Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
18
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 18 SO 84/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Formell setzt § 93 SGB XII voraus, dass der zuständige Sozialhilfeträger die Leistung erbringt. Bei der Überleitungsanzeige handelt es sich um einen Verwaltungsakt. Dementsprechend gelten die Formerfordernisse der §§ 31 ff. SGB X, insbesondere Anhörung. Hiernach muss es sich um eine schriftliche Überleitungsanzeige (Schriftform) handeln.
1. Der Bescheid vom 24.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2013 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen vom Beklagten geltend gemachten Aufwendungsersatz wegen ungedeckter Heimpflegekosten für Frau C.
Der Vater des Klägers, AB. (geb. 1939), und Frau C. führten - worüber die Beteiligten nicht streiten - seit 1989 eine Beziehung. 1995 zog Frau C. zum Vater des Klägers in die A-Straße in A-Stadt (Anmeldung einer Hauptwohnung vom 10.09.1995). Seit 2008 war Frau C. aufgrund erlittener Schlaganfälle pflegebedürftig. Der Vater des Klägers pflegte Frau C. im gemeinsamen Haushalt. Im Oktober 2011 erlitt der Vater des Klägers ebenfalls einen Schlaganfall. Am 20.10.2011 erfolgte die Einlieferung in die Universitätsklinik D-Stadt. Unmittelbar nach der dort abgeschlossenen Behandlung wurde der Vater des Klägers im Seniorenzentrum E-Stadt untergebracht. Bis zu seinem Tode 2013 lebte er dort. Frau C. lebte ab 21.12.2011 ebenfalls in einem Altenheim in F-Stadt im Hinblick auf ihre Pflegebedürftigkeit.
Mit Bescheid vom 24.10.2012 gewährte der Beklagte Frau C. rückwirkend ab 01.05.2012 Sozialleistungen.
Mit weiterem Bescheid vom 24.10.2012 machte der Beklagte Aufwendungsersatz in Höhe der monatlich ungedeckten Sozialhilfeaufwendungen für Frau C. geltend.
Hiergegen legte der Kläger mit Schriftsatz vom 02.11.2012 Widerspruch ein: Im Dezember 2011 habe keine Bedarfsgemeinschaft mehr existiert. Eine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft sei wegen der Demenz beider Beteiligten nicht möglich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.04.2013 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Auf den Inhalt der Entscheidung wird Bezug genommen.
Dagegen richtet sich die Klage vom 24.05.2013.
Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, die Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft sei am 20.10.2011 beendet gewesen. Beide Beteiligten könnten objektiv keine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft mehr wegen der tatsächlichen Umstände bilden. Ebenfalls würden innere Bindungen fehlen. Der Vater des Klägers habe im Heim in E-Stadt eine neue Freundin gefunden. Frau C. habe gegenüber ihren eigenen vier Kindern Unterhaltsansprüche. Im Übrigen sei der Miteigentumsanteil am Haus in A-Stadt nicht verwertbar. Dies würde eine besondere Härte nach § 90 SGB XII darstellen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 24.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2013 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig und bezieht sich zur Begründung seines Antrags im Wesentlichen auf seine Schriftsätze vom 03.07. und 20.09.2013. Ergänzend trägt er vor, mit der Heimunterbringung sei keine zwangsläufige Trennung verbunden. Es seien keine Trennungsabsichten ersichtlich gewesen. Die Trennungsabsicht sei durch den Kläger fingiert worden. Die getrennte Heimunterbringung sei nur auf Betreiben der Kinder erfolgt. Maßgebender Zeitpunkt sei die Aufnahme vom Vater des Klägers in die stationäre Einrichtung am 20.10.2011. Zu diesem Zeitpunkt habe eine eheähnliche Gemeinschaft noch bestanden.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin G. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift verwiesen. Darüber hinaus hat das Gericht die Verwaltungsakte des Beklagten beigezogen. Wegen des weiteren Sachvortrags der Beteiligten und des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig (§§ 87, 90, 92 SGG).
Sie ist auch begründet.
Der Bescheid vom 24.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2013 erweist sich als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 54 Abs. 2 SGG.
Der - von dem Beklagten gegenüber dem Kläger geltend gemachte - Aufwendungsersatzanspruch nach § 19 Abs. 5 SGB XII ist ein öffentlich-rechtlicher Anspruch, der durch Leistungsbescheid geltend zu machen ist. Der Beklagte konnte über die streitige Forderung deshalb grundsätzlich durch Verwaltungsakt (§ 31 Satz 1 SGB X) entscheiden. Die sogenannte Verwaltungsaktsbefugnis ergibt sich insoweit aus dem Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen dem Beklagten als Sozialhilfeträger und dem Kläger.
Ein Rückgriff des Beklagten auf den Kläger wegen der Ausgaben für Frau C. scheitert im vorliegenden Fall jedoch an § 93 SGB XII. Das Gesetz stellt mit der Vorschrift des § 93 SGB XII dem Sozialhilfeträger das Handwerkszeug zur Verfügung, um schuldrechtliche Ansprüche eines Leistungsbeziehers mittels Hoheitsakt an sich zu ziehen. Das Gesetz spricht in § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII davon, der Träger der Sozialhilfe könne durch schriftliche Anzeige an den anderen bewirken, dass dieser Anspruch bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf ihn übergeht. Es handelt sich bei dieser schriftlichen Anzeige um einen Verwaltungsakt, § 93 Abs. 3 SGB XII, der als "Überleitung" oder "Überleitungsanzeige" bezeichnet wird. Die Überleitung führt - von den Rechtsfolgen her weitgehend zu vergleichen mit einer Abtretung nach § 398 BGB - zu einem Gläubigerwechsel.
Während Unterhaltsansprüche nach § 94 SGB XII - der hier im Verhältnis zum Kläger nicht anwendbar ist, sondern lediglich im Verhältnis zu den Kindern der Frau C. - gesetzlich auf den jeweiligen Sozialhilfeträger übergehen und der Sozialhilfeträger bei Schadensersatzansprüchen nach § 116 SGB XII ebenfalls per cessio legis in die Rolle des Gläubigers rückt, müssen andere Ansprüche des Leistungsberechtigten oder der Person seiner Bedarfsgemeinschaft mittels Überleitungsanzeige an den Hilfeträger gezogen werden. Hierin besteht der entscheidende Unterschied zu dem gesetzlichen, gleichsam automatischen Übergang der Unterhalts- oder Schadensersatzforderung, denn mit der Überleitung mittels Verwaltungsakt gehen zahlreiche Risiken und Fehlerquellen einher.
Als Verwaltungsakt ist die Überleitung an eine Reihe formeller und materieller Anforderungen gebunden und ihr kann mit Widerspruch und Anfechtungsklage begegnet werden, auch wenn der Widerspruch und die Klage regelmäßig gemäß § 93 Abs. 3 SGB XII keine aufschiebende Wirkung haben, der übergeleitete Anspruch also dennoch parallel verfolgt werden kann. Gleichwohl ist das Interesse des Sozialhilfeträgers groß, dass seine Überleitungsanzeigen rechtmäßig sind und gerichtlicher Kontrolle standhalten, weil anderenfalls das Ziel, den Nachranggrundsatz der Sozialhilfe wieder herzustellen, nicht erreicht würde. Denn nicht immer lässt sich eine fehlerhafte Überleitung später im Laufe des Verfahrens heilen oder nachholen. Erst die rechtmäßige Überleitung führt den Gläubigerwechsel herbei, so dass alle Einwendungen und Einreden des Schuldners nach §§ 404, 407, 412 BGB durchgreifen, wenn eine Überleitung seitens der Behörde oder des Gerichts später aufgehoben wird und dann die Behörde ex nunc eine neue rechtmäßige Überleitungsanzeige erlässt. Vor dem Zeitpunkt der (neuerlichen) Überleitung erfolgte Rechtshandlungen und eingetretene Rechtstatsachen greifen nun zu Lasten der Behörde durch.
Formell setzt § 93 SGB XII u. a. voraus, dass der sachlich und örtlich zuständige Sozialhilfeträger die Leistung erbringt (Zuständigkeit). Bei der Überleitungsanzeige handelt es sich, wie bereits ausgeführt, um einen Verwaltungsakt. Dementsprechend gelten die Formerfordernisse der §§ 31 ff. SGB X (insbesondere Anhörung). Hiernach muss es sich um eine schriftliche Überleitungsanzeige (Schriftform) handeln. Denn der Forderungsübergang wird bewirkt durch "schriftliche Anzeige an den anderen". Die Wirksamkeit richtet sich nach den §§ 39 ff. SGB X; erst mit Bekanntgabe an den Drittschuldner wird die Überleitungsanzeige wirksam (§ 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Eine förmliche Zustellung ist zwar nicht erforderlich, aus Beweisgründen aber zweckmäßig. Die Überleitung wird als Verwaltungsakt gemäß § 31 SGB X demgegenüber, für den sie bestimmt ist, zu dem Zeitpunkt wirksam, zu dem sie bekannt gegeben worden ist, § 37 SGB X (LPK, SGB XII, § 93 Randnr. 48). Die Überleitung ist dem Leistungsberechtigten und dem Dritten gegenüber bekannt zu geben.
Hieran fehlt es, worüber die Beteiligten nicht streiten. Somit fehlt es auch an der Wirkung der Überleitung nach § 93 SGB XII.
Abgesehen davon, dass die Wiederherstellung des Nachrangs der Sozialhilfe im vorliegenden Fall an der nicht durchgeführten Überleitungsanzeige nach § 93 SGB XII scheitert, geht das Gericht darüber hinaus davon aus, dass die Voraussetzungen nach § 19 Abs. 5 SGB XII ebenfalls nicht erfüllt sind. Der Aufwendungsersatzanspruch besteht nach § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB XII u. a. gegenüber nicht getrennt lebenden Lebenspartnern, deren Einkommen und Vermögen gemeinsam zu berücksichtigen ist. Voraussetzung für den Aufwendungsersatzanspruch gegenüber dem Kläger ist danach, dass sein Vater sich in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft mit der Frau C. befindet. Zum Zeitpunkt des Leistungsbeginns (01.05.2012) bestand jedoch eine solche eheähnliche Gemeinschaft nicht (mehr). Dies ergibt sich nicht nur aus dem Umstand, dass faktisch ab Oktober 2011 eine räumliche Trennung zwischen dem Vater des Klägers und Frau C. vollzogen worden ist. Eine über die Beziehung in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehende besondere innere Bindung der Partner, wie sie eine eheähnliche Lebensgemeinschaft kennzeichnet, lag zur Überzeugung des Gerichts zum hier maßgebenden Zeitpunkt ab Mai 2012 nicht mehr vor. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme. Die Zeugin G. hat nämlich bekundet, dass sich der Vater des Klägers mit einer anderen Frau im Seniorenzentrum in E-Stadt angefreundet hat. Nachdem der Vater des Klägers bereits im November 2011 im Seniorenzentrum E-Stadt untergebracht war, lag also der Zeitpunkt der Hinwendung zu einer anderen Partnerin deutlich früher vor den Aufwendungen, die der Beklagte für Frau C. im Mai 2012 getätigt hat. Zu diesem Zeitpunkt (Mai 2012) bestand somit für den Vater des Klägers eine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art. Nach Ansicht des Gerichts kann vor diesem Hintergrund auch dahinstehen, ob der Vater des Klägers einen aktiven Willen zur Aufgabe der Lebensgemeinschaft mit Frau C. betätigen konnte oder eine krankheitsbedingte Unfähigkeit, einen Willen zur Fortführung der Gemeinschaft zu fassen, vorlag.
Bei dieser Sachlage war der Klage mit der Kostenfolge aus § 193 SGG stattzugeben.
2. Der Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen vom Beklagten geltend gemachten Aufwendungsersatz wegen ungedeckter Heimpflegekosten für Frau C.
Der Vater des Klägers, AB. (geb. 1939), und Frau C. führten - worüber die Beteiligten nicht streiten - seit 1989 eine Beziehung. 1995 zog Frau C. zum Vater des Klägers in die A-Straße in A-Stadt (Anmeldung einer Hauptwohnung vom 10.09.1995). Seit 2008 war Frau C. aufgrund erlittener Schlaganfälle pflegebedürftig. Der Vater des Klägers pflegte Frau C. im gemeinsamen Haushalt. Im Oktober 2011 erlitt der Vater des Klägers ebenfalls einen Schlaganfall. Am 20.10.2011 erfolgte die Einlieferung in die Universitätsklinik D-Stadt. Unmittelbar nach der dort abgeschlossenen Behandlung wurde der Vater des Klägers im Seniorenzentrum E-Stadt untergebracht. Bis zu seinem Tode 2013 lebte er dort. Frau C. lebte ab 21.12.2011 ebenfalls in einem Altenheim in F-Stadt im Hinblick auf ihre Pflegebedürftigkeit.
Mit Bescheid vom 24.10.2012 gewährte der Beklagte Frau C. rückwirkend ab 01.05.2012 Sozialleistungen.
Mit weiterem Bescheid vom 24.10.2012 machte der Beklagte Aufwendungsersatz in Höhe der monatlich ungedeckten Sozialhilfeaufwendungen für Frau C. geltend.
Hiergegen legte der Kläger mit Schriftsatz vom 02.11.2012 Widerspruch ein: Im Dezember 2011 habe keine Bedarfsgemeinschaft mehr existiert. Eine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft sei wegen der Demenz beider Beteiligten nicht möglich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.04.2013 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Auf den Inhalt der Entscheidung wird Bezug genommen.
Dagegen richtet sich die Klage vom 24.05.2013.
Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, die Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft sei am 20.10.2011 beendet gewesen. Beide Beteiligten könnten objektiv keine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft mehr wegen der tatsächlichen Umstände bilden. Ebenfalls würden innere Bindungen fehlen. Der Vater des Klägers habe im Heim in E-Stadt eine neue Freundin gefunden. Frau C. habe gegenüber ihren eigenen vier Kindern Unterhaltsansprüche. Im Übrigen sei der Miteigentumsanteil am Haus in A-Stadt nicht verwertbar. Dies würde eine besondere Härte nach § 90 SGB XII darstellen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 24.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2013 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig und bezieht sich zur Begründung seines Antrags im Wesentlichen auf seine Schriftsätze vom 03.07. und 20.09.2013. Ergänzend trägt er vor, mit der Heimunterbringung sei keine zwangsläufige Trennung verbunden. Es seien keine Trennungsabsichten ersichtlich gewesen. Die Trennungsabsicht sei durch den Kläger fingiert worden. Die getrennte Heimunterbringung sei nur auf Betreiben der Kinder erfolgt. Maßgebender Zeitpunkt sei die Aufnahme vom Vater des Klägers in die stationäre Einrichtung am 20.10.2011. Zu diesem Zeitpunkt habe eine eheähnliche Gemeinschaft noch bestanden.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin G. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift verwiesen. Darüber hinaus hat das Gericht die Verwaltungsakte des Beklagten beigezogen. Wegen des weiteren Sachvortrags der Beteiligten und des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig (§§ 87, 90, 92 SGG).
Sie ist auch begründet.
Der Bescheid vom 24.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2013 erweist sich als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 54 Abs. 2 SGG.
Der - von dem Beklagten gegenüber dem Kläger geltend gemachte - Aufwendungsersatzanspruch nach § 19 Abs. 5 SGB XII ist ein öffentlich-rechtlicher Anspruch, der durch Leistungsbescheid geltend zu machen ist. Der Beklagte konnte über die streitige Forderung deshalb grundsätzlich durch Verwaltungsakt (§ 31 Satz 1 SGB X) entscheiden. Die sogenannte Verwaltungsaktsbefugnis ergibt sich insoweit aus dem Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen dem Beklagten als Sozialhilfeträger und dem Kläger.
Ein Rückgriff des Beklagten auf den Kläger wegen der Ausgaben für Frau C. scheitert im vorliegenden Fall jedoch an § 93 SGB XII. Das Gesetz stellt mit der Vorschrift des § 93 SGB XII dem Sozialhilfeträger das Handwerkszeug zur Verfügung, um schuldrechtliche Ansprüche eines Leistungsbeziehers mittels Hoheitsakt an sich zu ziehen. Das Gesetz spricht in § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII davon, der Träger der Sozialhilfe könne durch schriftliche Anzeige an den anderen bewirken, dass dieser Anspruch bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf ihn übergeht. Es handelt sich bei dieser schriftlichen Anzeige um einen Verwaltungsakt, § 93 Abs. 3 SGB XII, der als "Überleitung" oder "Überleitungsanzeige" bezeichnet wird. Die Überleitung führt - von den Rechtsfolgen her weitgehend zu vergleichen mit einer Abtretung nach § 398 BGB - zu einem Gläubigerwechsel.
Während Unterhaltsansprüche nach § 94 SGB XII - der hier im Verhältnis zum Kläger nicht anwendbar ist, sondern lediglich im Verhältnis zu den Kindern der Frau C. - gesetzlich auf den jeweiligen Sozialhilfeträger übergehen und der Sozialhilfeträger bei Schadensersatzansprüchen nach § 116 SGB XII ebenfalls per cessio legis in die Rolle des Gläubigers rückt, müssen andere Ansprüche des Leistungsberechtigten oder der Person seiner Bedarfsgemeinschaft mittels Überleitungsanzeige an den Hilfeträger gezogen werden. Hierin besteht der entscheidende Unterschied zu dem gesetzlichen, gleichsam automatischen Übergang der Unterhalts- oder Schadensersatzforderung, denn mit der Überleitung mittels Verwaltungsakt gehen zahlreiche Risiken und Fehlerquellen einher.
Als Verwaltungsakt ist die Überleitung an eine Reihe formeller und materieller Anforderungen gebunden und ihr kann mit Widerspruch und Anfechtungsklage begegnet werden, auch wenn der Widerspruch und die Klage regelmäßig gemäß § 93 Abs. 3 SGB XII keine aufschiebende Wirkung haben, der übergeleitete Anspruch also dennoch parallel verfolgt werden kann. Gleichwohl ist das Interesse des Sozialhilfeträgers groß, dass seine Überleitungsanzeigen rechtmäßig sind und gerichtlicher Kontrolle standhalten, weil anderenfalls das Ziel, den Nachranggrundsatz der Sozialhilfe wieder herzustellen, nicht erreicht würde. Denn nicht immer lässt sich eine fehlerhafte Überleitung später im Laufe des Verfahrens heilen oder nachholen. Erst die rechtmäßige Überleitung führt den Gläubigerwechsel herbei, so dass alle Einwendungen und Einreden des Schuldners nach §§ 404, 407, 412 BGB durchgreifen, wenn eine Überleitung seitens der Behörde oder des Gerichts später aufgehoben wird und dann die Behörde ex nunc eine neue rechtmäßige Überleitungsanzeige erlässt. Vor dem Zeitpunkt der (neuerlichen) Überleitung erfolgte Rechtshandlungen und eingetretene Rechtstatsachen greifen nun zu Lasten der Behörde durch.
Formell setzt § 93 SGB XII u. a. voraus, dass der sachlich und örtlich zuständige Sozialhilfeträger die Leistung erbringt (Zuständigkeit). Bei der Überleitungsanzeige handelt es sich, wie bereits ausgeführt, um einen Verwaltungsakt. Dementsprechend gelten die Formerfordernisse der §§ 31 ff. SGB X (insbesondere Anhörung). Hiernach muss es sich um eine schriftliche Überleitungsanzeige (Schriftform) handeln. Denn der Forderungsübergang wird bewirkt durch "schriftliche Anzeige an den anderen". Die Wirksamkeit richtet sich nach den §§ 39 ff. SGB X; erst mit Bekanntgabe an den Drittschuldner wird die Überleitungsanzeige wirksam (§ 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Eine förmliche Zustellung ist zwar nicht erforderlich, aus Beweisgründen aber zweckmäßig. Die Überleitung wird als Verwaltungsakt gemäß § 31 SGB X demgegenüber, für den sie bestimmt ist, zu dem Zeitpunkt wirksam, zu dem sie bekannt gegeben worden ist, § 37 SGB X (LPK, SGB XII, § 93 Randnr. 48). Die Überleitung ist dem Leistungsberechtigten und dem Dritten gegenüber bekannt zu geben.
Hieran fehlt es, worüber die Beteiligten nicht streiten. Somit fehlt es auch an der Wirkung der Überleitung nach § 93 SGB XII.
Abgesehen davon, dass die Wiederherstellung des Nachrangs der Sozialhilfe im vorliegenden Fall an der nicht durchgeführten Überleitungsanzeige nach § 93 SGB XII scheitert, geht das Gericht darüber hinaus davon aus, dass die Voraussetzungen nach § 19 Abs. 5 SGB XII ebenfalls nicht erfüllt sind. Der Aufwendungsersatzanspruch besteht nach § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB XII u. a. gegenüber nicht getrennt lebenden Lebenspartnern, deren Einkommen und Vermögen gemeinsam zu berücksichtigen ist. Voraussetzung für den Aufwendungsersatzanspruch gegenüber dem Kläger ist danach, dass sein Vater sich in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft mit der Frau C. befindet. Zum Zeitpunkt des Leistungsbeginns (01.05.2012) bestand jedoch eine solche eheähnliche Gemeinschaft nicht (mehr). Dies ergibt sich nicht nur aus dem Umstand, dass faktisch ab Oktober 2011 eine räumliche Trennung zwischen dem Vater des Klägers und Frau C. vollzogen worden ist. Eine über die Beziehung in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehende besondere innere Bindung der Partner, wie sie eine eheähnliche Lebensgemeinschaft kennzeichnet, lag zur Überzeugung des Gerichts zum hier maßgebenden Zeitpunkt ab Mai 2012 nicht mehr vor. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme. Die Zeugin G. hat nämlich bekundet, dass sich der Vater des Klägers mit einer anderen Frau im Seniorenzentrum in E-Stadt angefreundet hat. Nachdem der Vater des Klägers bereits im November 2011 im Seniorenzentrum E-Stadt untergebracht war, lag also der Zeitpunkt der Hinwendung zu einer anderen Partnerin deutlich früher vor den Aufwendungen, die der Beklagte für Frau C. im Mai 2012 getätigt hat. Zu diesem Zeitpunkt (Mai 2012) bestand somit für den Vater des Klägers eine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art. Nach Ansicht des Gerichts kann vor diesem Hintergrund auch dahinstehen, ob der Vater des Klägers einen aktiven Willen zur Aufgabe der Lebensgemeinschaft mit Frau C. betätigen konnte oder eine krankheitsbedingte Unfähigkeit, einen Willen zur Fortführung der Gemeinschaft zu fassen, vorlag.
Bei dieser Sachlage war der Klage mit der Kostenfolge aus § 193 SGG stattzugeben.
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