Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 SO 156/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 497/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Beklagte trägt ein Fünftel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Kläger seit Februar 2015 zustehenden Sozialhilfe, insbesondere darüber, ob der Kläger der Regelbedarfsstufe 1 oder der Regelbedarfsstufe 3 zuzuordnen ist.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist aufgrund einer psychischen Erkrankung seit dem 26.04.2015 und vorerst bis 31.03.2017 voll erwerbsgemindert. Nach gutachtlicher Stellungnahme des Rentenversicherungsträgers ist es nicht unwahrscheinlich, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann. Der Kläger steht unter gerichtlich angeordneter Betreuung. Bis Januar 2015 lebte der Kläger in einer selbst gemieteten Wohnung und erhielt Eingliederungshilfe im Rahmen ambulant betreuten Wohnens. Die Beklagte bewilligte und gewährte ihm Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) unter Berücksichtigung u.a. eines Bedarfs nach der Regelbedarfsstufe 1, zuletzt durch Bescheid vom 17.12.2014 für den Bewilligungszeitraum vom 01.01. bis 31.12.2015. Der Regelbedarf nach der Regelbedarfsstufe 1 betrug im Jahre 2015 monatlich 399,00 EUR.
Am 07.01.2015 teilte der Betreuer des Klägers der Beklagten mit, dass die Wohnung gekündigt sei und der Kläger ab 01.02.2015 in die elterliche Wohnung zurückkehre. Diese Wohnung wurde bis dahin von den Eltern des Klägers und seinem erwachsenen Bruder und wird seit Februar 2015 also von vier erwachsenen Personen bewohnt. Die Eltern des Klägers beziehen Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II); diesen wird ein Regelbedarf gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II anerkannt (für 2015 jeweils 360 EUR, für 2016 jeweils 364); dieser Regelbedarf entspricht bei Leistungsberechtigten nach dem SGB XII der Regelbedarfsstufe 2 nach der Anlage zu § 28 SGB XII. Die Miete einschließlich Nebenkosten beträgt monatlich 778,82 EUR; darüber hinaus wird ein Heizkostenabschlag von monatlich 199,00 EUR gezahlt. Die Beklagte errechnete hieraus einen Anteil pro Person von 194,71 EUR für die Kosten der Unterkunft und 49,75 EUR für Heizkosten; diese Kosten erkennt sie als angemessen an.
Durch bestandskräftigen Bescheid vom 15.01. und 24.02.2015 berechnete die Beklagte unter gleichzeitiger Aufhebung des letztgültigen Bewilligungsbescheides die dem Kläger zustehende Hilfe zum Lebensunterhalt neu. Sie bewilligte ihm unter Anerkennung folgenden monatlichen Bedarfs: Regelbedarf nach der Regelbedarfsstufe 3 (320,00 EUR), Krankenversicherungsbeitrag (132,30 EUR), Pflegeversicherungsbeitrag (24,57 EUR), Zusatzbeitrag (7,56 EUR), Kosten der Unterkunft (anteilig 194,69 EUR; 782,78 EUR abzüglich der Anteile für drei Personen à 194,71 EUR), Heizkosten (anteilig 29,75 EUR; 119,00 EUR abzüglich der Anteil für drei Personen à 29,75 EUR), insgesamt 708,87 EUR.
Am 12.08.2015 beantragte der Kläger unter Hinweis auf § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Überprüfung des Regelbedarfs; er verwies auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23.07.2014.
Durch Bescheid vom 13.08.2015 lehnte die Beklagte eine Rücknahme der Entscheidungen über die ab 01.02.2015 bewilligte Sozialhilfe ab. Zwar habe das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) im Nachgang der BSG-Rechtsprechung mit Weisung vom 31.03.2015 im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung eine Regelung getroffen, dass volljährigen haushaltsangehörigen Personen die Differenz zwischen den Regelbedarfsstufen 1 und 3 zusätzlich zu gewähren ist; diese Weisung gelte jedoch lediglich für Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII, nicht auf den Personenkreis, der – wie der Kläger – Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII erhalte. Bei Erlass der beiden bestandskräftigen Bescheid vom 15.01. und 24.02.2015 habe sie das Recht nicht unrichtig angewandt und sei auch von keinem falschen Sachverhalt ausgegangen.
Dagegen erhob der Kläger am 18.08.2015 Widerspruch. Er hielt die Nichtanwendung bei Empfänger von Hilfe nach dem Dritten Kapitel des SGB XII für einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Grundgesetz.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 10.11.2015 zurück. Sie hielt die Rechtsprechung des BSG in den Urteilen vom 23.07.2014 (B 8 SO 31/12 R, B 8 SO 12/13 R und B 8 SO 14/13 R) für nicht nachvollziehbar und meinte, es ergäbe sich für sie keine Bindung an diese Urteile.
Dagegen hat der Kläger am 09.12.2015 Klage erhoben. Er beruft sich auf die Urteile des BSG und meint, die darin für Bezieher von Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII entwickelten Grundsätze würden auch für Personen gelten, die – wie er – Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII erhielten. Er sei in der Lage, sich an den Haushaltstätigkeiten zu beteiligen, und er tue dies auch tatsächlich. Er räume beispielsweise die Spülmaschine ein und aus, er habe in den ihm in der Wohnung zugewiesenen Bereich selbst Staub zu saugen, auch beteilige er sich auf entsprechende Anweisung am Waschen und Bügeln der Wäsche und bereite auch Mahlzeiten zu.
Durch Teilanerkenntnis vom 9.08.2016 hat die Beklagte unter entsprechender Aufhebung der Bescheide vom 13.08.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2015 die Bescheide vom 15.01.2015 und 24.02.2015 dahin abgeändert, dass sie ab 01.02.2015 einen Heizkostenbedarf des Klägers von monatlich 49,75 EUR (statt 29,75 EUR) anerkennt; sie hat sich verpflichtet, dem Kläger für die Zeit vom 01.02. bis 31.12.2015 insoweit 220,00 EUR nachzuzahlen. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.08.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2015 und des Teilanerkenntnisses vom 09.08.2016 zu verurteilen, ihm unter entsprechender Abänderung der Bescheide vom 15.01.2015 und 24.02.2015 ab 01.02.2015 Hilfe zum Lebensunterhalt unter Zugrundelegung der Regelbedarfsstufe 1 zu bewilligen und ihm für die Zeit vom 01.02.2015 bis 31.12.2015 weitere 896,00 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass der Kläger der Regelbedarfsstufe 3 zuzuordnen sei. Sie hält die Rechtsprechung des BSG in den bekannten Urteilen für unzutreffend. Auch das BMAS folge der Auslegung des BSG zu den Regelbedarfsstufen nicht. Die Beklagte stützt sich hierfür auf eine rechtliche Bewertung des BMAS im Rundschreiben 2015/3 – Regelbedarfsstufe 3 vom 16.02.2015 (Az.: Vb1-56200), die sie im Verfahren vorgelegt hat.
Das Gericht hat unter Bezugnahme auf die "Bundesaufsichtliche Weisung gemäß Artikel 85 Absatz 3 GG - Weisung 2015/1 -" des BMAS vom 31.03.2015 (Az.: Vb1-50232-6) eine Anfrage an das BMAS gerichtet, ob diese Weisung auch auf Bezieher von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII anzuwenden sei. Das BMAS hat mit Schreiben vom 17.02.2016 geantwortet, dass sich die Weisung nicht auf das Dritte Kapitel, sondern nur auf das Vierte Kapitel SGB XII beziehe, weil das Vierte Kapitel SGB XII in Bundesauftragsverwaltung (Art 85 GG), wohingegen das Dritte Kapitel SGB XII von den Ländern als eigene Angelegenheit (Art 84 G) ausgeführt werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Zurecht hat die Beklagte eine über das angenommene Teilanerkenntnis vom 09.08.2016 hinausgehende Rücknahme gem. § 44 SGB X der Bescheide vom 15.01.2015 und 24.02.2015 abgelehnt, weil sie bei Erlass dieser Bescheide (abgesehen von dem durch das Teilanerkenntnis korrigierten Heizkostenbedarf) das Recht weder unrichtig angewandt hat noch von einem Sachverhalt ausgegangen ist, der sich als unrichtig erweist. Der Kläger hat für den hier allein streitbefangenen Zeitraum vom 01.02.2015 bis 31.12.2016 keinen Anspruch auf höhere Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhaltunter Zugrundelegung der Regelbedarfsstufe 1.
Grundlage für den Anspruch des Klägers sind die §§ 19 Abs. 1, 27 Nr. 1 und 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch Sozialhilfe (SGB XII). Danach erhalten dauerhaft voll erwerbsgeminderte Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen bestreiten können Hilfe zum Lebensunterhalt. Diese Voraussetzungen liegen in der Person des Klägers vor.
Die Höhe der dem Kläger zustehenden Leistungen richtet sich nach §§ 27a, 28 bis 29 SGB XII i.V.m. der Anlage zu § 28 SGB XII. Nach § 27a Abs. 1 SGB XII umfasst der für die Gewährleistung des Existenzminimums notwendige Lebensunterhalt insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile, persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens sowie Unterkunft und Heizung (Satz 1). Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft; dies gilt in besonderem Maß für Kinder und Jugendliche (Satz 2). Nach § 27a Abs. 2 SGB XII ergibt der gesamte notwendige Lebensunterhalt nach Absatz 1 mit Ausnahme der Bedarfe nach dem Zweiten bis Vierten Abschnitt den monatlichen Regelbedarf (Satz 1). Dieser ist in Regelbedarfsstufen unterteilt, die bei Kindern und Jugendlichen altersbedingte Unterschiede und bei erwachsenen Personen deren Anzahl im Haushalt sowie die Führung eines Haushalts berücksichtigen (Satz 2). § 27a Abs. 3 SGB XII bestimmt, dass zur Deckung der Regelbedarfe, die sich nach den Regelbedarfsstufen der Anlage zu § 28 ergeben, monatliche Regelsätze als Bedarf anzuerkennen sind (Satz 1). Der Regelsatz stellt einen monatlichen Pauschalbetrag zur Bestreitung des Regelbedarfs dar, über dessen Verwendung die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich entscheiden; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen (Satz 2). Die sich aus der Anlage zu § 28 SGB XII für erwachsene Leistungsberechtigte ergebenden Regelbedarfsstufen lauten: "Regelbedarfsstufe 1: Für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die als alleinstehende oder alleinerziehende Person einen eigenen Haushalt führt; dies gilt auch dann, wenn in diesem Haushalt eine oder mehrere weitere erwachsene Personen leben, die der Regelbedarfsstufe 3 zuzuordnen sind. Regelbedarfsstufe 2: Für jeweils zwei erwachsene Leistungsberechtigte, die als Ehegatten, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führen. Regelbedarfsstufe 3: Für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die weder einen eigenen Haushalt führt, noch als Ehegatte, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führt."
Nach diesen gesetzlichen Vorgaben ist der Kläger nicht der Regelbedarfsstufe 1, sondern der Regelbedarfsstufe 3 zuzuordnen. Der Kläger ist eine erwachsene leistungsberechtigte Person. Er erfüllt jedoch nicht die Voraussetzungen der Regelbedarfsstufe 1, denn er führt nicht als alleinstehende oder alleinerziehende Person "einen eigenen Haushalt".
Was ein "eigener Haushalt" ist, definiert das Gesetz nicht. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff lässt sich aber nach dem allgemeinen Sprachverständnis und einem Vergleich der gesetzlichen Beschreibungen der Regelbedarfsstufen 1, 2 und 3 begreifen. Leben mehrere erwachsene Personen zusammen in einem Haushalt und beteiligen sie sich – ggf. auch nur in ihren Fähigkeiten entsprechend geringem Umfang – an der Haushaltsführung, so führen sie einen "gemeinsamen Haushalt". So bestimmt es ausdrücklich die Regelbedarfsstufe 2 für jeweils zwei erwachsene Leistungsberechtigte, die als Ehegatten, Lebenspartner oder in eheähnlicher bzw. lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft leben. Leben mehr als zwei Personen – wie im vorliegenden – Fall zusammen, ohne zu den Personen nach der Regelbedarfsstufe 2 zu gehören, und beteiligen sie sich an der Haushaltsführung, so führen diese weiteren Personen nach Auffassung der Kammer nicht einen "eigenen Haushalt" (so aber: BSG, Urteil vom 23.07.2014 – B 8 SO 14/13 R; Urteil vom 24.03.2015 – B 8 SO 5/14 R). Vielmehr führen die zusammenlebenden Personen – wie die Personen der Regelbedarfsstufe 2 – einen "gemeinsamen Haushalt". Die logische Konsequenz der BSG-Rechtsprechung führte im Anwendungsbereich der Regelbedarfsstufen nach der Anlage zu § 28 SGB XII dazu, dass in den Fällen, in denen innerhalb eines Hauses eine erwachsene leistungsberechtigte Person und dessen (leistungsberechtigten) Eltern nicht in getrennten Wohneinheiten, sondern zusammen wohnen und haushalten, die Eltern einen "gemeinsamen Haushalt" (Regelbedarfsstufe 2) und die dritte Person (hier: der Kläger) einen "eigenen Haushalt" (Regelbedarfsstufe 1) führen würden. Diese Vorstellung ist mit den Begrifflichkeiten des Gesetzes nicht in Einklang zu bringen und im Übrigen lebensfremd.
Zwar wird in den Regelbedarfsstufen 1 bis 3 nicht ausdrücklich beschrieben, welcher Regelbedarfsstufe diese weiteren (nicht zur Regelbedarfsstufe 2 gehörenden) Personen zuzuordnen sind. Jedoch erschließt sich dies aus dem Sinn und Zweck der Regelbedarfsstufenregelung und dem Willen des Gesetzgebers. Sinn und Zweck der Regelbedarfsstufen ist es, "den gesamten notwendigen Lebensunterhalt" nach § 27a Abs. 1 SGB XII (mit Ausnahme der zusätzlichen Bedarfe nach §§ 30 bis 36 SGB XII) abzubilden und bei erwachsenen Personen deren Anzahl im Haushalt sowie die Führung eines Haushalts zu berücksichtigen (§ 27a Abs. 2 SGB XII). Der Gesetzgeber hat zur Regelbedarfsstufe 1 Folgendes ausgeführt (vgl. BT-Drucksache 17/4095, S. 39): "Die Regelbedarfsstufe 1 gilt für erwachsene Leistungsberechtigte, die als Alleinerziehende einen Einpersonenhaushalt führen oder als Alleinerziehende ohne eine weitere erwachsene Person einen eigenen Haushalt mit ihrem Kind beziehungsweise mit ihren Kindern führen." Zu einer Haushaltskonstellation, wie sie der Kläger seit Februar 2015 lebt, heißt es sodann: "Leben weitere erwachsene Personen im Haushalt der leistungsberechtigten Person, gilt für erstere Regelbedarfsstufe 1 nur dann, wenn für die weitere erwachsene Person oder gegebenenfalls die weiteren erwachsenen Personen Regelbedarfsstufe 3 gilt. Folglich wird an der im gleichen Recht als Haushaltsvorstand bezeichneten Funktion und der damit verbundenen Stellung im Haushalt außerhalb von Partnerkonstellationen (Regelbedarfsstufe 2) festgehalten." In dieser Haushaltskonstellation sind also alle erwachsenen Personen, die nicht Haushaltsvorstand sind und nicht zur Personengruppe der Regelbedarfsstufe 2 gehören, der Regelbedarfsstufe 3 zuzuordnen. Die demgegenüber vertretene Auslegung der im Gesetz verwandten Begriffe "eigener Haushalt" und "einen Haushalt führen" sowie seine Überlegungen zur "Eigenständigkeit" der Haushaltsführung durch das BSG im Urteil vom 24.03.2015 (B 8 SO 5/14 R, Rz. 15 und 19 ["juris"]) und zu dem – den Regelbedarfsstufenvorschriften unbekannten – Begriff eines "fremden" Haushalts im Urteil vom 23.07.2014 (B 8 SO 14/13 R, Rz. 19 ff. ["juris"]) lassen sich mit dem Sinn und Zweck der Regelbedarfsstufen und dem aus Gesetzesmaterialien ablesbaren, ausführlich dargelegten und erläuterten Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucksache 17/4095, S. 39 bis 41) nicht in Einklang bringen. Insoweit schließt sich erkennende Kammer der ausführlich begründeten überzeugenden Auffassung der 19. Kammer des SG Aachen im Urteil vom 27.11.2015 (S 19 SO 54/15) an.
Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände steht für die Kammer zweifelsfrei fest, dass der Kläger – auch wenn er sich in einem seinen Fähigkeiten entsprechendem geringen Umfang an der Haushaltsführung beteiligt, – nicht der Haushaltsvorstand ist. Er kann daher nach Wortlaut, Sinn und Zweck der Regelbedarfsstufen sowie der vom Gesetzgeber damit verfolgten Absicht nicht der Regelbedarfsstufe 1 zugeordnet werden. Da er nicht zur Personengruppe der Regelbedarfsstufe 2 gehört, fällt er in die Regelbedarfsstufe 3.
Die Kostenentscheidung beruht aus § 193 SGG. Da die Beklagte ein Teilanerkenntnis abgegeben hat, ist es sachgerecht, dass sie im Verhältnis des Obsiegens des Klägers im ein Fünftel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Kläger seit Februar 2015 zustehenden Sozialhilfe, insbesondere darüber, ob der Kläger der Regelbedarfsstufe 1 oder der Regelbedarfsstufe 3 zuzuordnen ist.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist aufgrund einer psychischen Erkrankung seit dem 26.04.2015 und vorerst bis 31.03.2017 voll erwerbsgemindert. Nach gutachtlicher Stellungnahme des Rentenversicherungsträgers ist es nicht unwahrscheinlich, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann. Der Kläger steht unter gerichtlich angeordneter Betreuung. Bis Januar 2015 lebte der Kläger in einer selbst gemieteten Wohnung und erhielt Eingliederungshilfe im Rahmen ambulant betreuten Wohnens. Die Beklagte bewilligte und gewährte ihm Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) unter Berücksichtigung u.a. eines Bedarfs nach der Regelbedarfsstufe 1, zuletzt durch Bescheid vom 17.12.2014 für den Bewilligungszeitraum vom 01.01. bis 31.12.2015. Der Regelbedarf nach der Regelbedarfsstufe 1 betrug im Jahre 2015 monatlich 399,00 EUR.
Am 07.01.2015 teilte der Betreuer des Klägers der Beklagten mit, dass die Wohnung gekündigt sei und der Kläger ab 01.02.2015 in die elterliche Wohnung zurückkehre. Diese Wohnung wurde bis dahin von den Eltern des Klägers und seinem erwachsenen Bruder und wird seit Februar 2015 also von vier erwachsenen Personen bewohnt. Die Eltern des Klägers beziehen Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II); diesen wird ein Regelbedarf gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II anerkannt (für 2015 jeweils 360 EUR, für 2016 jeweils 364); dieser Regelbedarf entspricht bei Leistungsberechtigten nach dem SGB XII der Regelbedarfsstufe 2 nach der Anlage zu § 28 SGB XII. Die Miete einschließlich Nebenkosten beträgt monatlich 778,82 EUR; darüber hinaus wird ein Heizkostenabschlag von monatlich 199,00 EUR gezahlt. Die Beklagte errechnete hieraus einen Anteil pro Person von 194,71 EUR für die Kosten der Unterkunft und 49,75 EUR für Heizkosten; diese Kosten erkennt sie als angemessen an.
Durch bestandskräftigen Bescheid vom 15.01. und 24.02.2015 berechnete die Beklagte unter gleichzeitiger Aufhebung des letztgültigen Bewilligungsbescheides die dem Kläger zustehende Hilfe zum Lebensunterhalt neu. Sie bewilligte ihm unter Anerkennung folgenden monatlichen Bedarfs: Regelbedarf nach der Regelbedarfsstufe 3 (320,00 EUR), Krankenversicherungsbeitrag (132,30 EUR), Pflegeversicherungsbeitrag (24,57 EUR), Zusatzbeitrag (7,56 EUR), Kosten der Unterkunft (anteilig 194,69 EUR; 782,78 EUR abzüglich der Anteile für drei Personen à 194,71 EUR), Heizkosten (anteilig 29,75 EUR; 119,00 EUR abzüglich der Anteil für drei Personen à 29,75 EUR), insgesamt 708,87 EUR.
Am 12.08.2015 beantragte der Kläger unter Hinweis auf § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Überprüfung des Regelbedarfs; er verwies auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23.07.2014.
Durch Bescheid vom 13.08.2015 lehnte die Beklagte eine Rücknahme der Entscheidungen über die ab 01.02.2015 bewilligte Sozialhilfe ab. Zwar habe das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) im Nachgang der BSG-Rechtsprechung mit Weisung vom 31.03.2015 im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung eine Regelung getroffen, dass volljährigen haushaltsangehörigen Personen die Differenz zwischen den Regelbedarfsstufen 1 und 3 zusätzlich zu gewähren ist; diese Weisung gelte jedoch lediglich für Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII, nicht auf den Personenkreis, der – wie der Kläger – Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII erhalte. Bei Erlass der beiden bestandskräftigen Bescheid vom 15.01. und 24.02.2015 habe sie das Recht nicht unrichtig angewandt und sei auch von keinem falschen Sachverhalt ausgegangen.
Dagegen erhob der Kläger am 18.08.2015 Widerspruch. Er hielt die Nichtanwendung bei Empfänger von Hilfe nach dem Dritten Kapitel des SGB XII für einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Grundgesetz.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 10.11.2015 zurück. Sie hielt die Rechtsprechung des BSG in den Urteilen vom 23.07.2014 (B 8 SO 31/12 R, B 8 SO 12/13 R und B 8 SO 14/13 R) für nicht nachvollziehbar und meinte, es ergäbe sich für sie keine Bindung an diese Urteile.
Dagegen hat der Kläger am 09.12.2015 Klage erhoben. Er beruft sich auf die Urteile des BSG und meint, die darin für Bezieher von Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII entwickelten Grundsätze würden auch für Personen gelten, die – wie er – Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII erhielten. Er sei in der Lage, sich an den Haushaltstätigkeiten zu beteiligen, und er tue dies auch tatsächlich. Er räume beispielsweise die Spülmaschine ein und aus, er habe in den ihm in der Wohnung zugewiesenen Bereich selbst Staub zu saugen, auch beteilige er sich auf entsprechende Anweisung am Waschen und Bügeln der Wäsche und bereite auch Mahlzeiten zu.
Durch Teilanerkenntnis vom 9.08.2016 hat die Beklagte unter entsprechender Aufhebung der Bescheide vom 13.08.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2015 die Bescheide vom 15.01.2015 und 24.02.2015 dahin abgeändert, dass sie ab 01.02.2015 einen Heizkostenbedarf des Klägers von monatlich 49,75 EUR (statt 29,75 EUR) anerkennt; sie hat sich verpflichtet, dem Kläger für die Zeit vom 01.02. bis 31.12.2015 insoweit 220,00 EUR nachzuzahlen. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.08.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2015 und des Teilanerkenntnisses vom 09.08.2016 zu verurteilen, ihm unter entsprechender Abänderung der Bescheide vom 15.01.2015 und 24.02.2015 ab 01.02.2015 Hilfe zum Lebensunterhalt unter Zugrundelegung der Regelbedarfsstufe 1 zu bewilligen und ihm für die Zeit vom 01.02.2015 bis 31.12.2015 weitere 896,00 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass der Kläger der Regelbedarfsstufe 3 zuzuordnen sei. Sie hält die Rechtsprechung des BSG in den bekannten Urteilen für unzutreffend. Auch das BMAS folge der Auslegung des BSG zu den Regelbedarfsstufen nicht. Die Beklagte stützt sich hierfür auf eine rechtliche Bewertung des BMAS im Rundschreiben 2015/3 – Regelbedarfsstufe 3 vom 16.02.2015 (Az.: Vb1-56200), die sie im Verfahren vorgelegt hat.
Das Gericht hat unter Bezugnahme auf die "Bundesaufsichtliche Weisung gemäß Artikel 85 Absatz 3 GG - Weisung 2015/1 -" des BMAS vom 31.03.2015 (Az.: Vb1-50232-6) eine Anfrage an das BMAS gerichtet, ob diese Weisung auch auf Bezieher von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII anzuwenden sei. Das BMAS hat mit Schreiben vom 17.02.2016 geantwortet, dass sich die Weisung nicht auf das Dritte Kapitel, sondern nur auf das Vierte Kapitel SGB XII beziehe, weil das Vierte Kapitel SGB XII in Bundesauftragsverwaltung (Art 85 GG), wohingegen das Dritte Kapitel SGB XII von den Ländern als eigene Angelegenheit (Art 84 G) ausgeführt werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Zurecht hat die Beklagte eine über das angenommene Teilanerkenntnis vom 09.08.2016 hinausgehende Rücknahme gem. § 44 SGB X der Bescheide vom 15.01.2015 und 24.02.2015 abgelehnt, weil sie bei Erlass dieser Bescheide (abgesehen von dem durch das Teilanerkenntnis korrigierten Heizkostenbedarf) das Recht weder unrichtig angewandt hat noch von einem Sachverhalt ausgegangen ist, der sich als unrichtig erweist. Der Kläger hat für den hier allein streitbefangenen Zeitraum vom 01.02.2015 bis 31.12.2016 keinen Anspruch auf höhere Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhaltunter Zugrundelegung der Regelbedarfsstufe 1.
Grundlage für den Anspruch des Klägers sind die §§ 19 Abs. 1, 27 Nr. 1 und 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch Sozialhilfe (SGB XII). Danach erhalten dauerhaft voll erwerbsgeminderte Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen bestreiten können Hilfe zum Lebensunterhalt. Diese Voraussetzungen liegen in der Person des Klägers vor.
Die Höhe der dem Kläger zustehenden Leistungen richtet sich nach §§ 27a, 28 bis 29 SGB XII i.V.m. der Anlage zu § 28 SGB XII. Nach § 27a Abs. 1 SGB XII umfasst der für die Gewährleistung des Existenzminimums notwendige Lebensunterhalt insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile, persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens sowie Unterkunft und Heizung (Satz 1). Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft; dies gilt in besonderem Maß für Kinder und Jugendliche (Satz 2). Nach § 27a Abs. 2 SGB XII ergibt der gesamte notwendige Lebensunterhalt nach Absatz 1 mit Ausnahme der Bedarfe nach dem Zweiten bis Vierten Abschnitt den monatlichen Regelbedarf (Satz 1). Dieser ist in Regelbedarfsstufen unterteilt, die bei Kindern und Jugendlichen altersbedingte Unterschiede und bei erwachsenen Personen deren Anzahl im Haushalt sowie die Führung eines Haushalts berücksichtigen (Satz 2). § 27a Abs. 3 SGB XII bestimmt, dass zur Deckung der Regelbedarfe, die sich nach den Regelbedarfsstufen der Anlage zu § 28 ergeben, monatliche Regelsätze als Bedarf anzuerkennen sind (Satz 1). Der Regelsatz stellt einen monatlichen Pauschalbetrag zur Bestreitung des Regelbedarfs dar, über dessen Verwendung die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich entscheiden; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen (Satz 2). Die sich aus der Anlage zu § 28 SGB XII für erwachsene Leistungsberechtigte ergebenden Regelbedarfsstufen lauten: "Regelbedarfsstufe 1: Für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die als alleinstehende oder alleinerziehende Person einen eigenen Haushalt führt; dies gilt auch dann, wenn in diesem Haushalt eine oder mehrere weitere erwachsene Personen leben, die der Regelbedarfsstufe 3 zuzuordnen sind. Regelbedarfsstufe 2: Für jeweils zwei erwachsene Leistungsberechtigte, die als Ehegatten, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führen. Regelbedarfsstufe 3: Für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die weder einen eigenen Haushalt führt, noch als Ehegatte, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führt."
Nach diesen gesetzlichen Vorgaben ist der Kläger nicht der Regelbedarfsstufe 1, sondern der Regelbedarfsstufe 3 zuzuordnen. Der Kläger ist eine erwachsene leistungsberechtigte Person. Er erfüllt jedoch nicht die Voraussetzungen der Regelbedarfsstufe 1, denn er führt nicht als alleinstehende oder alleinerziehende Person "einen eigenen Haushalt".
Was ein "eigener Haushalt" ist, definiert das Gesetz nicht. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff lässt sich aber nach dem allgemeinen Sprachverständnis und einem Vergleich der gesetzlichen Beschreibungen der Regelbedarfsstufen 1, 2 und 3 begreifen. Leben mehrere erwachsene Personen zusammen in einem Haushalt und beteiligen sie sich – ggf. auch nur in ihren Fähigkeiten entsprechend geringem Umfang – an der Haushaltsführung, so führen sie einen "gemeinsamen Haushalt". So bestimmt es ausdrücklich die Regelbedarfsstufe 2 für jeweils zwei erwachsene Leistungsberechtigte, die als Ehegatten, Lebenspartner oder in eheähnlicher bzw. lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft leben. Leben mehr als zwei Personen – wie im vorliegenden – Fall zusammen, ohne zu den Personen nach der Regelbedarfsstufe 2 zu gehören, und beteiligen sie sich an der Haushaltsführung, so führen diese weiteren Personen nach Auffassung der Kammer nicht einen "eigenen Haushalt" (so aber: BSG, Urteil vom 23.07.2014 – B 8 SO 14/13 R; Urteil vom 24.03.2015 – B 8 SO 5/14 R). Vielmehr führen die zusammenlebenden Personen – wie die Personen der Regelbedarfsstufe 2 – einen "gemeinsamen Haushalt". Die logische Konsequenz der BSG-Rechtsprechung führte im Anwendungsbereich der Regelbedarfsstufen nach der Anlage zu § 28 SGB XII dazu, dass in den Fällen, in denen innerhalb eines Hauses eine erwachsene leistungsberechtigte Person und dessen (leistungsberechtigten) Eltern nicht in getrennten Wohneinheiten, sondern zusammen wohnen und haushalten, die Eltern einen "gemeinsamen Haushalt" (Regelbedarfsstufe 2) und die dritte Person (hier: der Kläger) einen "eigenen Haushalt" (Regelbedarfsstufe 1) führen würden. Diese Vorstellung ist mit den Begrifflichkeiten des Gesetzes nicht in Einklang zu bringen und im Übrigen lebensfremd.
Zwar wird in den Regelbedarfsstufen 1 bis 3 nicht ausdrücklich beschrieben, welcher Regelbedarfsstufe diese weiteren (nicht zur Regelbedarfsstufe 2 gehörenden) Personen zuzuordnen sind. Jedoch erschließt sich dies aus dem Sinn und Zweck der Regelbedarfsstufenregelung und dem Willen des Gesetzgebers. Sinn und Zweck der Regelbedarfsstufen ist es, "den gesamten notwendigen Lebensunterhalt" nach § 27a Abs. 1 SGB XII (mit Ausnahme der zusätzlichen Bedarfe nach §§ 30 bis 36 SGB XII) abzubilden und bei erwachsenen Personen deren Anzahl im Haushalt sowie die Führung eines Haushalts zu berücksichtigen (§ 27a Abs. 2 SGB XII). Der Gesetzgeber hat zur Regelbedarfsstufe 1 Folgendes ausgeführt (vgl. BT-Drucksache 17/4095, S. 39): "Die Regelbedarfsstufe 1 gilt für erwachsene Leistungsberechtigte, die als Alleinerziehende einen Einpersonenhaushalt führen oder als Alleinerziehende ohne eine weitere erwachsene Person einen eigenen Haushalt mit ihrem Kind beziehungsweise mit ihren Kindern führen." Zu einer Haushaltskonstellation, wie sie der Kläger seit Februar 2015 lebt, heißt es sodann: "Leben weitere erwachsene Personen im Haushalt der leistungsberechtigten Person, gilt für erstere Regelbedarfsstufe 1 nur dann, wenn für die weitere erwachsene Person oder gegebenenfalls die weiteren erwachsenen Personen Regelbedarfsstufe 3 gilt. Folglich wird an der im gleichen Recht als Haushaltsvorstand bezeichneten Funktion und der damit verbundenen Stellung im Haushalt außerhalb von Partnerkonstellationen (Regelbedarfsstufe 2) festgehalten." In dieser Haushaltskonstellation sind also alle erwachsenen Personen, die nicht Haushaltsvorstand sind und nicht zur Personengruppe der Regelbedarfsstufe 2 gehören, der Regelbedarfsstufe 3 zuzuordnen. Die demgegenüber vertretene Auslegung der im Gesetz verwandten Begriffe "eigener Haushalt" und "einen Haushalt führen" sowie seine Überlegungen zur "Eigenständigkeit" der Haushaltsführung durch das BSG im Urteil vom 24.03.2015 (B 8 SO 5/14 R, Rz. 15 und 19 ["juris"]) und zu dem – den Regelbedarfsstufenvorschriften unbekannten – Begriff eines "fremden" Haushalts im Urteil vom 23.07.2014 (B 8 SO 14/13 R, Rz. 19 ff. ["juris"]) lassen sich mit dem Sinn und Zweck der Regelbedarfsstufen und dem aus Gesetzesmaterialien ablesbaren, ausführlich dargelegten und erläuterten Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucksache 17/4095, S. 39 bis 41) nicht in Einklang bringen. Insoweit schließt sich erkennende Kammer der ausführlich begründeten überzeugenden Auffassung der 19. Kammer des SG Aachen im Urteil vom 27.11.2015 (S 19 SO 54/15) an.
Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände steht für die Kammer zweifelsfrei fest, dass der Kläger – auch wenn er sich in einem seinen Fähigkeiten entsprechendem geringen Umfang an der Haushaltsführung beteiligt, – nicht der Haushaltsvorstand ist. Er kann daher nach Wortlaut, Sinn und Zweck der Regelbedarfsstufen sowie der vom Gesetzgeber damit verfolgten Absicht nicht der Regelbedarfsstufe 1 zugeordnet werden. Da er nicht zur Personengruppe der Regelbedarfsstufe 2 gehört, fällt er in die Regelbedarfsstufe 3.
Die Kostenentscheidung beruht aus § 193 SGG. Da die Beklagte ein Teilanerkenntnis abgegeben hat, ist es sachgerecht, dass sie im Verhältnis des Obsiegens des Klägers im ein Fünftel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt.
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