L 16 RJ 56/97

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 28 RJ 947/96
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 RJ 56/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. Juni 1997 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob dem Kläger ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung zusteht.

Der 1950 geborene Kläger begann 1966 mit einer Ausbildung zum Isolierer, die er nach zwei Monaten abbrach. Seit September 1966 steht der Kläger in einem Beschäftigungsverhältnis zu dem Land Berlin - Bezirksamt Schöneberg von Berlin. Er war zunächst als Gartenarbeiter und ab Juli 1983 als Bürobote tätig. Seit dem 8. Juni 1992 ist er arbeitsunfähig krank; das Arbeitsverhältnis besteht noch. Der Kläger war zuletzt - ab dem 1. Oktober 1990 - in die Vergütungsgruppe 3 Fallgruppe 3 des Berliner Bezirkstarifvertrages (BTV) Nr. 2 zum Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G) eingruppiert.

Der Kläger ist als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 anerkannt (Abhilfebescheid des Versorgungsamtes I Berlin vom 14. Oktober 1993).

Der Kläger, der vom 5. November 1991 bis zum 13. Dezember 1991 eine Rehabilitationsmaßnahme in der Kurklinik Lautergrund in Schwalbach durchgeführt hatte, stellte im August 1992 einen Rentenantrag bei der Beklagten und nahm insbesondere auf Kniegelenksbeschwerden Bezug; im Dezember 1990 war eine Operation des linken Kniegelenks (Hernioplastik nach Bassini) im St. Joseph Krankenhaus I Berlin durchgeführt worden. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch den Orthopäden Dr. M. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 2. Dezember 1992 fest, das linke Kniegelenk des Klägers sei überhaupt noch nicht belastbar. Er empfahl eine Berentung auf Zeit.

Mit Bescheid vom 12. März 1993 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit vom 1. November 1992 bis zum 31. Dezember 1994. Auf den Weitergewährungsantrag des Klägers zog die Beklagte einen das linke Knie betreffenden CT-Befund (Prof. Dr. W. vom 1. Juni 1994) bei und veranlasste ein Gutachten des Chirurgen Dr. M. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 11. Oktober 1994 bei dem Kläger folgende Leiden fest:

Artralgien beider Kniegelenke bei beginnender Arthrose, Zustand nach Operation nach Bandi linkes Kniegelenk (1992),
Dorsolumbalgien bei degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule,
Krampfadern an beiden Beinen, Zustand nach Krampfader-Operation rechts und links.

Dr. M. gelangte zu der Einschätzung, der Kläger könne leichte Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten unter Vermeidung von Zwangshaltungen vollschichtig verrichten.

Mit Bescheid vom 9. November 1994 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit ab.

Ab dem 2. Januar 1995 bezog der Kläger Krankengeld bis zur Aussteuerung am 18. Dezember 1995. Ein mit Wirkung vom 19. Dezember 1995 gestellter Antrag des Klägers auf Arbeitslosengeld blieb erfolglos (Bescheid und Widerspruchsbescheid des Arbeitsamtes II Berlin vom 21. Dezember 1995 und 7. Februar 1996), da die Verfügbarkeit des Klägers aus gesundheitlichen Gründen als nicht gegeben angesehen wurde. Seit dem 4. Januar 1996 steht der Kläger im Sozialhilfebezug. Ein weiterer Antrag auf Arbeitslosengeld vom 1. September 1997, dem ein Attest des Orthopäden J. vom 17. September 1997 beigefügt war, wonach der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als arbeitsfähig anzusehen sei, wurde mit Bescheid des Arbeitsamtes Berlin-Süd vom 22. September 1997 mit der Begründung abgelehnt, der Kläger erfülle nicht die Anwartschaftszeit.

Gegen den Bescheid der Beklagten vom 9. November 1994 wandte der Kläger mit seinem Widerspruch ein, er sei nur unzureichend begutachtet worden. Er legte Atteste von Dr. M. vom 5. Dezember 1994 und Dr. L. vom 8. Dezember 1994 vor. Die Beklagte zog einen Arthroskopiebefund des Orthopäden W. vom 8. Februar 1995, CT-Befunde der Praxis Dr. D. u.a. vom 28. März 1995 und ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung - Arzt B. - vom 4. April 1995 bei. Die Beklagte veranlasste dann ein weiteres Gutachten durch die Internistin Dr. P. Dr. P. gelangte in dem Gutachten vom 23. August 1995 bei unwesentlich veränderten Diagnosen und unveränderter Leistungseinschätzung im Vergleich zum Gutachten von Dr. M. zu dem Ergebnis, dem Kläger seien Rehabilitationsmaßnahmen vorzuschlagen. Diese wurden vom 30. Januar 1996 bis zum 27. Februar 1996 in der Bückeburg Klink in Bad Eilsen durchgeführt. Übergangsgeld wurde dazu nicht gewährt. Im Entlassungsbericht der Bückeburg Klinik vom 28. Februar 1996 wurden folgende Diagnosen gestellt:

Beginnende Retropatellararthrose beidseits,
links Verlagerung der Tuberositas tibiae nach Bandi/Elmslie,
chronische Lumbalgie bei Bandscheibenprotrusio und degenerativen Veränderungen L 4/5 und L5/S1,
postthrombotisches Syndrom,
vegetative Dystonie.

Die behandelnden Ärzte gaben die Einschätzung ab, der Kläger könne leichte Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten vollschichtig verrichten. Der Kläger wurde als arbeitsunfähig entlassen.

Mit Bescheid vom 5. Juni 1996 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger könne nach den gutachterlichen Feststellungen leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes, die ihm sozial zumutbar seien, vollschichtig verrichten.

Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, sein Leistungsvermögen werde zu günstig eingeschätzt. Er hat Atteste des Orthopäden J. vom 9. Januar 1996 und vom 23. April 1996, einen Arztbericht des Gefäßchirurgen Dr. P. vom 10. Januar 1996 und einen Röntgen- und Phlebographiebericht vom 28. November 1995 der Praxis Dr. M. u.a. eingereicht. Das Sozialgericht (SG) hat Befundberichte der behandelnden Internistin Dr. D. vom 11. September 1996, der Ärztin T. vom 13. September 1996, des Orthopäden J. vom 17. September 1996 und des Orthopäden W. von Oktober 1996 eingeholt. Ferner hat es ein Gutachten des Ärztlichen Dienstes des Arbeitsamtes - Frau Dr. I. - vom 30. März 1993 beigezogen. Das SG hat dann den Chirurgen und Gefäßchirurgen Dr. M. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Wegen des Ergebnisses wird auf das Gutachten von Dr. M. vom 1. April 1997 Bezug genommen. Der Kläger hat zu diesem Gutachten nochmals Stellung genommen und eine ärztliche Stellungnahme seines Hausarztes Dr. D. vom 28. April 1997 eingereicht, in der sich Dr. D. mit dem Gutachten auseinandersetzt.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 3. Juni 1997 abgewiesen. Das berufliche Leistungsvermögen des Klägers sei so einzuschätzen, wie von Dr. M. überzeugend festgestellt. Danach könne der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, auf den er nach seinem bisherigen Beruf als Bürobote verweisbar sei, noch vollschichtig tätig sein.

Mit seiner Berufung macht der Kläger geltend, die bestehenden Leistungseinschränkungen seien weitaus gravierender als von Dr. M. geschildert. Insbesondere sei seit der Zeitrentengewährung keine Verbesserung des Gesundheitszustandes eingetreten. Stützstrumpfe, die nach den Ausführungen des Gutachters eine Linderung seiner Gefäßerkrankungen bewirken könnten, könne er nicht tragen, da sie zu erheblichen Allergien führten. Überdies hielten seine behandelnden Ärzte eine derartige Therapie nicht für angezeigt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. Juni 1997 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. November 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. Juni 1996 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis zum 27. Februar 1996 Übergangsgeld und ab 28. Februar 1996 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

Im Berufungsverfahren ist ein Arztbericht der Praxis Dres. R. und B. (Kardiovascular - und Ultraschalldiagnostik) vom 18./26. August 1997 beigezogen worden. Ferner sind Befundberichte von Dr. D. vom 5. November 1997 und von dem Orthopäden J. vom 6. November 1997 eingeholt worden. Der Arzt für Chirurgie - Gefäßchirurg/Phlebologe - Dr. K. ist mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt worden. Wegen des Ergebnisses wird auf das Gutachten vom 21. Januar 2000 Bezug genommen. Nachdem der Kläger ein weiteres Attest des Orthopäden J. vom 30. März 2000 vorgelegt hatte, ist eine weitere Stellungnahme von Dr. K. eingeholt worden. Auf diese Stellungnahme vom 8. Mai 2000 wird ebenfalls Bezug genommen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Die Akte der Beklagten nebst Rehabilitationsakte sowie die Leistungsakte des Arbeitsamtes Berlin-Süd, die Sozialhilfe- und Personalakten - 3 Bde. - sowie ein Aktenvorgang der Betriebskrankenkasse Berlin haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung von Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit, da er nicht erwerbsunfähig oder berufsunfähig ist.

Erwerbsunfähig sind nach § 44 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 630,- DM übersteigt. Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 44 Abs. 2 Satz 2 Nr.2 SGB VI). Die Regelung des zweiten Halbsatzes der Nr. 2 ist durch Gesetz vom 2. Mai 1996 (BGBl. I S. 659) eingefügt worden und beinhaltet nur eine Klarstellung der bisherigen Rechtslage.

Da der Kläger - wie noch darzulegen sein wird - über ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Arbeiten verfügt, sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Denn er kann regelmäßig einer achtstündigen Erwerbstätigkeit nachgehen und damit auf dem Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland mehr als 630,- DM erzielen. Bezüglich der Beurteilung des Leistungsvermögens des Klägers folgt der Senat den vorliegenden Sachverständigengutachten, insbesondere den Ausführungen des Gefäßchirurgen Dr. K. Dessen Gutachten dokumentiert eine sorgfältige Meinungsbildung nach umfassender Untersuchung, wobei die Begründung der Ergebnisse schlüssig und nachvollziehbar aus den mitgeteilten Befunden hergeleitet wird.

Dr. K. hat bei dem Kläger folgende Leiden festgestellt:

1) Postthrombotisches Syndrom linkes Bein mit chronisch - venöser Insuffizienz II. Grades nach Widmer.
2) Primäre Varisosis beidseits mit Rezidiv-Varicosis beidseits bei Zustand nach Exhairese der V. saphena magna beidseits.
3) Gonarthrose beidseits nach Zustand nach Elsmlie-Bandi-Operation links 1992.
4) Schulter-Arm-Syndrom rechts.
5) Chronische Lumbalgie bei Bandscheibenprotrusion L5/S1.

Zu 1) und 2) stellt Dr. K. die Krankengeschichte dar und führt aus, im Untersuchungszeitpunkt habe im Bereich des rechten Beines keine Insuffizienz des tieferen Beinvenensystems bestanden. Es lag eine mäßiggradige ausgeprägte Seitenastvaricosis mit Insuffizienz in bestimmten Bereichen vor. Im Bereich des linken Beines war durch eine farbcodierte Duplexsonographie eine Insuffizienz des tiefen Beinvenensystems nachweisbar. Im Bereich beider Beine fand sich eine Hyperpigmentierung im Bereich der Unterschenkel; Ödeme waren im Bereich beider Unterschenkel nicht nachweisbar. Die aus diesem Leidenskomplex resultierenden Beschwerden - können nach Einschätzung von Dr. K. durch konsequente Kompressionstherapie gelindert werden. Die operative Ausschaltung insuffizienter Venen trete in ihrer Wirksamkeit demgegenüber zurück.

Zu 3) führt Dr. K. aus, die technischen Untersuchungsmethoden zeigten übereinstimmend gonarthrotische Veränderungen im Bereich beider Kniegelenke, links stärker als rechts; dieser Befund sei auch im Rahmen der körperlichen Untersuchung (Gelenkreiben und -knacken) nachweisbar.

Zu 4) fand Dr. K. in den Röntgenaufnahmen keine Auffälligkeiten der abgebildeten Knochenstrukturen. In der klinischen Untersuchung war die Beweglichkeit des Schultergelenks lediglich endgradig eingeschränkt.

Zu 5) führt Dr. K. aus, eine Bandscheibenprotrusion im Segment L 5/S 1 sei computertomographisch nachgewiesen. Die Röntgenaufnahmen der Lendenwirbelsäule zeigten deutliche degenerative Veränderungen vor allem im Bereich der Lendenwirbelsegmente L 2 bis L 5. Die Bewegungsabläufe, die im Rahmen der Untersuchung zu beobachten gewesen seien, seien zügig und flüssig gewesen, die Rotationsfähigkeit und die Seitenneigungsfähigkeit der Gesamtwirbelsäule seien lediglich endgradig eingeschränkt gewesen.

Nach den weiteren Ausführungen von Dr. K. folgen aus den von ihm festgestellten Leiden qualitative Einschränkungen des beruflichen Leistungsvermögens des Klägers. Der Kläger könne nur noch leichte Arbeiten - Heben und Bewegen von Lasten bis zu 15 kg - im Wechsel der Haltungsarten verrichten, wobei das Gehen gegenüber dem (jeweils) stundenweise möglichen Stehen und Gehen überwiegen solle. Zu diesen bereits aufgrund des Krampfaderleidens begründeten Einschränkungen kommen aus orthopädischer Sicht die Einschränkungen hinzu, dass keine Arbeiten im Freien unter Kälte, Feuchtigkeit und Zuglufteinfluss, keine Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten, mit wiederkehrenden Zwangshaltungen, an laufenden Maschinen oder am Fliessband sowie Arbeiten, die auf der Belastbarkeit der Arme beruhten, zumutbar seien.

Diese Einschätzung, die mit der Feststellung einhergeht, bei Beachtung der Einschränkungen ständen einer vollschichtigen Tätigkeit gesundheitliche Gründe nicht entgegen, überzeugt aus den genannten Gründen, wobei noch hervorzuheben ist, dass Dr. K. die Krankengeschichte und die Beschwerdeschilderung des Klägers umfassend erhoben und erkennbar sorgfältig ausgewertet hat; hierzu ist insbesondere auf die Ausführungen zur Kompressionsstrumpftherapie (Antwort zur 2. Zusatzfrage) zu verweisen. Zudem beruht die Beurteilung auf aktuell erhobenen Befunden: auch die von Dr. K. für notwendig gehaltenen operativen Zusatzuntersuchungen wurden durchgeführt, wobei die insoweit gewonnenen Ergebnisse zu den darüber hinaus aus ärztlicher Sicht erheblichen Erkenntnissen in Bezug gesetzt werden (wie dies etwa durch die Einbeziehung der Beobachtungen zu den Bewegungsabläufen deutlich wird - Blatt 17/18 des Gutachtens). Es kommt hinzu, dass die von Dr. K. dargelegten Einschränkungen nachvollziehbar mit den festgestellten gesundheitlichen Defiziten korrespondieren und insoweit differenziert aus der jeweiligen Funktionseinschränkung die berufliche Leistungseinschränkung hergeleitet wird. So werden die Einschränkungen bezüglich der Haltungsarten dem Krampfaderleiden zugeordnet. Aus den verschiedenen orthopädischen Leiden werden detailliert bestimmte Leistungseinschränkungen gefolgert, beispielsweise aus dem Leiden zu 3) der Ausschluss bestimmter Zwangshaltungen (vgl. Bl. 16 des Gutachtens). Außerdem verstärkt es die Überzeugungskraft des Gutachtens von Dr. K., dass zu den Feststellungen von Dr. M., die ebenfalls auf einer ausführlichen und fachkundigen Untersuchung beruhen, keine wesentlichen Widersprüche auftreten. Den kritischen Anmerkungen zum Gutachten, die der Schriftsatz des Bevollmächtigten des Klägers vom 26. April 2000 enthält, ist Dr. K. in seiner Äußerung vom 8. Mai 2000 überzeugend entgegengetreten, in dem er (im Vortrag des Klägers bestehende) begriffliche Ungenauigkeiten klärt und die erhobenen Befunde bestätigt und in Abgrenzung zu dem Attest des Orthopäden J. vom 30. März 2000 nochmals bewertend erläutert hat.

Die festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen sind nicht so beschaffen, dass sie einem Arbeitseinsatz des Klägers auf dem weiten Feld des allgemeinen Arbeitsmarktes entgegenstünden. Eine derartige Fallgestaltung (sogenannte Katalogfälle), in der trotz vollschichtiger Leistungsfähigkeit im Einzelfall geprüft werden muss, ob Arbeitsplätze vorhanden sind (vgl. dazu BSG - Großer Senat - SozR 3-2600 § 44 Nr. 2), liegt nicht vor. Auch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (dazu BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 17), die zumindest die Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit notwendig machen würde, ist nicht gegeben. Dies könnte allenfalls erwogen werden, wenn bezüglich mehrerer Leistungsmerkmale Einschränkungen vorlägen, die zwar für sich genommen noch nicht die Feststellung rechtfertigten, das berufliche Leistungsvermögen sei aufgehoben, in der Gesamtschau aber geeignet sein könnten, eine solche Einschätzung zu begründen. Derartige Verhältnisse bestehen nicht. Weder im Bereich der körperlichen noch im Bereich der geistigen Einschränkungen sind Leistungsdefizite festzustellen, die nahelegen würden, dass kein am Arbeitsmarkt verwertbares Restleistungsvermögen mehr vorhanden ist. Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass im Bereich der geistigen Leistungsfähigkeit und der Anforderungen an die Sinne beim Kläger keinerlei Einschränkungen festgestellt worden sind. Bezüglich der körperlichen Leistungsfähigkeit ist das Heben und Bewegen von Lasten nicht „grenzwertig" (auf 5 bis 10 kg) eingeschränkt. Der Kläger ist auch nicht von einer Haltungsart ausgeschlossen und darauf angewiesen, (dauerhaft) eine bestimmte Haltungsart einzunehmen. Ebenso wenig ist die Notwendigkeit gegeben, die Haltungsart nach freiem Entschluss zu wechseln. Zudem erfordern die bezüglich der Haltungsart von Dr. Klumpp festgestellten Beschränkungen keinen nach den individuellen Bedürfnissen des Klägers ausgerichteten oder auch nur im Hinblick auf Dauer und Häufigkeit der Wechselnotwendigkeit besonders unüblichen Arbeitsrhythmus. Als wenig arbeitsmarktüblich müssten insoweit Tätigkeiten angesehen werden, die einen häufigen Wechsel der Haltungsart für jeweils nur kurze Dauer zu gewährleisten hätten. Der Kläger kann indes (im Laufe eines Arbeitstages mehrfach) bis zu einer Stunde stehen und sitzen.

Überdies stößt eine Benennung von für den Kläger im allgemeinen geeigneten Tätigkeitsfeldern (BSG, Urteil vom 11. Mai 1999 - 13 RJ 71/97 R = Breithaupt 1999, 1038 ff), die erforderlich wäre, wenn man den hier vorliegenden Leistungseinschränkungen nachteiligere Wirkungen für den Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt zumessen wollte, als vorstehend dargelegt, nicht auf Schwierigkeiten. In Anbetracht der Art der Leistungsminderung sind Kontroll- und Wachtätigkeiten (Einlasskontrolle, Ablesen von Zählern/Messgeräten, Museumswärter, Parkplatzwächter) oder auch Verteilungsarbeiten (Zeitungen/Werbematerialien) als ihrer Art nach die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers berücksichtigende Tätigkeiten anzusehen.

Der Kläger ist auch nicht berufsunfähig. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte von körperlich, geistig oder seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Ausgangspunkt der Prüfung der Berufsunfähigkeit ist der „bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 107, 169). In der Regel ist dies die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, von der auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist (vgl. etwa BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 164).

Danach ist der bisherige Beruf des Klägers der eines Büroboten, da er diesen Beruf zuletzt ausgeübt hat und mehrjährig in dieser Funktion tätig war. Ob der Kläger diesen Beruf noch ausüben kann, ist nicht abschließend geklärt; insoweit ist nicht auszuschließen, dass ein Bürobote Gegenstände heben und tragen muss, die das von Dr. Klumpp für zulässig gehaltene Gewicht (bis 15 kg) überschreiten. Dem braucht indes nicht weiter nachgegangen zu werden, da der Kläger auch für den Fall, dass er den körperlichen Anforderungen seines bisherigen Berufs nicht mehr genügen kann, nicht berufsunfähig ist. Dies gilt deshalb, weil der Kläger sozial zumutbar auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden kann.

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufes. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, gebildet worden. Dementsprechend werden diese Gruppen durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hochqualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstige Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (ständige Rechtsprechung vgl. z.B. BSG SozR § 1246 Nrn. 138, 140; BSG, Urteil vom 4. November 1998 - B 13 RJ 13/98 R = NZS 1999 S. 302-304).

Die Wertigkeit des bisherigen Berufes bestimmt die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit in der Weise, dass ein Versicherter im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf nur auf die nächstniedrigere Stufe verwiesen werden darf (ständige Rechtsprechung vgl. z.B. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nrn. 3 und 5).

In diesem sogenannten Mehr-Stufen-Schema ist der bisherige Beruf des Klägers der Gruppe der ungelernten Arbeiten zuzuordnen. Nach dem BTV- Nr.2 sind der Lohngruppe 3 nach deren Nr. 3 Arbeiter der Lohngruppe 2 Fallgruppen 1 und 23 bis 37 nach dreijähriger Bewährung in einer dieser Fallgruppen zuzuordnen. Boten sind in der Lohngruppe 2 als Nr. 26 erfasst. Die Lohngruppe 2 ist nach deren Nr. 1 vorgesehen für Arbeiter mit Tätigkeiten, für die eine eingehende fachliche Einarbeitung erforderlich ist. Da damit eine Einarbeitungszeit von zumindest drei Monaten für die Tätigkeit des Klägers, die kraft eines Bewährungsaufstiegs der Lohngruppe 3 zuzuordnen ist, nicht vorgesehen ist, ergibt sich die Bewertung als ungelernte Tätigkeit. Damit ist der Kläger uneingeschränkt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Der konkreten Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit bedarf es dann nicht (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 109). Dass eine Bezeichnungspflicht nicht im Hinblick auf spezifische Leistungseinschränkungen besteht, ist bereits dargelegt worden.

Die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit wäre überdies selbst dann nicht erforderlich, wenn die Tätigkeit des Klägers als die eines angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) anzusehen oder einer solchen Tätigkeit tariflich gleichgestellt wäre. Im Bereich der angelernten Arbeiter ist nach der Rechtsprechung zu differenzieren zwischen solchen im oberen Bereich (Ausbildungszeit von mehr als zwölf Monaten) und „einfachen" angelernten Arbeitern. Nur diejenigen Arbeiter, die dem oberen Anlernbereich zuzurechnen sind, genießen einen beschränkten Berufsschutz in dem Sinne, dass sie nicht auf einfachste Tätigkeiten des Arbeitsmarktes verwiesen werden können. Dem entspricht eine Bezeichnungspflicht für eine Tätigkeit, die diesem Bereich nicht zuzurechnen ist. (zum Ganzen vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Wenn aber der Kläger als angelernter Arbeiter anzusehen wäre, wäre er ein angelernter Arbeiter des unteren Bereichs. In diesem Bereich besteht indes keine Verpflichtung zur Bezeichnung einer konkreten Verweisungstätigkeit.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Kläger hat für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis zum 27. Februar 1996 keinen Anspruch auf vorgezogenes Übergangsgeld. Dieser Anspruch tritt gemäß §§ 116 Abs. 1 Satz 2, 25 Abs. 2, 24 Abs. 4 SGB IV an die Stelle des Rentenanspruchs wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit, sofern - wie im vorliegenden Fall - nach Antragstellung eine Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt wurde. Voraussetzung des Anspruchs ist damit, dass ohne die Rehabilitationsmaßnahme ein Rentenanspruch bestehen würde. Daran fehlt es, da der Kläger - wie ausgeführt - nicht erwerbs- oder berufsunfähig ist.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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