S 14 AS 232/14

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 14 AS 232/14
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 88/17
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Unter Abänderung des Bescheides vom 3. Juli 2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 6. Dezember 2013 und 14. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2014 wird der Beklagte verurteilt, den Klägern weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für August 2013 bis Dezember 2013 in Höhe von monatlich 142,75 Euro und für Januar 2014 in Höhe von 123,58 Euro zu gewähren.
Der Beklagte hat den Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Die Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum vom 1. August 2013 bis 31. Januar 2014.

Die 1980 geborene Klägerin zu 1) und ihre am ... 1997, ... 1999, ... 2001 und ... 2010 geborenen Kinder, die Kläger zu 2) bis 5), standen bei dem Beklagten im fortlaufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Für die Kläger zu 2) bis 5) wurde jeweils Kindergeld bezogen. Der Kläger zu 5) erhielt zudem Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in Höhe von 133,00 Euro. Die Klägerin zu 1) hatte keine anderweitigen Einkünfte.

Die Kläger bewohnten seit 2006 eine ca. 121 m² große 4-Raum-Wohnung in der Lutherstadt Wittenberg zur Miete. Dafür waren 783,00 Euro zu zahlen (Grundmiete: 480,00 Euro, sonstige Nebenkosten: 133,00 Euro, Heizkosten [Gas]: 170,00 Euro), welche der Beklagte zunächst als Bedarf berücksichtigte. Warmwasser wird durch Strom separat bereitet. Dafür gewährte der Beklagte jeweils einen Mehrbedarf für die Warmwasseraufbereitung.

In der Anlage zum Bewilligungsbescheid vom 29. August 2011, in welchem Leistungen für alle Kläger bewilligt worden waren, wies der Beklagte darauf hin, dass die Kosten für den angemieteten Wohnraum sowie die Heizkosten als unangemessen anzusehen seien. Die Kläger würden aufgefordert, die derzeitigen Kosten der Unterkunft unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 29. Februar 2012 auf ein angemessenes Maß zu senken. Sollte eine Senkung nicht erfolgen, wäre der Differenzbetrag zwischen den tatsächlichen und den angemessenen Kosten durch die Kläger selbst zu tragen. Für einen 5-Personen-Haushalt würden die angemessenen Kosten der Unterkunft (Grundmiete und kalte Betriebskosten) derzeit monatlich 470,25 Euro betragen. Als angemessene Heizkosten sei der Wert entsprechend des aktuellen Heizspiegels mit einer angemessenen Wohnfläche von 95 m² anzusetzen. Ab März 2012 berücksichtigte der Beklagte dann einen Bedarf für Unterkunft und Heizung in Höhe von 470,25 Euro sowie 127,46 Euro und ab August 2012 in Höhe von 470,25 Euro sowie 126,67 Euro.

Mit Bescheid vom 3. Juli 2013 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft für den Zeitraum vom 1. August 2013 bis 31. Januar 2014 Leistungen (August 2013 bis Oktober 2013: monatlich 1300,03 Euro, November 2013: 1318,69 Euro, Dezember 2013 und Januar 2014: monatlich 1335,02 Euro). In der Bedarfsberechnung legte der Beklagte bei den Unterkunftskosten einen Betrag von 470,25 Euro und bei den Heizkosten von 126,67 Euro zugrunde. Die Kürzung belief sich damit auf 142,75 Euro und 43,33 Euro monatlich. Auf den Kindesbedarf rechnete der Beklagte das jeweilige Kindergeld bzw. die UVG-Leistungen an.

Gegen den Bewilligungsbescheid vom 3. Juli 2013 legten die Kläger am 6. August 2013 Widerspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, dass die Absenkung der Kosten der Unterkunft aufgrund der Richtlinie rechtswidrig sei. Diese beruhe nicht auf einem schlüssigen Konzept. Die erhobenen Daten seien nicht ausreichend. Die Angemessenheitsprüfung habe nach den Werten der Wohngeldtabelle stattzufinden. Danach würden die tatsächlichen Kosten von 613,00 Euro im angemessenen Bereich liegen. Den Differenzbetrag von monatlich 142,75 Euro hätten die Kläger zu Unrecht selbst getragen.

Mit Änderungsbescheid vom 6. Dezember 2013 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen für Januar 2014 in Höhe von 1373,83 Euro. Dabei wurde die Erhöhung der Regel- und Mehrbedarfe berücksichtigt.

Mit Änderungsbescheid vom 14. Januar 2014 bewilligte der Beklagte den Klägern um monatlich 9,50 Euro höhere Leistungen für den Zeitraum 1. August 2013 bis 31. Januar 2014 (August 2013 bis Oktober 2013: monatlich 1309,53 Euro, November 2013: 1328,19 Euro, Dezember 2013: 1344,52 Euro, Januar 2014: 1383,33 Euro). Dabei berücksichtigte der Beklagte nunmehr einen Bedarf für Unterkunft und Heizung in Höhe von 606,42 Euro (Kosten der Unterkunft: 470,25 Euro, Heizkosten: 136,17 Euro). Die Kürzung belief sich auf 142,75 Euro zzgl. 33,83 Euro.

Laut Mietbescheinigung vom 22. Januar 2014 forderte die Vermieterin ab Januar 2014 nur noch eine Gesamtmiete von 730,00 Euro (Grundmiete: 480,00 Euro, sonstige Nebenkosten: 130,00 Euro, Heizkosten: 120,00 Euro).

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2014 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Bedarfe für Unterkunft und Heizung würden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen wären. Der Landkreis Wittenberg als kommunaler Träger habe in seiner Verwaltungsvorschrift zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II und SGB XII aufgrund von durchgeführten Mietwerterhebungen die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung festgesetzt. Für die in der Lutherstadt Wittenberg wohnenden Kläger sei bei einer angemessenen Wohnungsgröße von maximal 95 m² eine Bruttokaltmiete von 470,25 Euro angemessen. Die tatsächliche Bruttokaltmiete der Kläger sei damit zu hoch. Die Kläger hätte der Beklagte mit Bescheid vom 29. August 2011 über die Unangemessenheit belehrt. Entsprechend des aktuellen Heizspiegels seien für einen mit Erdgas beheizten 5-Personen-Haushalt 136,17 Euro (95 m² x 17,20 Euro: 12 Monate) angemessen. Der angefochtene Bescheid würde den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen.

Unter dem 27. Januar 2014 haben die Kläger vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau Klage erhoben. Zur Begründung führen sie im Schriftsatz vom 19. April 2016 im Wesentlichen aus, dass sie die Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft begehren würden. Die Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg sei zur Bestimmung der Angemessenheit der Unterkunftskosten nicht geeignet. Ein schlüssiges Konzept liege der Verwaltungsvorschrift nicht zugrunde. Weder die Schlüssigkeit der Datenerhebung noch die Schlüssigkeit der konkreten Berechnungen seien überprüfbar. Offensichtlich seien sämtliche Erhebungsdaten gelöscht worden. Dem Beklagten habe offenbar das Datenmaterial selbst auch zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Aber selbst bei der Möglichkeit zur nachträglichen Wiederherstellung der Daten sei das Konzept unschlüssig. Nicht schlüssig sei die Herausnahme der Ein- und Zweifamilienhäuser aus der Mietwerterhebung. Es handele sich bei den hier aufgeteilten drei Vergleichsräumen um überwiegend ländlich strukturierte Gebiete. Die Mehrzahl der Wohnungen befinde sich in Ein- und Zweifamilienhäusern. Der gesamte Wohnungsmarkt sei aber zu betrachten. Es seien Daten teilweise nicht bloß empirisch ermittelt, sondern von vornherein – sozusagen zielorientiert – bestimmte Mietwerte ausgesucht worden. Bei den "Wohnungsmarkttypen" könne auch nicht von homogenen Vergleichsräumen ausgegangen werden. Die verkehrstechnische Verbundenheit einzelner Siedlungsgebiete sei gar nicht berücksichtigt worden. Die Verbundenheit der neuen Einheitsgemeinde Zahna-Elster etwa mit Wittenberg und der Umstand, dass dort eine eher gehobene Wohngegend vorzufinden sei, die keinesfalls unter dem Niveau von Wittenberg selbst liege, komme in dem Konzept ohne schlüssigen Grund schon gar nicht vor. Die hinreichende Größe der Vergleichsräume sei auch nicht gegeben. Dies zeige sich u.a. daran, dass in weiten Teilen gar keine Werte haben ermittelt werden können. Es seien in den gebildeten drei Vergleichsräumen nicht jeweils mindestens 10 Prozent des Wohnungsbestandes in die Erhebung einbezogen worden. Auch die Bildung und Bewertung der Vergleichsräume sei im Ergebnis nicht schlüssig, da der Wohnungsmarkt Typ 3 hinsichtlich der Indikatoren mehr +-Zeichen als der Wohnungsmarkt Typ 2 habe. Inwieweit aus der Wahlbeteiligung an einer einzigen Kommunalwahl im Jahr 2007 verlässliche Rückschlüsse auf die soziale Zusammensetzung der Bevölkerung gezogen werden könnten, sei nicht schlüssig, zumal diese Wahl aufgrund der Kreisgebietsreform stattgefunden habe. Desweiteren sei das Pro-Kopf-Einkommen, was in der Tat ein wesentlicher Indikator sei, aus 2004 gewählt worden. Gerade mit der Einführung des SGB II habe sich das Pro-Kopf-Einkommen im Landkreis bezogen auf die Vergleichsräume erheblich verschoben. Es sei ein starker Zuzug von SGB II-Leistungsbeziehern in Gebiete mit Neubaubebauung erfolgt, während sich ein starker Zuzug von Personen mit höherem Pro-Kopf-Einkommen in die Umlandgegenden sowie die Innenstadt von Wittenberg vollzogen habe. Das Konzept sei nicht schlüssig und könne nicht Grundlage sein. Daher seien mindestens die Kosten nach dem Wohngeldgesetz zzgl. 10 % Sicherheitszuschlag zu Grunde zu legen. Die Kläger würden diese Kosten sogar unterschreiten. Es seien die tatsächlichen Kosten für Grundmiete und kalte Betriebskosten zu übernehmen.

Die Kläger beantragen zuletzt sinngemäß,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 3. Juli 2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 6. Dezember 2013 und 14. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2014 zu verurteilen, den Klägern weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 142,75 Euro für den Zeitraum 1. August 2013 bis 31. Dezember 2013 und in Höhe von 123,58 Euro für den Zeitraum 1. Januar 2014 bis 31. Januar 2014 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte meint, die Unterkunftsrichtlinie des Landkreises Wittenberg würde den Anforderungen des Bundessozialgerichts an ein schlüssiges Konzept entsprechen.

Der Beklagte hat dem Gericht einen Abdruck vom durch die Firma A ... mbH im Auftrag des kommunalen Trägers erstellten "Endbericht der Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Wittenberg" übersandt. Desweiteren hat er Kopien von Rohdaten zur Mietwerterhebung (Aktenordner Band I-III) zur Verfügung gestellt. Schließlich ist noch ein Aktenordner mit einem Abdruck der Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg, einer Kopie des Endberichts der Mietwerterhebung sowie zur Indexfortschreibung, Schriftverkehr zur Mieter-/Vermieterbefragung inklusive Anschreiben und Kopien von Stellungnahmen der Firma A ... vom 13. Februar 2015, 18. März 2015, 26. Juni 2015, 13. Oktober 2015 und 15. Oktober 2015 als Band IV übersandt worden.

Die Beteiligten haben schriftsätzlich ihr Einverständnis zu einer Entscheidung der Kammer ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Unterlagen zur Mietwerterhebung haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Beiakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage hat in der Sache Erfolg.

1.

Die Kammer konnte aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

2.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG zulässig. Die Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1. August 2013 bis 31. Januar 2014. Streitgegenständlich ist der Bescheid vom 3. Juli 2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 6. Dezember 2013 und 14. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2014. Die Änderungsbescheide vom 6. Dezember 2013 und 14. Januar 2014 sind gemäß § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden.

3.

Die Klage ist auch begründet. Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Die Kläger haben einen Anspruch auf die zuletzt beantragten weiteren Leistungen in Höhe von monatlich 142,75 Euro für August 2013 bis Dezember 2013 und in Höhe von 123,58 Euro für Januar 2014.

a)

Nach § 19 Abs. 1 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II. Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Leistungsberechtigt sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 9 Abs. 1 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

Die im streitgegenständlichen Zeitraum ...- bzw ...- jährige Klägerin zu 1) ist erwerbsfähig gewesen und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Sie war hilfebedürftig, weil sie ihren Bedarf mit Einkommen nicht decken konnte. Verwertbares Vermögen war nicht vorhanden. Zur Bedarfsgemeinschaft gehörten nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II auch die mit im Haushalt lebenden minderjährigen Kläger zu 2) bis 5), da sie ihren jeweiligen Bedarf nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen vollumfänglich haben decken können.

b)

Die vom Beklagten berücksichtigten Regelbedarfe, Mehrbedarfe für dezentrale Warmwasserbereitung und Alleinerziehung sind zwischen den Beteiligten nicht umstritten. Auf die Berechnungen im letzten Bewilligungsbescheid vom 14. Januar 2014 wird insoweit Bezug genommen.

c)

Hinzuzurechnen sind die Kosten für Unterkunft und Heizung. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Die Kosten der Unterkunft und Heizung gehören dabei nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zum aktuellen Bedarf (vgl. u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Februar 2011, B 14 AS 61/10 R, Rn. 14; Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R, Rn. 29; Bundessozialgericht, Urteil vom 15. April 2008, B 14/7b AS 58/06 R, Rn. 36 – juris). Bei der Nutzung einer Unterkunft durch mehrere Personen erfolgt die Aufteilung der Unterkunftskosten kopfanteilig (st. Rspr., u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 15. April 2008, B 14/7 b AS 58/06 R, Rn. 33; Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/11 b AS 61/06 R, Rn. 19 – juris).

aa)

Als Bruttokaltmiete (Grundmiete sowie kalte Betriebskosten) ist im Zeitraum August 2013 bis Dezember 2013 ein Betrag von monatlich 613,00 Euro und ab Januar 2014 ein Betrag von 610,00 Euro angefallen. Diese Unterkunftskosten sind nicht auf einen Betrag von 470,25 Euro zu begrenzen, sondern in voller Höhe bei der Berechnung zu berücksichtigen.

Dabei hat die Kammer keine Bedenken bezüglich der Kostensenkungsaufforderung vom 29. August 2011. Der Beklagte hatte die Kläger ausdrücklich auf die aus seiner Sicht bestehende Unangemessenheit der Unterkunftskosten hingewiesen und ihnen eine Übergangsfrist von sechs Monaten (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II) zugebilligt.

Die der Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II und SGB XII zugrunde liegende Mietwerterhebung entspricht aber nach Auffassung der Kammer nicht den Mindestanforderungen des Bundessozialgerichts an ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung von Angemessenheitsgrenzwerten.

Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist auf einer ersten Stufe eine abstrakte und auf einer zweiten Stufe eine konkret-individuelle Prüfung vorzunehmen. Im Rahmen der Prüfung abstrakter Angemessenheit werden nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zunächst die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt sowie anschließend festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Alsdann ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist (abstrakt angemessener Quadratmeterpreis) (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 19 – juris).

Für einen 5-Personen-Haushalt ist eine angemessene Wohnfläche von 90 m² anzusetzen. Zur Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße ist im Land Sachsen-Anhalt auf die Wohnungsbauförderungsbestimmungen und die dazu erlassenen Richtlinien aus den Jahren 1993 und 1995 (Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Mietwohnungsneubaus in Sachsen-Anhalt) zurückzugreifen (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 3. März 2011, L 5 AS 181/07, Rn. 45; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 9. Mai 2012, L 5 AS 2/09, Rn. 37 – juris). Die Wohnung der Kläger überschreitet diese Größe, führt aber für sich genommen nicht zur Unangemessenheit der Unterkunftskosten, da auf das Produkt von Wohnfläche und Quadratmeterpreis abzustellen ist.

Der Beklagte unterliegt grundsätzlich einer Methodenfreiheit bei der Ermittlung der angemessenen Bruttokaltmiete. Die Unterkunftsbedarfe müssen als Teil eines menschenwürdigen Existenzminimums aber folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren, also realitätsgerecht, berechnet werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. November 2014, B 4 AS 9/14 R, Rn. 13 – juris). Die Kosten für Wohnraum können in den einzelnen Vergleichsräumen sehr unterschiedlich sein. Um trotzdem ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln auch innerhalb eines Vergleichsraums zu gewährleisten, muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze auf Grundlage eines überprüfbaren "schlüssigen Konzepts" erfolgen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R, Rn. 16 – juris). Ein Konzept ist ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall. Schlüssig ist das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt:

- die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),

- es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen,

- Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,

- Angaben über den Beobachtungszeitraum,

- Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel),

- Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,

- Validität der Datenerhebung,

- Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und

- Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze)

(Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R, Rn. 19 – juris).

Die für die Leistungsberechtigten in Frage kommenden Wohnungen müssen nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen, ohne gehobenen Wohnstandard aufzuweisen. Wohnungen, die nicht den einfachen, sondern den untersten Stand abbilden, gehören von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 21 – juris). Dabei ist die Festlegung des unteren Marktsegments zunächst in die Hände der Verwaltung gelegt, denn diese kann am ehesten anhand der regionalen Gegebenheiten entscheiden, welche Wohnungsmerkmale einen einfachen Wohnstandard ausmachen (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 21 – juris). Eine solche Bestimmung ist ausweislich des Endberichts zur Mietwerterhebung ausschließlich hinsichtlich der als "Substandardwohnungen" bezeichneten Wohnungen erfolgt. Es seien nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt worden, die "zumindest über die Merkmale Bad und Sammelheizung" verfügen würden (Endbericht S. 7). Es ist für die Kammer aber nicht nachvollziehbar, ob die dem Ausschluss von Wohnungen des untersten Standards dienenden Vorgaben ("Ausstattung, Lage und Bausubstanz") tatsächlich im Ergebnis bei der Mietwerterhebung beachtet worden sind. Der Konzeptersteller kann gerade nicht gewährleisten, dass unzumutbare Wohnungen ohne Sammelheizung bzw. Bad nicht in die Ermittlung eines angemessenen Quadratmeterpreises eingeflossen sind. Weder die Vermieterfragebögen noch die Mieterfragebögen enthalten entsprechende Fragen nach dem Standard. Dass der Ausschluss von Substandardwohnungen im Falle der Datenerhebung bei den Wohnungsunternehmen im "persönlichen Kontakt" erfolgt sein soll (vgl. Stellungnahme A ... vom 26. Juni 2015), kann anhand der noch vorhandenen Datensätze nicht verifiziert werden und führt nicht zu belastbaren Ergebnissen. Es sei noch einmal zu betonen, dass zur Sicherstellung des Existenzminimums der Leistungsberechtigten der Bestimmung von pauschalen Grenzwerten ein transparentes und planmäßiges Verfahren zugrunde liegen muss. Auch mit der durchgeführten Extremwertkappung lässt sich der Einfluss von Substandard in die Erhebung nicht ausschließen, denn die Extremwertkappung basiert lediglich auf der Vermutung, dass Wohnungen unterhalb eines bestimmten Quadratmeterpreises dem untersten Marktsegment zuzuordnen sind. Damit werden letztlich aber Schlussfolgerungen vorweggenommen, die erst nach Auswertung der fehlerfrei erhobenen Daten gezogen werden können (Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 14. Juni 2016, S 13 AS 1257/14, Rn. 57 – juris).

Als fehlerhaft stellt sich aus Sicht der Kammer auch die Herausnahme von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern aus der Datenerhebung dar. Eine konkrete Begründung findet sich im Endbericht nicht. Der Konzeptersteller wollte ausweislich seiner eigenen Ausführungen den gesamten Wohnungsmarkt des einfachen bis gehobenen Standards zugrunde legen und anschließend mittels Extremwertkappungen und Perzentil-Bildungen einen Durchschnittspreis ermitteln (Endbericht S. 14). In einem ländlich und dörflich geprägten Gebiet wie dem Landkreis Wittenberg ist insbesondere nicht davon auszugehen, dass die Anmietung einer solchen Wohnung per se dem Luxussegment zuzuordnen wäre. Wenn bei der Datenerhebung aber nur auf den Geschossbau abgestellt wird, verzerrt es im ländlich geprägten Gebiet den abzubildenden gesamten Mietwohnungsmarkt. Nach der ergänzenden Stellungnahme des Konzepterstellers sollen im gesamten Landkreis rund 8,3 % der Einfamilienhäuser und 31,6 % der Wohnungen in Zweifamilienhäusern zu Wohnzwecken vermietet sein, in der Lutherstadt Wittenberg 10,6 % der Einfamilienhäuser und 33,1 % der Zweifamilienhäuser (Stellungnahme A ... vom 26. Juni 2015). Daten wurden von vornherein nicht erhoben (die ausgewählten Mieter solcher Wohnungen sollten den Fragebogen weder ausfüllen noch zurückschicken), sodass eine Nachbesserung für die Vergangenheit nicht möglich wäre. Die Vermutung der Klägerseite, diese Herangehensweise sei "zielorientiert", um die erst zu ermittelnden Mietobergrenzen so gering wie möglich zu halten, ist damit nicht von der Hand zu weisen.

Die Bildung des Vergleichsraumes ist für die Kammer nicht nachvollziehbar. Denn um prüfen zu können, welche Aufwendungen für eine "einfache" Wohnung abstrakt angemessener Größe im unteren Segment des Wohnungsmarktes zu zahlen ist, muss nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf einer zweiten Prüfungsstufe der maßgebliche räumliche Vergleichsmaßstab festgelegt werden, innerhalb dessen das (durchschnittliche) Mietpreisniveau solcher Wohnungen ermittelt wird. Da es bei der Festlegung des Vergleichsraumes um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen geht, sind die Grenzen des Vergleichsraumes insbesondere nach folgenden Kriterien abzustecken: Es geht darum zu beschreiben, welche ausreichend großen Räume (nicht bloße Orts- oder Stadtteile) der Wohnbebauung auf Grund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden. Einer sog. Ghettobildung wird dadurch begegnet, dass hinsichtlich der Referenzmieten zwar auf Mieten für "Wohnungen mit bescheidenem Zuschnitt" abgestellt wird, insoweit aber nicht einzelne, besonders heruntergekommene und daher "billige" Stadtteile herausgegriffen werden dürfen, sondern auf Durchschnittswerte des unteren Mietpreisniveaus im gesamten Stadtgebiet bzw. räumlichen Vergleichsraum abzustellen ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Februar 2009, B 4 AS 30/08 R, Rn. 21 – juris). Nach ergänzender Erläuterung des Konzepterstellers bilden die Wohnungsmarkttypen nicht den homogenen Wohn- und Lebensbereich ab. Vielmehr wurde wohl zunächst das gesamte Kreisgebiet als Vergleichsraum angesehen (Stellungnahme A ... vom 4. Juni 2013). Diese Vorgehensweise kann zwar bei Großstädten zutreffend sein (vgl. München, Berlin, Dresden) und dürfte auch bei kleineren Landkreisen mit einem Mittelzentrum als vertretbar angesehen werden können. Im Falle des Landkreises Wittenberg erachtet die Kammer diese Zuordnung jedoch schon mangels infrastrukturellen Zusammenhangs als abwegig (so schon Urteile der Kammer vom 19. August 2015, S 14 AS 2582/12 und S 14 AS 822/13; im Ergebnis auch: Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 14. Juni 2016, S 13 AS 1257/14, Rn. 38 – juris). Gemeinden wie Vockerode und Oranienbaum (jetzige Verwaltungsgemeinschaft Wörlitzer Winkel) sind unabhängig von ihrer verwaltungstechnischen Zuordnung infrastrukturell eindeutig eher der Stadt Dessau-Roßlau als der Lutherstadt Wittenberg oder gar anderen kreisangehörigen Gemeinden wie Jessen oder Bad Schmiedeberg zugewandt. Im Weiteren führt das Unternehmen dann aber aus, dass der Landkreis in zwei unterschiedliche Vergleichsräume differenziert werden könne, mit der Lutherstadt Wittenberg als Mittelzentrum als eigenen Vergleichsraum und "den übrigen Gemeinden des Kreises" als zweiten Vergleichsraum. In dem Endbericht zur Mietwerterhebung finden sich solche Erwägungen nicht. Dort wird allein von drei Wohnungsmarkttypen ausgegangen.

Die vom Konzeptersteller vorgenommene Clusteranalyse kann nach Auffassung der Kammer nicht die Festlegung eines Vergleichsraums ersetzen, da hier die Kriterien für einen homogenen Lebens- und Wohnbereich wie räumliche Nähe und verkehrstechnische Verbundenheit gerade keine Berücksichtigung gefunden haben (vgl. schon Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 17. August 2012, S 11 AS 2430/11, Rn. 19 – juris). Im Endbericht wird sogar ausgeführt, dass "Gemeinden eines Wohnungsmarkttyps [ ] dabei nicht zwingend räumlich nebeneinander liegen [müssten], sondern [ ] sich über das Untersuchungsgebiet (Kreisgebiet) verteilen [könnten]" (Endbericht S. 3). Im Übrigen soll die Clusteranalyse ausweislich der Erläuterungen im Endbericht gerade auf Indikatoren beruhen, die Aufschluss auf den Mietpreis geben können. Parameter wie Bevölkerungswachstum und entsprechende Nachfrageerhöhung nach Wohnraum oder das Pro-Kopf-Einkommen – sofern dies nicht auf veralteten Erhebungen beruht – erachtet die Kammer als nachvollziehbar. Inwieweit aber die Wahlbeteiligung an einer Kommunalwahl (hier 2007) im Landkreis Wittenberg tatsächlich Einfluss auf den Wohnungsmarkt gehabt haben soll, erschließt sich nicht, zumal die Wahlbeteiligung in den Gemeinden des Wohnungsmarkttyps 3 durch den Konzeptersteller tatsächlich als höher bewertet worden ist als im Wohnungsmarkttyp 1, der durchschnittliche Mietpreis aber dennoch geringer sein soll. Dagegen sind andere wohnungsmarktspezifische Indikatoren wie Neubautätigkeit, Mietstufe, Bodenpreis und Zentralität nicht in die Bildung der Wohnungsmarkttypen eingeflossen (so auch Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 14. Juni 2016, S 13 AS 1257/14, Rn. 54 – juris). Die im Endbericht festgelegte Zugehörigkeit der Gemeinden im Landkreis Wittenberg zu den Wohnungsmarkttypen basiert damit vorliegend nicht auf den Anforderungen zur Bestimmung eines homogenen Wohn- und Lebensraums. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass der Wohnungsmarkttyp tatsächlich mit dem Vergleichsraum übereinstimmen kann (vgl. zur Stadt Bitterfeld-Wolfen im Landkreis Anhalt-Bitterfeld: Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 13. März 2015, S 3 AS 168/14, Rn. 33 – juris).

Nach Auffassung der Kammer ist der Umfang der erhobenen und in das Verfahren eingeführten Daten nicht dazu geeignet, den Mietwohnungsmarkt im Landkreis Wittenberg zuverlässig abzubilden. Eine repräsentative Abbildung des Wohnungsmarktes hat das Bundessozialgericht zwar für den Fall angenommen, wenn die Datenbasis auf mindestens 10 % des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes beruht (vgl. Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R, Rn. 16 – juris). Nach den Ausführungen im Endbericht gebe es im Landkreis 72.219 Wohnungen. In einer ergänzenden Stellungnahme wurde dann eine Zahl von 30.300 vermieteten Wohnungen angegeben (Stellungnahme Analyse & Konzepte vom 26. Juni 2015). Letztlich in die Auswertung eingeflossen sind 4.632 Datensätze. Sofern man nur auf den Wohnort der Kläger, also die Lutherstadt Wittenberg (=Wohnungsmarkttyp 1) abstellt, dürften die in die Auswertung insgesamt eingeflossenen Mietwerte von 3.148 Wohnungen auch rechnerisch mindestens 10% des Mietwohnungsmarktes umfassen. Dies führt aber nach Auffassung der Kammer noch nicht zu dem belastbaren Ergebnis, dass der gesamte relevante Mietwohnungsmarkt abgebildet worden ist. Eine Konzentration Leistungsberechtigter auf bestimmte Stadtbezirke (sog. Ghettobildung) ist anhand der vorliegenden Datenausdrucke nicht auszuschließen. Es sind keine Straßennamen oder zumindest Ortsteile der größeren Gemeinden, insbesondere der Lutherstadt Wittenberg dargestellt. Die vom Konzeptersteller angebotene Straßenübersicht (vgl. Stellungnahme A ... vom 13. Oktober 2015 und 15. Oktober 2015) hat keine nachprüfbare Aussagekraft dahingehend, aus welchen Gebieten Daten tatsächlich in die Erhebung und Bildung des Quadratmeterpreises eingeflossen sind. Eine Nachbesserung ist angesichts der "Löschung sämtlicher Erhebungsdaten nach Beendigung der Auswertungen" (Endbericht S. 2) nicht möglich, sodass es letztlich auch nicht darauf ankommt, ob die Kammer ausschließlich die Lutherstadt Wittenberg (=Wohnungsmarkttyp 1) als für die Kläger maßgeblichen Vergleichsraum ansieht.

Kann kein abstrakt angemessener Bedarf für die Unterkunft ermittelt werden, sind die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen, gedeckelt im Sinne einer Angemessenheitsgrenze nach oben durch die Tabellenwerte der rechten Spalte der Wohngeldtabelle zzgl. eines Sicherheitszuschlags von 10 % (u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 22. März 2012, B 4 AS 16/11 R, Rn. 20 ff. – juris). Einen Betrag von 701,80 Euro überschreiten die Kläger nicht, sodass die tatsächlichen und nachgewiesenen Unterkunftskosten von 613,00 Euro bzw. 610,00 Euro zugrunde zu legen sind.

bb)

Der mit der Klage ausdrücklich geltend gemachte Differenzbetrag ergibt sich bereits aus dem so berücksichtigten höheren Bedarf bei den Unterkunftskosten. Es kann daher dahinstehen, ob die in den Monaten August 2013 bis Dezember 2013 vorgenommene zusätzliche Kürzung der Heizkosten auf 136,17 Euro einer rechtlichen Prüfung standhalten würde.

Im Januar 2014 hatte der Beklagte bereits zu hohe Heizkosten berücksichtigt. Tatsächlich waren dort nur 120,00 Euro angefallen. Bei den Heizkosten und den kalten Unterkunftskosten handelt es sich lediglich um Berechnungselemente innerhalb des Bedarfs für Unterkunft und Heizung, sodass auch eine Verrechnung von Überzahlungen bei den Heizkosten mit zu geringen Zahlungen bei den kalten Kosten zu erfolgen hat. Dadurch besteht für den Monat Januar 2014 nur noch die insoweit mit der Klage geltend gemachte Differenz von 123,58 Euro.

Die durch die Vermieterin für das Abrechnungsjahr 2012 mit Betriebskostenabrechnung vom 17. Dezember 2013 im Januar 2014 geforderte Zahlung von 1915,19 Euro beruht ausschließlich auf Schulden ("Forderungen aus Vorjahren") (vgl. dazu Bundessozialgericht, Urteil vom 22. März 2010, B 4 AS 62/09 R, Rn. 17 – juris). Es kann aber auch dahinstehen, ob dies eine Bedarfserhöhung nach sich ziehen würde, da das Klagebegehren bereits aus anderen Erwägungen vollumfänglich durchgesetzt werden konnte.

d)

Auf den Gesamtbedarf ist gemäß § 9 Abs. 1 und Abs. 2 SGB II das Einkommen anzurechnen. Vermögen im Sinne des § 12 SGB II ist nicht vorhanden. Aus § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II folgt, dass die Errechnung des ungedeckten Bedarfs eines Kindes zunächst unter Berücksichtigung seines eigenen Einkommens erfolgt, da Kindeseinkommen nicht zur Verteilung in der Bedarfsgemeinschaft ansteht, sondern vorrangig den Bedarf des Kindes decken soll (sog. vertikale Berechnungsmethode, vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14 AS 55/07 R, Rn. 24 f.; Bundessozialgericht, Urteil vom 16. Februar 2012, B 4 AS 89/11 R, Rn. 16 – juris). Einkommen der Eltern wäre dagegen nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II bei den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf zu berücksichtigen (sog. horizontale Berechnungsmethode). Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen zu berücksichtigen.

Die Einkommensanrechnung des Beklagten in den streitgegenständlichen Bescheiden ist nicht zu beanstanden. Für die Kläger zu 2) bis 5) wurde Kindergeld in Höhe von 2x 184,00 Euro, 190,00 Euro bzw. 215,00 Euro monatlich bezogen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II (in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) stellt Kindergeld Einkommen des Kindes dar, soweit es bei dem Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird. Der Kläger zu 5) erhielt zudem UVG-Leistungen in Höhe von 133,00 Euro. In der jeweiligen Höhe hatte der Beklagte auch Einkommen auf die Kindesbedarfe angerechnet. Einkommen ist dabei zunächst auf die Bedarfe nach §§ 20, 21, 23 SGB II anzurechnen (vgl. § 19 Abs. 3 Satz 2 SGB II).

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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