Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 AS 361/16 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 415/16 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Einstweiliger Rechtsschutz gegen einen Eingliederungsverwaltungsakt
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 20.06.2016 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Eingliederungsverwaltungsaktes.
Die 1966 geborene Beschwerdeführerin (Bf), deren 1968 geborener Ehemann R. und die 2000 geborene Tochter leben in einer Bedarfsgemeinschaft.
Aufgrund des Antrags vom 17.02.2016 bewilligte der Beschwerdegegner (Bg) den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.02.2016 bis 31.01.2017.
Nach Antragstellung wurden mit der Bf. und deren Ehemann Verhandlungen über Eingliederungsvereinbarungen aufgenommen, die letztlich scheiterten. Daraufhin erließ der Bg gegenüber der Bf zunächst einen Eingliederungsverwaltungsakt mit Datum vom 01.04.2016, der auf Widerspruch der Bf. mit Abhilfebescheid vom 17.05.2016 aufgehoben wurde, da die Geltungsdauer der Eingliederungsverwaltungsaktes ohne Ermessenausübung auf drei Monate beschränkt worden war.
Mit Datum vom 23.05.2016 erließ der Bg. erneut einen Eingliederungsverwaltungsakt, der inhaltlich der gescheiterten Eingliederungsvereinbarung und dem aufgehobenen Eingliederungsverwaltungsakt vom 01.04.2016 entsprach. Der Eingliederungsverwaltungsakt bestimmte als Laufzeit nunmehr sechs Monate für die Zeit vom 23.05.2016 bis 22.11.2016. Als Ziel des Eingliederungsverwaltungsaktes wurde die Integration der Bf. auf den ersten Arbeitsmarkt angestrebt und dabei unter "1. Unterstützung durch Jobcenter im Landkreis A-Stadt" festgelegt, dass
- bei Vorlage der Anspruchsvoraussetzungen Leistungen nach dem SGB II bewilligt würden, - Hilfestellung bei der Erstellung von Bewerbungsschreiben, Beratungsangebot, Angebot von Vermittlungsvorschlägen, Trainingsmaßnahmen, Arbeitsgelegenheiten, je nachdem, ob diese/s Angebot/e für den Leistungsempfänger geeignet ist. Diese Eignung wird von dem persönlichen Ansprechpartner des Jobcenters beurteilt. - Zurverfügungstellung aussagekräftiger Bewerbungsunterlagen, - Unterstützung von Bewerbungsaktivitäten durch Übernahme nachgewiesener Kosten für schriftliche Bewerbungen soweit diese vorher beantragt wurden, -
- Unterstützung von Bewerbungsaktivitäten nach Maßgabe des § 16 Abs. 1 SGB II i. V. m. § 44 SGB III durch Übernahme von angemessenen nachgewiesenen Fahrkosten zu Vorstellungsgesprächen, sofern die Kostenübernahme vor Fahrtantritt beantragt wurde.
Im Gegenzug wurde unter "2. Bemühungen" als Pflichten der Bf. festgelegt:
- Bewerbung auf Vermittlungsvorschläge des Bg. innerhalb von drei Tagen nach Erhalt unter Unterrichtung des persönlichen Ansprechpartners beim Bg. in schriftlicher Form auf dem erhaltenen Vordruck über das Ergebnis Bewerbung. - Dokumentation der Eigenbemühungen. - Verpflichtung, Arbeitsunfähigkeit unverzüglich anzuzeigen und spätestens vor Ablauf des dritten Kalendertages nach Eintritt der AU eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit Angabe der Dauer vorzulegen. - Mitteilungspflichten im Hinblick auf Veränderungen.
In der Rechtsfolgenbelehrung wurde die Bf. darauf hingewiesen, dass Pflichtverstöße zu einer Minderung der Leistungen führen könnten. Zusätzlich enthielt der Bescheid "Wichtige Hinweise", die auf bestehende gesetzliche Pflichten der Bf hinwiesen, z.B. was den Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs anbetrifft.
Hiergegen legte die Bf. Widerspruch ein mit der Begründung, der Bescheid enthalte rechtwidrige Inhalte und verstoße gegen ihre Grundrechte, ohne dies weiter auszuführen. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 03.06.2016 als unbegründet zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Klage ist beim Sozialgericht Regensburg unter Az.: S 3 AS 364/16 anhängig.
Am 14.06.2014 beantragte die Bf. beim Sozialgericht Regensburg vorläufigen Rechtsschutz gegen den Eingliederungsverwaltungsakt. Der Verwaltungsakt verstoße gegen ihre Grundrechte aus Art. 1, 2, 11 und 12 des Grundgesetzes. Es handele sich um Zwangs- und Pflichtarbeit, die nach Art. 2 des ILO-Übereinkommens verboten sei. Insbesondere die verlangten Eigenbemühungen seien unzumutbar.
Mit Beschluss vom 20.06.2016 lehnte das Sozialgericht Regensburg den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Eingliederungsverwaltungsakt ab. Gründe, nach denen von dem vom Gesetzgeber intendierten Vorrang der sofortigen Vollziehbarkeit im Sinne des § 39 Nr. 1 SGB II abzuweichen wäre, seien nicht ersichtlich. Erhebliche Eingriffe abzuwehren oder gegenwärtige Notlagen zu vermeiden, gelte es nicht. Die der Bf. auferlegten Pflichten seien zumutbar, insbesondere die Pflicht, sich innerhalb von drei Tagen auf Vermittlungsvorschläge zu bewerben. Das Grundgesetz gebiete nicht die Gewährung voraussetzungsloser Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Deshalb bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die verlangten Eigenbemühungen im Eingliederungsverwaltungsakt. Die in den Hinweisen enthaltenen Mitteilungspflichten ergäben sich bereits aus § 60 SGB II.
Hiergegen hat die Bf. Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.
Eine aufgrund des Eingliederungsverwaltungsaktes drohende Sanktion mache die Bf. zu einer Geschädigten. Eine Sanktion sei eine unzulässige Kürzung des Geldes, das man zur Sicherstellung des Existenzminimums mindestens brauche. Deshalb verstoße jegliche Sanktion gegen die Verfassung. Mit Vorlagebeschluss vom 26.05.2015 Az.: S 15 AS 5157/14 habe das Sozialgericht Gotha "geurteilt, dass das gegen die Verfassung verstoße".
Der Bg. hält den Eingliederungsverwaltungsakt für rechtmäßig.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht entschieden, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mangels offenbarer Rechtswidrigkeit des Eingliederungsverwaltungsaktes abzulehnen ist.
Die Bf. begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Eingliederungsverwaltungsakt in der Fassung des Widerspruches gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG. Dieser Antrag ist statthaft, weil die Klage gegen den Eingliederungsverwaltungsakt gemäß § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung hat (vgl. BayLSG Beschluss vom 13.02.2015 L 7 AS 23/15 B ER Rz. 18).
Die Entscheidung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG erfolgt auf Grundlage einer Interessenabwägung. Abzuwägen sind private Interessen des Antragstellers, vom Vollzug des Verwaltungsaktes bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens verschont zu bleiben und das öffentliche Interesse an der Vollziehung der behördlichen Entscheidung.
Dabei ist die Bewertung des § 39 Nr. 1 SGB II zu berücksichtigen, wonach der Gesetzgeber aufgrund einer typisierenden Abwägung dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug prinzipiell Vorrang gegenüber entgegenstehenden privaten Interessen einräumt (BayLSG a. a. O. Rz. 19). Eine Abweichung von diesem Regel-Ausnahmeverhältnis kommt nur in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestehen oder wenn ausnahmsweise besondere private Interessen überwiegen (BayLSG a. a. O. Rz. 19). Bei der Interessenabwägung ist neben der Erfolgsaussichten in der Hauptsache von besonderer Bedeutung, ob eine Dringlichkeit für das im Eilverfahren geltend gemachte Begehren vorliegt.
Hier wendet sich die Bf. gegen den Sofortvollzug der Pflichten aus dem Eingliederungsverwaltungsakt. Sie will wissen, ob sie Pflichten Folge leisten muss oder bei Missachtung der Pflichten Sanktionen nach §§ 31 ff. SGB II riskiert.
Wenn der Betroffene bereits gegen die Pflichten aus dem Eingliederungsverwaltungsakt verstoßen hat, begehrt er vorbeugenden Rechtsschutz gegen eine mögliche Sanktion. Er begehrt dann vorbeugenden Rechtsschutz (vgl. BayLSG Beschluss vom 24.06.2014 L 7 AS 446/14 B ER). Dafür ist ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse erforderlich, das insbesondere beinhaltet, dass der Betroffene nicht auf nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann (BayLSG a.a.O.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 09.11.2015, 1 BvR 3460/13).
Wenn eine Betroffene - wie hier - nicht erkennbar gegen die ihr auferlegten Pflichten verstößt bzw. verstoßen hat, macht sie nicht nur vorbeugenden Rechtsschutz gegen eine künftige mögliche Sanktion geltend. Sie wendet sich zunächst gegen die aktuelle Verpflichtung zu einem bestimmten Verhalten. Dahinter steht faktisch hier auch die Frage, ob die Bf. als Betroffene in Ruhe gegen die auferlegten Pflichten verstoßen kann oder mit einer Sanktion rechnen muss, wenn sie die Pflichten nicht mehr erfüllt. Insoweit besteht ein Rechtsschutzinteresse (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.11.2015, 1 BvR 3460/13).
Für die Begründetheit eines solchen Antrags muss ersichtlich sein, dass die durch den Eingliederungsverwaltungsakt auferlegten Pflichten bereits jetzt auf Eis gelegt werden müssen, um einen erheblichen rechtswidrigen Eingriff oder eine gegenwärtige Notlage zu vermeiden. Es ist zu prüfen, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Eingliederungsverwaltungsaktes bestehen und zugleich eine Dringlichkeit vorliegt (BayLSG Beschluss vom 13.02.2015 L 7 AS 23/15 B ER Rz. 22).
Eine derartige Situation besteht hier nicht: Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Eingliederungsverwaltungsaktes. Auch eine besondere Dringlichkeit ist nicht erkennbar. Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung ist ausgehend von der gesetzlichen Wertung dem Vollzugsinteresse der Vorrang einzuräumen.
Der Bg. konnte einen Eingliederungsverwaltungsakt erlassen, da die Bf. nicht bereit war, eine Eingliederungsvereinbarung zu unterzeichnen.
Die Verpflichtung, innerhalb von drei Tagen sich auf einen Vermittlungsvorschlag zu bewerben, ist der Bf. auch zumutbar (BayLSG Urteil vom 30.04.2015 L 7 AS 806/14), da hier keine Umstände ersichtlich sind oder vorgetragen wurden, dass die Bf. hierzu nicht in der Lage wäre. Der Bf. hat insoweit auf die individuelle Situation der Bf. hinreichend Rücksicht genommen.
Der Eingliederungsverwaltungsakt ist auch nicht deshalb offensichtlich rechtswidrig, weil den der Bf. mit dem Eingliederungsverwaltungsakt auferlegten Pflichten keine angemessene Bestimmung von Leistungen zur Eingliederung von Arbeit nach § 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II gegenüberstünden (vgl. hierzu BSG Urteile vom 23.06.2016 B 14 AS 30/15 R und B 14 AS 42/15 R). Die im Eingliederungsverwaltungsakt enthaltenen Zusagen des Bg. sind auf die individuelle Bedarfslage insoweit zugeschnitten, als der Bf. zur Erfüllung ihrer Pflichten ein persönlicher Ansprechpartner zugesichert wurde. Eine Ausübung pflichtgemäßen Ermessens war im Eingliederungsverwaltungsakt deshalb nicht mehr notwendig (BSG Urteil vom 23.06.2016 B 14 AS 42/15 R).
Zu Recht enthält die Rechtsfolgenbelehrung den Hinweis auf die Möglichkeit von Sanktionen bei Pflichtverstößen. Sanktionen sind grundsätzlich nicht verfassungswidrig (BSG Urteil vom 29.04.2015 B 14 AS 19/14 R Rz 50 ff.). Der Hinweis der Bf. auf den Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Gotha geht ins Leere, nachdem das Bundesverfassungsgericht die Vorlage nicht zur Entscheidung angenommen hat (BVerfG Beschluss vom 06.05.2016, 1 BvL 7/15).
Im Ergebnis ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und der Erwägung, dass die Bf. mit ihrem Begehren erfolglos blieb.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Eingliederungsverwaltungsaktes.
Die 1966 geborene Beschwerdeführerin (Bf), deren 1968 geborener Ehemann R. und die 2000 geborene Tochter leben in einer Bedarfsgemeinschaft.
Aufgrund des Antrags vom 17.02.2016 bewilligte der Beschwerdegegner (Bg) den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.02.2016 bis 31.01.2017.
Nach Antragstellung wurden mit der Bf. und deren Ehemann Verhandlungen über Eingliederungsvereinbarungen aufgenommen, die letztlich scheiterten. Daraufhin erließ der Bg gegenüber der Bf zunächst einen Eingliederungsverwaltungsakt mit Datum vom 01.04.2016, der auf Widerspruch der Bf. mit Abhilfebescheid vom 17.05.2016 aufgehoben wurde, da die Geltungsdauer der Eingliederungsverwaltungsaktes ohne Ermessenausübung auf drei Monate beschränkt worden war.
Mit Datum vom 23.05.2016 erließ der Bg. erneut einen Eingliederungsverwaltungsakt, der inhaltlich der gescheiterten Eingliederungsvereinbarung und dem aufgehobenen Eingliederungsverwaltungsakt vom 01.04.2016 entsprach. Der Eingliederungsverwaltungsakt bestimmte als Laufzeit nunmehr sechs Monate für die Zeit vom 23.05.2016 bis 22.11.2016. Als Ziel des Eingliederungsverwaltungsaktes wurde die Integration der Bf. auf den ersten Arbeitsmarkt angestrebt und dabei unter "1. Unterstützung durch Jobcenter im Landkreis A-Stadt" festgelegt, dass
- bei Vorlage der Anspruchsvoraussetzungen Leistungen nach dem SGB II bewilligt würden, - Hilfestellung bei der Erstellung von Bewerbungsschreiben, Beratungsangebot, Angebot von Vermittlungsvorschlägen, Trainingsmaßnahmen, Arbeitsgelegenheiten, je nachdem, ob diese/s Angebot/e für den Leistungsempfänger geeignet ist. Diese Eignung wird von dem persönlichen Ansprechpartner des Jobcenters beurteilt. - Zurverfügungstellung aussagekräftiger Bewerbungsunterlagen, - Unterstützung von Bewerbungsaktivitäten durch Übernahme nachgewiesener Kosten für schriftliche Bewerbungen soweit diese vorher beantragt wurden, -
- Unterstützung von Bewerbungsaktivitäten nach Maßgabe des § 16 Abs. 1 SGB II i. V. m. § 44 SGB III durch Übernahme von angemessenen nachgewiesenen Fahrkosten zu Vorstellungsgesprächen, sofern die Kostenübernahme vor Fahrtantritt beantragt wurde.
Im Gegenzug wurde unter "2. Bemühungen" als Pflichten der Bf. festgelegt:
- Bewerbung auf Vermittlungsvorschläge des Bg. innerhalb von drei Tagen nach Erhalt unter Unterrichtung des persönlichen Ansprechpartners beim Bg. in schriftlicher Form auf dem erhaltenen Vordruck über das Ergebnis Bewerbung. - Dokumentation der Eigenbemühungen. - Verpflichtung, Arbeitsunfähigkeit unverzüglich anzuzeigen und spätestens vor Ablauf des dritten Kalendertages nach Eintritt der AU eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit Angabe der Dauer vorzulegen. - Mitteilungspflichten im Hinblick auf Veränderungen.
In der Rechtsfolgenbelehrung wurde die Bf. darauf hingewiesen, dass Pflichtverstöße zu einer Minderung der Leistungen führen könnten. Zusätzlich enthielt der Bescheid "Wichtige Hinweise", die auf bestehende gesetzliche Pflichten der Bf hinwiesen, z.B. was den Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs anbetrifft.
Hiergegen legte die Bf. Widerspruch ein mit der Begründung, der Bescheid enthalte rechtwidrige Inhalte und verstoße gegen ihre Grundrechte, ohne dies weiter auszuführen. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 03.06.2016 als unbegründet zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Klage ist beim Sozialgericht Regensburg unter Az.: S 3 AS 364/16 anhängig.
Am 14.06.2014 beantragte die Bf. beim Sozialgericht Regensburg vorläufigen Rechtsschutz gegen den Eingliederungsverwaltungsakt. Der Verwaltungsakt verstoße gegen ihre Grundrechte aus Art. 1, 2, 11 und 12 des Grundgesetzes. Es handele sich um Zwangs- und Pflichtarbeit, die nach Art. 2 des ILO-Übereinkommens verboten sei. Insbesondere die verlangten Eigenbemühungen seien unzumutbar.
Mit Beschluss vom 20.06.2016 lehnte das Sozialgericht Regensburg den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Eingliederungsverwaltungsakt ab. Gründe, nach denen von dem vom Gesetzgeber intendierten Vorrang der sofortigen Vollziehbarkeit im Sinne des § 39 Nr. 1 SGB II abzuweichen wäre, seien nicht ersichtlich. Erhebliche Eingriffe abzuwehren oder gegenwärtige Notlagen zu vermeiden, gelte es nicht. Die der Bf. auferlegten Pflichten seien zumutbar, insbesondere die Pflicht, sich innerhalb von drei Tagen auf Vermittlungsvorschläge zu bewerben. Das Grundgesetz gebiete nicht die Gewährung voraussetzungsloser Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Deshalb bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die verlangten Eigenbemühungen im Eingliederungsverwaltungsakt. Die in den Hinweisen enthaltenen Mitteilungspflichten ergäben sich bereits aus § 60 SGB II.
Hiergegen hat die Bf. Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.
Eine aufgrund des Eingliederungsverwaltungsaktes drohende Sanktion mache die Bf. zu einer Geschädigten. Eine Sanktion sei eine unzulässige Kürzung des Geldes, das man zur Sicherstellung des Existenzminimums mindestens brauche. Deshalb verstoße jegliche Sanktion gegen die Verfassung. Mit Vorlagebeschluss vom 26.05.2015 Az.: S 15 AS 5157/14 habe das Sozialgericht Gotha "geurteilt, dass das gegen die Verfassung verstoße".
Der Bg. hält den Eingliederungsverwaltungsakt für rechtmäßig.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht entschieden, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mangels offenbarer Rechtswidrigkeit des Eingliederungsverwaltungsaktes abzulehnen ist.
Die Bf. begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Eingliederungsverwaltungsakt in der Fassung des Widerspruches gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG. Dieser Antrag ist statthaft, weil die Klage gegen den Eingliederungsverwaltungsakt gemäß § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung hat (vgl. BayLSG Beschluss vom 13.02.2015 L 7 AS 23/15 B ER Rz. 18).
Die Entscheidung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG erfolgt auf Grundlage einer Interessenabwägung. Abzuwägen sind private Interessen des Antragstellers, vom Vollzug des Verwaltungsaktes bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens verschont zu bleiben und das öffentliche Interesse an der Vollziehung der behördlichen Entscheidung.
Dabei ist die Bewertung des § 39 Nr. 1 SGB II zu berücksichtigen, wonach der Gesetzgeber aufgrund einer typisierenden Abwägung dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug prinzipiell Vorrang gegenüber entgegenstehenden privaten Interessen einräumt (BayLSG a. a. O. Rz. 19). Eine Abweichung von diesem Regel-Ausnahmeverhältnis kommt nur in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestehen oder wenn ausnahmsweise besondere private Interessen überwiegen (BayLSG a. a. O. Rz. 19). Bei der Interessenabwägung ist neben der Erfolgsaussichten in der Hauptsache von besonderer Bedeutung, ob eine Dringlichkeit für das im Eilverfahren geltend gemachte Begehren vorliegt.
Hier wendet sich die Bf. gegen den Sofortvollzug der Pflichten aus dem Eingliederungsverwaltungsakt. Sie will wissen, ob sie Pflichten Folge leisten muss oder bei Missachtung der Pflichten Sanktionen nach §§ 31 ff. SGB II riskiert.
Wenn der Betroffene bereits gegen die Pflichten aus dem Eingliederungsverwaltungsakt verstoßen hat, begehrt er vorbeugenden Rechtsschutz gegen eine mögliche Sanktion. Er begehrt dann vorbeugenden Rechtsschutz (vgl. BayLSG Beschluss vom 24.06.2014 L 7 AS 446/14 B ER). Dafür ist ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse erforderlich, das insbesondere beinhaltet, dass der Betroffene nicht auf nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann (BayLSG a.a.O.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 09.11.2015, 1 BvR 3460/13).
Wenn eine Betroffene - wie hier - nicht erkennbar gegen die ihr auferlegten Pflichten verstößt bzw. verstoßen hat, macht sie nicht nur vorbeugenden Rechtsschutz gegen eine künftige mögliche Sanktion geltend. Sie wendet sich zunächst gegen die aktuelle Verpflichtung zu einem bestimmten Verhalten. Dahinter steht faktisch hier auch die Frage, ob die Bf. als Betroffene in Ruhe gegen die auferlegten Pflichten verstoßen kann oder mit einer Sanktion rechnen muss, wenn sie die Pflichten nicht mehr erfüllt. Insoweit besteht ein Rechtsschutzinteresse (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.11.2015, 1 BvR 3460/13).
Für die Begründetheit eines solchen Antrags muss ersichtlich sein, dass die durch den Eingliederungsverwaltungsakt auferlegten Pflichten bereits jetzt auf Eis gelegt werden müssen, um einen erheblichen rechtswidrigen Eingriff oder eine gegenwärtige Notlage zu vermeiden. Es ist zu prüfen, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Eingliederungsverwaltungsaktes bestehen und zugleich eine Dringlichkeit vorliegt (BayLSG Beschluss vom 13.02.2015 L 7 AS 23/15 B ER Rz. 22).
Eine derartige Situation besteht hier nicht: Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Eingliederungsverwaltungsaktes. Auch eine besondere Dringlichkeit ist nicht erkennbar. Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung ist ausgehend von der gesetzlichen Wertung dem Vollzugsinteresse der Vorrang einzuräumen.
Der Bg. konnte einen Eingliederungsverwaltungsakt erlassen, da die Bf. nicht bereit war, eine Eingliederungsvereinbarung zu unterzeichnen.
Die Verpflichtung, innerhalb von drei Tagen sich auf einen Vermittlungsvorschlag zu bewerben, ist der Bf. auch zumutbar (BayLSG Urteil vom 30.04.2015 L 7 AS 806/14), da hier keine Umstände ersichtlich sind oder vorgetragen wurden, dass die Bf. hierzu nicht in der Lage wäre. Der Bf. hat insoweit auf die individuelle Situation der Bf. hinreichend Rücksicht genommen.
Der Eingliederungsverwaltungsakt ist auch nicht deshalb offensichtlich rechtswidrig, weil den der Bf. mit dem Eingliederungsverwaltungsakt auferlegten Pflichten keine angemessene Bestimmung von Leistungen zur Eingliederung von Arbeit nach § 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II gegenüberstünden (vgl. hierzu BSG Urteile vom 23.06.2016 B 14 AS 30/15 R und B 14 AS 42/15 R). Die im Eingliederungsverwaltungsakt enthaltenen Zusagen des Bg. sind auf die individuelle Bedarfslage insoweit zugeschnitten, als der Bf. zur Erfüllung ihrer Pflichten ein persönlicher Ansprechpartner zugesichert wurde. Eine Ausübung pflichtgemäßen Ermessens war im Eingliederungsverwaltungsakt deshalb nicht mehr notwendig (BSG Urteil vom 23.06.2016 B 14 AS 42/15 R).
Zu Recht enthält die Rechtsfolgenbelehrung den Hinweis auf die Möglichkeit von Sanktionen bei Pflichtverstößen. Sanktionen sind grundsätzlich nicht verfassungswidrig (BSG Urteil vom 29.04.2015 B 14 AS 19/14 R Rz 50 ff.). Der Hinweis der Bf. auf den Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Gotha geht ins Leere, nachdem das Bundesverfassungsgericht die Vorlage nicht zur Entscheidung angenommen hat (BVerfG Beschluss vom 06.05.2016, 1 BvL 7/15).
Im Ergebnis ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und der Erwägung, dass die Bf. mit ihrem Begehren erfolglos blieb.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
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