Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AS 134/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 1858/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Absetzbarkeit von Ausgaben im Rahmen von § 3 Abs. 3 Satz 4 Alg-II-VO.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 08.04.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.10.2011 bis 31.03.2012.
Der 1979 geborene Kläger absolvierte am 20.04.2010 erfolgreich die Zweite Juristische Staatsprüfung. Im streitgegenständlichen Zeitraum bewohnte er zusammen mit seiner Mutter eine 64,55 m² große 3-Zimmer-Wohnung in K ... Die Miete betrug 368,00 EUR, die Nebenkostenvorauszahlung (inklusive Heizkosten) 163,00 EUR. Hinzu kam 2011 eine Müllgebühr von jährlich 146,40 EUR (monatlich 12,20 EUR).
Bis zum 30.09.2011 bezog er Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 635,59 EUR monatlich. Im Juli 2011 machte sich der Kläger als Rechtsanwalt selbständig. Hierfür schloss er mit der Sparkasse B. unter dem 14.07.2011 einen Darlehensvertrag über einen zweckgebundenen Förderkredit in Höhe von 31.500 EUR, die erste Teilauszahlung in Höhe von 10.000 EUR erfolgte am 20.07.2011, bis zum 31.03.2012 war das Darlehen noch nicht aufgebraucht. Grundlage des Darlehnsgewährung war der Businessplan des Klägers. Zum Businessplan gehörte ein Investitionsplan, der unter dem Stichwort "Betriebsmittel" für die Ausgaben auf den Liquiditätsplan verwies. Der Liquiditätsplan enthält zum einen unter den Einnahmen auch Leistungen des Beklagten, unter Ausgaben sind folgende Ausgaben vermerkt: Kanzleikosten 2.500,00 EUR Kontoführungsgebühren 70,00 EUR PKW (Benzin) 200,00 EUR PKW (Versicherung und Steuer) 200,00 EUR Mitgliedschaft Rechtsanwaltskammer (nur im Juli) 55,00 EUR Berufshaftpflicht (nur im Juli) 181,83 EUR Mitgliedschaft FJA (nur im Juli) 25,00 EUR Unternehmerlohn 720,00 EUR Krankenkasse 0,00 EUR Krankengeld 100,00 EUR Versorgungswerk 84,19 EUR Steuern und Solidaritätszuschlag 0,00 EUR Unvorhergesehenes. 100,00 EUR
Der Kläger hatte monatliche Fixkosten in Höhe von 2.500 EUR für Kanzleikosten, 13,65 EUR Kontoführungskosten, 35,42 EUR Zinsen für das Darlehen und 25,00 EUR Internetmonatsgebühr, 218,45 EUR (ab 01.10.2012 224,44 EUR) für Kranken- und Pflegeversicherung, 84,19 EUR (ab 01.01.2012 84,43 EUR) für das Versorgungswerk der Rechtsanwälte. Im Januar 2012 fielen 110,00 EUR als Beitrag für die Rechtsanwaltskammer an.
Am 03.08.2011 schlossen die Beteiligten eine Eingliederungsvereinbarung, wonach der Kläger die Hilfebedürftigkeit durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit beende. Der Beklagte werde bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen Einstiegsgeld gewähren.
Mit Schreiben vom 26.08.2011 beantragte der Kläger die Weiterbewilligung von Leistungen, dem Antrag beigefügt war die Anlage EKS sowie der Businessplan.
Mit Bescheid vom 01.09.2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 20.07.2011 bis 19.01.2012 Einstiegsgeld in Höhe von 182,00 EUR monatlich.
Mit Bescheid vom 30.09.2011 lehnte der Beklagte die Weiterbewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit ab 01.10.2011 ab. Der Kläger sei unter Berücksichtigung seiner nachgewiesenen Einkommensverhältnisse nicht hilfebedürftig. Das Darlehen werde nicht als Betriebseinnahme berücksichtigt. Allerdings würden die Kosten, die durch das Darlehen gedeckt werden könnten, gemäß § 3 Absatz 3 Satz 4 SGB II-VO nicht als Ausgaben berücksichtigt. Daher stehe dem Kläger für seinen Lebensunterhalt ein geschätztes Einkommen in Höhe von monatlich 2.111,00 EUR zur Verfügung.
Am 13.10.2011 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid. Das Darlehen sei nicht aufgenommen worden, um die vollen monatlichen betrieblichen Ausgaben zu begleichen. Mit dem Darlehen sollten lediglich die Ausgaben ausgeglichen werden, die durch die betrieblichen Einnahmen nicht gedeckt seien. Folglich stünden ihm die Einnahmen erst dann für den Lebensunterhalt zur Verfügung, wenn durch die Einnahmen alle Ausgaben bezahlt worden seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.01.2012 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 18.01.2012, eingegangen am gleichen Tag, Klage zum Sozialgericht K. (SG) erhoben. Nach § 3 Absatz 3 Satz 4 Alg II-VO seien Ausgaben nicht abzusetzen, soweit für sie Darlehen oder Zuschüsse nach dem SGB II erbracht oder betriebliche Darlehen aufgenommen worden seien. Das Darlehen sei aufgenommen worden um die betrieblichen Ausgaben auszugleichen, die nicht bereits durch die Einnahmen gedeckt seien. Das Darlehen sei also aufgenommen worden, um die betrieblichen Verluste auszugleichen, nicht jedoch die vollen betrieblichen Ausgaben. Deshalb stünden dem Kläger die monatlichen betrieblichen Einnahmen nicht zur Verfügung. Der Beklagte habe bei der Bewilligung des Einstiegsgeldes den Businessplan gebilligt, der auch weitere Leistungen zum Lebensunterhalt enthalten habe.
Der Kläger hat im Verfahren erster Instanz folgende Gesamtabrechnungen vorgelegt (vgl. im Einzelnen Bl. 45-51 der Gerichtsakte erster Instanz): 10/2011 11/2011 12/2011 01/2012 02/2012 03/2012 Einnahmen 970,03 EUR 2.464,16 EUR 2.074,79 EUR 883,41 EUR 1.616,05 EUR 546,59 EUR Ausgaben 2.779,68 EUR 2.638,02 EUR 2.750,10 EUR 3.004,82 EUR 2.609,58 EUR 2.613,11 EUR Differenz -1.809,65 EUR -173,86 EUR -675,31 EUR -2.121,41 EUR -993,53 EUR -2.066,52 EUR
Mit Gerichtsbescheid vom 08.04.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach § 3 Absatz 3 Satz 4 Alg II-VO seien Ausgaben u.a. nicht abzusetzen, soweit für sie betriebliche Darlehen aufgenommen worden sind. Der Darlehensvertrag enthalte keine Zweckbestimmung. Der Wortlaut der Vorschrift decke sowohl die Auslegung des Klägers also auch diejenige des Beklagten. Jedoch werde aus systematischen Gründen angenommen, dass die Vorschrift generell betriebliche Ausgaben umfasse. Auch könne es nicht im Interesse des Klägers sein, den Vermittlungsbemühungen zur Verfügung stehen zu müssen, was eine Folge des Leistungsbezuges sei.
Gegen den Gerichtsbescheid wendet sich der Kläger mit seiner Berufung vom 26.04.2013. Ergänzend zu den Ausführungen in erster Instanz trägt er vor, die Vermutung des SG sei falsch, er sei den gesetzlichen Verpflichtungen stets nachgekommen und habe sich auch während der Selbständigkeit auf Vermittlungsvorschläge beworben. Das Darlehen sei nicht aufgenommen worden, um den Lebensunterhalt zu decken.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid vom 08.04.2013 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 30.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2012 zu verurteilen, dem Kläger Leistungen von monatlich 635,59 EUR für die Zeit von 01.10.2011 bis 31.12.2011 und von monatlich 645,59 EUR für die Zeit von 01.01.2012 bis 31.03.2012 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG) Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und damit insgesamt zulässig. Sie ist jedoch in der Sache nicht begründet. Der Kläger hat für den streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Der Kläger hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II nicht erreicht, er ist erwerbsfähig und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Er war jedoch im streitgegenständlichen Zeitraum nicht hilfebedürftig. Nach § 9 Absatz 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann. Nach § 11 Absatz 1 Satz 1 SGB II sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen als Einkommen zu berücksichtigen.
Die vom Kläger erzielten Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit fallen nicht unter § 11a SGB II und gehören somit zu den berücksichtigungsfähigen Einnahmen. Für die Berechnung des Einkommens aus selbständiger Tätigkeit bestimmt § 3 Absatz 1 Satz 1 Alg-II-VO zunächst, dass von den Betriebseinnahmen auszugehen ist, also von allen Einnahmen, die im Bewilligungszeitraum tatsächlich zufließen (§ 3 Absatz 1 Satz 2 Alg-II-VO). Folglich hat der Kläger im hier interessierenden Zeitraum folgende Betriebseinnahmen erzielt: 10/2011 11/2011 12/2011 01/2012 02/2012 03/2012 Gesamt Durchschnitt 970,03 EUR 2.464,16 EUR 2.074,79 EUR 883,41 EUR 1.616,05 EUR 546,59 EUR 8.555,03 EUR 1.425,84 EUR
In einem zweiten Schritt sind dann von den Betriebseinnahmen nach § 3 Absatz 2 Alg-II-VO die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen; nicht abzusetzen sind die nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge. Nach § 3 Absatz 3 Satz 4 Alg-II-VO sind jedoch Ausgaben nicht abzusetzen, soweit hierfür u.a. betriebliche Darlehen aufgenommen worden sind. Der Kläger hat bei der Sparkasse B. ein betriebliches Darlehen in Höhe von 31.500 EUR aufgenommen, das nicht nur auf den Ausgleich der Verluste beschränkt war, sondern dessen Zweck darin bestand, die betrieblichen Ausgaben abzudecken. Grundlage der Darlehnsgewährung war der Businessplan des Klägers, dies hat der Kläger selbst in der mündlichen Verhandlung so angegeben; der Senat sieht keinen Grund, an den Angaben des Klägers zu zweifeln. Zum Businessplan gehörte ein Investitionsplan, der unter dem Stichwort "Betriebsmittel" für die Ausgaben auf den Liquiditätsplan verwies. Somit lag eine Zweckbestimmung dahingehend vor, dass das Darlehn für die im Liquiditätsplan genannten Ausgaben vorgesehen war. Dabei enthielt der Liquiditätsplan genau diejenigen Ausgaben, die der Kläger monatlich tätigte. Weitere Ausgaben, die nicht im Liquiditätsplan vorgesehen waren und die dann, da sie nicht von der Zweckbestimmung umfasst waren, als Ausgaben hätten in Abzug gebracht werden können, hat der Kläger nicht vorgenommen. Aufgrund der Zweckbestimmung kommt es auf die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, wie § 3 Absatz 3 Satz 4 Alg-II-VO auszulegen ist, nicht mehr an.
Insgesamt sind somit die Ausgaben des Klägers aus dem Darlehen zu bestreiten und können nicht in Abzug gebracht werden, so dass es bei den Einnahmen von monatlich 1.425,84 EUR verbleibt (§ 3 Absatz 4 Satz 1 Alg-II-VO). Nach § 3 Absatz 4 Satz 2 Alg-II-VO sind von diesem Einkommen noch die Beträge nach § 11b SGB II abzusetzen.
Nach § 11b Absatz 1 SGB II sind vom Einkommen abzusetzen 1. auf das Einkommen entrichtete Steuern, 2. Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung, 3. Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind; hierzu gehören Beiträge a) zur Vorsorge für den Fall der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit für Personen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig sind, b) zur Altersvorsorge von Personen, die von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind, soweit die Beiträge nicht nach § 26 bezuschusst werden, 4. geförderte Altersvorsorgebeiträge nach § 82 des Einkommensteuergesetzes, soweit sie den Mindesteigenbeitrag nach § 86 des Einkommensteuergesetzes nicht überschreiten, 5. die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben, 6. für Erwerbstätige ferner ein Betrag nach Absatz 3, 7. Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag, 8. bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, deren Einkommen nach dem Vierten Abschnitt des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder nach § 67 oder § 126 des Dritten Buches bei der Berechnung der Leistungen der Ausbildungsförderung für mindestens ein Kind berücksichtigt wird, der nach den Vorschriften der Ausbildungsförderung berücksichtigte Betrag.
Der Kläger hat im streitgegenständlichen Zeitraum auf Grund der Verluste keine Steuern entrichtet. Diese sind in der Einnahmen- und Ausgabenaufstellung auch nicht vermerkt. Der Kläger hat jedoch im streitgegenständlichen Zeitraum monatlich 218,45 EUR (ab 01.10.2012 224,44 EUR) für Kranken- und Pflegeversicherung und 84,19 EUR (ab 01.01.2012 84,43 EUR) für das Versorgungswerk der Rechtsanwälte aufgewandt. Beiträge zur Berufshaftpflicht fielen im streitgegenständlichen Zeitraum nicht an, da diese jährlich zu zahlen sind und im Juli 2011 gezahlt wurden.
Nach § 11b Absatz 3 SGB II ist bei erwerbstätigen Leistungsberechtigten ein weiterer Betrag abzusetzen; dieser beläuft sich 1. für den Teil des monatlichen Einkommens, das 100 Euro übersteigt und nicht mehr als 1 000 Euro beträgt, auf 20 Prozent und 2. für den Teil des monatlichen Einkommens, das 1 000 Euro übersteigt und nicht mehr als 1 200 Euro beträgt, auf 10 Prozent.
Somit ergibt sich für den Kläger als anrechenbares Einkommen: Betriebseinnahmen 1.425,84 EUR: nach § 11b Absatz 1 Nummer 3 SGB II -308,87 EUR nach § 11b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 SGB II -180,00 EUR nach § 11b Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 SGB II -20,00 EUR anrechenbares Einkommen 916,97 EUR
Da der Bedarf des Klägers lediglich 635,60 EUR in den Monaten Oktober bis November 2011 (Regelleistung 364 EUR, Kosten der Unterkunft 271,60 EUR) und 645,59 EUR in den Monaten Januar bis März 2013 (Regelleistung 364 EUR, Kosten der Unterkunft 271,60 EUR) betrug, war der Kläger in der Lage, seinen Bedarf durch das einzusetzende Einkommen zu decken.
Nach alldem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.10.2011 bis 31.03.2012.
Der 1979 geborene Kläger absolvierte am 20.04.2010 erfolgreich die Zweite Juristische Staatsprüfung. Im streitgegenständlichen Zeitraum bewohnte er zusammen mit seiner Mutter eine 64,55 m² große 3-Zimmer-Wohnung in K ... Die Miete betrug 368,00 EUR, die Nebenkostenvorauszahlung (inklusive Heizkosten) 163,00 EUR. Hinzu kam 2011 eine Müllgebühr von jährlich 146,40 EUR (monatlich 12,20 EUR).
Bis zum 30.09.2011 bezog er Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 635,59 EUR monatlich. Im Juli 2011 machte sich der Kläger als Rechtsanwalt selbständig. Hierfür schloss er mit der Sparkasse B. unter dem 14.07.2011 einen Darlehensvertrag über einen zweckgebundenen Förderkredit in Höhe von 31.500 EUR, die erste Teilauszahlung in Höhe von 10.000 EUR erfolgte am 20.07.2011, bis zum 31.03.2012 war das Darlehen noch nicht aufgebraucht. Grundlage des Darlehnsgewährung war der Businessplan des Klägers. Zum Businessplan gehörte ein Investitionsplan, der unter dem Stichwort "Betriebsmittel" für die Ausgaben auf den Liquiditätsplan verwies. Der Liquiditätsplan enthält zum einen unter den Einnahmen auch Leistungen des Beklagten, unter Ausgaben sind folgende Ausgaben vermerkt: Kanzleikosten 2.500,00 EUR Kontoführungsgebühren 70,00 EUR PKW (Benzin) 200,00 EUR PKW (Versicherung und Steuer) 200,00 EUR Mitgliedschaft Rechtsanwaltskammer (nur im Juli) 55,00 EUR Berufshaftpflicht (nur im Juli) 181,83 EUR Mitgliedschaft FJA (nur im Juli) 25,00 EUR Unternehmerlohn 720,00 EUR Krankenkasse 0,00 EUR Krankengeld 100,00 EUR Versorgungswerk 84,19 EUR Steuern und Solidaritätszuschlag 0,00 EUR Unvorhergesehenes. 100,00 EUR
Der Kläger hatte monatliche Fixkosten in Höhe von 2.500 EUR für Kanzleikosten, 13,65 EUR Kontoführungskosten, 35,42 EUR Zinsen für das Darlehen und 25,00 EUR Internetmonatsgebühr, 218,45 EUR (ab 01.10.2012 224,44 EUR) für Kranken- und Pflegeversicherung, 84,19 EUR (ab 01.01.2012 84,43 EUR) für das Versorgungswerk der Rechtsanwälte. Im Januar 2012 fielen 110,00 EUR als Beitrag für die Rechtsanwaltskammer an.
Am 03.08.2011 schlossen die Beteiligten eine Eingliederungsvereinbarung, wonach der Kläger die Hilfebedürftigkeit durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit beende. Der Beklagte werde bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen Einstiegsgeld gewähren.
Mit Schreiben vom 26.08.2011 beantragte der Kläger die Weiterbewilligung von Leistungen, dem Antrag beigefügt war die Anlage EKS sowie der Businessplan.
Mit Bescheid vom 01.09.2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 20.07.2011 bis 19.01.2012 Einstiegsgeld in Höhe von 182,00 EUR monatlich.
Mit Bescheid vom 30.09.2011 lehnte der Beklagte die Weiterbewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit ab 01.10.2011 ab. Der Kläger sei unter Berücksichtigung seiner nachgewiesenen Einkommensverhältnisse nicht hilfebedürftig. Das Darlehen werde nicht als Betriebseinnahme berücksichtigt. Allerdings würden die Kosten, die durch das Darlehen gedeckt werden könnten, gemäß § 3 Absatz 3 Satz 4 SGB II-VO nicht als Ausgaben berücksichtigt. Daher stehe dem Kläger für seinen Lebensunterhalt ein geschätztes Einkommen in Höhe von monatlich 2.111,00 EUR zur Verfügung.
Am 13.10.2011 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid. Das Darlehen sei nicht aufgenommen worden, um die vollen monatlichen betrieblichen Ausgaben zu begleichen. Mit dem Darlehen sollten lediglich die Ausgaben ausgeglichen werden, die durch die betrieblichen Einnahmen nicht gedeckt seien. Folglich stünden ihm die Einnahmen erst dann für den Lebensunterhalt zur Verfügung, wenn durch die Einnahmen alle Ausgaben bezahlt worden seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.01.2012 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 18.01.2012, eingegangen am gleichen Tag, Klage zum Sozialgericht K. (SG) erhoben. Nach § 3 Absatz 3 Satz 4 Alg II-VO seien Ausgaben nicht abzusetzen, soweit für sie Darlehen oder Zuschüsse nach dem SGB II erbracht oder betriebliche Darlehen aufgenommen worden seien. Das Darlehen sei aufgenommen worden um die betrieblichen Ausgaben auszugleichen, die nicht bereits durch die Einnahmen gedeckt seien. Das Darlehen sei also aufgenommen worden, um die betrieblichen Verluste auszugleichen, nicht jedoch die vollen betrieblichen Ausgaben. Deshalb stünden dem Kläger die monatlichen betrieblichen Einnahmen nicht zur Verfügung. Der Beklagte habe bei der Bewilligung des Einstiegsgeldes den Businessplan gebilligt, der auch weitere Leistungen zum Lebensunterhalt enthalten habe.
Der Kläger hat im Verfahren erster Instanz folgende Gesamtabrechnungen vorgelegt (vgl. im Einzelnen Bl. 45-51 der Gerichtsakte erster Instanz): 10/2011 11/2011 12/2011 01/2012 02/2012 03/2012 Einnahmen 970,03 EUR 2.464,16 EUR 2.074,79 EUR 883,41 EUR 1.616,05 EUR 546,59 EUR Ausgaben 2.779,68 EUR 2.638,02 EUR 2.750,10 EUR 3.004,82 EUR 2.609,58 EUR 2.613,11 EUR Differenz -1.809,65 EUR -173,86 EUR -675,31 EUR -2.121,41 EUR -993,53 EUR -2.066,52 EUR
Mit Gerichtsbescheid vom 08.04.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach § 3 Absatz 3 Satz 4 Alg II-VO seien Ausgaben u.a. nicht abzusetzen, soweit für sie betriebliche Darlehen aufgenommen worden sind. Der Darlehensvertrag enthalte keine Zweckbestimmung. Der Wortlaut der Vorschrift decke sowohl die Auslegung des Klägers also auch diejenige des Beklagten. Jedoch werde aus systematischen Gründen angenommen, dass die Vorschrift generell betriebliche Ausgaben umfasse. Auch könne es nicht im Interesse des Klägers sein, den Vermittlungsbemühungen zur Verfügung stehen zu müssen, was eine Folge des Leistungsbezuges sei.
Gegen den Gerichtsbescheid wendet sich der Kläger mit seiner Berufung vom 26.04.2013. Ergänzend zu den Ausführungen in erster Instanz trägt er vor, die Vermutung des SG sei falsch, er sei den gesetzlichen Verpflichtungen stets nachgekommen und habe sich auch während der Selbständigkeit auf Vermittlungsvorschläge beworben. Das Darlehen sei nicht aufgenommen worden, um den Lebensunterhalt zu decken.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid vom 08.04.2013 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 30.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2012 zu verurteilen, dem Kläger Leistungen von monatlich 635,59 EUR für die Zeit von 01.10.2011 bis 31.12.2011 und von monatlich 645,59 EUR für die Zeit von 01.01.2012 bis 31.03.2012 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG) Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und damit insgesamt zulässig. Sie ist jedoch in der Sache nicht begründet. Der Kläger hat für den streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Der Kläger hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II nicht erreicht, er ist erwerbsfähig und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Er war jedoch im streitgegenständlichen Zeitraum nicht hilfebedürftig. Nach § 9 Absatz 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann. Nach § 11 Absatz 1 Satz 1 SGB II sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen als Einkommen zu berücksichtigen.
Die vom Kläger erzielten Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit fallen nicht unter § 11a SGB II und gehören somit zu den berücksichtigungsfähigen Einnahmen. Für die Berechnung des Einkommens aus selbständiger Tätigkeit bestimmt § 3 Absatz 1 Satz 1 Alg-II-VO zunächst, dass von den Betriebseinnahmen auszugehen ist, also von allen Einnahmen, die im Bewilligungszeitraum tatsächlich zufließen (§ 3 Absatz 1 Satz 2 Alg-II-VO). Folglich hat der Kläger im hier interessierenden Zeitraum folgende Betriebseinnahmen erzielt: 10/2011 11/2011 12/2011 01/2012 02/2012 03/2012 Gesamt Durchschnitt 970,03 EUR 2.464,16 EUR 2.074,79 EUR 883,41 EUR 1.616,05 EUR 546,59 EUR 8.555,03 EUR 1.425,84 EUR
In einem zweiten Schritt sind dann von den Betriebseinnahmen nach § 3 Absatz 2 Alg-II-VO die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen; nicht abzusetzen sind die nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge. Nach § 3 Absatz 3 Satz 4 Alg-II-VO sind jedoch Ausgaben nicht abzusetzen, soweit hierfür u.a. betriebliche Darlehen aufgenommen worden sind. Der Kläger hat bei der Sparkasse B. ein betriebliches Darlehen in Höhe von 31.500 EUR aufgenommen, das nicht nur auf den Ausgleich der Verluste beschränkt war, sondern dessen Zweck darin bestand, die betrieblichen Ausgaben abzudecken. Grundlage der Darlehnsgewährung war der Businessplan des Klägers, dies hat der Kläger selbst in der mündlichen Verhandlung so angegeben; der Senat sieht keinen Grund, an den Angaben des Klägers zu zweifeln. Zum Businessplan gehörte ein Investitionsplan, der unter dem Stichwort "Betriebsmittel" für die Ausgaben auf den Liquiditätsplan verwies. Somit lag eine Zweckbestimmung dahingehend vor, dass das Darlehn für die im Liquiditätsplan genannten Ausgaben vorgesehen war. Dabei enthielt der Liquiditätsplan genau diejenigen Ausgaben, die der Kläger monatlich tätigte. Weitere Ausgaben, die nicht im Liquiditätsplan vorgesehen waren und die dann, da sie nicht von der Zweckbestimmung umfasst waren, als Ausgaben hätten in Abzug gebracht werden können, hat der Kläger nicht vorgenommen. Aufgrund der Zweckbestimmung kommt es auf die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, wie § 3 Absatz 3 Satz 4 Alg-II-VO auszulegen ist, nicht mehr an.
Insgesamt sind somit die Ausgaben des Klägers aus dem Darlehen zu bestreiten und können nicht in Abzug gebracht werden, so dass es bei den Einnahmen von monatlich 1.425,84 EUR verbleibt (§ 3 Absatz 4 Satz 1 Alg-II-VO). Nach § 3 Absatz 4 Satz 2 Alg-II-VO sind von diesem Einkommen noch die Beträge nach § 11b SGB II abzusetzen.
Nach § 11b Absatz 1 SGB II sind vom Einkommen abzusetzen 1. auf das Einkommen entrichtete Steuern, 2. Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung, 3. Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind; hierzu gehören Beiträge a) zur Vorsorge für den Fall der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit für Personen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig sind, b) zur Altersvorsorge von Personen, die von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind, soweit die Beiträge nicht nach § 26 bezuschusst werden, 4. geförderte Altersvorsorgebeiträge nach § 82 des Einkommensteuergesetzes, soweit sie den Mindesteigenbeitrag nach § 86 des Einkommensteuergesetzes nicht überschreiten, 5. die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben, 6. für Erwerbstätige ferner ein Betrag nach Absatz 3, 7. Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag, 8. bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, deren Einkommen nach dem Vierten Abschnitt des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder nach § 67 oder § 126 des Dritten Buches bei der Berechnung der Leistungen der Ausbildungsförderung für mindestens ein Kind berücksichtigt wird, der nach den Vorschriften der Ausbildungsförderung berücksichtigte Betrag.
Der Kläger hat im streitgegenständlichen Zeitraum auf Grund der Verluste keine Steuern entrichtet. Diese sind in der Einnahmen- und Ausgabenaufstellung auch nicht vermerkt. Der Kläger hat jedoch im streitgegenständlichen Zeitraum monatlich 218,45 EUR (ab 01.10.2012 224,44 EUR) für Kranken- und Pflegeversicherung und 84,19 EUR (ab 01.01.2012 84,43 EUR) für das Versorgungswerk der Rechtsanwälte aufgewandt. Beiträge zur Berufshaftpflicht fielen im streitgegenständlichen Zeitraum nicht an, da diese jährlich zu zahlen sind und im Juli 2011 gezahlt wurden.
Nach § 11b Absatz 3 SGB II ist bei erwerbstätigen Leistungsberechtigten ein weiterer Betrag abzusetzen; dieser beläuft sich 1. für den Teil des monatlichen Einkommens, das 100 Euro übersteigt und nicht mehr als 1 000 Euro beträgt, auf 20 Prozent und 2. für den Teil des monatlichen Einkommens, das 1 000 Euro übersteigt und nicht mehr als 1 200 Euro beträgt, auf 10 Prozent.
Somit ergibt sich für den Kläger als anrechenbares Einkommen: Betriebseinnahmen 1.425,84 EUR: nach § 11b Absatz 1 Nummer 3 SGB II -308,87 EUR nach § 11b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 SGB II -180,00 EUR nach § 11b Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 SGB II -20,00 EUR anrechenbares Einkommen 916,97 EUR
Da der Bedarf des Klägers lediglich 635,60 EUR in den Monaten Oktober bis November 2011 (Regelleistung 364 EUR, Kosten der Unterkunft 271,60 EUR) und 645,59 EUR in den Monaten Januar bis März 2013 (Regelleistung 364 EUR, Kosten der Unterkunft 271,60 EUR) betrug, war der Kläger in der Lage, seinen Bedarf durch das einzusetzende Einkommen zu decken.
Nach alldem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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