Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
28
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 37 AS 24126/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 28 AS 3053/15 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 02. Dezember 2015 aufgehoben. Der Beigeladene wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig Hilfe zum Lebensunterhalt für den Monat Dezember 2015 in Höhe von 759,- Euro und für die Monate Januar bis Mai 2016 in Höhe von 764,- Euro monatlich, längstens jedoch bis zur Entscheidung in der Hauptsache, zu zahlen. Der Beigeladene hat dem Antragsteller dessen notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragsgegners ist begründet. Denn statt seiner Verpflichtung zur einstweiligen Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) war der Beigeladene zur vorläufigen Erbringung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) im tenorierten Umfang zu verpflichten.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass sowohl ein Anordnungsanspruch (d. h. ein nach der Rechtslage gegebener Anspruch auf die einstweilig begehrte Leistung) wie auch ein Anordnungsgrund (im Sinne der Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung) bestehen. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung). Wegen des vorläufigen Charakters einer einstweiligen Anordnung soll durch sie eine endgültige Entscheidung in der Hauptsache grundsätzlich nicht vorweggenommen werden. Bei seiner Entscheidung kann das Gericht sowohl eine Folgenabwägung vornehmen wie auch eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache anstellen. Drohen aber ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dann dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist allein anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 596/05 –). Ausgehend von diesen Grundsätzen sind dem Antragsteller vorläufig Leistungen zuzusprechen.
Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II für die Gewährung von Arbeitslosengeld II hat der 1966 geborene Antragsteller italienischer Staatsangehörigkeit, dem der Antragsgegner zuvor Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01. Juni 2015 bis zum 30. November 2015 bewilligt hatte (Bescheid vom 08. Mai 2015 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 01. und 17. Juni 2015), für die Zeit ab dem 01. Dezember 2015 glaubhaft gemacht. Der Antragsteller ist erwerbsfähig. Seiner Erwerbsfähigkeit stehen weder körperliche (§ 8 Abs. 1 SGB II) noch rechtliche (§ 8 Abs. 2 SGB II) Gründe entgegen. Der Antragsteller hat außerdem laut seinen Angaben bei der Antragstellung auf Arbeitslosengeld II am 13. April 2015 seit Dezember 2013 seinen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II) im Sinne von § 30 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch in der Bundesrepublik Deutschland. Letztlich hat er auch glaubhaft gemacht, hilfebedürftig zu sein.
Allerdings ist der Antragsteller als italienischer Staatsangehöriger gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Der Leistungsausschluss ist für arbeitsuchende, in der Bundesrepublik Deutschland sich gewöhnlich aufhaltende Bürger der Europäischen Union nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 15. September 2015 – C-67/14 – auch europarechtskonform. Allerdings beruft sich der Antragsteller nicht auf ein Aufenthaltsrecht als Arbeitsuchender im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU). Er hat sowohl im Zusatzfragebogen bei der Antragstellung auf Arbeitslosengeld II am 28. April 2015 als auch in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 06. Januar 2016 erklärt, sich in Deutschland aufzuhalten, um Deutsch zu lernen. Er habe auf Empfehlung einer Mitarbeiterin des Beigeladenen im Juli 2015, sich ausschließlich um die Verbesserung seiner Sprachkenntnisse zu kümmern, Orientierungskurse und B 1.1- und B 1.2- Kurse erfolgreich im November und Dezember 2015 abgeschlossen. Damit ist er jedoch erst recht vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II umfasst. Der Gesetzgeber hat es planwidrig unterlassen, auch diejenigen ausdrücklich von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II auszuschließen, die über keine materielle Freizügigkeitsberechtigung oder kein Aufenthaltsrecht in Deutschland verfügen. Sie sind nach der Entstehungsgeschichte der Ausschlussregelung, ihrem systematischen Zusammenhang und der teleologischen Bedeutung der Vorschrift erst recht von diesen Leistungen ausgeschlossen (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteile vom 03. Dezember 2015 – B 4 AS 59/13 R und B 4 AS 44/15 R –, vgl. Terminbericht Nr. 54/15, und Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 14 AS 33/14 R -, vgl. Terminbericht Nr. 61/15).
Ein anderes Aufenthaltsrecht bzw. Freizügigkeitberechtigung nach den Regelungen des FreizügG/EU bestand für den Antragsteller im streitigen Zeitraum nicht. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts kann er sich nicht auf ein von einer vormaligen Arbeitnehmertätigkeit abgeleitetes Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 2 FreizügG/EU berufen. Unabhängig von der Frage, ob das Praktikum bei dem Büro Archid vom 03. März 2014 bis zum 30. Mai 2014 als Arbeitsverhältnis anzusehen und der Antragsteller somit zusammen mit den nachfolgenden Beschäftigungen mehr als ein Jahr als Arbeitnehmer tätig war, fehlt es an einer Bestätigung der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit durch die zuständige Agentur für Arbeit. Die von dem Antragsteller vorgelegte Bescheinigung seines letzten Arbeitgebers vom 21. Mai 2015 reicht dafür nicht aus. Ein weiteres Aufenthaltsrecht ist auch nicht als selbständiger Erwerbstätiger, § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU, ersichtlich, denn ungeachtet der Frage, inwieweit der Antragsteller das Gewerbe als selbständiger Architekt jemals ernsthaft ausgeübt hat, ist das Gewerbe bereits zum 23. Juli 2013 abgemeldet worden. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller die angegebene selbständige Tätigkeit mehr als ein Jahr ausgeübt haben könnte (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 2. Alt. FreizügG/EU), sind nach Aktenlage nicht ersichtlich und von dem Antragsteller auch nicht geltend gemacht worden.
Der Antragsteller kann sich als italienischer Staatsangehöriger für den Bezug von Leistungen nach dem SGB II auch nicht auf das Gleichbehandlungsgebot des Art.1 des Europäischen Fürsorgeabkommens vom 11. Dezember 1953 (EFA), dem u. a. Italien und die Bundesrepublik Deutschland beigetreten sind, berufen, denn nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 03. Dezember 2015 – B 4 AS 59/13 R –, vgl. Terminbericht Nr. 54/15) steht diesem der von der Bundesregierung am 19. Dezember 2011 erklärte Vorbehalt nach Art. 16 Abs. b EFA entgegen, der formell und materiell wirksam ist. Zwar bleiben Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII weiterhin möglich und sind vom Gleichbehandlungsgebot des Art. 1 EFA umfasst; letzteres setzt aber voraus, dass sich ein Antragsteller im streitigen Zeitraum weiterhin auf ein Aufenthaltsrecht berufen kann (vgl. BSG; Urteil vom 03. Dezember 2015 – B 4 AS 59/13 R -, vgl. Terminbericht Nr.54/15), was vorliegend, wie oben ausgeführt, nicht der Fall ist.
Damit kann der Antragsteller nach Maßgabe der jüngsten Rechtsprechung des 4. und 14. Senats des BSG (vgl. Urteile vom 03. und 16. Dezember 2015, Terminberichte Nr. 54 und 61/15; anderer Auffassung: Sozialgericht Berlin, Urteil vom 11. Dezember 2015 – S 149 AS 7191/13 -, zitiert nach juris) allenfalls Leistungen des Beigeladenen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII beanspruchen, der nach § 75 Abs. 2 2. Alt., Abs. 5 SGG im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten ist (so auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Dezember 2015 – L 25 AS 3035/15 B ER -; zur Veröffentlichung in juris vorgesehen). Dem steht nicht entgegen, dass der Beigeladene im streitigen Zeitraum keine Kenntnis von der Hilfebedürftigkeit des Antragstellers hatte. Er muss sich insoweit die Kenntnis des Antragsgegners zurechnen lassen. Entgegen der Auffassung des Beigeladenen führt die bestehende Erwerbsfähigkeit des Antragstellers nach § 21 SGB XII nicht zu einem Ausschluss von Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII. Er ist als nach dem SGB II Ausgeschlossener bei Hilfebedürftigkeit dem System des SGB XII zugewiesen. Zwar ist der Antragsteller wegen der fehlenden Freizügigkeitsberechtigung aufgrund des § 23 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB XII auch von einem Rechtsanspruch auf Leistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ausgeschlossen. Diesem Personenkreis sind jedoch Leistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII im Ermessenswege zu erbringen. Danach kann Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Die Regelung räumt dem Sozialhilfeträger dem Grunde und der Höhe nach auf der Rechtsfolgenseite Ermessen ein. Im Falle eines – wie hier – verfestigten Aufenthalts – über sechs Monate – ist dieses Ermessen jedoch aus Gründen der Systematik des Sozialhilferechts und der verfassungsrechtlichen Vorgaben des BVerfG in dem Sinne auf Null reduziert, dass regelmäßig zumindest Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe zu erbringen ist.
Der Beigeladene ist demnach für die Zeit ab dem 01. Dezember 2015 bis zum 31. Mai 2016, längstens bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, zur vorläufigen Leistungserbringung zu verpflichten. Der Regelbedarf beträgt für Dezember 2015 399,- Euro und erhöht sich ab Januar 2016 auf 404,- Euro monatlich. Die Kosten der Unterkunft und Heizung betragen 360,- Euro monatlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers war abzulehnen, denn der Antragsteller ist aufgrund der unanfechtbaren Kostenentscheidung in der Lage, die Kosten der Verfahrensführung selbst aufzubringen.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das BSG anfechtbar (§ 177 SGG). Damit erledigt sich der Antrag nach § 199 Abs. 2 SGG.
Gründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragsgegners ist begründet. Denn statt seiner Verpflichtung zur einstweiligen Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) war der Beigeladene zur vorläufigen Erbringung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) im tenorierten Umfang zu verpflichten.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass sowohl ein Anordnungsanspruch (d. h. ein nach der Rechtslage gegebener Anspruch auf die einstweilig begehrte Leistung) wie auch ein Anordnungsgrund (im Sinne der Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung) bestehen. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung). Wegen des vorläufigen Charakters einer einstweiligen Anordnung soll durch sie eine endgültige Entscheidung in der Hauptsache grundsätzlich nicht vorweggenommen werden. Bei seiner Entscheidung kann das Gericht sowohl eine Folgenabwägung vornehmen wie auch eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache anstellen. Drohen aber ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dann dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist allein anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 596/05 –). Ausgehend von diesen Grundsätzen sind dem Antragsteller vorläufig Leistungen zuzusprechen.
Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II für die Gewährung von Arbeitslosengeld II hat der 1966 geborene Antragsteller italienischer Staatsangehörigkeit, dem der Antragsgegner zuvor Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01. Juni 2015 bis zum 30. November 2015 bewilligt hatte (Bescheid vom 08. Mai 2015 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 01. und 17. Juni 2015), für die Zeit ab dem 01. Dezember 2015 glaubhaft gemacht. Der Antragsteller ist erwerbsfähig. Seiner Erwerbsfähigkeit stehen weder körperliche (§ 8 Abs. 1 SGB II) noch rechtliche (§ 8 Abs. 2 SGB II) Gründe entgegen. Der Antragsteller hat außerdem laut seinen Angaben bei der Antragstellung auf Arbeitslosengeld II am 13. April 2015 seit Dezember 2013 seinen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II) im Sinne von § 30 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch in der Bundesrepublik Deutschland. Letztlich hat er auch glaubhaft gemacht, hilfebedürftig zu sein.
Allerdings ist der Antragsteller als italienischer Staatsangehöriger gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Der Leistungsausschluss ist für arbeitsuchende, in der Bundesrepublik Deutschland sich gewöhnlich aufhaltende Bürger der Europäischen Union nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 15. September 2015 – C-67/14 – auch europarechtskonform. Allerdings beruft sich der Antragsteller nicht auf ein Aufenthaltsrecht als Arbeitsuchender im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU). Er hat sowohl im Zusatzfragebogen bei der Antragstellung auf Arbeitslosengeld II am 28. April 2015 als auch in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 06. Januar 2016 erklärt, sich in Deutschland aufzuhalten, um Deutsch zu lernen. Er habe auf Empfehlung einer Mitarbeiterin des Beigeladenen im Juli 2015, sich ausschließlich um die Verbesserung seiner Sprachkenntnisse zu kümmern, Orientierungskurse und B 1.1- und B 1.2- Kurse erfolgreich im November und Dezember 2015 abgeschlossen. Damit ist er jedoch erst recht vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II umfasst. Der Gesetzgeber hat es planwidrig unterlassen, auch diejenigen ausdrücklich von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II auszuschließen, die über keine materielle Freizügigkeitsberechtigung oder kein Aufenthaltsrecht in Deutschland verfügen. Sie sind nach der Entstehungsgeschichte der Ausschlussregelung, ihrem systematischen Zusammenhang und der teleologischen Bedeutung der Vorschrift erst recht von diesen Leistungen ausgeschlossen (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteile vom 03. Dezember 2015 – B 4 AS 59/13 R und B 4 AS 44/15 R –, vgl. Terminbericht Nr. 54/15, und Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 14 AS 33/14 R -, vgl. Terminbericht Nr. 61/15).
Ein anderes Aufenthaltsrecht bzw. Freizügigkeitberechtigung nach den Regelungen des FreizügG/EU bestand für den Antragsteller im streitigen Zeitraum nicht. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts kann er sich nicht auf ein von einer vormaligen Arbeitnehmertätigkeit abgeleitetes Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 2 FreizügG/EU berufen. Unabhängig von der Frage, ob das Praktikum bei dem Büro Archid vom 03. März 2014 bis zum 30. Mai 2014 als Arbeitsverhältnis anzusehen und der Antragsteller somit zusammen mit den nachfolgenden Beschäftigungen mehr als ein Jahr als Arbeitnehmer tätig war, fehlt es an einer Bestätigung der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit durch die zuständige Agentur für Arbeit. Die von dem Antragsteller vorgelegte Bescheinigung seines letzten Arbeitgebers vom 21. Mai 2015 reicht dafür nicht aus. Ein weiteres Aufenthaltsrecht ist auch nicht als selbständiger Erwerbstätiger, § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU, ersichtlich, denn ungeachtet der Frage, inwieweit der Antragsteller das Gewerbe als selbständiger Architekt jemals ernsthaft ausgeübt hat, ist das Gewerbe bereits zum 23. Juli 2013 abgemeldet worden. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller die angegebene selbständige Tätigkeit mehr als ein Jahr ausgeübt haben könnte (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 2. Alt. FreizügG/EU), sind nach Aktenlage nicht ersichtlich und von dem Antragsteller auch nicht geltend gemacht worden.
Der Antragsteller kann sich als italienischer Staatsangehöriger für den Bezug von Leistungen nach dem SGB II auch nicht auf das Gleichbehandlungsgebot des Art.1 des Europäischen Fürsorgeabkommens vom 11. Dezember 1953 (EFA), dem u. a. Italien und die Bundesrepublik Deutschland beigetreten sind, berufen, denn nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 03. Dezember 2015 – B 4 AS 59/13 R –, vgl. Terminbericht Nr. 54/15) steht diesem der von der Bundesregierung am 19. Dezember 2011 erklärte Vorbehalt nach Art. 16 Abs. b EFA entgegen, der formell und materiell wirksam ist. Zwar bleiben Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII weiterhin möglich und sind vom Gleichbehandlungsgebot des Art. 1 EFA umfasst; letzteres setzt aber voraus, dass sich ein Antragsteller im streitigen Zeitraum weiterhin auf ein Aufenthaltsrecht berufen kann (vgl. BSG; Urteil vom 03. Dezember 2015 – B 4 AS 59/13 R -, vgl. Terminbericht Nr.54/15), was vorliegend, wie oben ausgeführt, nicht der Fall ist.
Damit kann der Antragsteller nach Maßgabe der jüngsten Rechtsprechung des 4. und 14. Senats des BSG (vgl. Urteile vom 03. und 16. Dezember 2015, Terminberichte Nr. 54 und 61/15; anderer Auffassung: Sozialgericht Berlin, Urteil vom 11. Dezember 2015 – S 149 AS 7191/13 -, zitiert nach juris) allenfalls Leistungen des Beigeladenen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII beanspruchen, der nach § 75 Abs. 2 2. Alt., Abs. 5 SGG im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten ist (so auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Dezember 2015 – L 25 AS 3035/15 B ER -; zur Veröffentlichung in juris vorgesehen). Dem steht nicht entgegen, dass der Beigeladene im streitigen Zeitraum keine Kenntnis von der Hilfebedürftigkeit des Antragstellers hatte. Er muss sich insoweit die Kenntnis des Antragsgegners zurechnen lassen. Entgegen der Auffassung des Beigeladenen führt die bestehende Erwerbsfähigkeit des Antragstellers nach § 21 SGB XII nicht zu einem Ausschluss von Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII. Er ist als nach dem SGB II Ausgeschlossener bei Hilfebedürftigkeit dem System des SGB XII zugewiesen. Zwar ist der Antragsteller wegen der fehlenden Freizügigkeitsberechtigung aufgrund des § 23 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB XII auch von einem Rechtsanspruch auf Leistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ausgeschlossen. Diesem Personenkreis sind jedoch Leistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII im Ermessenswege zu erbringen. Danach kann Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Die Regelung räumt dem Sozialhilfeträger dem Grunde und der Höhe nach auf der Rechtsfolgenseite Ermessen ein. Im Falle eines – wie hier – verfestigten Aufenthalts – über sechs Monate – ist dieses Ermessen jedoch aus Gründen der Systematik des Sozialhilferechts und der verfassungsrechtlichen Vorgaben des BVerfG in dem Sinne auf Null reduziert, dass regelmäßig zumindest Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe zu erbringen ist.
Der Beigeladene ist demnach für die Zeit ab dem 01. Dezember 2015 bis zum 31. Mai 2016, längstens bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, zur vorläufigen Leistungserbringung zu verpflichten. Der Regelbedarf beträgt für Dezember 2015 399,- Euro und erhöht sich ab Januar 2016 auf 404,- Euro monatlich. Die Kosten der Unterkunft und Heizung betragen 360,- Euro monatlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers war abzulehnen, denn der Antragsteller ist aufgrund der unanfechtbaren Kostenentscheidung in der Lage, die Kosten der Verfahrensführung selbst aufzubringen.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das BSG anfechtbar (§ 177 SGG). Damit erledigt sich der Antrag nach § 199 Abs. 2 SGG.
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