L 11 AL 415/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AL 882/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AL 415/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 08.10.2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe des Arbeitslosengeldes (Alg).

Der 1948 geborene Kläger war bis 31.08.2001 als Bauingenieur (Bauleiter) beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 27.07.2001. Im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhielt der Kläger eine Abfindung in Höhe von 20.000,00 DM, die der Arbeitgeber in 4 Monatsraten zu je 5.000,00 DM, beginnend mit dem 20.08.2001, bezahlen sollte.

Mit Bescheid vom 21.09.2001 bewilligte die Beklagte Alg ab 01.09.2001 nach einem gerundeten Bemessungsentgelt (BE) von 1.420,00 DM in Höhe von 633,71 DM wöchentlich (Leistungsgruppe C, 1 Kind). Der Berechnung des BE legte sie das vom Arbeitgeber bescheinigte Arbeitsentgelt (AE), in dem für Dezember 2000 eine Einmalzahlung von 2.000,00 DM (Prämie) berücksichtigt war, zugrunde.

Anlässlich einer persönlichen Vorsprache des Klägers am 24.09.2001 bei der Beklagten begehrte dieser die Berücksichtigung des am 11.09.2001 mit den Bezügen für August 2001 abgerechneten Abfindungsanteils in Höhe von 4.000,00 DM, für den Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet worden waren. Die Beklagte wertete dieses Begehren als Antrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren (SGB X). Mit Bescheid vom 05.10.2001 - bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 23.10.2001 - lehnte die Beklagte diesen Antrag ab, weil der Abfindungsanteil in Höhe von 4.000,00 DM nicht zur Berechnung des BE herangezogen werden könne und der Bescheid daher nicht unrichtig sei.

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 05.10.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2001 zu verurteilen, bei der Berechnung des BE sämtliche Zahlungen aus der Abrechnung für August 2001 zu berücksichtigen, soweit hierfür Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abgeführt worden sind. Der angefochtene Bescheid beruhe auf falschen Tatsachen.

Mit Urteil vom 08.10.2002 hat das SG die Klage abgewiesen. Die streitgegenständliche Zahlung sei erst nach dem Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis (31.08.2001) abgerechnet worden und daher nicht zu berücksichtigen. Im Übrigen sei die Abfindung gemäß § 134 Abs 1 Satz 3 Ziffer 1 SGB III in das maßgebliche AE ohnehin nicht einzubeziehen. Auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Berücksichtigung von Einmalzahlungen komme es in diesem Zusammenhang nicht an.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Das SG habe die grundsätzliche Bedeutung der vom Bundesverfassungsgericht angeschnittenen Rechtsfrage verkannt. Nach dieser Rechtsprechung müssten bei der Lohnersatzleistung alle beitragspflichtigen Arbeitsentgelte berücksichtigt werden. Dies gelte auch für Abfindungen. Wenn die Beklagte Leistungen entsprechend der entrichteten Beiträge verweigere, fehle es zumindest an der Berechtigung, Beiträge einzuziehen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 08.10.2002 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 05.10.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2001 zu verurteilen, bei der Berechnung des BE sämtliche Zahlungen aus der Abrechnung für August 2001 zu berücksichtigen, soweit hiervon Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abgeführt worden sind, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 08.10.2002 als unbegründet zurückzuweisen.

Beigezogen waren die Leistungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz. Hierauf wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG), aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die Beklagte hat bei Erlass des Bewilligungsbescheides vom 21.09.2001 das Recht nicht unrichtig angewandt.

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 124 Abs 2 SGG).

Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs 1 Satz 1 SGB X). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, denn die Beklagte hat dem Kläger ab 01.09.2001 Alg in zutreffender Höhe gewährt.

Nach § 129 Nr 1 SGB III (i.d.F. vom 16.02.2001, gültig ab 01.08.2001) beträgt das Alg für Arbeitslose, die mindestens ein Kind i.S. des § 32 Abs 1, 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes haben, ... 67 Prozent (erhöhter Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Der Bemessungszeitraum umfasst die Entgeltabrechnungszeiträume, die in den letzten 52 Wochen vor der Entstehung des Anspruchs, in denen Versicherungspflicht bestand, enthalten sind und beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem Versicherungspflichtverhältnis vor der Entstehung des Anspruchs abgerechnet waren (§ 130 Abs 1 SGB III i.d.F. vom 21.07.1999, gültig ab 01.08.1999 bis 31.12.2001).

Bei der Entstehung des Alg-Anspruchs des Klägers am 01.09.2001 war lediglich der Zeitraum bis einschließlich Juli 2001 abgerechnet, denn die Abrechnung für den Monat August 2001 wurde erst am 11.09.2001 erstellt. Letzterer musste somit grundsätzlich außer Betracht bleiben. Es kommt daher nicht darauf an, dass nach dem arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 27.07.2001 die 1. Rate der Abfindung in Höhe von 5.000,00 DM bereits am 20.08.2001 fällig war, denn entscheidend ist grundsätzlich der Zeitpunkt des Zuflusses (§ 134 Abs 1 Satz 2 SGB III i.d.F. vom 19.06.2001, gültig ab 01.08.2001). Legt man jedoch mit der neueren Rechtsprechung des BSG (kombinierte Anspruchs- und Zuflusstheorie - BSG SozR 4100 § 249 e Nr 7; BSG SozR 3-4100 § 112 Nr 22) den Begriff "erzielt" (§ 134 Abs 1 Satz 1, 2 SGB III) dahingehend aus, dass auch diejenigen Teile des Arbeitsentgelts zu berücksichtigen sind, die dem Arbeitnehmer nach dem Ausscheiden infolge nachträglicher Vertragserfüllung für den Bemessungszeitraum zugeflossen sind (Brand in Niesel, SGB III, 2. Auflage, § 134 RdNr 8), zwingt dies zu keiner anderen Entscheidung, denn eine Einbeziehung der erst am 11.09.2001 abgerechneten, aber für August 2001 gezahlten Abfindung in Höhe von 4.000.00 DM, für die offenbar Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abgeführt wurden, kommt ohnehin nicht in Betracht.

§ 134 Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB III bestimmt, dass Arbeitsentgelte, die der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhält oder die im Hinblick auf die Arbeitslosigkeit vereinbart worden sind, außer Betracht zu bleiben haben. Es handelt sich dabei nicht um Einmalzahlungen im Sinne des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 24.05.2000 (NJW 2000, 2264). Darunter fallen z.B. Weihnachtsgeld oder Urlaubsgeld (Gagel, SGB III, § 134 RdNr 20 a). Diese sind aufgrund des Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetzes vom 21.12.2000 in dem Entgeltabrechnungszeitraum zu berücksichtigen, in dem sie gezahlt werden.

In § 134 Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB III sind nur beitragspflichtige Arbeitsentgelte gemeint (Gagel aaO RdNr 21). Abfindungen, die wegen Beendigung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung als Entschädigung für die Zeit danach gezahlt werden, gehören jedoch nicht dazu, denn Bundesarbeitsgericht (BAG) und Bundessozialgericht (BSG) haben übereinstimmend entschieden, dass Pflichtbeiträge von der Abfindung nicht geschuldet werden, selbst nicht von dem Teil, der der Steuerpflicht unterliegt (BAG Urteil vom 09.11.1988 - 4 AZR 433/88; BSG SozR 3-2400 § 14 Nrn 2 und 17; s.a. Seewald in Kasseler Kommentar, § 14 SGB IV, RdNr 17 ff; Steinbach in Hauck/Haines, SGB IV, § 23 a RdNr 3).

Da somit solche Abfindungen nicht der Beitragspflicht unterliegen, sind sie bereits nach § 134 Abs 1 Satz 1 SGB III bei der Berechnung des Bemessungsentgelts nicht zu berücksichtigen. Dem steht nicht entgegen, dass der frühere Arbeitgeber des Klägers vom steuerpflichtigen Teil der Abfindung Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet hat (zur Beitragserstattung s. § 351 SGB III).

Das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 08.10.2002 ist daher nicht zu beanstanden, so dass die Berufung des Klägers zurückzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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