Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 70 AY 462/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 AY 23/15 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Es handelt sich bei Kostenübernahmeerklärungen für eine Unterkunft für Asylbewerber nicht lediglich um die Bekanntgabe einer bestimmten verwaltungstechnischen Abwicklung des Zahlungsverkehrs, sondern um die Zusage, einen Realakt vorzunehmen, also dem Betreiber der Unterkunft für jeden Tag des tatsächlichen Aufenthalts des Asylbewerbers in dem Hotel den dort vorgesehenen günstigsten Tarif, höchstens jedoch 50,00 Euro, zu zahlen.
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 8. Dezember 2015 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, an die Antragstellerin 100.000,00 Euro zu zahlen. Der Antragsgegner ist berechtigt, den Betrag gemäß § 372 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch zu hinterlegen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner trägt 9/10, die Antragstellerin 1/10 der Kosten des Verfahrens. Der Beigeladene hat keine Kosten zu erstatten und ihm sind keine Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt von dem Antragsgegner die Zahlung von 118.125 Euro für die Beherbergung von Asylbewerbern.
Die Antragstellerin ist eine Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt). Sie wurde mit notariellem Vertrag vom 23. Juni 2015 gegründet und am 6. Juli 2015 in das Handelsregister eingetragen. Sie beherbergt in dem Gebäude des P Asylbewerber. Eine Gewerbeanmeldung erfolgte am 30. Juli 2015 beim zuständigen Bezirksamt für den "Betrieb eines Hotels Garni, Beherbergung von Asylbewerber mit Hostel-Gutschein von LaGeSo". Der Geschäftsführer und (einzige) Gesellschafter der Antragstellerin ist der Ehemann bzw. Vater der Eigentümerinnen der Grundstücke, auf denen sich das Hotel befindet. Über die zwischen den Eigentümerinnen bestehende Gesellschaft Bürgerlichen Rechts wurde am 1. Mai 2015 das Insolvenzverfahren eröffnet. Den Eigentümerinnen wurde wegen gewerblicher Unzuverlässigkeit bestandskräftig die Gaststättenerlaubnis entzogen und gegen sie erweiterte Gewerbeuntersagungen nach § 35 Gewerbeordnung verfügt. Am 23. Juni 2015 schlossen die Eigentümerinnen mit der Antragstellerin einen Pachtvertrag über die Grundstücke zu einer monatlichen Pacht von 1500,00 Euro. Über die Grundstücke wurde am 6. Juli 2015 die Zwangsverwaltung angeordnet und ein Zwangsverwalter, der Beigeladene, bestellt. Dieser kündigte den Pachtvertrag und focht ihn gleichzeitig wegen Sittenwidrigkeit auf Grund eines seiner Auffassung nach zu niedrigen Pachtzinses an. Eine Klage des Beigeladenen gegen die Antragstellerin auf Herausgabe des Grundstücks und auf Auszahlung der durch die Nutzung zugeflossenen bzw. auf Abtretung noch zufließender Beträge ist unter dem Az. 29 O 380/15 beim Landgericht Berlin anhängig.
Im Folgenden reichte die Antragstellerin bei dem Antragsgegner "mindestens 116 Rechnungen mit einer Gesamthöhe von 133.900,00 Euro" für die Beherbergung von Asylsuchenden ein, wie der Antragsgegner mit Schreiben vom 12. November 2015 bestätigte. Unter dem Datum 4. September 2015 zahlte er auf diese Rechnungen einen Abschlag in Höhe von 15.775,00 Euro.
Am 13. November 2015 stellte die Antragstellerin bei dem Sozialgericht Berlin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Begehren, den Antragsgegner zu verpflichten, die offenen Rechnungen in Höhe von 133.900 Euro abzüglich der geleisteten Abschlagszahlung auszugleichen. Eile sei geboten, da ohne Leistungen die Weiterführung der Notunterbringung für Flüchtlinge nicht mehr gewährleistet sei. Es seien Mitarbeiter zu bezahlen und u.a. offene Forderungen der Wasser– und Energieversorger zu begleichen. Entsprechende Mahnungen wurden vorgelegt, ebenso wie beispielhaft eine Rechnung für einen Asylbewerber sowie zwei Kostenübernahmeerklärungen des Antragsgegners. Eine dieser Kostenübernahmeerklärungen ist im Adressfeld an das "P" gerichtet und hat unter der Überschrift "Kostenübernahme bei Notunterbringung in gewerblich genehmigten Unterkünften" folgenden Wortlaut:
"Wir übernehmen die Kosten für die Zeit vom 15. 10. 2015 bis 18. 01. 2015 für" – es folgen Name und Geburtsdatum eines Asylbewerbers – "in Höhe Ihres allgemein ausgewiesenen günstigsten Kostensatzes pro Person und Nacht, maximal 50,00 EUR Kostensätze pro Übernachtung über 50,00 EUR werden nicht übernommen ( ). Zur Abrechnung benötigen wir neben der Originalkostenübernahme eine Originalrechnung mit Kopie derselben. Auf der Rückseite der Kostenübernahme lassen Sie bitte den Leistungsempfänger den Übernachtungszeitraum mit seiner Unterschrift bestätigen und geben nachstehende Versicherung ab "Ich versichere, dass die o.g. Person/en an dem Tag, für die ich den Tagessatz berechnet habe, in meiner Pension / meinem Hostel anwesend war/en."
Bei Erstrechnungslegung ist der Nachweis der gewerblichen Nutzungsgenehmigung zu führen
Die Rechnungslegung soll nach Auszug erfolgen und an das LAGeSo Berlin, II A 6000 gesandt werden. ( ) Diese Kostenübernahme bewirkt kein Vertragsverhältnis zwischen Ihnen und dem Land Berlin. Geänderte Kostenübernahmen ohne Unterschrift und Dienstsiegel sind ungültig. Die Kostenübernahme ist nicht übertragbar".
Der Antragsgegner hat dem Begehren entgegengehalten, dass sich mit Schreiben vom 3. September 2015 der Gläubiger der Eigentümerinnen, die L , gemeldet und auf die derzeit noch ungeklärte Rechtslage betreffend die Einnahmen aus den Übernachtungsgutscheinen hingewiesen habe. Es sei dem Antragsgegner anheimgestellt worden, etwaige Zahlungen an die Hinterlegungsstelle zu leisten. Auf Grund der angeordneten Zwangsverwaltung des mit dem Hotel bebauten Grundstücks sowie der Anfechtung des zwischen der Antragstellerin und den Eigentümerinnen geschlossenen Pachtvertrages könne der Antragsgegner Leistungen mit befreiender Wirkung derzeit nicht erbringen. Es sollte der Ausgang des Klageverfahrens des Zwangsverwalters abgewartet werden.
Mit Bescheid des zuständigen Bezirksamts vom 2. November 2015 wurde der Antragstellerin die Nutzung des Beherbergungsbetriebes untersagt und die sofortige Vollziehung angeordnet. In dem auf Aufhebung der sofortigen Vollziehung gerichteten einstweiligen Anordnungsverfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin (Az. VG 19 L 339.15) hat der dortige (und hiesige) Antragsgegner nach Durchführung einer Augenscheinseinnahme durch das Gericht, bei der keine gravierenden Mängel festgestellt wurden, die Anordnung der sofortigen Vollziehung, nicht jedoch die Untersagung der Nutzung des Beherbergungsbetriebes, aufgehoben. Das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 2. November 2015 ist weiterhin anhängig. Der Widerspruch hat aufschiebende Wirkung.
Mit Beschluss vom 8. Dezember 2015 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, für das es den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für eröffnet annahm, weil die Kostenübernahmeerklärungen, auf die die Antragstellerin ihr Begehren - unter anderem – stütze, öffentlich-rechtliche Schuldanerkenntnisse darstellen könnten, abgelehnt. Die Kostenübernahmeerklärungen könnten einen Anspruch der Antragstellerin jedoch nicht begründen, weil ein unzweideutiger Rechtsbindungswille des Antragsgegners zur Begründung einer eigenständigen Leistungsverpflichtung daraus nicht erkennbar sei. Es werde in den zur Gerichtsakte gereichten Kostenübernahmeerklärungen jeweils ausdrücklich ausgeführt, dass diese kein Vertragsverhältnis zwischen dem Leistungserbringer und dem Antragsgegner bewirkten.
Gegen den Beschluss hat die Antragstellerin am 10. Dezember 2015 Beschwerde bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Die weitere Verschleppung der Auszahlung des Geldes sei ein grober Rechtsverstoß mit möglichen schlimmen Folgen für Leib und Leben der Flüchtlinge und für die wirtschaftliche Existenz der Firma.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 8. Dezember 2015 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, an sie 118.125,00 Euro zu zahlen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hat sich auf den angefochtenen Beschluss bezogen. Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 18. Februar 2016 hat er deutlich gemacht, dass der Auszahlung hier (lediglich) entgegenstehe, dass möglicherweise die Zahlung der Gelder an die Antragstellerin keine befreiende Wirkung für ihn haben würde, da auch die Gläubigerin der Eigentümerinnen Anspruch auf dieses Geld erhebe. In der Regel würde der Antragsgegner auf die Kostenübernahmeerklärungen zahlen, es dauere allerdings eine Weile.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Er hat angeregt, den Rechtsstreit bis zur Entscheidung in dem Verfahren 29 O 380/15 des Landgerichts Berlin auszusetzen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
Die die Antragstellerin betreffenden Verwaltungsakten des Antragsgegners haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet. Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Verpflichtung des Antragsgegners auf Zahlung von 100.000,00 Euro im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Allerdings ist der Antragsgegner berechtigt, das Geld gemäß § 372 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu hinterlegen.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen. Die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung – ZPO -). Die Antragstellerin hat sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Der Senat ist gemäß § 98 Satz 1 SGG i.V.m. § 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) zuständig, da das Rechtsmittelgericht eine Verweisung nicht vornehmen kann. Es kann daher dahingestellt bleiben ob, wie das Sozialgericht angenommen hat, der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet ist, dürfte sich aber aus der öffentlich-rechtlichen Natur des hier in Rede stehenden Schuldanerkenntnisses ergeben (dazu unten).
Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Zahlung aus einer öffentlich-rechtlichen Zusage, d.h. einer hoheitlichen Selbstverpflichtung mit Bindungswillen. Nach Auffassung des Senats handelt es sich bei den der Antragstellerin übergebenen Kostenübernahmeerklärungen nicht lediglich um die Bekanntgabe einer bestimmten verwaltungstechnischen Abwicklung des Zahlungsverkehrs, nämlich dass Leistungen für die Kosten der Beherbergung des Asylbewerbers direkt an den Betreiber des Hostels oder Hotels erbracht werden, sondern um die Zusage des Antragsgegners, einen Realakt vorzunehmen, also um ein verbindliches Versprechen, sich künftig unter bestimmten Voraussetzungen in einer bestimmten Art zu verhalten, hier konkret, der Antragstellerin für jeden Tag des tatsächlichen Aufenthalts des Asylbewerbers in dem Hotel den dort vorgesehenen günstigsten Tarif, höchstens jedoch 50,00 Euro, zu zahlen. Ziel der verbindlichen öffentlich-rechtlichen Selbstverpflichtung ist es, dem Bürger Planungssicherheit in Bezug auf das künftige Verhalten der Verwaltung zu geben. Die wirksame Zusage begründet deshalb für ihren Inhaber einen durchsetzbaren Rechtsanspruch auf das zugesagte Verhalten (vgl. zur Zusage und ihrer Herleitung Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 15. Auflage, § 38 Rdnr. 5). Eine solche Selbstverpflichtung kommt als einseitige öffentlich-rechtliche verpflichtende Willenserklärung in Betracht (vgl. Urteil des BSG vom 9. Dezember 1987, Az. 8 RK 10/87, juris Rdnr. 17 = SozR 2200 § 184 Nr. 30). Die Annahme einer solchen Selbstverpflichtung bedarf jedoch nach der Rechtsprechung des BVerwG und des BSG besonderer Umstände (vgl. Urteil des BVerwG vom 4. August 2006, Az. 5 C 13/05 juris Rdnr. 24 = BVerwGE 126, 295 und BSG, Beschluss vom 30. September 2014, Az. B 8 SF 1/14 R, juris Rdnr. 10 = SozR 4-3500 § 75 Nr. 5), notwendig ist vor allem, dass der Sozialhilfeträger seinen Rechtsbindungswillen unzweideutig zum Ausdruck gebracht hat (vgl. Urteil des BVerwG vom 19. Mai 1994, Az. 5 C 33/91, juris Rdnr.19 = BVerwGE 96,71; vgl. zur Kostenübernahmeerklärung gegenüber einem Krankenhaus auch Flint in Grube/Wahrendorf, Kommentar zum SGB XII, § 48 Rdnr. 11).
An diesem Maßstab gemessen liegen in den Kostenübernahmeerklärungen verpflichtende Selbstbindungen des Antragsgegners. Es geht aus den Erklärungen eindeutig hervor, dass der Antragsgegner dann, wenn die Beherbergung eines Asylbewerbers erfolgt, der Antragsgegner die Kosten hierfür zu dem günstigsten Satz des Betreibers, höchstens jedoch in Höhe von 50,00 Euro pro Person und Nacht, übernimmt. Voraussetzung ist allerdings, dass es sich um eine gewerblich genehmigte Unterkunft handelt, wie sich aus der Überschrift der Erklärung ergibt. Damit stellt der Antragsgegner sicher, dass ein bestimmter Standard, insbesondere im Hinblick auf Hygiene und Sicherheit der Unterbringung, gewährleistet ist.
Die besonderen Umstände, die hier – abweichend vom Regelfall – zur Annahme einer verbindlichen Selbstverpflichtung führen, sind vor allem in dem Interesse des Antragsgegners, die Unterbringung der Asylbewerber sicherzustellen, zu sehen. Würde die Kostenübernahmeerklärung keinen rechtsverbindlichen Charakter haben, wäre die Gefahr, trotz Erbringung einer Leistung keine Vergütung zu erhalten, für die Betreiber zu groß, so dass sie von einer Beherbergung absehen würden, dies unter anderem deshalb, weil bei den meisten Asylbewerbern Sprachprobleme bestehen, ihr Aufenthalt in einer Einrichtung bzw. einem Hostel oder Hotel nur vorübergehender Natur ist und sie häufig mittellos sein dürften, so dass sich die Leistungserbringer auch nicht erfolgreich an die Asylbewerber selbst hinsichtlich der Begleichung der Rechnungen wenden können. Im Unterschied zu dem vom BSG entschiedenen Fall B 8 SF 1/14 R, aaO., wird dem Hotel oder Hostel auch keine Kostenübernahmeerklärung übersandt, sondern der Asylbewerber gibt sie bei dem Hostel ab, d.h. der Antragsgegner tritt mit dem Leistungserbringer nicht schon vorher in Kontakt, was eine größere Unsicherheit für den Leistungserbringer bedeutet, als wenn er wenigstens vorher schriftlich einen Hinweis bekommt, wie verfahren wird.
Die Tatsache, dass der Antragsgegner in der Kostenübernahmeerklärung ausdrücklich darauf hinweist, dass mit ihr kein Vertragsverhältnis zwischen dem Leistungserbringer und ihm bewirkt werde, bedeutet nicht, dass der Antragsgegner keinen Rechtsbindungswillen hat. Mit diesem Zusatz wird verhindert, dass allein aus der Kostenübernahmeerklärung ein Rechtsanspruch des Hotels oder Hostels erlangt wird, auch dann, wenn der Asylbewerber aus irgendwelchen Gründen dann doch nicht die Unterkunft in Anspruch nimmt. Nur wenn die Beherbergung tatsächlich stattfindet, sollen, auch die Kosten übernommen werden, wie sich aus der Kostenübernahmeerklärung und der Verpflichtung ergibt, den Asylbewerber den tatsächlichen Aufenthalt bestätigen zu lassen und zu versichern, dass die Beherbergung stattgefunden hat.
Aus einem "Schuldbeitritt" im Rahmen eines sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses ergibt sich ein Anspruch der Antragstellerin dagegen nicht, da hierfür eine Vertragsbeziehung ähnlich derjenigen im Sinne des § 75 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner notwendig wäre, die nicht besteht, wie die Vertreterin des Antragsgegners im Erörterungstermin angegeben hat.
Der Antragsgegner ist der Berechtigung des Anspruchs auch nicht entgegengetreten, sondern hat die Zahlung, wie auch im Erörterungstermin nochmal bestätigt wurde, nicht vorgenommen, weil er befürchtet, wegen des geltend gemachten Anspruchs des Zwangsverwalters bzw. der Gläubigerin der Eigentümerinnen, durch die Zahlung nicht von der Schuld befreit zu werden.
Auch ein Anordnungsgrund ist glaubhaft gemacht, da die Antragstellerin ohne Gegenleistung für die Beherbergung die fälligen Kosten der Strom- und Wasseranbieter und anderer nicht begleichen kann und ihr die Insolvenz droht. Da das Widerspruchsverfahren gegen die Nutzungsuntersagung noch anhängig ist, die Nutzungsuntersagung also auch noch nicht bestandskräftig ist, entfällt der Anordnungsgrund auch nicht, weil der Weiterbestand der Antragstellerin als Unternehmen nicht mehr möglich wäre. Fraglich könnte der Anordnungsgrund allerdings deswegen sein, weil dem Antragsgegner die Hinterlegung des tenorierten Betrages freigestellt wird (s.u.). Sofern diese vorgenommen wird, könnte die Antragstellerin ihre Verbindlichkeiten zumindest nicht sofort erfüllen. Da jedoch nicht feststeht, ob der Antragsgegner tatsächlich hinterlegen wird und auch die Gläubiger möglicherweise abwarten werden, wenn sie wissen, dass ein hoher Geldbetrag hinterlegt ist, geht der Senat trotz der Hinterlegungsberechtigung von einem Anordnungsgrund aus.
Damit hat die Antragstellerin einen Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung glaubhaft gemacht. Der Antragsgegner hat auch am 12. November 2015 bestätigt, dass ihm Rechnungen der Antragstellerin in einer Gesamthöhe von 133.900,00 Euro vorliegen. Da diese – aus den allgemein und gerichtsbekannten Überlastungsgründen des Antragsgegners – noch nicht geprüft werden konnten und dies auch dem erkennenden Senat im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht möglich ist, war der Antragsgegner lediglich zur Zahlung eines (weiteren) Abschlages zu verpflichten, der auf 100.000,00 Euro festzusetzen war.
Der Antragsgegner ist allerdings berechtigt, den Betrag zu hinterlegen. Die Hinterlegung gemäß § 372 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist ein Recht des Schuldners, sich durch sie von seiner Verbindlichkeit zu befreien, wenn er wegen eines aus der Sphäre des Gläubigers stammenden Grundes nicht oder nicht mit Sicherheit erfüllen kann (vgl. Grüneberg in Palandt, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 75. Auflage 2016, vor § 372, Rdnr. 1). Es müssen begründete, objektiv verständliche Zweifel über die Person des Gläubigers vorliegen. Ein Rechtsanwalt oder Notar oder die öffentliche Hand darf jedoch auch dann nicht auf die Zweifelhaftigkeit der Rechtslage abstellen, wenn - wie hier - ein Rechtskundiger sie geäußert hat, sondern muss die Rechtslage umfassend prüfen (Grüneberg, aaO., § 372, Rdnr. 6 m.w.N.). Vorliegend kommt ein Anspruch des Beigeladenen auf Zahlung der Gelder aus den Kostenübernahmeerklärungen in Betracht. Bei den zwischen der Antragstellerin und den Asylbewerbern geschlossenen Verträgen dürfte es sich um Beherbergungsverträge handeln. Der Beherbergungsvertrag ist ein im BGB nicht besonders geregelter gemischter Vertrag, der aus Elementen des Mietvertragsrechts, des Dienstvertragsrechts, des Werkvertragsrechts und eventuell des Kaufrechts besteht. Wie ein solcher gemischter Vertrag zu behandeln ist, d.h., welche Rechtsvorschriften auf ihn anzuwenden sind, ist umstritten (vgl. Grüneberg, aaO., Überblick vor § 311, Rdnr. 19ff). In der Regel ist das Recht des Vertragstyps heranzuziehen, der den rechtlichen oder wirtschaftlichen Schwerpunkt bildet (Grüneberg, aaO., Überblick vor § 311, Rdnr. 26). Da dies bei dem hier vorliegenden Beherbergungsvertrag der Fall sein dürfte, könnten - möglicherweise – die "Früchte" der Beherbergung dem Beigeladenen zustehen. Dies kann im vorliegenden Verfahren nicht entschieden werden, sondern hängt von der Entscheidung des Landgerichts ab. Ob der Antragsgegner tatsächlich hinterlegt, bleibt seiner Entscheidung überlassen, da es sich bei der Hinterlegung, wie oben bereits ausgeführt, um ein Recht des Schuldners handelt. Hinterlegt er nicht, hat er den Betrag an die Antragstellerin auszukehren.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und bezüglich des Beigeladenen aus § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO.
Gegen diesen Beschluss gibt es kein Rechtsmittel (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt von dem Antragsgegner die Zahlung von 118.125 Euro für die Beherbergung von Asylbewerbern.
Die Antragstellerin ist eine Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt). Sie wurde mit notariellem Vertrag vom 23. Juni 2015 gegründet und am 6. Juli 2015 in das Handelsregister eingetragen. Sie beherbergt in dem Gebäude des P Asylbewerber. Eine Gewerbeanmeldung erfolgte am 30. Juli 2015 beim zuständigen Bezirksamt für den "Betrieb eines Hotels Garni, Beherbergung von Asylbewerber mit Hostel-Gutschein von LaGeSo". Der Geschäftsführer und (einzige) Gesellschafter der Antragstellerin ist der Ehemann bzw. Vater der Eigentümerinnen der Grundstücke, auf denen sich das Hotel befindet. Über die zwischen den Eigentümerinnen bestehende Gesellschaft Bürgerlichen Rechts wurde am 1. Mai 2015 das Insolvenzverfahren eröffnet. Den Eigentümerinnen wurde wegen gewerblicher Unzuverlässigkeit bestandskräftig die Gaststättenerlaubnis entzogen und gegen sie erweiterte Gewerbeuntersagungen nach § 35 Gewerbeordnung verfügt. Am 23. Juni 2015 schlossen die Eigentümerinnen mit der Antragstellerin einen Pachtvertrag über die Grundstücke zu einer monatlichen Pacht von 1500,00 Euro. Über die Grundstücke wurde am 6. Juli 2015 die Zwangsverwaltung angeordnet und ein Zwangsverwalter, der Beigeladene, bestellt. Dieser kündigte den Pachtvertrag und focht ihn gleichzeitig wegen Sittenwidrigkeit auf Grund eines seiner Auffassung nach zu niedrigen Pachtzinses an. Eine Klage des Beigeladenen gegen die Antragstellerin auf Herausgabe des Grundstücks und auf Auszahlung der durch die Nutzung zugeflossenen bzw. auf Abtretung noch zufließender Beträge ist unter dem Az. 29 O 380/15 beim Landgericht Berlin anhängig.
Im Folgenden reichte die Antragstellerin bei dem Antragsgegner "mindestens 116 Rechnungen mit einer Gesamthöhe von 133.900,00 Euro" für die Beherbergung von Asylsuchenden ein, wie der Antragsgegner mit Schreiben vom 12. November 2015 bestätigte. Unter dem Datum 4. September 2015 zahlte er auf diese Rechnungen einen Abschlag in Höhe von 15.775,00 Euro.
Am 13. November 2015 stellte die Antragstellerin bei dem Sozialgericht Berlin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Begehren, den Antragsgegner zu verpflichten, die offenen Rechnungen in Höhe von 133.900 Euro abzüglich der geleisteten Abschlagszahlung auszugleichen. Eile sei geboten, da ohne Leistungen die Weiterführung der Notunterbringung für Flüchtlinge nicht mehr gewährleistet sei. Es seien Mitarbeiter zu bezahlen und u.a. offene Forderungen der Wasser– und Energieversorger zu begleichen. Entsprechende Mahnungen wurden vorgelegt, ebenso wie beispielhaft eine Rechnung für einen Asylbewerber sowie zwei Kostenübernahmeerklärungen des Antragsgegners. Eine dieser Kostenübernahmeerklärungen ist im Adressfeld an das "P" gerichtet und hat unter der Überschrift "Kostenübernahme bei Notunterbringung in gewerblich genehmigten Unterkünften" folgenden Wortlaut:
"Wir übernehmen die Kosten für die Zeit vom 15. 10. 2015 bis 18. 01. 2015 für" – es folgen Name und Geburtsdatum eines Asylbewerbers – "in Höhe Ihres allgemein ausgewiesenen günstigsten Kostensatzes pro Person und Nacht, maximal 50,00 EUR Kostensätze pro Übernachtung über 50,00 EUR werden nicht übernommen ( ). Zur Abrechnung benötigen wir neben der Originalkostenübernahme eine Originalrechnung mit Kopie derselben. Auf der Rückseite der Kostenübernahme lassen Sie bitte den Leistungsempfänger den Übernachtungszeitraum mit seiner Unterschrift bestätigen und geben nachstehende Versicherung ab "Ich versichere, dass die o.g. Person/en an dem Tag, für die ich den Tagessatz berechnet habe, in meiner Pension / meinem Hostel anwesend war/en."
Bei Erstrechnungslegung ist der Nachweis der gewerblichen Nutzungsgenehmigung zu führen
Die Rechnungslegung soll nach Auszug erfolgen und an das LAGeSo Berlin, II A 6000 gesandt werden. ( ) Diese Kostenübernahme bewirkt kein Vertragsverhältnis zwischen Ihnen und dem Land Berlin. Geänderte Kostenübernahmen ohne Unterschrift und Dienstsiegel sind ungültig. Die Kostenübernahme ist nicht übertragbar".
Der Antragsgegner hat dem Begehren entgegengehalten, dass sich mit Schreiben vom 3. September 2015 der Gläubiger der Eigentümerinnen, die L , gemeldet und auf die derzeit noch ungeklärte Rechtslage betreffend die Einnahmen aus den Übernachtungsgutscheinen hingewiesen habe. Es sei dem Antragsgegner anheimgestellt worden, etwaige Zahlungen an die Hinterlegungsstelle zu leisten. Auf Grund der angeordneten Zwangsverwaltung des mit dem Hotel bebauten Grundstücks sowie der Anfechtung des zwischen der Antragstellerin und den Eigentümerinnen geschlossenen Pachtvertrages könne der Antragsgegner Leistungen mit befreiender Wirkung derzeit nicht erbringen. Es sollte der Ausgang des Klageverfahrens des Zwangsverwalters abgewartet werden.
Mit Bescheid des zuständigen Bezirksamts vom 2. November 2015 wurde der Antragstellerin die Nutzung des Beherbergungsbetriebes untersagt und die sofortige Vollziehung angeordnet. In dem auf Aufhebung der sofortigen Vollziehung gerichteten einstweiligen Anordnungsverfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin (Az. VG 19 L 339.15) hat der dortige (und hiesige) Antragsgegner nach Durchführung einer Augenscheinseinnahme durch das Gericht, bei der keine gravierenden Mängel festgestellt wurden, die Anordnung der sofortigen Vollziehung, nicht jedoch die Untersagung der Nutzung des Beherbergungsbetriebes, aufgehoben. Das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 2. November 2015 ist weiterhin anhängig. Der Widerspruch hat aufschiebende Wirkung.
Mit Beschluss vom 8. Dezember 2015 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, für das es den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für eröffnet annahm, weil die Kostenübernahmeerklärungen, auf die die Antragstellerin ihr Begehren - unter anderem – stütze, öffentlich-rechtliche Schuldanerkenntnisse darstellen könnten, abgelehnt. Die Kostenübernahmeerklärungen könnten einen Anspruch der Antragstellerin jedoch nicht begründen, weil ein unzweideutiger Rechtsbindungswille des Antragsgegners zur Begründung einer eigenständigen Leistungsverpflichtung daraus nicht erkennbar sei. Es werde in den zur Gerichtsakte gereichten Kostenübernahmeerklärungen jeweils ausdrücklich ausgeführt, dass diese kein Vertragsverhältnis zwischen dem Leistungserbringer und dem Antragsgegner bewirkten.
Gegen den Beschluss hat die Antragstellerin am 10. Dezember 2015 Beschwerde bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Die weitere Verschleppung der Auszahlung des Geldes sei ein grober Rechtsverstoß mit möglichen schlimmen Folgen für Leib und Leben der Flüchtlinge und für die wirtschaftliche Existenz der Firma.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 8. Dezember 2015 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, an sie 118.125,00 Euro zu zahlen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hat sich auf den angefochtenen Beschluss bezogen. Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 18. Februar 2016 hat er deutlich gemacht, dass der Auszahlung hier (lediglich) entgegenstehe, dass möglicherweise die Zahlung der Gelder an die Antragstellerin keine befreiende Wirkung für ihn haben würde, da auch die Gläubigerin der Eigentümerinnen Anspruch auf dieses Geld erhebe. In der Regel würde der Antragsgegner auf die Kostenübernahmeerklärungen zahlen, es dauere allerdings eine Weile.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Er hat angeregt, den Rechtsstreit bis zur Entscheidung in dem Verfahren 29 O 380/15 des Landgerichts Berlin auszusetzen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
Die die Antragstellerin betreffenden Verwaltungsakten des Antragsgegners haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet. Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Verpflichtung des Antragsgegners auf Zahlung von 100.000,00 Euro im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Allerdings ist der Antragsgegner berechtigt, das Geld gemäß § 372 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu hinterlegen.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen. Die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung – ZPO -). Die Antragstellerin hat sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Der Senat ist gemäß § 98 Satz 1 SGG i.V.m. § 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) zuständig, da das Rechtsmittelgericht eine Verweisung nicht vornehmen kann. Es kann daher dahingestellt bleiben ob, wie das Sozialgericht angenommen hat, der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet ist, dürfte sich aber aus der öffentlich-rechtlichen Natur des hier in Rede stehenden Schuldanerkenntnisses ergeben (dazu unten).
Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Zahlung aus einer öffentlich-rechtlichen Zusage, d.h. einer hoheitlichen Selbstverpflichtung mit Bindungswillen. Nach Auffassung des Senats handelt es sich bei den der Antragstellerin übergebenen Kostenübernahmeerklärungen nicht lediglich um die Bekanntgabe einer bestimmten verwaltungstechnischen Abwicklung des Zahlungsverkehrs, nämlich dass Leistungen für die Kosten der Beherbergung des Asylbewerbers direkt an den Betreiber des Hostels oder Hotels erbracht werden, sondern um die Zusage des Antragsgegners, einen Realakt vorzunehmen, also um ein verbindliches Versprechen, sich künftig unter bestimmten Voraussetzungen in einer bestimmten Art zu verhalten, hier konkret, der Antragstellerin für jeden Tag des tatsächlichen Aufenthalts des Asylbewerbers in dem Hotel den dort vorgesehenen günstigsten Tarif, höchstens jedoch 50,00 Euro, zu zahlen. Ziel der verbindlichen öffentlich-rechtlichen Selbstverpflichtung ist es, dem Bürger Planungssicherheit in Bezug auf das künftige Verhalten der Verwaltung zu geben. Die wirksame Zusage begründet deshalb für ihren Inhaber einen durchsetzbaren Rechtsanspruch auf das zugesagte Verhalten (vgl. zur Zusage und ihrer Herleitung Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 15. Auflage, § 38 Rdnr. 5). Eine solche Selbstverpflichtung kommt als einseitige öffentlich-rechtliche verpflichtende Willenserklärung in Betracht (vgl. Urteil des BSG vom 9. Dezember 1987, Az. 8 RK 10/87, juris Rdnr. 17 = SozR 2200 § 184 Nr. 30). Die Annahme einer solchen Selbstverpflichtung bedarf jedoch nach der Rechtsprechung des BVerwG und des BSG besonderer Umstände (vgl. Urteil des BVerwG vom 4. August 2006, Az. 5 C 13/05 juris Rdnr. 24 = BVerwGE 126, 295 und BSG, Beschluss vom 30. September 2014, Az. B 8 SF 1/14 R, juris Rdnr. 10 = SozR 4-3500 § 75 Nr. 5), notwendig ist vor allem, dass der Sozialhilfeträger seinen Rechtsbindungswillen unzweideutig zum Ausdruck gebracht hat (vgl. Urteil des BVerwG vom 19. Mai 1994, Az. 5 C 33/91, juris Rdnr.19 = BVerwGE 96,71; vgl. zur Kostenübernahmeerklärung gegenüber einem Krankenhaus auch Flint in Grube/Wahrendorf, Kommentar zum SGB XII, § 48 Rdnr. 11).
An diesem Maßstab gemessen liegen in den Kostenübernahmeerklärungen verpflichtende Selbstbindungen des Antragsgegners. Es geht aus den Erklärungen eindeutig hervor, dass der Antragsgegner dann, wenn die Beherbergung eines Asylbewerbers erfolgt, der Antragsgegner die Kosten hierfür zu dem günstigsten Satz des Betreibers, höchstens jedoch in Höhe von 50,00 Euro pro Person und Nacht, übernimmt. Voraussetzung ist allerdings, dass es sich um eine gewerblich genehmigte Unterkunft handelt, wie sich aus der Überschrift der Erklärung ergibt. Damit stellt der Antragsgegner sicher, dass ein bestimmter Standard, insbesondere im Hinblick auf Hygiene und Sicherheit der Unterbringung, gewährleistet ist.
Die besonderen Umstände, die hier – abweichend vom Regelfall – zur Annahme einer verbindlichen Selbstverpflichtung führen, sind vor allem in dem Interesse des Antragsgegners, die Unterbringung der Asylbewerber sicherzustellen, zu sehen. Würde die Kostenübernahmeerklärung keinen rechtsverbindlichen Charakter haben, wäre die Gefahr, trotz Erbringung einer Leistung keine Vergütung zu erhalten, für die Betreiber zu groß, so dass sie von einer Beherbergung absehen würden, dies unter anderem deshalb, weil bei den meisten Asylbewerbern Sprachprobleme bestehen, ihr Aufenthalt in einer Einrichtung bzw. einem Hostel oder Hotel nur vorübergehender Natur ist und sie häufig mittellos sein dürften, so dass sich die Leistungserbringer auch nicht erfolgreich an die Asylbewerber selbst hinsichtlich der Begleichung der Rechnungen wenden können. Im Unterschied zu dem vom BSG entschiedenen Fall B 8 SF 1/14 R, aaO., wird dem Hotel oder Hostel auch keine Kostenübernahmeerklärung übersandt, sondern der Asylbewerber gibt sie bei dem Hostel ab, d.h. der Antragsgegner tritt mit dem Leistungserbringer nicht schon vorher in Kontakt, was eine größere Unsicherheit für den Leistungserbringer bedeutet, als wenn er wenigstens vorher schriftlich einen Hinweis bekommt, wie verfahren wird.
Die Tatsache, dass der Antragsgegner in der Kostenübernahmeerklärung ausdrücklich darauf hinweist, dass mit ihr kein Vertragsverhältnis zwischen dem Leistungserbringer und ihm bewirkt werde, bedeutet nicht, dass der Antragsgegner keinen Rechtsbindungswillen hat. Mit diesem Zusatz wird verhindert, dass allein aus der Kostenübernahmeerklärung ein Rechtsanspruch des Hotels oder Hostels erlangt wird, auch dann, wenn der Asylbewerber aus irgendwelchen Gründen dann doch nicht die Unterkunft in Anspruch nimmt. Nur wenn die Beherbergung tatsächlich stattfindet, sollen, auch die Kosten übernommen werden, wie sich aus der Kostenübernahmeerklärung und der Verpflichtung ergibt, den Asylbewerber den tatsächlichen Aufenthalt bestätigen zu lassen und zu versichern, dass die Beherbergung stattgefunden hat.
Aus einem "Schuldbeitritt" im Rahmen eines sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses ergibt sich ein Anspruch der Antragstellerin dagegen nicht, da hierfür eine Vertragsbeziehung ähnlich derjenigen im Sinne des § 75 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner notwendig wäre, die nicht besteht, wie die Vertreterin des Antragsgegners im Erörterungstermin angegeben hat.
Der Antragsgegner ist der Berechtigung des Anspruchs auch nicht entgegengetreten, sondern hat die Zahlung, wie auch im Erörterungstermin nochmal bestätigt wurde, nicht vorgenommen, weil er befürchtet, wegen des geltend gemachten Anspruchs des Zwangsverwalters bzw. der Gläubigerin der Eigentümerinnen, durch die Zahlung nicht von der Schuld befreit zu werden.
Auch ein Anordnungsgrund ist glaubhaft gemacht, da die Antragstellerin ohne Gegenleistung für die Beherbergung die fälligen Kosten der Strom- und Wasseranbieter und anderer nicht begleichen kann und ihr die Insolvenz droht. Da das Widerspruchsverfahren gegen die Nutzungsuntersagung noch anhängig ist, die Nutzungsuntersagung also auch noch nicht bestandskräftig ist, entfällt der Anordnungsgrund auch nicht, weil der Weiterbestand der Antragstellerin als Unternehmen nicht mehr möglich wäre. Fraglich könnte der Anordnungsgrund allerdings deswegen sein, weil dem Antragsgegner die Hinterlegung des tenorierten Betrages freigestellt wird (s.u.). Sofern diese vorgenommen wird, könnte die Antragstellerin ihre Verbindlichkeiten zumindest nicht sofort erfüllen. Da jedoch nicht feststeht, ob der Antragsgegner tatsächlich hinterlegen wird und auch die Gläubiger möglicherweise abwarten werden, wenn sie wissen, dass ein hoher Geldbetrag hinterlegt ist, geht der Senat trotz der Hinterlegungsberechtigung von einem Anordnungsgrund aus.
Damit hat die Antragstellerin einen Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung glaubhaft gemacht. Der Antragsgegner hat auch am 12. November 2015 bestätigt, dass ihm Rechnungen der Antragstellerin in einer Gesamthöhe von 133.900,00 Euro vorliegen. Da diese – aus den allgemein und gerichtsbekannten Überlastungsgründen des Antragsgegners – noch nicht geprüft werden konnten und dies auch dem erkennenden Senat im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht möglich ist, war der Antragsgegner lediglich zur Zahlung eines (weiteren) Abschlages zu verpflichten, der auf 100.000,00 Euro festzusetzen war.
Der Antragsgegner ist allerdings berechtigt, den Betrag zu hinterlegen. Die Hinterlegung gemäß § 372 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist ein Recht des Schuldners, sich durch sie von seiner Verbindlichkeit zu befreien, wenn er wegen eines aus der Sphäre des Gläubigers stammenden Grundes nicht oder nicht mit Sicherheit erfüllen kann (vgl. Grüneberg in Palandt, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 75. Auflage 2016, vor § 372, Rdnr. 1). Es müssen begründete, objektiv verständliche Zweifel über die Person des Gläubigers vorliegen. Ein Rechtsanwalt oder Notar oder die öffentliche Hand darf jedoch auch dann nicht auf die Zweifelhaftigkeit der Rechtslage abstellen, wenn - wie hier - ein Rechtskundiger sie geäußert hat, sondern muss die Rechtslage umfassend prüfen (Grüneberg, aaO., § 372, Rdnr. 6 m.w.N.). Vorliegend kommt ein Anspruch des Beigeladenen auf Zahlung der Gelder aus den Kostenübernahmeerklärungen in Betracht. Bei den zwischen der Antragstellerin und den Asylbewerbern geschlossenen Verträgen dürfte es sich um Beherbergungsverträge handeln. Der Beherbergungsvertrag ist ein im BGB nicht besonders geregelter gemischter Vertrag, der aus Elementen des Mietvertragsrechts, des Dienstvertragsrechts, des Werkvertragsrechts und eventuell des Kaufrechts besteht. Wie ein solcher gemischter Vertrag zu behandeln ist, d.h., welche Rechtsvorschriften auf ihn anzuwenden sind, ist umstritten (vgl. Grüneberg, aaO., Überblick vor § 311, Rdnr. 19ff). In der Regel ist das Recht des Vertragstyps heranzuziehen, der den rechtlichen oder wirtschaftlichen Schwerpunkt bildet (Grüneberg, aaO., Überblick vor § 311, Rdnr. 26). Da dies bei dem hier vorliegenden Beherbergungsvertrag der Fall sein dürfte, könnten - möglicherweise – die "Früchte" der Beherbergung dem Beigeladenen zustehen. Dies kann im vorliegenden Verfahren nicht entschieden werden, sondern hängt von der Entscheidung des Landgerichts ab. Ob der Antragsgegner tatsächlich hinterlegt, bleibt seiner Entscheidung überlassen, da es sich bei der Hinterlegung, wie oben bereits ausgeführt, um ein Recht des Schuldners handelt. Hinterlegt er nicht, hat er den Betrag an die Antragstellerin auszukehren.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und bezüglich des Beigeladenen aus § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO.
Gegen diesen Beschluss gibt es kein Rechtsmittel (§ 177 SGG).
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