auskunftsanspruch wegen möglicherweise höherer Einkünfte des Klägers nach dem 1. Januar 2009 sind zumindest zum Zeitpunkt des Auskunftsverlangens des Beklagten keine Gesichtspunkte erkennbar. Nach § 1605 Abs. 2 BGB kann Auskunft vom Unterhaltsberechtigten erneut – vor Ablauf von zwei Jahren – nur verlangt werden, wenn der Unterhaltsverpflichtete wesentlich höhere Einkünfte oder weiteres Vermögen erworben hat. Zwar verweist § 60 Abs. 2 Satz 3 SGB II nur auf § 1605 Abs. 1 und nicht ausdrücklich auch auf Abs. 2 dieser Norm. Von daher kann der Leistungsträger grundsätzlich zu jedem Zeitpunkt, in dem die Auskunft benötigt wird, zur Nachfrage berechtigt sein (Münder SGB II, 5. Auflage, 2013, § 60 Rdn. 29). Dies steht jedoch immer unter dem Vorbehalt der konkreten Erforderlichkeit. Diese ist bei einem erst etwas über einem Jahr zurückliegenden Unterhaltstitel, dem ein entsprechendes Auskunftsverfahren vorausgegangen sein muss, entsprechend der Wertung des § 1605 Abs. 2 BGB erst dann anzunehmen, wenn konkrete Hinweise für eine bessere Einkommens- und Vermögenslage des Unterhaltpflichtigen vorliegen bzw. glaubhaft gemacht werden können. Hierfür liegen keine Gründe vor.
Selbst wenn dieser Auslegung des Senats zum § 60 Abs. 2 SGB II nicht gefolgt werden sollte, hätte der Beklagte sein Auskunftsbegehren gegenüber dem Kläger spätestens nach Erhalt des familiengerichtlichen Vergleich vom 22. August 2011 im Oktober 2011 für erledigt erklären müssen, da ein weitergehender Unterhaltsanspruch gegen des Unterhaltsberechtigten gegen den Kläger offenkundig ausgeschlossen war. In diesem neuen Vergleich ist auch für den Beklagten verbindlich festgestellt worden, dass dem Unterhaltsberechtigten für die Zeit nach dem 1. Januar 2009 keine weitergehenden Unterhaltsansprüche zugestanden haben. Vielmehr musste der Unterhaltsberechtigte für diesen Zeitraum sogar an den Kläger einen nicht unerheblichen Betrag zurückzahlen. Auf der Grundlage beider Unterhaltstitel konnte es keine Anhaltspunkte für einen denkbaren höheren Unterhaltsanspruch des Unterhaltsberechtigten mehr geben. Dies hat auch der Beklagte im Verfahren nicht in Abrede gestellt. § 60 Abs. 2 SGB II ist keine Rechtsgrundlage für ein "allgemeines Ausforschungsinteresse" des Beklagten. Das Festhalten an dem Auskunftsbegehren ist daher spätestens nach Zugang des Vergleichs vom 22. August 2011 unverhältnismäßig geworden. Damit ist auch ein Auskunftsanspruch nicht mehr erforderlich im Sinne des § 60 Abs. 2 SGB II. Die angefochtenen Bescheide sind damit rechtswidrig und aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Als Unterliegender hat der Beklagte auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Da der Kläger nicht zum Personenkreis des § 183 SGG gehört, kann § 193 SGG keine Anwendung finden.
Bei der Festsetzung des Streitwerts gemäß § 52 Abs. 1, 2 Gerichtskostengesetz geht der Senat bei einem Auskunftsanspruch vom Regelstreitwert aus (vgl. BSG, Urteil vom 24. Februar 2011, B 14 AS 87/09 R, juris).
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 SGG). Es handelt es sich um einen Einzelfall auf gesicherter Rechtsgrundlage.
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