L 11 AS 617/15 NZB

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 16 AS 661/14
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 617/15 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Keine Zulassung der Berufung mangels Vorliegens von Zulassungsgründen.
I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 25.06.2015 - S 16 AS 661/14 - wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist die Erteilung der Zusicherung für die Übernahme von Umzugskosten in Höhe von 748,70 EUR. Der alleinstehende Kläger bezog seit 2005 u.a. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Seit 01.11.2014 bezieht er Altersrente. Am 26.06.2014 teilte er dem Beklagten mit, sein Mietvertrag sei gekündigt worden. Der Beklagte klärte dem Kläger mit Schreiben vom 07.07.2015 über die angemessenen Kosten für eine neue Unterkunft und über die Notwendigkeit einer Zusicherung zur Übernahme von Umzugskosten "vor Abschluss des Mietvertrages" auf. Am 28.07.2014 ging ein Schreiben des Klägers vom 25.07.2014 beim Beklagten ein, das eine Mietbescheinigung seines neuen Vermieters über ein ab 01.08.2014 bestehendes Mietverhältnis, die Kündigung seiner bisherigen Wohnung zum 31.08.2014 sowie den Hinweis enthielt, eine günstigere Wohnung sei nicht zu finden. Laut Aktenvermerk vom 30.07.2014 hielt der Beklagte die Kosten der neuen Wohnung nicht für angemessen, auch wenn der Umzug erforderlich sei. Der Mietvertrag ist vom Kläger am 01.08.2014 unterschrieben worden. Mit Bescheiden vom 30.07.2014 und 23.09.2014 bewilligte der Beklagte jedoch die vollen Unterkunfts- und Heizungskosten für die neue Wohnung. Im Rahmen eines Hausbesuches am 01.08.2014 gab der Kläger an, den Möbelwagen für den 20.08.2014 (bereits) reserviert zu haben und sukzessiv umziehen zu wollen, je nachdem, wie er Helfer bekomme. Tatsächlich fand der Umzug ab 21.08.2014 statt und war am 28.08.2014 beendet. Am 11.08.2014 teilte der Kläger mit, er sei mit einer Mietzahlung für seine neue Wohnung für August 2014 in Verzug. Am 15.09.2014 (Schreiben vom 11.09.2014) beantragte er beim Beklagten die Übernahme von Umzugskosten in Höhe von 748,70 EUR für Umzugswagen, Material und Helfer und machte Mietaufwendungen seiner bisherigen Wohnung für August in Höhe von 401,96 EUR geltend; Zinsen beanspruchte er nicht. Mit Bescheid vom 18.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.11.2014 lehnte der Beklagte u. a. die Übernahme von Umzugskosten ab. Die Kosten für den Umzug in Höhe von 748,70 EUR und für die "doppelte Mietzahlung" seien als Umzugskosten nicht zu erstatten. Eine Zusicherung zur Übernahme der Kosten für die neue Wohnung sei wegen fehlender Angemessenheit nicht erfolgt. Eine vorherige Zusicherung der Übernahme der Umzugskosten sei Anspruchsvoraussetzung, vorliegend aber mangels rechtzeitigen Antrages nicht zu erteilen gewesen. Der Umzugswagen sei bereits am 01.08.2014 bestellt gewesen, der Antrag auf Zusicherung aber erst am 11.09.2014 gestellt worden. Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und zunächst die Übernahme der Kosten für den Umzugswagen und Helfer in Höhe von 748,70 EUR und die zusätzliche Miete für die bisherige Wohnung in Höhe von 401,96 EUR begehrt. Da sich der Beklagte auf sein Schreiben vom 25.07.2014 nicht gemeldet habe, sei er davon ausgegangen, alles sei in Ordnung. Am 11.09.2014 habe er dann die Erstattung der Umzugskosten beantragt. Der Beklagte habe seinen Ermessensspielraum dahingehend auszulegen, dass die Kosten zu erstatten seien. In der mündlichen Verhandlung vom 25.06.2015 hat das SG darauf hingewiesen, dass seiner Auffassung nach die "doppelte Mietzahlung" für die bisherige Wohnung nicht Gegenstand des Bescheides vom 18.09.2014 gewesen sei und der Beklagte darüber noch gesondert entscheiden werde. Der Kläger hat aufgrund dieses Hinweises die Abänderung des Bescheides vom 18.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.11.2014 und die Bewilligung von Umzugskosten in Höhe von 748,70 EUR begehrt. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 25.06.2015 abgewiesen. Die "doppelte Mietzahlung" sei nicht Gegenstand der angefochtenen Bescheide gewesen. Die Ablehnung der Zusicherung der Übernahme der Umzugskosten sei rechtmäßig, da der Mietvertrag unterschrieben und der Umzugswagen bestellt worden sei, bevor der Kläger die Zusicherung zur Kostenübernahme am 11.09.2014 beantragt habe. Eine fristgerechte Entscheidung über die Zusicherung sei dem Beklagten nicht möglich gewesen. Der Beklagte habe über die voraussichtlichen Umzugskosten keinerlei Kenntnis gehabt. Mangels Anspruches auf Kostenerstattung bestehe auch kein Anspruch auf Zinsen. Das SG hat die Berufung nicht zugelassen. Dagegen hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben. Die tatsächlichen Unterkunftskosten für die neue Wohnung habe die vom Beklagten für angemessen gehaltenen Unterkunftskosten lediglich um 20,00 EUR überschritten und zum 01.01.2015 habe der Beklagte bereits die Mietobergrenze neu festgelegt, wobei seine Wohnung hiernach angemessen sei. Der Umzug sei notwendig gewesen. Die Rechtsauffassung des SG weiche von der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 06.08.2014 -B 4 AS 37/13 R-) ab, nach der ein Antrag auf Zusicherung der Übernahme von Umzugskosten vor Abschluss des Mietvertrages nicht erforderlich sei. Die Erteilung einer vorherigen Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II (alte Fassung) sei hiernach nicht Voraussetzung für die Übernahme der Aufwendungen der Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten nach § 22 Abs. 3 SGB II (alte Fassung). Zudem habe die Vorsitzende darauf hingewirkt, seinen Antrag auf 748,70 EUR zu beschränken, d. h. auf die reinen Kosten des Umzuges. Hinsichtlich der doppelten Mietkosten habe er auf eine Entscheidung des Beklagten warten sollen. Diese Entscheidung habe der Beklagte mit Bescheid vom 30.06.2015 getroffen (Ablehnung der Übernahme dieser Kosten). Wegen der Einschränkung des Antrages aber sei seine Berufung nicht mehr zulässig. Im Übrigen habe er Zinsen geltend gemacht für die verauslagten Umzugskosten, so dass damit der Betrag von 750,00 EUR überschritten werde, wobei es sich um Finanzierungskosten für den Umzug und "nicht um einen Verzugsschaden im Sinne der ZPO" handle. Die alte Wohnung sei zum 31.08.2014 gekündigt worden. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 145 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, sachlich aber nicht begründet. Es gibt keinen Grund, die gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Der Beschwerdewert wird nicht erreicht. Der Kläger begehrt laut seinem in der mündlichen Verhandlung vor dem SG ausdrücklich gestellten Antrag lediglich 748,70 EUR reine Umzugskosten; Zinsaufwendungen oder die "doppelte Miete" für die bisherige Wohnung hat der Kläger zuletzt vor dem SG nicht mehr geltend gemacht. Zinsenzahlungen sind von ihm auch in seinem Antrag an den Beklagten vom 11.09.2014 nicht erwähnt. Ohne Bedeutung ist dabei, dass das SG im Urteil Ausführungen zu Zinsen gemacht hat, wobei unklar bleibt, ob sich diese Ausführungen auf Prozesszinsen oder auf Zinsen für ein vom Kläger hinsichtlich der Umzugskosten aufgenommenes Darlehen beziehen. Auch sind nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter Art aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern, wobei ein Individualinteresse nicht genügt (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11.Aufl, § 144 RdNr. 28). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die sich nach der Gesetzeslage und dem Stand der Rechtsprechung und Literatur nicht ohne weiteres beantworten lässt. Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort auf sie so gut wie unbestritten ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr. 17) oder praktisch von vornherein außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 4). Eine grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreites wird vom Kläger nicht geltend gemacht und ist auch für den Senat nicht ersichtlich. Eine Divergenz zu der vom Kläger genannten Entscheidung des BSG besteht ebenfalls nicht. In dieser Entscheidung wird zwar - wie der Kläger zutreffend angibt - ausgeführt, die Erteilung einer vorherigen Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II a.F. (Zusicherung der Übernahme der Unterkunftskosten) sei nicht Voraussetzung für die Übernahme der Aufwendungen im Sinne des § 22 Abs. 3 SGB II a.F. (Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten) und bei Ablehnung der Zusicherung der Übernahme der Umzugskosten könne sich der Anspruch auf Zusicherung in ein Kostenerstattungsanspruch wandeln, wenn der Umzug trotz Ablehnung der Zusicherung zur Kostenübernahme dennoch erfolge. Das SG weicht von dieser Rechtsprechung nicht ab, denn es stellt nicht auf die ablehnende bzw. nicht vorliegende Zusicherung zur Übernahme der Unterkunftskosten gemäß § 22 Abs. 2 SGB II a.F. (jetzt Abs. 4), sondern auf das Nichtvorliegen der Zusicherung gemäß § 22 Abs. 3 SGB II a.F. (jetzt Abs. 6) und die fehlende Antragstellung vor Abschluss des Mietvertrages bzw. - hier vorliegend entscheidend - vor Beauftragung der Umzugsfirma (Berlit in LPK - SGB II, 5. Auflage 2013, § 22 Rdnr. 162) ab. Letzterem würde vorliegend die Beauftragung oder die Bestellung des Umzugswagens entsprechen. Der Antrag auf Kostenübernahme ist erst am 11.09.2014 gestellt worden, so dass auch die fehlerhafte Information durch den Beklagten, Umzugskosten könnten nur bei Beantragung vor Abschluss des Mietvertrages übernommen werden, ohne Belang bleibt. Ein Verfahrensfehler, auf den die Entscheidung des SG beruhen kann, ist auch nicht ersichtlich. Selbst wenn die "doppelte Mietzahlung" für die bisherige Wohnung Gegenstand des angegriffenen Bescheides vom 18.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.11.2014 gewesen ist (vgl. hierzu Wortlaut der Begründung des Bescheides vom 18.09.2014), so war nach der Rechtsauffassung des SG - rein auf diese ist abzustellen (vgl. Müller in Roos/Wahrendorf SGG, 2014, § 106 Rdnr. 13, Karmanski ebenda § 160 Rdnr. 55, Littmann in Lüdtke SGG, 4. Auflage 2014, § 144 RdNr. 21, Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 160 RdNr. 16b) - der Hinweis darauf, die "doppelte Mietzahlung" sei nicht Gegenstand der oben genannten Bescheide, nicht unzutreffend, vielmehr aus dessen Sicht angezeigt. Ob der Hinweis tatsächlich zutreffend war, ist vorliegend nicht zu entscheiden. Im Übrigen beruht das Urteil des SG auch nicht auf diesen gegebenenfalls fehlerhaften Hinweis, denn auch die Miete für August hinsichtlich der bisherigen Wohnung hätte mangels rechtzeitigem Antrag auf Zusicherung nicht übernommen werden können. Eine Ermessensentscheidung hatte der Beklagten nicht zu treffen, es fehlt nämlich bereits an einer Anspruchsvoraussetzung (vgl. Berlit a.a.O. § 22 Rdnr. 163). Zinsen als Teile der Umzugskosten (Finanzierungskosten) hat der Kläger bislang weder in seinem Antrag vom 11.09.2014 noch zuletzt im Klageverfahren geltend gemacht. Sie sind daher weder bei der Bestimmung des Wertes des Beschwerdegegenstandes noch bei der Frage der Zulassung der Berufung wegen eines Verfahrensfehlers zu berücksichtigen.

Nach alledem war die Beschwerde mit der Folge zurückzuweisen, dass das Urteil des SG rechtskräftig ist (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved