Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
27
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 27 AS 375/15 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ein Antragsteller kann auch Leistungen für unangemessene Heizkosten beanspruchen, wenn ein Wohnungswechsel zwar zu niedrigeren Heizkosten, nicht aber zu niedrigeren Gesamtkosten führt.
1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig weitere Leistungen für Kosten der Heizung in Höhe von 230,00 EUR zu bewilligen; im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
2. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung weitere Leistungen für Kosten der Heizung einschließlich der Warmwasserbereitung nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II).
Die Antragstellerin und ihr Ehemann sind seit 2012 zu je ½ Miteigentümer eines mit einem Zweifamilienwohnhaus bebauten Grundstückes, das aus einem Altbau und einem 1967 errichteten Anbau (Neubau) besteht, die über getrennte Eingänge verfügen und jeweils eine Wohnfläche von etwa 120 qm haben. Im Jahr 1989 wurden Ölheizung und Fenster im Anbau modernisiert. Die Antragstellerin bewohnte zunächst gemeinsam mit ihrem Ehemann den Anbau, während die andere Wohnung leer stand. Am 23. Oktober 2013 beantragten beide Leistungen nach dem SGB II, die der Antragsgegner unter Anrechnung des Erwerbseinkommens des Ehemannes der Antragstellerin bewilligte.
Im April 2014 zeigte die Antragstellerin an, dass sie und ihr Ehemann sich am 14. Februar 2014 getrennt hätten und der Ehemann ausgezogen sei. Mit Schreiben vom 8. Mai 2014 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin auf, die Heizkosten von derzeit 240,75 EUR monatlich zu senken, weil diese Aufwendungen lediglich i.H.v. 91,35 EUR monatlich angemessen seien. Mit Schreiben vom 15. September 2014 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin eine einmalige Sonderleistung i.H.v. 928,32 EUR zur Beschaffung von Heizmaterial für den Zeitraum Oktober 2014 bis September 2015. Mit Bescheid vom 15. September 2014 bewilligte er zudem als Leistungen für Unterkunft und Heizung für Oktober 2014 1.146,74 EUR einschließlich 928,32 EUR zur Beschaffung von Heizmaterial sowie für November 2014 bis März 2015 218,42 EUR monatlich. Mit Bescheid vom 17. Oktober 2014 bewilligte er weitere 209,07 EUR für die Beschaffung von Heizmaterial. Am 31. Oktober 2014 wurden der Antragstellerin 1.301 Liter Öl zum Preis von 1.099,21 EUR geliefert. Mit Bescheid vom 26. Februar 2015 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin Leistungen für Unterkunft und Heizung für April bis September 2015 i.H.v. 218,42 EUR monatlich.
Mit Schreiben vom 1. April 2015 beantragte die Antragstellerin erneut die Bewilligung einer Pauschale von 1.100 EUR zum Kauf von Heizöl, weil ihr Öltank leer sei. Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 8. April 2015 ab und führte zur Begründung aus, dass der Anspruch auf Heizungsbeihilfe für den Zeitraum Oktober 2014 bis September 2015 mit der bislang erfolgten Zahlung von 1.137,39 EUR erfüllt sei.
Am 24. April 2015 hat die Antragstellerin Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Gießen gestellt.
Zur Begründung trägt sie vor, sie habe gegen den Bescheid vom 8. April 2015 Widerspruch eingelegt, eine Entscheidung sei aber noch nicht ergangen. Ihr Öltank sei leer, sie könne weder heizen noch habe sie warmes Wasser. Sie verfüge über keinerlei Mittel, um Heizöl zu kaufen. Sie bewohne und beheize nur 50 qm. Das Haus habe keine Dämmung, die Öl-Zentralheizung sei alt und der Winter sei lang gewesen. Ihr Heizverhalten sei nicht unangemessen, sondern ganz normal. Ohne konkrete Anhaltspunkte für unwirtschaftliches Heizverhalten dürfe der Antragsgegner die Leistungen nicht auf seine Richtwerte kürzen, sondern müsse die tatsächlichen Kosten übernehmen. Ihr Ehemann könne das Öl nicht bezahlen. Er bewohne seit der Trennung am 14. Februar 2014 den Altbau des Hauses, der eine getrennte Heizungsanlage habe.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig weitere Leistungen für Kosten der Heizung einschließlich der Warmwasserbereitung in Höhe von 270,00 EUR zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er ist der Auffassung, dass die Antragstellerin keine höheren Kosten der Heizung geltend machen könne als die in dem bundesweiten Heizkostenspiegel noch als angemessen angesehenen. Dieser Betrag sei auch gezahlt worden. Eine Beheizung eines Hauses mit einer Gesamtwohnfläche von 120 qm könne nicht aus Mitteln des SGB II erfolgen. Zudem hätten sich weitere in dem Haus wohnende Personen an der Beheizung finanziell zu beteiligen. Es liege die Vermutung nahe, dass der Ehemann der Antragstellerin noch immer in dem Haus lebe.
Der Antragsgegner hat der Antragstellerin während des Gerichtsverfahrens für den Zeitraum Oktober 2014 bis September 2015 eine Nachzahlung für die Beschaffung von Heizmaterial in Höhe von 126,37 EUR bewilligt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Behördenakte verwiesen, die der Entscheidung zu Grunde lagen.
II.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.
a) Der Antrag ist zulässig.
Er ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Danach kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Offen bleiben kann, ob die Antragstellerin tatsächlich einen (jedenfalls nicht in der Behördenakte befindlichen) Widerspruch gegen den Bescheid vom 8. April 2015 eingelegt hat oder ob dieser Bescheid inzwischen mangels wirksamem Widerspruch bestandskräftig geworden ist, was zur Unzulässigkeit eines Eilantrages führen kann (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 86b Rn. 26d). Denn in dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung kann zwar kein Widerspruch gesehen werden, aber jedenfalls ein Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) hinsichtlich Leistungen für die Vergangenheit (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 86b Rn 29c) sowie ein (zulässiger) Neuantrag für die Zukunft. Insoweit besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis, obwohl dieser Antrag nicht zunächst an den Antragsgegner gerichtet und nicht erneut beschieden wurde (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 86b Rn. 26b). Denn der Antragsgegner ist sachlich auf diesen Antrag eingegangen und hat seine ablehnende Haltung in der Sache wiederholt.
b) Der Antrag ist auch überwiegend begründet.
aa) Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen vor.
Eine einstweilige Anordnung setzt voraus, dass der Antragsteller einen materiell-rechtlichen Leistungsanspruch in der Hauptsache hat (Anordnungsanspruch) und es ihm nicht zuzumuten ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Anordnungsgrund). Die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung ZPO ). Ist bei existenzsichernden Leistungen, die von Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip erfasst werden, eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, ist die Eilentscheidung anhand einer Folgenabwägung zu treffen (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05, juris, Rn. 25).
(1) Ein Anordnungsanspruch liegt vor.
Die Antragstellerin hat nach § 19 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 22 Abs. 1 SGB II einen Anspruch auf weitere Leistungen für Heizung. Der Antragsgegner hat vorläufig die tatsächlichen Aufwendungen für Heizung zu übernehmen, weil der Antragstellerin mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Kostensenkungsaufwendungen nicht zumutbar sind. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II wird der Bedarf für Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Auch einmalige Aufwendungen für die Beschaffung von Brennmaterial gehören hierzu (BSG, Urt. v. 16.5.2007 - B 7b AS 40/06 R -, juris, Rn. 12). Zu den Kosten der Heizung gehören (seit dem 1. Januar 2011) auch die Kosten der Warmwasserbereitung (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II).
(a) Die Heizkosten der Antragstellerin sind allerdings unangemessen.
Der Begriff der Angemessenheit unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff uneingeschränkter richterlicher Kontrolle (st. Rspr., zuletzt BSG, Urt. v. 4.6.2014 B 14 AS 53/13 R -, juris, Rn. 26), wobei sich angesichts der verfassungsrechtlichen Garantie des Existenzminimums Schätzungen pauschaler Werte "ins Blaue hinein" ohne gesicherte empirische Grundlage verbieten (vgl. BVerfGE 125, 175, 237). Die Prüfung der Angemessenheit der Heizkosten hat grundsätzlich getrennt von der Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten zu erfolgen (BSG, Urt. v. 4.6.2014 - B 14 AS 53/13 R -, juris, Rn. 34). Auch der Anspruch auf Leistungen für Heizung besteht grundsätzlich nur in Höhe der konkret-individuell geltend gemachten Aufwendungen, soweit sie angemessen sind (BSG, Urt. v. 4.6.2014 - B 14 AS 53/13 R -, juris, Rn. 35). In der Regel ist nach der Rechtsprechung des BSG von unangemessenen Heizkosten auszugehen, wenn bestimmte Grenzwerte überschritten werden, die das BSG dem von der co2online GmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund erstellten "Kommunalen Heizspiegel" oder dem "Bundesweiten Heizspiegel" entnimmt (BSG, Urt. v. 4.6.2014 - B 14 AS 53/13 R -, juris, Rn. 36). Dieser Grenzwert hat indes nicht die Funktion einer Quadratmeterhöchstgrenze. Sein Überschreiten ist vielmehr ein Indiz für die fehlende Angemessenheit der Heizkosten und führt zu einem Anscheinsbeweis zu Lasten des hilfebedürftigen Leistungsempfängers dahingehend, dass von unangemessen hohen Kosten auszugehen ist, sodass ihn die Folgen im Sinne einer materiellen Beweislast treffen, wenn sich nicht feststellen lässt, dass im Einzelfall höhere Aufwendungen gleichwohl angemessen sind (BSG, Urt. v. 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R -, juris, Rn. 23).
Dieser Grenzwert errechnet sich aus der abstrakt-angemessenen Wohnfläche und – weil vorliegend ein kommunaler Wohnspiegel nicht existiert – den entsprechenden Werten der Spalte "zu hoch" für Heizöl im "Bundeweiten Heizkostenspiegel" (vgl. BSG, Urt. v. 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R -, juris, Rn. 24). Dieser Grenzwert ist vorliegend überschritten. Die angemessene Wohnungsgröße ergibt sich aus der für Wohnberechtigte im sozialen Wohnungsbau anerkannten Wohnraumgröße in dem jeweiligen Bundesland (BSG, Urt. v. 16.5.2012 - B 4 AS 109/11 R -, juris). Für eine Person beträgt sie in Hessen bis zu 50 qm (Anlage 1 zum Erlass des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz über die Ausstellung von Bescheinigungen über die Wohnberechtigung nach § 5 des Hessischen Wohnungsbindungsgesetzes (HWoBindG) beziehungsweise nach § 17 des Hessischen Wohnraumfördergesetzes (HWoFG) sowie von Berechtigungsbescheinigungen zum Bezug von Wohnungen der Vereinbarten Förderung (§§ 88d und 88e des Zweiten Wohnungsbaugesetzes) vom 22.07.2014, StAnz. 2014, 645). Daraus errechnet sich ausgehend von dem Bundesweiten Heizspiegel 2014 ein Grenzwert von 50 qm x 25,6 Liter/qm im Jahr = 1.280 Liter. Die Antragstellerin hat am 31. Oktober 2014 1.301 Liter Öl getankt, welches nach ihrem Vortrag seit jedenfalls dem 1. April 2015 aufgebraucht ist. Der Antragsgegner hat für den Zeitraum 10/2014 bis 9/2015 1.263,67 EUR und damit mehr als den Kaufpreis von 1.099,21 EUR geleistet.
Die Antragstellerin hat keine hinreichenden Gründe vorgetragen, warum ihre Aufwendungen dennoch angemessen sein sollten. Ob der ungünstige energetische Standard einer Wohnung ein Grund sein kann, der Träger zur dauerhaften Übernahme von hohen Heizkosten als angemessene Aufwendungen verpflichtet, oder ob vielmehr auch unwirtschaftliche Kosten, die der Leistungsempfänger nicht beeinflussen kann, den Träger zu Kostensenkungsmaßnahmen berechtigen (in diesem Sinne BSG, Urt. v. 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R -, juris, Rn. 27), kann dahinstehen. Denn nicht der energetische Standard des Hauses und das Alter der Heizungsanlage sind nach Überzeugung der Kammer der entscheidende Grund für den hohen Ölverbrauch, sondern die Größe der Wohnung. Diese beträgt 120 qm und damit 70 qm mehr als die für eine Person angemessene Größe. Entgegen der Behauptung der Antragstellerin ist es wenig wahrscheinlich und aus physikalischen Gründen kaum möglich, dass lediglich exakt 50 qm beheizt werden und der Rest der Wohnung unbeheizt bleibt. Selbst wenn die Antragstellerin die Heizkörper in den übrigen Räumen abgedreht hat, verbreitet sich die Wärme aus den beheizten Räumen auf die unbeheizten mit der Folge, dass für die beheizten Räume höhere Heizkosten entstehen.
(b) Die Antragstellerin hat jedoch einen Anspruch auf weitere Leistungen für Kosten der Heizung, weil Kostensenkungsmaßnahmen nicht zumutbar sind.
Stellen sich die tatsächlich wegen der Heizung anfallenden Aufwendungen als unangemessen hoch dar, ist in einem anschließenden Schritt zu prüfen, ob daraus eine Obliegenheit zur Kostensenkung folgt (BSG, Urt. v. 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R -, juris, Rn. 28). Nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II sind Aufwendungen für (Unterkunft und) Heizung, soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf so lange zu berücksichtigen, wie es dem Leistungsberechtigten nicht möglich oder nicht zumutbar ist, die Aufwendungen durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise zu senken, in der Regel jedoch für längstens sechs Monate.
Offen bleiben kann, ob überhaupt eine wirksame Kostensenkungsaufforderung vorliegt. Der Antragsgegner hat zwar mit Schreiben vom 8. Mai 2014 auf die seiner Meinung nach angemessenen monatlichen Heizkosten (91,35 EUR) hingewiesen. Die Antragstellerin zahlt jedoch keine monatlichen Abschläge, sondern muss periodisch Heizöl kaufen, sodass fraglich ist, ob das Schreiben vom 8. Mai 2014 seine Warn- und Aufklärungsfunktion erfüllen kann.
Die tatsächlichen Aufwendungen sind bereits deshalb weiterhin zu übernehmen, weil der Antragstellerin Kostensenkungsmaßnahmen nicht zumutbar sind. Als Kostensenkungsmaßnahme kommt vorliegend nur ein Wohnungswechsel in Betracht, weil eine Einsparung von Heizöl angesichts des energetischen Standards des Hauses nicht möglich erscheint und die Antragstellerin keine finanziellen Mittel für eine Sanierung des Hauses oder Renovierung und Umbau zum Zweck der Teilvermietung hat.
Ein Wohnungswechsel als Kostensenkungsmaßnahme wegen überhöhter Heizkosten ist aber nur zumutbar, wenn in einer alternativ zu beziehenden Wohnung insgesamt keine höheren Kosten als bisher anfallen. Ein Wohnungswechsel, der zwar zu niedrigeren Heizkosten, nicht aber zu niedrigeren Gesamtkosten führt, wäre seinerseits unwirtschaftlich und deshalb nicht zumutbar. Gegenüber dem grundsätzlich schützenswerten individuellen Interesse des Leistungsempfängers am Verbleib in seiner Wohnung überwiegt das Interesse der Allgemeinheit an deren Aufgabe nur für den Fall eines wirtschaftlich sinnvollen Umzuges (BSG, Urt. v. 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R -, juris, Rn. 30). Dies wird durch § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II bestätigt, wonach eine Absenkung der nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II unangemessenen Aufwendungen nicht gefordert werden muss, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre (vgl. BSG, Urt. v. 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R -, juris, Rn. 31). Wenn die tatsächlichen Kosten des Leistungsberechtigten diese Vergleichskosten nicht übersteigen, sind Kostensenkungsmaßnahmen nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II nicht zumutbar und die tatsächlich anfallenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung weiterhin zu übernehmen (BSG, Urt. v. 12.6.2013 – B 14 AS 60/12 R -, juris, Rn. 33). Diese Maßstäbe gelten prinzipiell auch für Haus- und Wohnungseigentümer.
Es spricht viel dafür, dass ein Umzug der Antragstellerin nicht wirtschaftlich sinnvoll ist. Die Kammer geht von tatsächlichen monatlichen Unterkunfts- und Heizkosten der Antragstellerin i.H.v. (218,42 EUR + 125 EUR =) 343,42 EUR und von einer Vergleichsbruttowarmmiete von (296 EUR + 104 EUR=) 400 EUR aus, sodass die Antragstellerin weitere tatsächliche Heizkosten i.H.v. 236,40 EUR beanspruchen könnte. Der Antragsgegner hat tatsächliche Kosten der Unterkunft in Höhe von 218,42 EUR berücksichtigt. Die Antragstellerin hatte von November 2014 bis März 2015, also in der Haupt-Heizperiode, tatsächliche Heizkosten von 1.099,21 EUR. Die Kammer schätzt (§ 287 ZPO analog) die tatsächlichen Heizkosten für April bis Oktober 2015 auf weitere 400 EUR, sodass tatsächliche jährliche Heizkosten von etwa 1.500 EUR, monatlich also von etwa 125 EUR entstünden. Ausweislich seines sog. schlüssigen Konzepts (Verwaltungsinterne Handlungsanweisung des Landkreises B. zur Ermittlung, Anrechnung und Umsetzung der Kosten der Unterkunft und Heizung, Stand 01.06.2015) erkennt der Antragsgegner für eine Person in A-Stadt ab 1. August 2014 eine Bruttokaltmiete von 296 EUR (Seite 22) sowie ab 1. Januar 2014 Verbrauchskosten für Heizöl von (bis zu) 2,08 EUR/qm (Seite 25), mithin 104 EUR monatlich, an. Davon ausgehend könnte die Antragstellerin von April bis Oktober 2015 weitere Leistungen für Heizung von etwa (1.500 EUR - 928,32 EUR - 209,07 EUR 126, 37 EUR =) 236,24 EUR beanspruchen.
Es obliegt dem Antragsgegner, im Hauptsacheverfahren die tatsächlichen Kosten der Heizung und die Kosten einer Vergleichswohnung exakt zu ermitteln. Sollten die tatsächlichen Gesamtkosten für Unterkunft und Heizung die Vergleichswerte allerdings übersteigen – etwa weil die tatsächlichen Kosten der Heizung deutlich höher und die Kosten einer Vergleichswohnung deutlich niedriger als von der Kammer angenommen sind -, wäre eine Kostensenkung durch Wohnungswechsel im Grundsatz abzuverlangen, wenn im maßgeblichen Vergleichsraum Wohnungen zu diesem Gesamtpreis zur Verfügung stehen, wofür der Antragsgegner die materielle Beweislast trägt; die Vermutung, dass bei zutreffender Ermittlung eines abstrakt angemessenen Wertes für die Unterkunftskosten davon ausgegangen werden kann, dass es in ausreichendem Maß Wohnungen gibt, gilt nicht, solange ein Umzug wegen der Höhe der Kosten der Heizung notwendig wird (vgl. BSG, Urt. v. 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R -, juris, Rn. 34). Offen ist zudem, ob das schlüssige Konzept des Antragsgegners überhaupt den Anforderungen des BSG entspricht.
(2) Es liegt auch ein Anordnungsgrund vor.
Auch bei den derzeitigen eher milden klimatischen Verhältnissen ist ein gänzliches Nichtbeheizen des Hauses der Antragstellerin nicht zumutbar, da es auch zur Zeit noch stellenweise Nachtfrost geben kann und es angesichts der schlechten Dämmeigenschaften von Fassade und Fenster zu nächtlichen Auskühlungen des Hauses kommen kann. Zudem wird die Warmwasserversorgung – ein ganzjährig bestehender existenzieller Bedarf – ebenfalls über die zentrale Heizungsanlage betrieben. Ein Anordnungsgrund ist jedoch erst ab dem 24. April 2015 anzunehmen. Denn eine gegenwärtige existenzielle Notlage liegt grundsätzlich erst ab dem Eingang des Antrages bei Gericht vor (LSG Hessen, Beschl. v. 22.6.2011 - L 7 AS 700/10 -, juris).
bb) Der Inhalt der einstweiligen Anordnung steht im Ermessen des Gerichts (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG, § 938 ZPO).
Die Kammer hielt den tenorierten Betrag für erforderlich, aber auch für ausreichend, um die gegenwärtige existenzielle Notlage der Antragstellerin für die nächsten Monate abzuwenden.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Das Unterliegen der Antragstellerin war so geringfügig, dass eine Kostenquote nicht angezeigt war (vgl. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
3. Die Beschwerde gegen diesen Beschluss ist ausgeschlossen, weil in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte (§§ 172 Abs. 3 Nr. 1, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
2. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung weitere Leistungen für Kosten der Heizung einschließlich der Warmwasserbereitung nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II).
Die Antragstellerin und ihr Ehemann sind seit 2012 zu je ½ Miteigentümer eines mit einem Zweifamilienwohnhaus bebauten Grundstückes, das aus einem Altbau und einem 1967 errichteten Anbau (Neubau) besteht, die über getrennte Eingänge verfügen und jeweils eine Wohnfläche von etwa 120 qm haben. Im Jahr 1989 wurden Ölheizung und Fenster im Anbau modernisiert. Die Antragstellerin bewohnte zunächst gemeinsam mit ihrem Ehemann den Anbau, während die andere Wohnung leer stand. Am 23. Oktober 2013 beantragten beide Leistungen nach dem SGB II, die der Antragsgegner unter Anrechnung des Erwerbseinkommens des Ehemannes der Antragstellerin bewilligte.
Im April 2014 zeigte die Antragstellerin an, dass sie und ihr Ehemann sich am 14. Februar 2014 getrennt hätten und der Ehemann ausgezogen sei. Mit Schreiben vom 8. Mai 2014 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin auf, die Heizkosten von derzeit 240,75 EUR monatlich zu senken, weil diese Aufwendungen lediglich i.H.v. 91,35 EUR monatlich angemessen seien. Mit Schreiben vom 15. September 2014 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin eine einmalige Sonderleistung i.H.v. 928,32 EUR zur Beschaffung von Heizmaterial für den Zeitraum Oktober 2014 bis September 2015. Mit Bescheid vom 15. September 2014 bewilligte er zudem als Leistungen für Unterkunft und Heizung für Oktober 2014 1.146,74 EUR einschließlich 928,32 EUR zur Beschaffung von Heizmaterial sowie für November 2014 bis März 2015 218,42 EUR monatlich. Mit Bescheid vom 17. Oktober 2014 bewilligte er weitere 209,07 EUR für die Beschaffung von Heizmaterial. Am 31. Oktober 2014 wurden der Antragstellerin 1.301 Liter Öl zum Preis von 1.099,21 EUR geliefert. Mit Bescheid vom 26. Februar 2015 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin Leistungen für Unterkunft und Heizung für April bis September 2015 i.H.v. 218,42 EUR monatlich.
Mit Schreiben vom 1. April 2015 beantragte die Antragstellerin erneut die Bewilligung einer Pauschale von 1.100 EUR zum Kauf von Heizöl, weil ihr Öltank leer sei. Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 8. April 2015 ab und führte zur Begründung aus, dass der Anspruch auf Heizungsbeihilfe für den Zeitraum Oktober 2014 bis September 2015 mit der bislang erfolgten Zahlung von 1.137,39 EUR erfüllt sei.
Am 24. April 2015 hat die Antragstellerin Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Gießen gestellt.
Zur Begründung trägt sie vor, sie habe gegen den Bescheid vom 8. April 2015 Widerspruch eingelegt, eine Entscheidung sei aber noch nicht ergangen. Ihr Öltank sei leer, sie könne weder heizen noch habe sie warmes Wasser. Sie verfüge über keinerlei Mittel, um Heizöl zu kaufen. Sie bewohne und beheize nur 50 qm. Das Haus habe keine Dämmung, die Öl-Zentralheizung sei alt und der Winter sei lang gewesen. Ihr Heizverhalten sei nicht unangemessen, sondern ganz normal. Ohne konkrete Anhaltspunkte für unwirtschaftliches Heizverhalten dürfe der Antragsgegner die Leistungen nicht auf seine Richtwerte kürzen, sondern müsse die tatsächlichen Kosten übernehmen. Ihr Ehemann könne das Öl nicht bezahlen. Er bewohne seit der Trennung am 14. Februar 2014 den Altbau des Hauses, der eine getrennte Heizungsanlage habe.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig weitere Leistungen für Kosten der Heizung einschließlich der Warmwasserbereitung in Höhe von 270,00 EUR zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er ist der Auffassung, dass die Antragstellerin keine höheren Kosten der Heizung geltend machen könne als die in dem bundesweiten Heizkostenspiegel noch als angemessen angesehenen. Dieser Betrag sei auch gezahlt worden. Eine Beheizung eines Hauses mit einer Gesamtwohnfläche von 120 qm könne nicht aus Mitteln des SGB II erfolgen. Zudem hätten sich weitere in dem Haus wohnende Personen an der Beheizung finanziell zu beteiligen. Es liege die Vermutung nahe, dass der Ehemann der Antragstellerin noch immer in dem Haus lebe.
Der Antragsgegner hat der Antragstellerin während des Gerichtsverfahrens für den Zeitraum Oktober 2014 bis September 2015 eine Nachzahlung für die Beschaffung von Heizmaterial in Höhe von 126,37 EUR bewilligt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Behördenakte verwiesen, die der Entscheidung zu Grunde lagen.
II.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.
a) Der Antrag ist zulässig.
Er ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Danach kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Offen bleiben kann, ob die Antragstellerin tatsächlich einen (jedenfalls nicht in der Behördenakte befindlichen) Widerspruch gegen den Bescheid vom 8. April 2015 eingelegt hat oder ob dieser Bescheid inzwischen mangels wirksamem Widerspruch bestandskräftig geworden ist, was zur Unzulässigkeit eines Eilantrages führen kann (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 86b Rn. 26d). Denn in dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung kann zwar kein Widerspruch gesehen werden, aber jedenfalls ein Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) hinsichtlich Leistungen für die Vergangenheit (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 86b Rn 29c) sowie ein (zulässiger) Neuantrag für die Zukunft. Insoweit besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis, obwohl dieser Antrag nicht zunächst an den Antragsgegner gerichtet und nicht erneut beschieden wurde (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 86b Rn. 26b). Denn der Antragsgegner ist sachlich auf diesen Antrag eingegangen und hat seine ablehnende Haltung in der Sache wiederholt.
b) Der Antrag ist auch überwiegend begründet.
aa) Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen vor.
Eine einstweilige Anordnung setzt voraus, dass der Antragsteller einen materiell-rechtlichen Leistungsanspruch in der Hauptsache hat (Anordnungsanspruch) und es ihm nicht zuzumuten ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Anordnungsgrund). Die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung ZPO ). Ist bei existenzsichernden Leistungen, die von Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip erfasst werden, eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, ist die Eilentscheidung anhand einer Folgenabwägung zu treffen (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05, juris, Rn. 25).
(1) Ein Anordnungsanspruch liegt vor.
Die Antragstellerin hat nach § 19 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 22 Abs. 1 SGB II einen Anspruch auf weitere Leistungen für Heizung. Der Antragsgegner hat vorläufig die tatsächlichen Aufwendungen für Heizung zu übernehmen, weil der Antragstellerin mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Kostensenkungsaufwendungen nicht zumutbar sind. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II wird der Bedarf für Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Auch einmalige Aufwendungen für die Beschaffung von Brennmaterial gehören hierzu (BSG, Urt. v. 16.5.2007 - B 7b AS 40/06 R -, juris, Rn. 12). Zu den Kosten der Heizung gehören (seit dem 1. Januar 2011) auch die Kosten der Warmwasserbereitung (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II).
(a) Die Heizkosten der Antragstellerin sind allerdings unangemessen.
Der Begriff der Angemessenheit unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff uneingeschränkter richterlicher Kontrolle (st. Rspr., zuletzt BSG, Urt. v. 4.6.2014 B 14 AS 53/13 R -, juris, Rn. 26), wobei sich angesichts der verfassungsrechtlichen Garantie des Existenzminimums Schätzungen pauschaler Werte "ins Blaue hinein" ohne gesicherte empirische Grundlage verbieten (vgl. BVerfGE 125, 175, 237). Die Prüfung der Angemessenheit der Heizkosten hat grundsätzlich getrennt von der Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten zu erfolgen (BSG, Urt. v. 4.6.2014 - B 14 AS 53/13 R -, juris, Rn. 34). Auch der Anspruch auf Leistungen für Heizung besteht grundsätzlich nur in Höhe der konkret-individuell geltend gemachten Aufwendungen, soweit sie angemessen sind (BSG, Urt. v. 4.6.2014 - B 14 AS 53/13 R -, juris, Rn. 35). In der Regel ist nach der Rechtsprechung des BSG von unangemessenen Heizkosten auszugehen, wenn bestimmte Grenzwerte überschritten werden, die das BSG dem von der co2online GmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund erstellten "Kommunalen Heizspiegel" oder dem "Bundesweiten Heizspiegel" entnimmt (BSG, Urt. v. 4.6.2014 - B 14 AS 53/13 R -, juris, Rn. 36). Dieser Grenzwert hat indes nicht die Funktion einer Quadratmeterhöchstgrenze. Sein Überschreiten ist vielmehr ein Indiz für die fehlende Angemessenheit der Heizkosten und führt zu einem Anscheinsbeweis zu Lasten des hilfebedürftigen Leistungsempfängers dahingehend, dass von unangemessen hohen Kosten auszugehen ist, sodass ihn die Folgen im Sinne einer materiellen Beweislast treffen, wenn sich nicht feststellen lässt, dass im Einzelfall höhere Aufwendungen gleichwohl angemessen sind (BSG, Urt. v. 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R -, juris, Rn. 23).
Dieser Grenzwert errechnet sich aus der abstrakt-angemessenen Wohnfläche und – weil vorliegend ein kommunaler Wohnspiegel nicht existiert – den entsprechenden Werten der Spalte "zu hoch" für Heizöl im "Bundeweiten Heizkostenspiegel" (vgl. BSG, Urt. v. 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R -, juris, Rn. 24). Dieser Grenzwert ist vorliegend überschritten. Die angemessene Wohnungsgröße ergibt sich aus der für Wohnberechtigte im sozialen Wohnungsbau anerkannten Wohnraumgröße in dem jeweiligen Bundesland (BSG, Urt. v. 16.5.2012 - B 4 AS 109/11 R -, juris). Für eine Person beträgt sie in Hessen bis zu 50 qm (Anlage 1 zum Erlass des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz über die Ausstellung von Bescheinigungen über die Wohnberechtigung nach § 5 des Hessischen Wohnungsbindungsgesetzes (HWoBindG) beziehungsweise nach § 17 des Hessischen Wohnraumfördergesetzes (HWoFG) sowie von Berechtigungsbescheinigungen zum Bezug von Wohnungen der Vereinbarten Förderung (§§ 88d und 88e des Zweiten Wohnungsbaugesetzes) vom 22.07.2014, StAnz. 2014, 645). Daraus errechnet sich ausgehend von dem Bundesweiten Heizspiegel 2014 ein Grenzwert von 50 qm x 25,6 Liter/qm im Jahr = 1.280 Liter. Die Antragstellerin hat am 31. Oktober 2014 1.301 Liter Öl getankt, welches nach ihrem Vortrag seit jedenfalls dem 1. April 2015 aufgebraucht ist. Der Antragsgegner hat für den Zeitraum 10/2014 bis 9/2015 1.263,67 EUR und damit mehr als den Kaufpreis von 1.099,21 EUR geleistet.
Die Antragstellerin hat keine hinreichenden Gründe vorgetragen, warum ihre Aufwendungen dennoch angemessen sein sollten. Ob der ungünstige energetische Standard einer Wohnung ein Grund sein kann, der Träger zur dauerhaften Übernahme von hohen Heizkosten als angemessene Aufwendungen verpflichtet, oder ob vielmehr auch unwirtschaftliche Kosten, die der Leistungsempfänger nicht beeinflussen kann, den Träger zu Kostensenkungsmaßnahmen berechtigen (in diesem Sinne BSG, Urt. v. 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R -, juris, Rn. 27), kann dahinstehen. Denn nicht der energetische Standard des Hauses und das Alter der Heizungsanlage sind nach Überzeugung der Kammer der entscheidende Grund für den hohen Ölverbrauch, sondern die Größe der Wohnung. Diese beträgt 120 qm und damit 70 qm mehr als die für eine Person angemessene Größe. Entgegen der Behauptung der Antragstellerin ist es wenig wahrscheinlich und aus physikalischen Gründen kaum möglich, dass lediglich exakt 50 qm beheizt werden und der Rest der Wohnung unbeheizt bleibt. Selbst wenn die Antragstellerin die Heizkörper in den übrigen Räumen abgedreht hat, verbreitet sich die Wärme aus den beheizten Räumen auf die unbeheizten mit der Folge, dass für die beheizten Räume höhere Heizkosten entstehen.
(b) Die Antragstellerin hat jedoch einen Anspruch auf weitere Leistungen für Kosten der Heizung, weil Kostensenkungsmaßnahmen nicht zumutbar sind.
Stellen sich die tatsächlich wegen der Heizung anfallenden Aufwendungen als unangemessen hoch dar, ist in einem anschließenden Schritt zu prüfen, ob daraus eine Obliegenheit zur Kostensenkung folgt (BSG, Urt. v. 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R -, juris, Rn. 28). Nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II sind Aufwendungen für (Unterkunft und) Heizung, soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf so lange zu berücksichtigen, wie es dem Leistungsberechtigten nicht möglich oder nicht zumutbar ist, die Aufwendungen durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise zu senken, in der Regel jedoch für längstens sechs Monate.
Offen bleiben kann, ob überhaupt eine wirksame Kostensenkungsaufforderung vorliegt. Der Antragsgegner hat zwar mit Schreiben vom 8. Mai 2014 auf die seiner Meinung nach angemessenen monatlichen Heizkosten (91,35 EUR) hingewiesen. Die Antragstellerin zahlt jedoch keine monatlichen Abschläge, sondern muss periodisch Heizöl kaufen, sodass fraglich ist, ob das Schreiben vom 8. Mai 2014 seine Warn- und Aufklärungsfunktion erfüllen kann.
Die tatsächlichen Aufwendungen sind bereits deshalb weiterhin zu übernehmen, weil der Antragstellerin Kostensenkungsmaßnahmen nicht zumutbar sind. Als Kostensenkungsmaßnahme kommt vorliegend nur ein Wohnungswechsel in Betracht, weil eine Einsparung von Heizöl angesichts des energetischen Standards des Hauses nicht möglich erscheint und die Antragstellerin keine finanziellen Mittel für eine Sanierung des Hauses oder Renovierung und Umbau zum Zweck der Teilvermietung hat.
Ein Wohnungswechsel als Kostensenkungsmaßnahme wegen überhöhter Heizkosten ist aber nur zumutbar, wenn in einer alternativ zu beziehenden Wohnung insgesamt keine höheren Kosten als bisher anfallen. Ein Wohnungswechsel, der zwar zu niedrigeren Heizkosten, nicht aber zu niedrigeren Gesamtkosten führt, wäre seinerseits unwirtschaftlich und deshalb nicht zumutbar. Gegenüber dem grundsätzlich schützenswerten individuellen Interesse des Leistungsempfängers am Verbleib in seiner Wohnung überwiegt das Interesse der Allgemeinheit an deren Aufgabe nur für den Fall eines wirtschaftlich sinnvollen Umzuges (BSG, Urt. v. 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R -, juris, Rn. 30). Dies wird durch § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II bestätigt, wonach eine Absenkung der nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II unangemessenen Aufwendungen nicht gefordert werden muss, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre (vgl. BSG, Urt. v. 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R -, juris, Rn. 31). Wenn die tatsächlichen Kosten des Leistungsberechtigten diese Vergleichskosten nicht übersteigen, sind Kostensenkungsmaßnahmen nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II nicht zumutbar und die tatsächlich anfallenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung weiterhin zu übernehmen (BSG, Urt. v. 12.6.2013 – B 14 AS 60/12 R -, juris, Rn. 33). Diese Maßstäbe gelten prinzipiell auch für Haus- und Wohnungseigentümer.
Es spricht viel dafür, dass ein Umzug der Antragstellerin nicht wirtschaftlich sinnvoll ist. Die Kammer geht von tatsächlichen monatlichen Unterkunfts- und Heizkosten der Antragstellerin i.H.v. (218,42 EUR + 125 EUR =) 343,42 EUR und von einer Vergleichsbruttowarmmiete von (296 EUR + 104 EUR=) 400 EUR aus, sodass die Antragstellerin weitere tatsächliche Heizkosten i.H.v. 236,40 EUR beanspruchen könnte. Der Antragsgegner hat tatsächliche Kosten der Unterkunft in Höhe von 218,42 EUR berücksichtigt. Die Antragstellerin hatte von November 2014 bis März 2015, also in der Haupt-Heizperiode, tatsächliche Heizkosten von 1.099,21 EUR. Die Kammer schätzt (§ 287 ZPO analog) die tatsächlichen Heizkosten für April bis Oktober 2015 auf weitere 400 EUR, sodass tatsächliche jährliche Heizkosten von etwa 1.500 EUR, monatlich also von etwa 125 EUR entstünden. Ausweislich seines sog. schlüssigen Konzepts (Verwaltungsinterne Handlungsanweisung des Landkreises B. zur Ermittlung, Anrechnung und Umsetzung der Kosten der Unterkunft und Heizung, Stand 01.06.2015) erkennt der Antragsgegner für eine Person in A-Stadt ab 1. August 2014 eine Bruttokaltmiete von 296 EUR (Seite 22) sowie ab 1. Januar 2014 Verbrauchskosten für Heizöl von (bis zu) 2,08 EUR/qm (Seite 25), mithin 104 EUR monatlich, an. Davon ausgehend könnte die Antragstellerin von April bis Oktober 2015 weitere Leistungen für Heizung von etwa (1.500 EUR - 928,32 EUR - 209,07 EUR 126, 37 EUR =) 236,24 EUR beanspruchen.
Es obliegt dem Antragsgegner, im Hauptsacheverfahren die tatsächlichen Kosten der Heizung und die Kosten einer Vergleichswohnung exakt zu ermitteln. Sollten die tatsächlichen Gesamtkosten für Unterkunft und Heizung die Vergleichswerte allerdings übersteigen – etwa weil die tatsächlichen Kosten der Heizung deutlich höher und die Kosten einer Vergleichswohnung deutlich niedriger als von der Kammer angenommen sind -, wäre eine Kostensenkung durch Wohnungswechsel im Grundsatz abzuverlangen, wenn im maßgeblichen Vergleichsraum Wohnungen zu diesem Gesamtpreis zur Verfügung stehen, wofür der Antragsgegner die materielle Beweislast trägt; die Vermutung, dass bei zutreffender Ermittlung eines abstrakt angemessenen Wertes für die Unterkunftskosten davon ausgegangen werden kann, dass es in ausreichendem Maß Wohnungen gibt, gilt nicht, solange ein Umzug wegen der Höhe der Kosten der Heizung notwendig wird (vgl. BSG, Urt. v. 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R -, juris, Rn. 34). Offen ist zudem, ob das schlüssige Konzept des Antragsgegners überhaupt den Anforderungen des BSG entspricht.
(2) Es liegt auch ein Anordnungsgrund vor.
Auch bei den derzeitigen eher milden klimatischen Verhältnissen ist ein gänzliches Nichtbeheizen des Hauses der Antragstellerin nicht zumutbar, da es auch zur Zeit noch stellenweise Nachtfrost geben kann und es angesichts der schlechten Dämmeigenschaften von Fassade und Fenster zu nächtlichen Auskühlungen des Hauses kommen kann. Zudem wird die Warmwasserversorgung – ein ganzjährig bestehender existenzieller Bedarf – ebenfalls über die zentrale Heizungsanlage betrieben. Ein Anordnungsgrund ist jedoch erst ab dem 24. April 2015 anzunehmen. Denn eine gegenwärtige existenzielle Notlage liegt grundsätzlich erst ab dem Eingang des Antrages bei Gericht vor (LSG Hessen, Beschl. v. 22.6.2011 - L 7 AS 700/10 -, juris).
bb) Der Inhalt der einstweiligen Anordnung steht im Ermessen des Gerichts (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG, § 938 ZPO).
Die Kammer hielt den tenorierten Betrag für erforderlich, aber auch für ausreichend, um die gegenwärtige existenzielle Notlage der Antragstellerin für die nächsten Monate abzuwenden.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Das Unterliegen der Antragstellerin war so geringfügig, dass eine Kostenquote nicht angezeigt war (vgl. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
3. Die Beschwerde gegen diesen Beschluss ist ausgeschlossen, weil in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte (§§ 172 Abs. 3 Nr. 1, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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