L 11 R 1497/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 458/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1497/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 03.07.2013 abgeändert und der Bescheid der Beklagten vom 20.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.01.2013 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der Kläger in seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) seit dem 22.11.2013 nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt 3/4 der außergerichtlichen Kosten des Klägers. Im Übrigen haben die Beteiligten einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger seine Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Beigeladenen zu 1) seit dem 01.01.2012 im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausübt.

Die Beigeladene zu 1) ist eine im Jahr 1991 gegründete GmbH mit dem Geschäftsgegenstand "Durchführung sämtlicher Leistungen, die das Berufsbild des Fliesenlegehandwerks beinhaltet. Des Weiteren ist die Gesellschaft zum Handel mit Baustoffen, Bauwerkzeugen und Hilfsmitteln berechtigt. Sie kann auch als Generalunternehmer Aufgaben in anderen Bereichen des Bauhandwerks übernehmen, was jedoch nicht Geschäfte im Sinne von § 34c GewO einschließt" (Handelsregister des Amtsgerichts Stuttgart HRB 4 ...). Das Stammkapital beträgt seit Januar 2012 51.300 EUR (aufgeteilt auf 1.026 Anteile zu einem Nennbetrag von je 50 EUR). An der Gesellschaft waren zunächst die Gesellschafter und Geschäftsführer J. G. und U. G. jeweils hälftig beteiligt. Mit notariellem Vertrag vom 27.01.2012 übernahm der Kläger von dem aus der Gesellschaft ausscheidenden Gesellschafter U. G. einen Geschäftsanteil von insgesamt 24,95 % (256 Anteile). Ebenfalls 24,95 % gingen an den neu in die Gesellschaft eintretenden Gesellschafter R. K., der auch zum Geschäftsführer bestellt wurde. Die übrigen Anteile gingen an den Gesellschafter J. G., der dann 50,1% der Gesellschaftsanteile (514 Anteile) hielt.

Der Gesellschaftsvertrag der Beigeladenen zu 1), der mit Beschluss vom 27.01.2012 neu gefasst wurde, lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 6 Gesellschafterversammlung

(4) Die Gesellschafterversammlung ist beschlussfähig, wenn mehr als 2/3 aller Stimmen vertreten sind. (5) Sind trotz ordnungsgemäßer Einberufung nicht mindestens 2/3 der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung vertreten, so hat erneut eine Einberufung zu erfolgen. Zur Beschlussfähigkeit ist dann die einfache Mehrheit der anwesenden Stimmen ausreichend. (6) Soweit das Gesetz oder dieser Gesellschaftervertrag keine abweichenden Regelungen vorgeben, erfolgen die Beschlüsse mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen. (8) Beschlüsse über Kapitalerhöhungen, Kapitalherabsetzungen, Nachschussvereinbarungen oder Liquidationen können nur einstimmig beschlossen werden.

§ 7 Stimmrecht

(1) Je voll 50,00 Euro Geschäftsanteils gewähren eine Stimme. (2) Bei einem Eintritt als Gesellschafter in die Gesellschaft haben Herr N. G., E., und Herr R. K., G., als künftige Gesellschafter jeweils eine Sperrminorität."

Der Kläger war seit 2008 bei der Beigeladenen zu 1) sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Mit Gesellschafterbeschluss vom 09.02.2012 wurde er zum einzelvertretungsberechtigten und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten Geschäftsführer bestellt. Der Kläger schloss mit der Beigeladenen zu 1) am 29.12.2011 einen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag, der auszugsweise wie folgt lautet:

"Päambel Der Geschäftsführer wird heute durch Gesellschafterbeschluss zum einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt. Die nähere Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses wird wie folgt neu gefasst:

§ 1 Grundsätzliches Der Geschäftsführer führt die Geschäfte der Gesellschaft nach den Grundsätzen eines ordentlichen Kaufmanns. Demnach ist er für sämtliche Geschäftsbereiche zuständig. Er wird jeden Tag aktiv in der Produktion, dem Vertrieb und der Verwaltung mitwirken. Der Arbeitnehmer ist insbesondere auch zuständig für die Einteilung der Mitarbeiter auf die einzelnen Baustellen, deren Überwachung, sowie Mitarbeit auf den einzelnen Baustellen. Ferner wirkt er an der Bearbeitung von Angeboten, Kalkulation von Aufträgen, sowie im allgemeinen kaufmännischen Bereich mit. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, seine ganze Arbeitskraft der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. Etwaige Nebentätigkeiten sind der Gesellschaft vorher anzuzeigen und bedürfen der vorherigen Zustimmung durch die Gesellschafterversammlung. Der Geschäftsführer unterliegt grundsätzlich keinen Einschränkungen. Er wird sich jedoch bei Geschäften, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausreichen, mit den anderen Geschäftsführern frühzeitig absprechen.

§ 2 Zeiteinsatz Der Zeiteinsatz des Arbeitnehmers ist in den Monaten Januar und Februar 2012 wegen des Besuches der Meisterschule noch eingeschränkt. Er wird in dieser Zeit entsprechend seiner Möglichkeiten im Betrieb der Gesellschaft mitarbeiten. Ab dem 01.03.2012 wird der Einsatz auf wöchentlich 45 Stunden festgelegt. Dieser Zeiteinsatz wird so gewählt, wie es der Betrieb der Gesellschaft erfordert. Dabei kann es auch zu Einsätzen am Wochenende, am Abend oder in der Nacht kommen. Wenn es der Betrieb der Gesellschaft erfordert, können zeitlich auch längere Arbeitseinsätze erforderlich sein.

§ 3 Entlohnung In der Zeit vom 1.1. – 29.2.2012 wird die Entlohnung noch auf Stundenlohnbasis mit einem Bruttostundenlohn von 14,84 EUR durchgeführt. Ab dem 01.03.2012 erhält er für seine Vollzeittätigkeit ein Monatsbruttogehalt in Höhe von 3.800 EUR. Es wird davon ausgegangen, dass das Arbeitsverhältnis nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Darüber hinaus erhält der Geschäftsführer ein Urlaubs-und ein Weihnachtsgeld in Höhe von jeweils einem halben Monatsbruttogehalt. Zusätzlich zu den fixen Lohnbestandteilen erhält der Geschäftsführer eine Tantieme in Höhe von 10 % aus dem handelsrechtlichen Jahresüberschuss vor Abzug der Ertragsteuern (KSt, SolZ, GewSt), sowie sämtlicher Tantiemeleistungen, auch die der anderen Geschäftsführer.

§ 5 Urlaub Der Geschäftsführer hat einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen. Er kann diesen selbst anordnen. Dabei hat er jedoch die Belange der Gesellschaft und die der anderen Geschäftsführer angemessen zu würdigen.

§ 6 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall Der Geschäftsführer erhält eine Entgeltfortzahlung von 6 Wochen pro Jahr, unabhängig davon, ob es sich um eine Krankheit oder um verschiedene handelt."

Mit Antrag vom 29.03.2012 (eingegangen bei der Beklagten am 03.04.2012) beantragte der Kläger die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status bezüglich seiner Geschäftsführertätigkeit. Er gab an, dass gesellschaftsrechtlich eine Sperrminorität vereinbart sei. In der Anlage zum Statusfeststellungsantrag gab er an, dass durch vertragliche Sonderrechte Gesellschafterbeschlüsse weder herbeigeführt noch verhindert werden könnten.

Auf Anfrage der Beklagten teilte der Klägerbevollmächtigte mit, dass dem Kläger eine Sperrminorität im Gesellschaftsvertrag eingeräumt worden sei. Das bedinge logischerweise, dass er alle Gesellschafterbeschlüsse, die einer qualifizierten Mehrheit bedürften (also mindestens 75 %), blockieren könne. Eine Sperrminorität sei nach ihrer Lesart etwas völlig Normales und kein Sonderrecht.

Mit Schreiben vom 26.06.2012 hörte die Beklagte die Beteiligten zum Erlass eines Bescheides über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung mit Versicherungspflicht entsprechend der Anmeldung an.

Im Anhörungsverfahren führte der Klägerbevollmächtigte aus, dass es üblich und sogar steuerlich notwendig sei, dass jeder Gesellschafter-Geschäftsführer einen Arbeitsvertrag habe und zwar auch bei einer Einmann-GmbH, indem die Mitarbeit in der Gesellschaft geregelt sei. Der Kläger sei mit einer Sperrminorität ausgestattet, die ihm Stimmrechte von 25 % plus 1 Stimme zusichere. Er könne demnach sämtliche Beschlüsse verhindern, wo die qualifizierte Mehrheit von 75 % notwendig sei. Dies seien zwar nicht die Geschäfte des täglichen Lebens, dennoch seien diese gesellschaftsrechtlichen Wirkungen nicht zu unterschätzen. Unabhängig von der Gesellschafterstellung könne der Kläger als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer alleine mit seiner Unterschrift alle denkbaren Verträge im Namen und auf Rechnung der Beigeladenen zu 1) schließen. Er sei auch im Innenverhältnis keinen Beschränkungen unterworfen. Das alleine biete ein Höchstmaß an Möglichkeiten, die Geschicke der Gesellschaft maßgeblich zu beeinflussen.

Mit Bescheid vom 20.08.2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Prüfung des versicherungsrechtlichen Status habe ergeben, dass die Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Beigeladenen zu 1) seit dem 01.01.2012 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Die Versicherungspflicht bzw Versicherungsfreiheit in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe entsprechend der Anmeldung. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die Arbeitsleistung fremdbestimmt sei, da sie sich in eine von der Gesellschafterversammlung vorgegebenen Ordnung des Betriebes eingliedere. Die Weisungsgebundenheit verfeinere sich, wie bei Diensten höherer Art üblich, zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess. Für selbständige Tätigkeit spreche die Weisungsfreiheit hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Tätigkeit sowie die vom Geschäftserfolg abhängigen Tantiemezahlungen und damit die indirekte Beteiligung am Gewinn der Gesellschaft. Jedoch würden die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwiegen. Es bestehe ein gesonderter Arbeitsvertrag, der die Mitarbeit in der Gesellschaft regle. Zudem werde für die Tätigkeit eine feste monatliche Vergütung gezahlt. Auch könne der Kläger kraft des Anteils am Stammkapital keinen maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausüben. Mangels Vetorechten bzw Sperrminoritäten könne er keine Entscheidungen verhindern. Angesichts der Zahlung fester Bezüge trage er auch keine Unternehmerrisiko.

Im anschließenden Widerspruchsverfahren machte der Klägerbevollmächtigte die in § 7 des Gesellschaftsvertrages eingeräumte Sperrminorität geltend. Damit könne der Kläger sämtliche Beschlüsse der Gesellschafterversammlung verhindern, für die eine 3/4-Mehrheit erforderlich sei. Nachdem nach § 53 Abs 2 GmbHG für Satzungsänderungen eine solche notwendig sei, könne der Kläger die Änderung des Gesellschaftsvertrages in sämtlichen Punkten verhindern. Da der Gesellschaftsvertrag für Beschlüsse über Kapitalerhöhungen, Kapitalherabsetzungen, Nachschussvereinbarungen oder die Liquidation ein Einstimmigkeitserfordernis vorsehe, seien auch insoweit wesentliche Mitwirkungsrechte eingeräumt. Insbesondere die Stellung als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer, der auch im Innenverhältnis keinen Beschränkungen unterliege, gebe dem Kläger ein Höchstmaß an unternehmerischen Entfaltungsmöglichkeiten. Der Kläger habe als Geschäftsführer genau die gleichen Rechte wie der Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer (- der Vater des Klägers -).

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.01.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte aus, dass auch die Feststellung bestehen bleibe, dass die ausgeübte Beschäftigung der Versicherungspflicht bzw Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung, der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung entsprechend der Anmeldung unterliege.

Hiergegen hat der Kläger am 19.02.2013 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben.

Mit Gesellschafterbeschluss vom 26.04.2013 haben die Gesellschafter den Gesellschaftsvertrag in § 6 abgeändert und § 15 wie folgt neu gefasst:

"§ 6: (4) Die Gesellschafterversammlung ist beschlussfähig, wenn mehr als 3/4 aller Stimmen vertreten sind. (5) Sind trotz ordnungsgemäßer Einberufung nicht mehr als 3/4 der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung vertreten, hat erneut eine Einberufung zu erfolgen. Zur Beschlussfähigkeit ist dann die einfache Mehrheit der anwesenden Stimmen ausreichend.

§ 15 Sperrminorität Sperrminorität im Sinne des § 7 Abs 2 dieses Vertrages bezieht sich auf Fälle, in denen laut Gesetz oder Gesellschaftsvertrag eine qualifizierte Mehrheit von 75 % erforderlich ist. Sie gewährt dem Berechtigten, abweichend von den übrigen Stimmrechten und dem Umfang der Kapitalbeteiligung, in diesen ganz bestimmten Fällen ein Stimmrecht von 25 % + 1 Stimme."

Mit Urteil vom 03.07.2013 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass in der Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung ab dem 01.01.2012 bestehe, da er die Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Nach dem Arbeitsvertrag verfüge der Kläger über ein erhebliches Maß an Freiheit in der Tätigkeitsausübung, jedoch über keines, welche signifikant über das typische eines Geschäftsführers hinausgehe. Die Ausgestaltung bezüglich des festen Bruttogehaltes, des Weihnachts- und Urlaubsgeldes, der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und der Arbeitszeit seien für eine abhängige Beschäftigung typisch. Entscheidende Bedeutung komme im vorliegenden Fall jedoch den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages zu. Hiernach könne der Kläger mit seinem Stimmenanteil keinerlei Entscheidungen herbeiführen. Auch die Einberufung einer Gesellschafterversammlung könne er nicht verhindern. Verhindern könne er aufgrund seines Stimmenanteils nur diejenigen Entscheidungen, die Einstimmigkeit erfordern würden. Der Kläger verfüge auch nicht über eine ausreichende Sperrminorität. Nach eigenen Angaben des Klägers solle die eingeräumte Sperrminorität im Gesellschaftsvertrag bei Entscheidungen greifen, bei welchen von Gesetzes wegen eine Mehrheit von 3/4 der Stimmen zur Entscheidung benötigt werde. Hieraus folge, dass diese Sperrminorität die möglichen Beschlüsse, welche sich negativ auf die Geschäftsführertätigkeit des Klägers oder eine ihm genehme Ordnung der Beigeladenen auswirken würden, nicht erfasse. Deshalb sei im Ergebnis die Beschäftigung des Klägers als eine abhängige einzustufen.

Gegen das dem Klägerbevollmächtigten am 26.07.2013 zugestellte Urteil hat dieser am 16.08.2013 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.

Er hat einen Gesellschafterbeschluss vom 13.04.2012 vorgelegt, der auszugsweise wie folgt lautet: "Eine Sperrminorität bezieht sich diese üblicherweise auf Abstimmungsvorgänge, bei denen das Gesetz eine Mehrheit von 75 % der abgegebenen Stimmen fordert, wie z.B. Satzungsänderungen oder Beschlüsse über die Auflösung der Gesellschaft. Ein großer Teil dieser Regelungen unterliegen bereits durch § 7 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages der Einstimmigkeit, so dass die beiden Herren N. G. und R. K. bei solchen Abstimmungen ohnehin über die einer Sperrminorität deutlich hinausreichende Stimmrechte haben. [ ] Die Gesellschafter verstehen demnach die eingeräumte Sperrminorität so, dass die Herren R. K. und N. G. bei Änderungen des Gesellschaftsvertrages eine Sperrwirkung entfalten können."

Am 22.11.2013 haben die Gesellschafter schriftlich eine Stimmrechtsbindungs- und Poolvereinbarung geschlossen und dabei auf eine mündliche Abrede vom 12.10.2012 Bezug genommen. Nach dem Vertrag haben sie sich verpflichtet, unter anderem bei Abstimmungen zu Einschränkungen beim rechtlichen Betätigungsrahmen, den das Gesetz einem GmbH-Geschäftsführer ermögliche, nur einheitlich abzustimmen. Komme in der Poolversammlung kein Beschluss zu Stande, seien die Poolmitglieder verpflichtet, in der Gesellschafterversammlung zu den betreffenden Tagesordnungspunkten ihr dortiges Stimmrecht mit Nein auszuüben.

Mit Gesellschafterbeschluss vom 22.11.2013 haben die Gesellschafter den Gesellschaftsvertrag neu gefasst. In § 5 sind die Gesellschafter-Geschäftsführer (so auch der Kläger) namentlich als einzelvertretungsberechtigte und von den Beschränkungen des §§ 181 BGB befreite Geschäftsführer aufgenommen worden. Zudem ist dort neu geregelt worden, dass sich der Betätigungsrahmen der Geschäftsführer auf den gesamten Umfang den das Gesetz für einen GmbH-Geschäftsführer vorgeben, beziehe. Die Geschäftsführer seien nicht weisungsgebunden, weder in zeitlicher noch in sachlicher oder anderweitiger Hinsicht. Beschlussfassungen über sämtliche Belange, die das Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und den Geschäftsführer regeln würden, bedürften stets der Einstimmigkeit. Das betreffe unter anderem die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern, die Festlegung in deren Vergütungen und andere finanzielle Ausstattungen, Änderungen in deren Vertretungsmacht, Einschränkungen beim rechtlichen Betätigungsrahmen, den das Gesetz einem GmbH-Geschäftsführer vorgebe. In § 15 ist geregelt worden, dass bei Abstimmungsvorgängen, in denen das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag die qualifizierte Mehrheit von 75 % der abgegebenen Stimmen vorschreibe und die nicht bereits der Einstimmigkeit unterworfen seien, die Gesellschafter N. G. und R. K. jeweils eine Sperrminorität hätten, so dass jeder Gesellschafter in diesen Fällen Beschlüsse behindern könne.

Ebenfalls zum 22.11.2013 haben der Kläger und die Beigeladene zu 1) einen neuen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag geschlossen. Hierin sind unter anderem keine Regelungen zum Urlaub zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall mehr enthalten.

In einem Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage haben die Beteiligten am 29.07.2014 einen widerruflichen Vergleich geschlossen, wonach sich die Beteiligten darüber einig seien, dass der Kläger ab 22.11.2013 selbstständig tätig und nicht mehr bei der Beigeladenen zu 1) abhängig beschäftigt sei. Die Beklagte hat den Vergleich mit Schreiben vom 14.08.2014 im Hinblick auf anhängige Revisionen beim Bundessozialgericht (BSG) widerrufen. Mit Beschluss vom 16.09.2014 ist das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden.

Mit Schreiben vom 19.04.2016 hat der Klägerbevollmächtigte das Verfahren wieder angerufen.

Der Kläger ist der Ansicht, dass keine abhängige Beschäftigung, sondern eine selbständige Tätigkeit vorliege. Dies ergebe sich insbesondere aus der eingeräumten Sperrminorität. Die Möglichkeit, dass die beiden Mitgesellschafter-Geschäftsführer den Kläger von seinem Posten als Geschäftsführer absetzen könnten, sei rein hypothetisch. Zwischen der Beigeladenen zu 1) und der Grundstücksgemeinschaft J. und U. G. habe in steuerlicher Hinsicht eine sogenannte Betriebsaufspaltung bestanden. Eine solche setze voraus, dass sowohl im Besitzunternehmen als auch im Betriebsunternehmen die gleichen Personen das Sagen hätten. Maßstab hierfür seien die Stimmrechte. Aus diesem Grund habe J. G. zwingend 50 % der Stimmrechte haben müssen. Mit 50,1 % sei somit eine steuerlich notwendige Mindestbeteiligungsquote erreicht. Da nach dem damaligen Gesellschaftsvertrag zur Beschlussfähigkeit einer Gesellschafterversammlung mindestens 2/3 aller Stimmen vertreten hätten sein müssten, habe der Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer jedenfalls nicht alleine Beschlüsse fassen können. Hierzu habe er zwingend immer mindestens einen der beiden weiteren Gesellschafter-Geschäftsführer benötigt. Es habe auch ein relevantes Unternehmerrisiko bestanden. Die enormen Verantwortungen, die ein Gesellschafter-Geschäftsführer wie der Kläger Tag für Tag tragen müsse, würden den absoluten Klassiker des Unternehmerrisikos darstellen. Letztlich sei auch die Tantieme dem Bereich des Unternehmerrisikos zuzuordnen. Bezüglich der Ausgestaltung des Arbeitsvertrages habe der Kläger über einen absolut üblichen und gängigen Arbeitsvertrag für einen Gesellschafter-Geschäftsführer verfügt. Es habe ein erhebliches Maß an Freiheit in der Tätigkeitsausübung bestanden. Auch seien die tatsächlichen Verhältnisse innerhalb eines Unternehmens zur Beurteilung heranzuziehen. In der täglichen Praxis werde die Gestaltungsbefugnis des einzelnen Geschäftsführers praktisch nie dadurch eingeschränkt, dass ich die übrigen Geschäftsführer in dessen Tätigkeit einmischen würden. Insoweit sei eine klare Arbeitsteilung vorgesehen. Für die Unternehmerstellung spreche auch der Stimmbindungsvertrag. Zumindest ab der Änderung von Gesellschafts- und Geschäftsführeranstellungsvertrag vom 22.11.2013 existiere auch kein Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung gegenüber den Geschäftsführern mehr. Somit könne der Kläger jegliche Beschlüsse verhindern, die ihm nicht genehm seien und sei in jeder Hinsicht weisungsfrei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 03.07.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 20.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.01.2013 aufzuheben und festzustellen, dass er in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) seit dem 01.03.2012 nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig und teilweise begründet.

Zulässige Klageart ist die mit der Anfechtungsklage verbundene Feststellungsklage. Über die Aufhebung des angefochtenen Bescheides hinaus begehrt der Kläger die Feststellung des Nichtbestehens seiner Versicherungspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung, sozialen Pflegeversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung; dabei handelt es sich sogar um sein "wahres Begehren" (vgl BSG 04.06.2009, B 12 R 6/08 R, juris).

Die Anfechtungsklage des Klägers ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 20.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die in diesem Bescheid enthaltene Reglung ist nicht inhaltlich hinreichend bestimmt im Sinne des § 33 Abs 1 SGB X (siehe auch Senatsurteil vom 29.09.2015, L 11 R 2762/14, juris; LSG Nordrhein-Westfalen 03.09.2014, L 8 R 55/13, Rn 77 ff, juris). Die Beklagte hat entschieden, dass die Tätigkeit des Klägers als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Beigeladenen zu 1) seit dem 01.01.2012 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird und die Versicherungspflicht bzw Versicherungsfreiheit in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung entsprechend der Anmeldung besteht. Mit der Bezugnahme auf die Anmeldung des Arbeitgebers (hier: Beigeladene zu 1) macht die Beklagte das Vorliegen von Versicherungspflicht von Umständen abhängig, die außerhalb des Verwaltungsakts liegen und von ihr nicht beeinflusst werden können. Insoweit bleibt dem Adressaten überlassen, den Inhalt und zeitlichen Umfang der Feststellung zu bestimmen (vgl BSG 04.06.2009, B 12 R 6/08 R, juris). Die Formulierung der Beklagten, bei der es sich um einen Textbaustein handelt, der auch in anderen Verfahren Verwendung gefunden hat, erweckt den Eindruck, als sollten damit - ohne Prüfung und Feststellung im konkreten Einzelfall - auch diejenigen Fallkonstellationen inhaltlich "abgedeckt" werden, in denen zB Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung wegen Geringfügigkeit (§ 7 SGB V iVm § 8 SGB IV) oder wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze (§ 6 Abs 1 Nr 1 SGB V) oder deshalb vorliegt, weil erstmals nach Vollendung des 55. Lebensjahres eine Tätigkeit aufgenommen wurde (§ 6 Abs 3a SGB V) oder deshalb keine Versicherungspflicht besteht, weil der Betreffende hauptberuflich selbständig tätig ist (§ 5 Abs 5 SGB V). Dies wertet der Senat als Versuch, die Rechtsprechung des BSG zur unzulässigen Elementenfeststellung (BSG 11.03.2009, B 12 R 11/07 R, BSGE 103, 17; 04.06.2009, B 12 R 6/08 R, juris) zu umgehen. Soweit die Ausführungen im Einleitungssatz des streitgegenständlichen Bescheides, "dass die Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Fliesen G. GmbH seit dem 01.01.2012 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird" als Regelung verstanden werden muss, handelt es sich um eine rechtswidrige, weil unzulässige Elementenfeststellung (LSG NRW aaO).

Dagegen ist die auf die Feststellung der fehlenden Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung gerichtete Feststellungsklage teilweise unbegründet, weil der Kläger in der Zeit vom 01.01.2012 bis 21.11.2013 als abhängig Beschäftigter der Sozialversicherungspflicht unterlag. Erst ab 22.11.2013 (nach der Neufassung des Gesellschaftsvertrages) ist der Kläger für die Beigeladene zu 1) selbstständig tätig und insoweit versicherungsfrei. Insoweit ist die Feststellungsklage für die Zeit ab 22.11.2013 begründet.

Nach § 7a Abs 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Beklagte entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in Abs 3 bis 5 der Vorschrift geregelt. § 7a Abs 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Mit dem rückwirkend zum 01.01.1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl 2000 I S 2) eingeführten Anfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit zur Klärung der Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen divergierende Entscheidungen verhindert werden (BT-Drs 14/185 S 6).

Einen entsprechenden Antrag auf Statusfeststellung hat der Kläger am 03.04.2012 gestellt. Ein vorheriges Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung durch einen anderen Versicherungsträger oder die Einzugsstelle ist nicht ersichtlich.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen grundsätzlich in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI, § 25 Abs 1 SGB III). Für den Senat steht aufgrund der eigenen Angaben des Klägers im erneuten Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status vom 22.11.2013 (- übersandt von der Beklagten im Berufungsverfahren -) fest, dass der Kläger frühestens ab 2013 die allgemeine Jahresarbeitsentgeltgrenze des § 6 Abs 6 SGB V überschritten hat. Wird die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten, endet gem § 6 Abs 4 SGB V die Versicherungspflicht mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie überschritten wird. Für die Jahre 2012 und 2013 kommt demnach für den Kläger keine Versicherungsfreiheit in der Kranken- und Pflegeversicherung in Betracht.

Nach § 7 Abs 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Zur Feststellung des Gesamtbilds kommt den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu. Ausgangspunkt für die Beurteilung ist demnach zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (Senatsurteil vom 18.07.2013, L 11 R 1083/12). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (zum Ganzen BSG 29.08.2012, B 12 R 25/10 R, BSGE 111, 257 mwN).

Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 25).

Ob ein Geschäftsführer einer GmbH zu dieser in einem Beschäftigungsverhältnis steht, ist ebenfalls nach den oben dargelegten Grundsätzen zu beurteilen (vgl zum Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH BSG 11.11.2015, B 12 KR 10/14 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 28). Das BSG hat insoweit mehrmals entschieden, dass eine Abhängigkeit gegenüber der Gesellschaft selbst im Rahmen einer Geschäftsführertätigkeit nicht bereits durch die Stellung des Geschäftsführers als Gesellschafter ausgeschlossen ist. Ist ein GmbH-Geschäftsführer - wie hier der Kläger für die Zeit ab dem 01.01.2012 - zugleich als Gesellschafter am Kapital der Gesellschaft beteiligt, sind der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit. Hinzu kommen die Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung. Entscheidend für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung ist dabei, ob die rechtliche Möglichkeit besteht, als beherrschender oder zumindest mit einer Sperrminorität ausgestatteter Gesellschafter-Geschäftsführer nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwenden (zum Ganzen BSG 11.11.2015, B 12 KR 10/14 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 28 mwN).

Maßgeblich ist damit auch bei einem GmbH-Geschäftsführer, in welchem Maße er der Kontrolle und den Weisungen der Gesellschafterversammlung unterliegt (Senatsurteil vom 22.07.2014, L 11 R 4543/13, juris). Eingriffe in seinen Tätigkeitskreis muss ein Geschäftsführer infolge seiner Abhängigkeit von der Gesellschafterversammlung hinnehmen, selbst wenn der Geschäftsführervertrag keine Bestimmungen hierüber enthielte (Senatsurteil v. 18.10.2016, L 11 R 1032/16 unter Hinweis auf K. Schmidt in Scholz, GmbHG, 11. Aufl, § 46 Rn 116). Dh es kommt darauf an, wer letztlich auf die Willensbestimmung der Gesellschafterversammlung den maßgeblichen Einfluss an. Dies hängt sowohl von den jeweiligen Anteilsverhältnissen der Gesellschafter ab, als auch von der Frage, ob und in welchem Umfang im Gesellschaftsvertrag Sperrminoritäten eingeräumt sind. Ein Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH verfügt nicht über eine Stellung in der Gesellschafterversammlung, die ihn im Sinne des Sozialversicherungsrechts zu einem Selbstständigen macht (vgl BSG 11.11.2015, B 12 R 2/14 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 27). Wer aber als Geschäftsführer Gesellschaftsanteile an einer Kapitalgesellschaft hält, ist dann selbstständig tätig, wenn damit eine entsprechende Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen verbunden ist, etwa in Form einer Sperrminorität, und der Betroffene damit rechtlich über die Möglichkeit verfügt, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner Tätigkeit abzuwehren (BSG 11.11.2015, B 12 R 2/14 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 27 Rn 28).

Nach den genannten Grundsätzen gelangt der Senat unter Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung, dass der Kläger in der Zeit vom 01.01.2012 bis 21.11.2013 seine Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt und deshalb Sozialversicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung bestanden hat.

Der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag vom 29.12.2011, der für diesen Zeitraum als Ausgangspunkt heranzuziehen ist, enthält Regelungen, wie sie für eine abhängige Beschäftigung typisch sind (Bezeichnung des Klägers als Arbeitnehmer, laufendes monatliches Grundgehalt; Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall; Urlaub). Soweit eine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB vorliegt, ist eine derartige Gestaltung sowohl bei selbstständiger Tätigkeit als auch bei einer abhängigen Beschäftigung möglich (Senatsurteil vom 30.09.2014 - L 11 R 2662/13 mwN). Auch die Gewährung einer Gewinntantieme ist besonders im Rahmen leitender Tätigkeiten auch bei abhängig Beschäftigten nicht unüblich (vgl Senatsurteil vom 30.09.2014, L 11 R 2662/13 mwN). Dieser Vertrag spricht trotz der Regelungen zur Weisungs- und Gestaltungsfreiheit für eine abhängige Beschäftigung. Die Vereinbarungen im Geschäftsführervertrag wurden auch weder nur zum Schein getroffen, noch wurden sie ausdrücklich oder konkludent abgeändert. Dies macht auch der Kläger selbst nicht geltend.

Umstände, die abweichend vom festgestellten Vertragsinhalt eine Beurteilung der Tätigkeit des Klägers als selbstständig zuließen, liegen nicht vor. Der Kläger übte iS von § 7 Abs 1 Satz 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisung aus und war in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers eingegliedert. Er war in einem fremden Unternehmen tätig. Ohne eine im Gesellschaftsrecht wurzelnde Rechtsmacht, die ihn in die Lage versetzte, ihm unangenehme Weisungen zu verhindern, schließt auch die faktische Weisungsfreiheit im Alltagsgeschäft die Annahme von Beschäftigung nicht von vornherein aus. Als Geschäftsführer ist er im Rahmen seiner Tätigkeit an Gesellschafterbeschlüsse gebunden (§ 37 Abs 1 GmbHG), welche sich auch auf die konkrete Tätigkeit beziehen können. Dieses grundsätzliche Recht der Gesellschafterversammlung war im hierfür alleine maßgebenden Gesellschaftsvertrag bis 22.11.2013 nicht ausgeschlossen. Der Kläger hat im streitgegenständlichen Zeitraum nicht die Rechtsmacht gehabt, sich ihm nicht genehmer Weisungen hinsichtlich der Ausübung seiner Geschäftsführertätigkeit zu erwehren. Er verfügte als Minderheitsgesellschafter der Beigeladenen zu 1) in der Gesellschafterversammlung nicht über eine vergleichbare Stellung, wie sie ein - mit einer im Gesellschaftsvertrag begründeten - umfassenden Sperrminorität ausgestatteten Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer innehat. Eine solche Rechtsmacht lässt sich weder aus seinem Anteil am stimmberechtigtem Kapital noch aus den sonstigen Umständen herleiten.

Der Kläger verfügt nicht über ein umfassendes Vetorecht bzw eine entsprechende Sperrminorität. Eine solche steht dem Kläger mit 24,95% Anteil am Stammkapital nicht zu. Der Gesellschaftsvertrag enthält für die Abstimmungsprozesse Regelungen, die nach dem Regel-Ausnahme-Prinzip ausgestaltet sind. Die Beschlüsse der Gesellschafter werden gemäß § 6 Abs 6 des Gesellschaftsvertrages mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst (Regel), es sei denn (Ausnahme), das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag sehen eine größere Mehrheit vor. Zwar bedarf es nach § 6 Abs 8 des Gesellschaftsvertrages für die dort genannten Gegenstände eines einstimmigen Beschlusses. Nach der Rechtsprechung des BSG (11.11.2015, B 12 KR 10/14 R, DStR 2016, 1275; 24.09.1992, 7 RAr 12/92, SozR 3-4100 § 168 Nr 8 Leitsatz und S 16) reicht aber eine Sperrminorität auch dann nicht zur Feststellung einer selbständigen Tätigkeit aus, wenn sie nur einzelne Gegenstände betrifft (vgl zuletzt explizit BSG 29.06.2016, B 12 R 5/14 R, juris RdNr 39: "Zu Recht hat das LSG angenommen, dass diese Gegenstände nicht "alle" Angelegenheiten der Klägerin zu 1. betreffen und dass die Klägerin zu 2. daher nicht in der Lage war, sich "umfassend" gegenüber Weisungen des Geschäftsführers in Bezug auf Zeit, Dauer, Umfang und Ort ihrer Tätigkeit zur Wehr zu setzen.").

Die zunächst in § 7 Abs 2 des Gesellschaftsvertrages enthaltene Sperrminorität betreffend den Kläger führt nicht zur Annahme einer erforderlichen Rechtsmacht zur Verhinderung von nicht genehmen Weisungen. Die von den Beteiligten gewollte Sperrminorität wurde später in § 15 des Gesellschaftsvertrages (Beschluss vom 26.04.2013) konkretisiert. Danach bezog sich diese Sperrminorität auf die Fälle, in denen laut Gesetz oder Gesellschaftsvertrag eine qualifizierte Mehrheit von 75 % erforderlich ist. Sie gewährt dem Berechtigten, abweichend von den übrigen Stimmrechten und dem Umfang der Kapitalbeteiligung, in diesen ganz bestimmten Fällen ein Stimmrecht von 25 % + 1 Stimme. Der Kläger hat im Verfahren mehrfach darauf hingewiesen, dass diese Klarstellung die Rechtslage so widerspiegelt, wie sie von Anfang an gedacht war. Aus dieser Regelung ergibt sich aber kein Recht des Klägers, ihm nicht genehme Weisungen bezüglich seiner Geschäftsführertätigkeit zu verhindern. Denn bezüglich dieser Weisungen handelt es sich um Beschlüsse, bei denen nach der Satzung die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen ausreichend war. Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang der Umstand, dass die Gesellschafterversammlung nur beschlussfähig war, wenn mehr als 2/3 aller Stimmen vertreten waren. Denn der Kläger konnte mit seinen Stimmanteilen keine Gesellschafterversammlung und damit auch keine Weisung verhindern. Im Übrigen wäre die der beschlussunfähigen Gesellschafterversammlung nachgehende Gesellschafterversammlung ohne qualifizierte Quote beschlussfähig gewesen.

Diesen Gesichtspunkt erachtet der Senat für maßgeblich in der vorzunehmenden Gesamtabwägung.

Der Umstand, dass nach dem Vortrag des Klägers tatsächlich nie vom Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung Gebrauch gemacht wurde, ändert an der Weisungsgebundenheit nichts. Diesbezüglich hat das BSG, dem sich der Senat anschließt, in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass eine vertraglich eingeräumte Rechtsmacht die tatsächlichen Verhältnisse prägt. Angesichts dieser rechtlichen Rahmenbedingungen kann allein aus der faktischen Nichtwahrnehmung gesellschaftsrechtlicher Befugnisse nicht auf deren stillschweigende Abbedingung geschlossen werden (BSG 29.08.2012, B 12 R 14/10 R, juris). Eine sog "Schönwetter-Selbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht anzuerkennen (BSG 29.07.2015, B 12 KR 23/13 R, BSGE 119, 216, SozR 4-2400 § 7 Nr 24, 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R, BSGE 111, 257, SozR 4-2400 § 7 Nr 17).

Auch die für das Leistungsrecht der Arbeitsförderung entwickelte "Kopf und Seele"-Rechtsprechung, wonach bestimmte Angestellte einer Familiengesellschaft ausnahmsweise als Selbstständige zu betrachten sind, wenn sie faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen, ist für die Statusbeurteilung im sozialversicherungsrechtlichen Deckungsverhältnis nicht heranzuziehen (BSG 29.07.2015, B 12 KR 23/13 R, BSGE 119, 216, SozR 4-2400 § 7 Nr 24).

Aus der (behaupteten) Stimmbindungsvereinbarung vom 12.10.2012 (schriftlich niedergelegt am 22.11.2013) folgt nichts anderes. Der Verstoß gegen eine Stimmbindungsvereinbarung lässt die Wirksamkeit eines Gesellschaftsbeschlusses grundsätzlich unberührt und berechtigt regelmäßig nicht zur Anfechtung des Gesellschafterbeschlusses. Der Stimmbindungsvertrag gewährt dem Kläger zu 1) nicht die Rechtsmacht, sich - einer gesellschaftsvertraglich vereinbarten umfassenden Sperrminorität qualitativ gleichwertig - jederzeit gegen unliebsame Einzelweisungen zur Wehr zu setzen.

Stimmbindungsverträge stellen rein schuldrechtliche Vereinbarungen dar (BGH 25.09.1986, II ZR 272/15, NJW 1987, 890). Nach der Rechtsprechung des BGH führen solche außerhalb des Gesellschaftsvertrages auf Dauer eingegangenen schuldrechtlichen Abstimmungsverpflichtungen unter wechselseitiger Beteiligung aller Gesellschafter an der Stimmbindungsvereinbarung regelmäßig zu einer Innengesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff BGB), weil mit der koordinierten Ausübung der Stimmrechte ein gemeinsamer Zweck verfolgt wird (vgl BGHZ 126, 226, 234 = NJW 1994, 2536; BGHZ 179, 13, 19 = NJW 2009, 669). Auch wenn sie auf unbestimmte Zeit abgeschlossen werden, sind sie jederzeit ordentlich kündbar (§ 723 Abs 1 S 1 BGB). Gestaltungen der Gesellschaftsrechts- bzw Gesellschaftsvertragsrechtslage prägen die Abwägungsentscheidung zum sozialversicherungsrechtlichen Status nicht iS einer strikten Parallelwertung zwingend vor; ihnen kommt keine - im Rahmen der sozialversicherungsrechtlich gebotenen Gesamtabwägung von vornherein den Ausschlag gebende, dh entscheidende - Indizfunktion für das Vorliegen selbstständiger Tätigkeit zu (BSG 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R Rn 23 ff, juris). Eine unterschiedliche Bewertung von Stimmrechtsvereinbarungen im Gesellschaftsrecht einerseits und im Sozialversicherungsrecht andererseits ist durch die verschiedenen Sachstrukturen der jeweiligen Rechtsbereiche gerechtfertigt (BSG 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R unter Hinweis auf Bernsdorff, DB 2014, 1551 (1555)). Eine Stimmabgabe ist in der Regel auch dann gültig, wenn sie entgegen einem wirksamen Stimmbindungsvertrag erfolgt; ein Mangel des Gesellschafterbeschlusses wird durch eine Stimmabgabe entgegen der Stimmbindungsvereinbarung grundsätzlich nicht bewirkt (vgl Senatsurteil vom 24.06.2014, L 11 KR 5338/12; OLG Köln 25.07.2002, 18 U 60/02, juris; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl, § 47 RdNr 117). Lediglich im Innenverhältnis zwischen einzelnen Gesellschaftern wirkende Stimmrechtsvereinbarungen können daher an dem Beschäftigtenstatus des Klägers nichts ändern (Senatsurteil vom 24.06.2014, L 11 KR 5338/12; LSG Hamburg 04.09.2013, L 2 R 111/12, juris). Die außerhalb des Gesellschaftsvertrages von den Gesellschaftern getroffene Stimmbindungsvereinbarung ist daher nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, nicht geeignet, die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden "Rechtsmachtverhältnisse" mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu "verschieben", weil der Stimmbindungsvertrag von jedem Gesellschafter aus wichtigem Grund gekündigt werden konnte (BSG 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 26 Rn 25 mwN). Auch dass Kündigungsrechte in der vorliegend zu beurteilenden Zeit tatsächlich nicht ausgeübt wurden, ist im sozialversicherungsrechtlichen Kontext ohne Bedeutung (BSG 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R, aaO Rn 26).

Insgesamt überwiegen damit diejenigen Umstände, die für eine abhängige Beschäftigung in der Zeit vom 01.01.2012 bis 21.11.2013 sprechen, deutlich gegenüber denjenigen, die auf eine selbstständige Tätigkeit schließen lassen.

Erst aufgrund der Änderung des Gesellschaftsvertrages am 22.11.2013 ist eine Änderung in den Verhältnissen der Rechtsmacht eingetreten. Durch die Neuregelung des Gesellschaftsvertrages wird ua der Kläger zum Geschäftsführer bestellt. Seine Stellung als Geschäftsführer beruht ab diesem Tag nicht mehr auf einem Beschluss der Gesellschafterversammlung, sondern auf dem Gesellschaftsvertrag (§ 6 Abs 3 Satz 2 GmbHG). Auch seine Befugnisse ergeben sich - zumindest teilweise – ebenfalls aus der Satzung. Ab dem 22.11.2013 sieht der neu gefasste Gesellschaftsvertrag in § 5 Abs 5 vor, dass die im Gesellschaftsvertrag namentlich bezeichneten Gesellschafter-Geschäftsführer (darunter der Kläger) weder in zeitlicher noch in sachlicher oder anderweitiger Hinsicht weisungsgebunden sind. Ergänzend wird in § 5 Abs 5 des Gesellschaftsvertrages bestimmt, dass Beschlussfassungen über sämtliche Belange, die das Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und den Geschäftsführern regeln, stets der Einstimmigkeit bedürfen. Die Formulierung "sämtliche Belange" umfasst auch den Bereich der laufenden Geschäftsführung. Aufgrund der ihm durch die Satzung eingeräumten Sperrminorität ist der Kläger ab dem 22.11.2013 nicht mehr abhängig beschäftigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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