Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 19 AS 2583/10
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 969/13 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung gegen das Urteil des SG Dessau-Roßlau vom 12. Juli 2013 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Gründe:
I.
Der Beklagte wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 12. Juli 2013, das den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 9. April 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 27. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom selben Tage überwiegend aufgehoben hat.
Der am ... 1984 geborene Kläger steht seit dem Jahr 2005 im Leistungsbezug des Beklagten nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Mit Bescheid vom 16. September 2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis 31. März 2010 Regelleistungen in Höhe von 359,00 EUR sowie Kosten der Unterkunft (KdU) in Höhe von 321,21 EUR (Gesamthöhe: 680,21 EUR). Mit Sanktionsbescheid vom 4. Februar 2010 senkte der Beklagte die Regelleistung für die Zeit vom 1. März bis 31. Mai 2010 um 30 % (107,70 EUR). Am 4. März 2010 stellte der Kläger beim Beklagten einen Weiterbewilligungsantrag. Nach einem Telefonvermerk vom 16. März 2010 wurde der Beklagte vom Jobcenter D.-R. darauf hingewiesen, dass der Kläger am 1. März 2010 aus der Wohnung T. Straße ... in ... B.-W. ausgezogen und seinen neuen Wohnsitz in der Z.-straße ... in ... D.-R. genommen habe. Der Kläger habe am 11. März 2010 beim Jobcenter D.-R. einen Antrag auf Bewilligung von SGB II-Leistungen gestellt. Nach einer Bestätigung der Stadtverwaltung D.-R. vom 11. März 2010 meldete sich der Kläger am 1. März 2010 im Ortsteil R. an.
Mit Schreiben vom 17. März 2010 hörte der Beklagte den Kläger wegen Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse an und teilte ihm seine Absicht mit, für die Zeit vom 1. bis 10. März 2010 Regelleistungen in Höhe von 43,08 EUR und KdU in Höhe von 321,21 EUR (Zeitraum 1. bis 31. März 2010) zurückzuverlangen. Mit dem auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) gestützten Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 9. April 2010 verlangte der Beklagte vom Kläger die Rückzahlung von insgesamt 364,29 EUR. Hiergegen legte der Kläger, nunmehr anwaltlich vertreten, am 10. Mai 2010 Widerspruch ein und machte geltend: Der Beklagte könne lediglich einen Erstattungsanspruch gegen das Jobcenter D.-R. verfolgen. Der Sanktionsbescheid vom 8. Februar 2010 sei dem Kläger unbekannt und ihm nie zugegangen.
Am 27. Juli 2010 nahm der Beklagte den Sanktionsbescheid zurück. Mit Schreiben vom 27. Juli 2010 machte er gegenüber dem Jobcenter D.-R. einen Erstattungsanspruch gemäß § 103 SGB X in Höhe von 143,60 EUR (Regelleistung) geltend. Mit Bescheid vom 27. Juli 2010 änderte der Beklagte den Bescheid vom 9. April 2010 ab und beschränkte den Erstattungsbetrag auf die KdU für März 2010 in Höhe von 321,21 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom selben Tage wies der Beklagte den weitergehenden Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus: Ab dem 1. März 2010 hätten dem Kläger keine KdU-Leistungen mehr zugestanden. Die Berücksichtigung der KdU nach § 22 SGB II bestehe nur für eine tatsächlich genutzte Wohnung. Diese habe ab 1. März 2010 im Zuständigkeitsbereich D.-R. gelegen, so dass der Kläger zu Unrecht Unterkunftskosten in Höhe von 321,21 EUR erhalten habe.
Hiergegen hat der Kläger am 26. August 2010 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) erhoben und vorgetragen: Die Erstattungsforderung könne allenfalls 7,48 EUR betragen. Dieser Betrag setze sich aus der Differenz der KdU-Kosten für die alte Wohnung in B.-W. (321,21 EUR) zu denen der neuen Wohnung in D.-R. von 313,53 EUR zusammen. Das Jobcenter D.-R. habe erst ab dem 11. März 2010 Leistungen erbracht, so dass einem Erstattungsanspruch des Beklagten § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X entgegenstehe. Der Beklagte könne einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Jobcenter D.-R. verfolgen, habe jedoch keinen Anspruch gegen den Kläger.
In einem gerichtlichen Hinweisschreiben vom 25. Juli 2011 hat der Kammervorsitzende darauf hingewiesen, dass dem Erstattungsanspruch nach §§ 45, 48 SGB X die Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 SGB X entgegenstehe und das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Schleswig-Holstein vom 12. April 2011, L 6 AS 45/10, zitiert nach juris, hervorgehoben.
Das Jobcenter D.-R. hat auf gerichtliche Nachfrage den Leistungsantrag des Klägers vom 11. März 2010 sowie den Bewilligungsbescheid vom 29. März 2010 zur Gerichtsakte gereicht.
Der Kläger hält das Urteil des LSG Schleswig-Holstein (a.a.O.) für unzutreffend, da in der Begründung nicht ausgeführt werde, warum die Aufwendungen für die neue Wohnung keine bedarfsbegründenden Kosten seien.
Das SG hat mit Urteil vom 12. Juli 2013 die angefochtenen Bescheide aufgehoben, soweit vom Beklagten ein über 7,48 EUR hinausgehender Betrag verlangt wurden: Ein Fall der notwendigen Beiladung liege nicht vor. Von der Möglichkeit einer einfachen Beiladung müsse die Kammer keinen Gebrauch zu machen, da der Beklagte den möglichen Erstattungsanspruch in einem gesonderten Verfahren verfolgen könne. Es bestünden bereits Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung. Jedenfalls seien die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB X nicht gegeben. Die weitergehende Aufhebungsentscheidung des Beklagten sei rechtswidrig, da die Verletzung der Mitteilungspflicht des Klägers, nach D.-R. am 1. März 2010 umgezogen zu sein, nicht kausal für die Überzahlung gewesen sei. Die Auszahlung der SGB II-Leistungen sei bereits Ende Februar 2010 erfolgt, der Umzug dagegen erst am 1. März 2010. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X lägen nicht vor, weil durch den Umzug des Klägers keine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten sei. Hierzu müsse die materielle Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes und der eingetretenen Veränderung miteinander verglichen werden. Es fehle an einer Veränderung, da der Beklagte die KdU für März 2010 gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II für die neue Wohnung in der Z.-straße ..., ... D.-R. in Höhe von 313,53 EUR gemäß § 40 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X zu bewilligen habe. Die örtliche Zuständigkeit des Beklagten habe sich durch den Umzug ab dem 2. März 2010 geändert. § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X führe jedoch zu Gunsten des Klägers als eigenständige materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage zu einem Weitergewährungsanspruch gegenüber dem Beklagten in Höhe der Kosten der neuen Wohnung. Der Bewilligungsbescheid des Jobcenter D.-R. vom 29. März 2010 habe seine Rechtswirkungen erst ab Bekanntgabe ab 1. April 2010 entfalten können. Unter Beachtung des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. Mai 2012, B 14 AS 133/11 R, könne der Kläger jedoch nur für die tatsächlich bewohnte Wohnung KdU gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II beanspruchen. Die Berufung müsse nicht zugelassen werden, da sich aus dem Urteil des BSG vom 23. Mai 2012 (a.a.O.) kein Hinweis auf § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X entnehmen lasse. An die Entscheidung des LSG Schleswig-Holstein vom 12. April 2011, L 6 AS 45/10 sei das SG nicht gebunden.
Der Beklagte hat gegen das am 27. September 2013 zugestellte Urteil am 25. Oktober 2013 Nichtzulassungsbeschwerde erhoben und zur Begründung ausgeführt: Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Zur Frage der Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 4 SGB X in Zusammenhang mit § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X bestehe bei einem Umzugsfall noch keine einheitliche Rechtsprechung. Der Beklagte sehe sich durch das bereits angeführte Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 12. April 2011 in seiner Auffassung bestätigt. Derartige Umzugsfälle träten in der Praxis häufiger auf und hätten eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung. Nach der Kommentarliteratur gewähre § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X die nahtlose Leistungsgewährung nur, wenn die bisherige Leistung auch rechtmäßig sei. Durch den Umzug des Klägers nach D.-R. seien jedoch keine KdU für die alte Wohnung mehr zu leisten, da diese aufgegeben worden sei. Auch eine Divergenz zum Urteil des BSG vom 23. Mai 2012, B 14 AS 133/13 R, liege vor. Hiernach könne es KdU nur für die Wohnung geben, die der Leistungsberechtigte auch tatsächlich nutze. Ab dem 1. März 2010 sei das für die Wohnung in der T. Straße in B.-W. nicht der Fall gewesen, was zu einer wesentlichen Änderung in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Klägers geführt habe. Die Aufhebungsentscheidung des Beklagten sei daher rechtmäßig. § 2 Abs. 3 SGB X könne auf Aufwendungen für KdU einer neuen Wohnung in einem anderen Zuständigkeitsbezirk keine Anwendung finden.
Der Beklagte beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom
12. Juli 2013 zuzulassen.
Der Kläger hat keinen Antrag gestellt.
Er hat vorgetragen: Möglicherweise habe der Fall eine grundsätzliche Bedeutung. Jedoch fehle die Klärungsbedürftigkeit. Das Urteil des SG sei richtig. In der Entscheidung des LSG Schleswig-Holstein werde nicht hinreichend begründet, weshalb die KdU am Zuzugsort nicht berücksichtigt würden.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde gemäß § 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 12. Juli 2013 ist statthaft.
Gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Das gilt gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. In Streit steht ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid über KdU in Höhe von 321,21 EUR. Dieser liegt unterhalb des Grenzwertes in § 144 Abs.1 Satz 1 SGG. Die Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG sind nicht gegeben. Da das SG die Berufung nicht zugelassen hat, ist die Beschwerde statthaft.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist aber unbegründet, weil keine Zulassungsgründe vorliegen.
Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nummer 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nummer 2) oder ein an der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nummer 3).
a) Eine Rechtssache hat dann grundsätzliche Bedeutung, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Ein Individualinteresse genügt hingegen nicht. Die entscheidungserhebliche Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 144 Rdnr. 28). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann nicht mehr, wenn sie schon entschieden ist oder durch Auslegung des Gesetzes eindeutig beantwortet werden kann (vgl. BSG, Beschluss vom 30. September 1992, 11 BAr 47/92, juris). Zur Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage muss die abstrakte Klärungsfähigkeit, d.h. die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung, und die konkrete Klärungsfähigkeit, d.h. die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage, hinzutreten (vgl. dazu BSG, Urteil vom 14. Juni 1984, 1 RJ 72/84, juris) Die Frage, ob eine Rechtssache im Einzelfall richtig oder unrichtig entschieden ist, verleiht ihr noch keine grundsätzliche Bedeutung (vgl. BSG, Beschluss vom 26. Juni 1975, 12 BJ 12/75, juris).
Im vorliegenden Fall ist allenfalls von einem unbeachtlichen Rechtsanwendungsfehler des SG auszugehen, der durch die richtige Anwendung des Gesetzes vermieden worden wäre. Eine Klärungsbedürftigkeit und damit eine grundsätzliche Bedeutung des Verfahrens liegen aber nicht vor.
Das SG hat in seinen tragenden Urteilsgründen – im Ergebnis wohl fehlerhaft – das Vorliegen der Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB X in Ansehung der für März 2010 gewährten KdU verneint. Es hat die Auffassung vertreten, wegen der Nichtangabe des Umzugs (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB X) fehle es an der Kausalität und § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB X greife nur insoweit, als die neuen KdU am Umzugsort geringer seien als die vom Beklagten gewährten Leistungen. Im Übrigen lägen mit dem Umzug keine wesentlichen Änderungen der Verhältnisse vor. Zwar habe sich ein Zuständigkeitswechsel i.S.v. § 36 Satz 2 SGB II ergeben, der sich wegen des Anspruchs des Klägers auf Weitergewährung nach § 2 Abs. 3 SGB X nicht auswirke.
Insoweit dürfte dem SG ein Rechtsanwendungsfehler unterlaufen sein. Denn die sog. Nahtlosregelung des § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X verpflichtet die bisher zuständige Behörde für den Fall, dass die örtliche Zuständigkeit gewechselt hat, die Leistungen noch solange zu erbringen, bis sie von der nunmehr zuständigen Behörde fortgesetzt werden. Mit Blick darauf, dass mit dem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit regelmäßig die Gefahr der Unterbrechung des Leistungsbezugs einhergeht, soll die Norm sicherstellen, dass während eines Zuständigkeitswechsels eine Unterbrechung der Leistungen nicht eintritt (BT-Drucks 8/2034 S. 30). Zu diesem Zweck vermittelt sie dem Berechtigten einen materiell-rechtlichen Anspruch gegen die bisher zuständige Behörde auf Fortgewährung der Leistung. Während § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X somit der Sicherung der Leistungserbringung im Außenverhältnis zu dienen bestimmt ist, zielt § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X darauf, auf der Erstattungsebene sicherzustellen, dass im Falle der Fortgewährung der Leistung nach einem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit im Ergebnis nicht der vorleistende bislang zuständige Träger, sondern der nunmehr zuständige Leistungsträger die Kosten zu tragen hat (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20. Mai 2014, 5 C 33/13, zitiert nach juris).
§ 2 SGB X regelt die örtliche Zuständigkeit der Behörden im Sinne des § 1 Abs. 2 SGB X. Diese örtliche Zuständigkeit bezieht sich auf den räumlichen Wirkungskreis einer Behörde (vgl. Neumann in Hauck/Noftz, SGB X [Stand: September 2014] zu § 2 Rrd. 1). Die Weiterleistungspflicht des § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X ist auf Umzüge von SGB II-Leistungsberechtigten und damit verbundene Zuständigkeitswechsel nicht anwendbar. Die Besonderheit dieser Fälle liegt in der Doppelbedeutung des gewöhnlichen Aufenthalts für die Behördenzuständigkeit und für den jeweils konkreten KdU-Anspruch (zutreffend Neumann a.a.O zu § 2 Rdn 37). Die sog. Nahtlosregelung des § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB II soll bereits nach ihrem Sinn und Zweck nur der Gefahr von Leistungsunterbrechungen entgegenwirken. Der Begriff "Leistungen" im Sinne des § 2 Abs. 3 SGB II setzt jedoch ein unabhängig vom Wechsel der Behördenzuständigkeit Fortbestehen des Leistungsanspruchs sowie der notwendigen Leistungsvoraussetzungen voraus. § 2 Abs. 3 SGB X soll daher nach seinem Sinn und Zweck nur bestehende und auch fortwirkende Leistungsansprüche sichern, jedoch keine Ansprüche eigener Art schaffen, die materiell-rechtlich sogar ausgeschlossen wären. Führt damit ein Umzug nicht nur zu einem behördlichen Zuständigkeitswechsel, sondern auch zu einem Wegfall des Leistungsanspruchs, kann dies nicht über § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X ausgehebelt werden. § 2 Abs. 3 SGB X ist lediglich eine örtliche Zuständigkeitsregelung. Diese gesetzlich eindeutige Auslegung des § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X lässt sich anschaulich an unterschiedlichen Landesgesetzen verdeutlichen. Zieht beispielsweise ein Sehbehinderter vom Bundesland A, dass ein Landesblindengeld erlassen hat, in das Bundesland B ohne entsprechendes Landesblindengesetz um, kann die Behörde des Bundeslandes A nicht über § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X verpflichtet werden, Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen, die für das Bundesland A unanwendbar wären. Die gleiche Wertung gilt auch für KdU-Leistungen nach dem SGB II. Zieht der SGB II-Leistungsempfänger aus seiner Wohnung im Zuständigkeitsbereich A aus, verliert er damit automatisch seinen KdU-Anspruch für diese nicht mehr genutzte Wohnung nach dem § 22 SGB II. Damit verändern sich leistungsrelevante tatsächliche Umstände i.S.v. § 48 SGB X.
Dem SG ist daher bei der Subsumtion von § 48 und des § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X ein Fehler unterlaufen. Dieser begründet jedoch keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage, da die Anwendung der Norm aus Sicht des Senats nicht zweifelhaft oder ungeklärt ist. Sogar das LSG Schleswig-Holstein (a.a.O.) hat wohl keine Veranlassung gesehen, diese "Selbstverständlichkeit" weitergehend zu begründen.
b) Auch der Zulassungsgrund der Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG ist nicht gegeben. Der Zulassungsgrund liegt nur dann vor, wenn das Urteil des SG entscheidungstragend auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der von dem zur gleichen Rechtsfrage aufgestellten Rechtssatz in einer Entscheidung eines der im § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht. Das SG müsste daher objektiv von einer solchen höhergerichtlichen Entscheidung abgewichen sein. Eine nur fehlerhafte Rechtsanwendung begründet dagegen keine Divergenz (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 160 Rdn. 13 ff.).
Insbesondere liegt keine Divergenz zum Urteil des BSG vom 23. Mai 2012 (a.a.O.) vor. Dieses beschäftigt sich weder mit § 2 Abs. 3 SGB X noch mit § 48 SGB X. Vielmehr hat das SG die Kernaussage des BSG (a.a.O.) erkannt und richtig herausgearbeitet, jedoch die Konsequenz aus der alleinigen Zuständigkeit des örtlichen Leistungsträgers für die KdU verkannt. Das Abweichen vom Urteil des LSG Schleswig-Holstein (a.a.O.) begründet keine Divergenz, da es nicht das für das SG maßgebliche Berufungsgericht ist (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 144 Rdn. 30).
c) Schließlich liegt auch der Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG nicht vor. Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Er bezieht sich begrifflich auf das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil, nicht aber auf dessen sachlichen Inhalt, d. h. seine Richtigkeit (vgl. Leitherer a.a.O., § 144 Rdnr. 32 ff.). Die Zulassung der Berufung aufgrund eines Verfahrensmangels erfordert, dass dieser Mangel nicht nur vorliegt, sondern auch geltend gemacht wird (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG). Daran fehlt es hier. Der Beklagte hat keine Verfahrensfehler und insbesondere keine sog. Überraschungsentscheidung des SG gerügt.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 177 SGG).
Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Gründe:
I.
Der Beklagte wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 12. Juli 2013, das den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 9. April 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 27. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom selben Tage überwiegend aufgehoben hat.
Der am ... 1984 geborene Kläger steht seit dem Jahr 2005 im Leistungsbezug des Beklagten nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Mit Bescheid vom 16. September 2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis 31. März 2010 Regelleistungen in Höhe von 359,00 EUR sowie Kosten der Unterkunft (KdU) in Höhe von 321,21 EUR (Gesamthöhe: 680,21 EUR). Mit Sanktionsbescheid vom 4. Februar 2010 senkte der Beklagte die Regelleistung für die Zeit vom 1. März bis 31. Mai 2010 um 30 % (107,70 EUR). Am 4. März 2010 stellte der Kläger beim Beklagten einen Weiterbewilligungsantrag. Nach einem Telefonvermerk vom 16. März 2010 wurde der Beklagte vom Jobcenter D.-R. darauf hingewiesen, dass der Kläger am 1. März 2010 aus der Wohnung T. Straße ... in ... B.-W. ausgezogen und seinen neuen Wohnsitz in der Z.-straße ... in ... D.-R. genommen habe. Der Kläger habe am 11. März 2010 beim Jobcenter D.-R. einen Antrag auf Bewilligung von SGB II-Leistungen gestellt. Nach einer Bestätigung der Stadtverwaltung D.-R. vom 11. März 2010 meldete sich der Kläger am 1. März 2010 im Ortsteil R. an.
Mit Schreiben vom 17. März 2010 hörte der Beklagte den Kläger wegen Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse an und teilte ihm seine Absicht mit, für die Zeit vom 1. bis 10. März 2010 Regelleistungen in Höhe von 43,08 EUR und KdU in Höhe von 321,21 EUR (Zeitraum 1. bis 31. März 2010) zurückzuverlangen. Mit dem auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) gestützten Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 9. April 2010 verlangte der Beklagte vom Kläger die Rückzahlung von insgesamt 364,29 EUR. Hiergegen legte der Kläger, nunmehr anwaltlich vertreten, am 10. Mai 2010 Widerspruch ein und machte geltend: Der Beklagte könne lediglich einen Erstattungsanspruch gegen das Jobcenter D.-R. verfolgen. Der Sanktionsbescheid vom 8. Februar 2010 sei dem Kläger unbekannt und ihm nie zugegangen.
Am 27. Juli 2010 nahm der Beklagte den Sanktionsbescheid zurück. Mit Schreiben vom 27. Juli 2010 machte er gegenüber dem Jobcenter D.-R. einen Erstattungsanspruch gemäß § 103 SGB X in Höhe von 143,60 EUR (Regelleistung) geltend. Mit Bescheid vom 27. Juli 2010 änderte der Beklagte den Bescheid vom 9. April 2010 ab und beschränkte den Erstattungsbetrag auf die KdU für März 2010 in Höhe von 321,21 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom selben Tage wies der Beklagte den weitergehenden Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus: Ab dem 1. März 2010 hätten dem Kläger keine KdU-Leistungen mehr zugestanden. Die Berücksichtigung der KdU nach § 22 SGB II bestehe nur für eine tatsächlich genutzte Wohnung. Diese habe ab 1. März 2010 im Zuständigkeitsbereich D.-R. gelegen, so dass der Kläger zu Unrecht Unterkunftskosten in Höhe von 321,21 EUR erhalten habe.
Hiergegen hat der Kläger am 26. August 2010 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) erhoben und vorgetragen: Die Erstattungsforderung könne allenfalls 7,48 EUR betragen. Dieser Betrag setze sich aus der Differenz der KdU-Kosten für die alte Wohnung in B.-W. (321,21 EUR) zu denen der neuen Wohnung in D.-R. von 313,53 EUR zusammen. Das Jobcenter D.-R. habe erst ab dem 11. März 2010 Leistungen erbracht, so dass einem Erstattungsanspruch des Beklagten § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X entgegenstehe. Der Beklagte könne einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Jobcenter D.-R. verfolgen, habe jedoch keinen Anspruch gegen den Kläger.
In einem gerichtlichen Hinweisschreiben vom 25. Juli 2011 hat der Kammervorsitzende darauf hingewiesen, dass dem Erstattungsanspruch nach §§ 45, 48 SGB X die Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 SGB X entgegenstehe und das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Schleswig-Holstein vom 12. April 2011, L 6 AS 45/10, zitiert nach juris, hervorgehoben.
Das Jobcenter D.-R. hat auf gerichtliche Nachfrage den Leistungsantrag des Klägers vom 11. März 2010 sowie den Bewilligungsbescheid vom 29. März 2010 zur Gerichtsakte gereicht.
Der Kläger hält das Urteil des LSG Schleswig-Holstein (a.a.O.) für unzutreffend, da in der Begründung nicht ausgeführt werde, warum die Aufwendungen für die neue Wohnung keine bedarfsbegründenden Kosten seien.
Das SG hat mit Urteil vom 12. Juli 2013 die angefochtenen Bescheide aufgehoben, soweit vom Beklagten ein über 7,48 EUR hinausgehender Betrag verlangt wurden: Ein Fall der notwendigen Beiladung liege nicht vor. Von der Möglichkeit einer einfachen Beiladung müsse die Kammer keinen Gebrauch zu machen, da der Beklagte den möglichen Erstattungsanspruch in einem gesonderten Verfahren verfolgen könne. Es bestünden bereits Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung. Jedenfalls seien die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB X nicht gegeben. Die weitergehende Aufhebungsentscheidung des Beklagten sei rechtswidrig, da die Verletzung der Mitteilungspflicht des Klägers, nach D.-R. am 1. März 2010 umgezogen zu sein, nicht kausal für die Überzahlung gewesen sei. Die Auszahlung der SGB II-Leistungen sei bereits Ende Februar 2010 erfolgt, der Umzug dagegen erst am 1. März 2010. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X lägen nicht vor, weil durch den Umzug des Klägers keine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten sei. Hierzu müsse die materielle Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes und der eingetretenen Veränderung miteinander verglichen werden. Es fehle an einer Veränderung, da der Beklagte die KdU für März 2010 gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II für die neue Wohnung in der Z.-straße ..., ... D.-R. in Höhe von 313,53 EUR gemäß § 40 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X zu bewilligen habe. Die örtliche Zuständigkeit des Beklagten habe sich durch den Umzug ab dem 2. März 2010 geändert. § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X führe jedoch zu Gunsten des Klägers als eigenständige materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage zu einem Weitergewährungsanspruch gegenüber dem Beklagten in Höhe der Kosten der neuen Wohnung. Der Bewilligungsbescheid des Jobcenter D.-R. vom 29. März 2010 habe seine Rechtswirkungen erst ab Bekanntgabe ab 1. April 2010 entfalten können. Unter Beachtung des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. Mai 2012, B 14 AS 133/11 R, könne der Kläger jedoch nur für die tatsächlich bewohnte Wohnung KdU gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II beanspruchen. Die Berufung müsse nicht zugelassen werden, da sich aus dem Urteil des BSG vom 23. Mai 2012 (a.a.O.) kein Hinweis auf § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X entnehmen lasse. An die Entscheidung des LSG Schleswig-Holstein vom 12. April 2011, L 6 AS 45/10 sei das SG nicht gebunden.
Der Beklagte hat gegen das am 27. September 2013 zugestellte Urteil am 25. Oktober 2013 Nichtzulassungsbeschwerde erhoben und zur Begründung ausgeführt: Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Zur Frage der Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 4 SGB X in Zusammenhang mit § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X bestehe bei einem Umzugsfall noch keine einheitliche Rechtsprechung. Der Beklagte sehe sich durch das bereits angeführte Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 12. April 2011 in seiner Auffassung bestätigt. Derartige Umzugsfälle träten in der Praxis häufiger auf und hätten eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung. Nach der Kommentarliteratur gewähre § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X die nahtlose Leistungsgewährung nur, wenn die bisherige Leistung auch rechtmäßig sei. Durch den Umzug des Klägers nach D.-R. seien jedoch keine KdU für die alte Wohnung mehr zu leisten, da diese aufgegeben worden sei. Auch eine Divergenz zum Urteil des BSG vom 23. Mai 2012, B 14 AS 133/13 R, liege vor. Hiernach könne es KdU nur für die Wohnung geben, die der Leistungsberechtigte auch tatsächlich nutze. Ab dem 1. März 2010 sei das für die Wohnung in der T. Straße in B.-W. nicht der Fall gewesen, was zu einer wesentlichen Änderung in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Klägers geführt habe. Die Aufhebungsentscheidung des Beklagten sei daher rechtmäßig. § 2 Abs. 3 SGB X könne auf Aufwendungen für KdU einer neuen Wohnung in einem anderen Zuständigkeitsbezirk keine Anwendung finden.
Der Beklagte beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom
12. Juli 2013 zuzulassen.
Der Kläger hat keinen Antrag gestellt.
Er hat vorgetragen: Möglicherweise habe der Fall eine grundsätzliche Bedeutung. Jedoch fehle die Klärungsbedürftigkeit. Das Urteil des SG sei richtig. In der Entscheidung des LSG Schleswig-Holstein werde nicht hinreichend begründet, weshalb die KdU am Zuzugsort nicht berücksichtigt würden.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde gemäß § 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 12. Juli 2013 ist statthaft.
Gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Das gilt gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. In Streit steht ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid über KdU in Höhe von 321,21 EUR. Dieser liegt unterhalb des Grenzwertes in § 144 Abs.1 Satz 1 SGG. Die Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG sind nicht gegeben. Da das SG die Berufung nicht zugelassen hat, ist die Beschwerde statthaft.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist aber unbegründet, weil keine Zulassungsgründe vorliegen.
Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nummer 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nummer 2) oder ein an der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nummer 3).
a) Eine Rechtssache hat dann grundsätzliche Bedeutung, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Ein Individualinteresse genügt hingegen nicht. Die entscheidungserhebliche Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 144 Rdnr. 28). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann nicht mehr, wenn sie schon entschieden ist oder durch Auslegung des Gesetzes eindeutig beantwortet werden kann (vgl. BSG, Beschluss vom 30. September 1992, 11 BAr 47/92, juris). Zur Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage muss die abstrakte Klärungsfähigkeit, d.h. die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung, und die konkrete Klärungsfähigkeit, d.h. die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage, hinzutreten (vgl. dazu BSG, Urteil vom 14. Juni 1984, 1 RJ 72/84, juris) Die Frage, ob eine Rechtssache im Einzelfall richtig oder unrichtig entschieden ist, verleiht ihr noch keine grundsätzliche Bedeutung (vgl. BSG, Beschluss vom 26. Juni 1975, 12 BJ 12/75, juris).
Im vorliegenden Fall ist allenfalls von einem unbeachtlichen Rechtsanwendungsfehler des SG auszugehen, der durch die richtige Anwendung des Gesetzes vermieden worden wäre. Eine Klärungsbedürftigkeit und damit eine grundsätzliche Bedeutung des Verfahrens liegen aber nicht vor.
Das SG hat in seinen tragenden Urteilsgründen – im Ergebnis wohl fehlerhaft – das Vorliegen der Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB X in Ansehung der für März 2010 gewährten KdU verneint. Es hat die Auffassung vertreten, wegen der Nichtangabe des Umzugs (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB X) fehle es an der Kausalität und § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB X greife nur insoweit, als die neuen KdU am Umzugsort geringer seien als die vom Beklagten gewährten Leistungen. Im Übrigen lägen mit dem Umzug keine wesentlichen Änderungen der Verhältnisse vor. Zwar habe sich ein Zuständigkeitswechsel i.S.v. § 36 Satz 2 SGB II ergeben, der sich wegen des Anspruchs des Klägers auf Weitergewährung nach § 2 Abs. 3 SGB X nicht auswirke.
Insoweit dürfte dem SG ein Rechtsanwendungsfehler unterlaufen sein. Denn die sog. Nahtlosregelung des § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X verpflichtet die bisher zuständige Behörde für den Fall, dass die örtliche Zuständigkeit gewechselt hat, die Leistungen noch solange zu erbringen, bis sie von der nunmehr zuständigen Behörde fortgesetzt werden. Mit Blick darauf, dass mit dem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit regelmäßig die Gefahr der Unterbrechung des Leistungsbezugs einhergeht, soll die Norm sicherstellen, dass während eines Zuständigkeitswechsels eine Unterbrechung der Leistungen nicht eintritt (BT-Drucks 8/2034 S. 30). Zu diesem Zweck vermittelt sie dem Berechtigten einen materiell-rechtlichen Anspruch gegen die bisher zuständige Behörde auf Fortgewährung der Leistung. Während § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X somit der Sicherung der Leistungserbringung im Außenverhältnis zu dienen bestimmt ist, zielt § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X darauf, auf der Erstattungsebene sicherzustellen, dass im Falle der Fortgewährung der Leistung nach einem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit im Ergebnis nicht der vorleistende bislang zuständige Träger, sondern der nunmehr zuständige Leistungsträger die Kosten zu tragen hat (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20. Mai 2014, 5 C 33/13, zitiert nach juris).
§ 2 SGB X regelt die örtliche Zuständigkeit der Behörden im Sinne des § 1 Abs. 2 SGB X. Diese örtliche Zuständigkeit bezieht sich auf den räumlichen Wirkungskreis einer Behörde (vgl. Neumann in Hauck/Noftz, SGB X [Stand: September 2014] zu § 2 Rrd. 1). Die Weiterleistungspflicht des § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X ist auf Umzüge von SGB II-Leistungsberechtigten und damit verbundene Zuständigkeitswechsel nicht anwendbar. Die Besonderheit dieser Fälle liegt in der Doppelbedeutung des gewöhnlichen Aufenthalts für die Behördenzuständigkeit und für den jeweils konkreten KdU-Anspruch (zutreffend Neumann a.a.O zu § 2 Rdn 37). Die sog. Nahtlosregelung des § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB II soll bereits nach ihrem Sinn und Zweck nur der Gefahr von Leistungsunterbrechungen entgegenwirken. Der Begriff "Leistungen" im Sinne des § 2 Abs. 3 SGB II setzt jedoch ein unabhängig vom Wechsel der Behördenzuständigkeit Fortbestehen des Leistungsanspruchs sowie der notwendigen Leistungsvoraussetzungen voraus. § 2 Abs. 3 SGB X soll daher nach seinem Sinn und Zweck nur bestehende und auch fortwirkende Leistungsansprüche sichern, jedoch keine Ansprüche eigener Art schaffen, die materiell-rechtlich sogar ausgeschlossen wären. Führt damit ein Umzug nicht nur zu einem behördlichen Zuständigkeitswechsel, sondern auch zu einem Wegfall des Leistungsanspruchs, kann dies nicht über § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X ausgehebelt werden. § 2 Abs. 3 SGB X ist lediglich eine örtliche Zuständigkeitsregelung. Diese gesetzlich eindeutige Auslegung des § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X lässt sich anschaulich an unterschiedlichen Landesgesetzen verdeutlichen. Zieht beispielsweise ein Sehbehinderter vom Bundesland A, dass ein Landesblindengeld erlassen hat, in das Bundesland B ohne entsprechendes Landesblindengesetz um, kann die Behörde des Bundeslandes A nicht über § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X verpflichtet werden, Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen, die für das Bundesland A unanwendbar wären. Die gleiche Wertung gilt auch für KdU-Leistungen nach dem SGB II. Zieht der SGB II-Leistungsempfänger aus seiner Wohnung im Zuständigkeitsbereich A aus, verliert er damit automatisch seinen KdU-Anspruch für diese nicht mehr genutzte Wohnung nach dem § 22 SGB II. Damit verändern sich leistungsrelevante tatsächliche Umstände i.S.v. § 48 SGB X.
Dem SG ist daher bei der Subsumtion von § 48 und des § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X ein Fehler unterlaufen. Dieser begründet jedoch keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage, da die Anwendung der Norm aus Sicht des Senats nicht zweifelhaft oder ungeklärt ist. Sogar das LSG Schleswig-Holstein (a.a.O.) hat wohl keine Veranlassung gesehen, diese "Selbstverständlichkeit" weitergehend zu begründen.
b) Auch der Zulassungsgrund der Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG ist nicht gegeben. Der Zulassungsgrund liegt nur dann vor, wenn das Urteil des SG entscheidungstragend auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der von dem zur gleichen Rechtsfrage aufgestellten Rechtssatz in einer Entscheidung eines der im § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht. Das SG müsste daher objektiv von einer solchen höhergerichtlichen Entscheidung abgewichen sein. Eine nur fehlerhafte Rechtsanwendung begründet dagegen keine Divergenz (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 160 Rdn. 13 ff.).
Insbesondere liegt keine Divergenz zum Urteil des BSG vom 23. Mai 2012 (a.a.O.) vor. Dieses beschäftigt sich weder mit § 2 Abs. 3 SGB X noch mit § 48 SGB X. Vielmehr hat das SG die Kernaussage des BSG (a.a.O.) erkannt und richtig herausgearbeitet, jedoch die Konsequenz aus der alleinigen Zuständigkeit des örtlichen Leistungsträgers für die KdU verkannt. Das Abweichen vom Urteil des LSG Schleswig-Holstein (a.a.O.) begründet keine Divergenz, da es nicht das für das SG maßgebliche Berufungsgericht ist (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 144 Rdn. 30).
c) Schließlich liegt auch der Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG nicht vor. Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Er bezieht sich begrifflich auf das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil, nicht aber auf dessen sachlichen Inhalt, d. h. seine Richtigkeit (vgl. Leitherer a.a.O., § 144 Rdnr. 32 ff.). Die Zulassung der Berufung aufgrund eines Verfahrensmangels erfordert, dass dieser Mangel nicht nur vorliegt, sondern auch geltend gemacht wird (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG). Daran fehlt es hier. Der Beklagte hat keine Verfahrensfehler und insbesondere keine sog. Überraschungsentscheidung des SG gerügt.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 177 SGG).
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