Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 33 AS 878/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 1706/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 08.08.2017 geändert. Der Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 21.10.2015, 29.11.2015 und 16.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.03.2016 verurteilt, den Klägern Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 01.11.2015 bis zum 31.03.2016 in Höhe von 444,77 Euro monatlich und für die Zeit vom 01.04.2016 bis zum 31.10.2016 in Höhe von 450,66 Euro monatlich zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 01.11.2015 bis zum 31.10.2016 streitig.
Der Kläger zu 1), geboren 00.00.1968, und die Klägerin zu 2), geboren 00.00.1970, sind verheiratet. Sie wohnten zusammen mit ihren beiden Kindern, der am 00.00.1993 geborenen Tochter M und dem am 00.00.2000 geborenen Kläger zu 3) in der Wohnung L-straße 00, I. Die Grundmiete betrug 345,00 EUR, die Betriebskostenvorauszahlung 80,00 EUR sowie die Heizkostenvorauszahlung 75,00 EUR monatlich. Die Kosten der Unterkunft und Heizung beliefen sich insgesamt auf 500,00 EUR. Die Tochter M absolvierte in den Jahren 2015/16 ein nach dem BAföG förderbares Studium.
Am 16.08.2012 legten die Kläger zu 1) und zu 2) dem Beklagten einen am 14.08.2012 unterschriebenen Mietvertrag für eine 76,88 qm große Wohnung S-straße 00, I vor und gaben an, infolge der Streitigkeiten mit Nachbarn sowie von Mängeln sei ein Verbleiben in der alten Wohnung nicht möglich. Der Beklagte erteilte keine Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB II.
Zum 01.11.2015 zogen die drei Kläger und die Tochter M in die Wohnung S-straße 00 um. Die Grundmiete betrug nun 383,63 EUR, die Betriebskostenvorauszahlung 129,40 EUR und Heizkostenvorauszahlung 80,00 EUR. Die Bruttowarmmiete erhöhte sich ab dem 01.04.2016 auf 600,87 EUR (Grundmiete 383,63 EUR + Betriebskostenvorauszahlung 137,24 EUR + Heizkostenvorauszahlung 80,00 EUR). Die Warmwasserbereitung erfolgt dezentral.
Mit Bescheid vom 21.10.2015 bewilligte der Beklagte den Klägern u.a. Leistungen für Unterkunft und Heizung i.H.v. insgesamt 300,00 EUR (3/5 von 500,00 EUR) monatlich für die Zeit vom 01.11.2015 bis zum 30.10.2016.
Gegen die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung legten die Kläger Widerspruch ein und machten geltend, die Kosten der neu angemieteten Wohnung lägen innerhalb der Angemessenheitsgrenze. Weiter habe es einen wichtigen Grund für den Umzug gegeben, insbesondere sei es zur Auseinandersetzung mit Nachbarn gekommen. Die Mängel der Wohnung seien dem Vermieter mitgeteilt worden, ohne dass eine Abhilfe erfolgt sei. Der Beklagte verfüge über kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der Angemessenheitskriterien, sodass auch der Rückgriff auf die Tabelle zu § 12 WoGG nicht möglich sei und die tatsächlichen Kosten der neuen Wohnung zu übernehmen seien. Die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung blieb im Änderungsbescheid vom 29.11.2015 unverändert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.03.2016 gewährte der Beklagte den Klägern weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung i.H.v. insgesamt 75,00 EUR und wies im Übrigen den Widerspruch als unbegründet zurück. Zwar seien die Kosten für Unterkunft und Heizung der neuen Wohnung i.H.v. insgesamt 593,03 EUR angemessen. Jedoch seien die Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II - auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesozialgerichts vom 29.04.2015 - B 14 AS 6/14 R - auf die Kosten der vormaligen Wohnung i.H.v. 500,00 EUR zu deckeln. Denn die neue Wohnung sei ohne Zustimmung angemietet worden; ein wichtiger Grund für den Umzug bestehe nicht. Ein Rückgriff auf die Werte des WoGG als Angemessenheitsgrenze sei zulässig. Mit Änderungsbescheid vom 16.03.2016 setzte der Beklagte die Entscheidung um.
Am 06.04.2016 haben die Kläger Klage erhoben und die Übernahme von 3/4 der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in der neuen Wohnung begehrt.
Mit Gerichtsbescheid vom 08.08.2017 hat das Sozialgericht Gelsenkirchen den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 21.10.2015, 29.11.2015 und 16.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.03.2016 verurteilt, den Klägern für die Zeit vom 01.11.2015 bis zum 31.10.2016 Leistungen nach dem SGB II für Unterkunftskosten in Höhe von monatlich 450,66 EUR unter Berücksichtigung der bereits hierfür bewilligten Leistung zu gewähren. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Gegen den ihm am 11.08.2017 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Beklagten vom 28.08.2017, mit der er seine Vorgehensweise auch in Anbetracht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Urteil vom 29.04.2015 - B 14 AS 6/14 R für rechtmäßig hält. Der Tabellenwert nach § 12 WoGG zuzüglich des 10 %-igen Zuschlags nach der Rechtsprechung des Bundessozialgericht erlaube im Fall eines Erkenntnisausfalls in Bezug auf die erforderlichen Daten für die Erstellung eines schlüssigen Konzepts die Abbildung eines relevanten und validen Wertes im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze für die zuzuerkennenden Unterkunftskosten.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 08.08.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Beklagten ist nur teilweise begründet und im Übrigen unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 08.08.2017, mit dem der Beklagte zur Übernahme eines höheren Bedarfs nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II für die Zeit vom 01.11.2015 bis zum 30.11.2016 verurteilt worden ist. Da die Kläger im erstinstanzlichen Verfahren ihr Begehren wirksam auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt haben (vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Klagebeschränkung, BSG, Urteil vom 30.03.2017 - B 14 AS 13/16 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 92 m.w.N.), ist Streitgegenstand des Berufungsverfahren nur der Anspruch der Kläger auf höhere Leistungen nach § 22 SGB II.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG statthaft, da sich die Beschwer des Beklagten auf insgesamt 907,92 EUR (12 x 75,66 EUR [450,66 EUR - 375,00 EUR]) beläuft. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden.
Die Berufung ist teilweise begründet.
Das Sozialgericht hat den Beklagten zu Recht unter Abänderung der Bescheide vom 21.10.2015, 29.11.2015 und 16.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.03.2016 zu verurteilt, den Klägern für den Zeit vom 01.11.2015 bis 31.10.2016 höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II unter Zugrundelegung der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung zu gewähren, hat aber für die Zeit vom 01.11.2015 bis zum 31.03.2016 höhere als die tatsächlich entstandenen Aufwendungen zugrunde gelegt. Die Verurteilung des Beklagten war insoweit teilweise aufzuheben.
Der Beklagte ist verpflichtet, den Klägern für die Zeit vom 01.11.2015 bis zum 31.03.2016 Leistungen für Unterkunft und Heizung i.H.v. insgesamt 444,77 EUR monatlich (3/4 von 593,03 EUR) und für die Zeit vom 01.04.2016 bis zum 31.10.2016 i.H.v. 450,66 EUR (3/4 von 600,87 EUR) monatlich zu gewähren.
Die Kläger bilden eine Bedarfsgemeinschaft i.S.v. § 7 Abs. 3 Nrn. 3a, 4 SGB II, da der Bedarf des Klägers zu 3), durch das Kindergeld nicht gedeckt ist. Die Kläger zu 1) und zu 2) erfüllen die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II. Sie haben im streitigen Zeitraum das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht (Nr. 1), haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gehabt (Nr. 4) und sind auch erwerbsfähig gewesen (Nr. 2). Sie sind auch hilfebedürftig i.S.v. §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II, 9 SGB II gewesen, da das Erwerbseinkommen der Klägerin zu 2) nur teilweise den Regelbedarf der drei Kläger gedeckt hat und kein berücksichtigungsfähiges Vermögen vorhanden gewesen ist. Der Kläger zu 3) ist damit bis zur Vollendung seines 15. Lebensjahres am 31.12.2015 leistungsberechtigt nach § 7 Abs. 2 S. 1 SGB II gewesen. Ab Vollendung des 15. Lebensjahres hat er die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erfüllt. Leistungsausschlüsse (§ 7 Abs. 1 S. 2, Abs. 4, Abs. 4a, Abs. 5 SGB II) haben bei den drei Klägern nicht vorgelegen.
Bei der Ermittlung der zu übernehmenden Bedarfe nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II hat der Beklagte die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung in der neuen Wohnung zugrunde zu legen und entsprechend dem Kopfteilprinzip zu 3/4 auf die Kläger umzulegen.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Die Bruttowarmmiete, von der entsprechend dem Kopfteilprinzip 3/4 auf die Kläger umzulegen ist, hat sich im streitigen Zeitraum auf insgesamt 593,03 EUR bzw. ab dem 01.04.2016 auf 600,87 EUR belaufen. Entgegen der Auffassung des Beklagten sind die von den Klägern zu tragenden Aufwendungen - 3/4 der Bruttowarmmiete - nicht nach § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II (i. d. F. der Bekanntmachung vom 13.05. 2011, BGBl I 2011, 850) auf die Aufwendungen der bisherigen Wohnung zu deckeln (A.). Die Aufwendungen sind auch i.S.v. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II angemessen (B).
A. Nach § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II werden nur die bisherigen Bedarfe i.S.v. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II anerkannt, wenn sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erhöhen.
Die Voraussetzungen der Vorschrift des § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II liegen nicht vor. Zwar haben sich die Bedarfe der Kläger für Unterkunft und Heizung durch den Umzug von insgesamt 375,00 EUR auf 444,77 EUR bzw. ab dem 01.04.2016 auf 450,66 EUR erhöht.
Dies allein genügt aber nicht für die Anwendung des § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II. Dabei kann die im erstinstanzlichen Verfahren umstrittene Frage, ob der Umzug der Kläger i.S.v. § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II "erforderlich" gewesen ist, dahinstehen. Selbst wenn der Umzug nicht erforderlich war, ist der Beklagte mangels valider Werte für die Bestimmung einer abstrakten Angemessenheitsgrenze nicht zur Deckelung der Aufwendungen berechtigt gewesen.
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind bei der Anwendung von§ 22 Abs. 1 S. 2 SGB II die Gesamtmieten (Kaltmiete/Betriebskosten/Heizkosten) der alten und der neuen Wohnung zum Zeitpunkt des Umzuges zu vergleichen, wenn der Umzug nicht erforderlich gewesen ist (BSG, Urteile vom 17.02. 2016 - B 4 AS 12/15 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 88 und vom 29.04.2015 - B 14 AS 6/14 R - BSGE 119, 1). Eine Deckelung des anzuerkennenden Bedarfs für Unterkunft und Heizung in Höhe des bisherigen Bedarfs hat nur dann zu erfolgen, wenn - insoweit als Tatbestandsvoraussetzung dieser Deckelung - für den örtlichen Vergleichsraum zutreffend ermittelte abstrakte Angemessenheitsgrenzen bestehen. Das Bundesozialgericht stellt hierbei auf "vom Leistungsträger" bzw. vom "kommunalen Träger" zutreffend ermittelte kommunale Angemessenheitsgrenzen sowohl für die Unterkunftskosten und die Heizung ab (BSG, Urteile vom 17.02.2016, a.a.O. und vom 29.04.2015, a.a.O.), wobei ihm bewusst gewesen ist, dass die Ermittlung abstrakt angemessener Aufwendungen für Heizung zwar praktischen Schwierigkeiten begegnet, die Möglichkeit vom Gesetzgeber aber in § 22b Abs. 1 S. 2 und 3 SGB II ausdrücklich vorgesehen wurde (BSG, Urteil vom 29.04.2015, a.a.O., Rn. 24). Wenn eine zutreffend ermittelte ab-strakte kommunale Angemessenheitsgrenze für die Unterkunftskosten bzw. für die Heizaufwendungen nicht besteht, scheidet danach eine Leistungsdeckelung nach § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II aus (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.07.2017 - L 32 AS 116/14).
Unabhängig von der Frage, ob die vom Beklagten im streitigen Zeitraum verwandte Angemessenheitsgrenze für Unterkunftskosten - Werte der Wohngeldtabelle zuzüglich eines Zuschlags von 10% - hier die zutreffend ermittelte Angemessenheitsgrenze i.S.v. § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II bildet, fehlt es im streitbefangenen Zeitraum jedenfalls an einer validen Angemessenheitsgrenze für Heizkosten. Der Beklagte hat keine Angemessenheitsgrenze für Heizkosten ermittelt (vgl. zu den - hohen - Anforderungen hierbei: BSG, Urteil vom 12.06.2013 - B 14 AS 60/12 R - BSGE 114, 1). Ein kommunaler Heizkostenspiegel existiert nicht. Auch kann nicht auf Werte aus dem bundesweiten Heizkostenspiegel abgestellt werden, da zum Zeitpunkt des Umzugs, dem 01.11.2015, dem Grenzwert aus einem bundesweiten Heizkostenspiegel nicht die Funktion eines Quadratmeterhöchstwerts für angemessene Aufwendungen i.S.v. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zukam (vgl. BSG, Urteil vom 12.06.2013, a.a.O.).
Die in Gestalt von § 22 Abs. 10 SGB II mit Wirkung zum 01.08.2016 (Gesetz vom 26.07.2016, BGBl. I 1824), geschaffene Regelung, wonach nun die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze sowie die Heranziehung der oberen Grenzwerte aus kommunalen oder dem bundesweiten Heizspielgel für die Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Heizung möglich ist, kann nicht rückwirkend auf den Zeitpunkt des Umzugs, angewandt werden. Auch bislang hat der Beklagte - soweit ersichtlich - keine Gesamtangemessenheitsgrenze i.S.v. § 22 Abs. 10 SGB II gebildet. Eine Deckelung nach § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II scheidet daher aus; die Kosten der neuen Wohnung sind in tatsächlich anfallender Höhe zu übernehmen, soweit sie angemessen sind.
B. Die tatsächlichen Aufwendungen der Kläger für Unterkunft und Heizung für die neue Wohnung sind insgesamt angemessen i.S.v. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II.
Die Bruttokaltmiete der von 4 Personen bewohnten Wohnung hat sich bis zum 31.03.2016 auf 513,05 EUR und ab dem 01.04.2016 auf 520,87 EUR belaufen, wobei auf die Kläger nach dem Kopfteilprinzip 384,79 EUR (3/4 von 513,05 EUR) bzw. ab dem 01.04.2016 390,65 EUR (3/4 von 520,87 EUR) entfallen sind.
Die auf die Kläger entfallenden Unterkunftskosten von insgesamt 384,79 EUR bzw. ab dem 01.03.2016 von 390,65 EUR unterschreiten den wegen des Fehlens eines schlüssigen Konzepts als Angemessenheitsgrenze anzuwendenden Wert aus § 12 WoGG zuzüglich eines Zuschlags von 10 % für einen Drei-Personen-Haushalt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 18.02.2010 - B 14 AS 73/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 34). Für einen 3-Personen-haushalt ergibt sich aus der Tabelle zu § 12 WoGG zuzüglich 10% Zuschlag ein Grenzwert von 496,16 EUR (451,00 EUR nach der Tabelle zu § 12 WoGG bis 31.12.2015 + 10 %) bzw. ab dem 01.01.2016 556,60 Euro (506,00 Euro nach der Tabelle zu § 12 WoGG + 10 %), da die Stadt I durchgehend die Mietstufe II hatte.
Auch die Heizkosten der neu bezogenen Wohnung i.H.v. 80,00 EUR monatlich sind angemessen. Die neue Wohnung der Kläger weist eine Wohnfläche von 76,88 qm auf und liegt in einem Haus von insgesamt 791,99 qm mit gasbetriebener Heizung. Der Anspruch auf Leistungen für Heizungskosten besteht grundsätzlich in Höhe der konkret-individuell geltend gemachten Aufwendungen, soweit sie angemessen sind.
Von unangemessen hohen Heizkosten, die eine Kostensenkungsaufforderung rechtfertigen würden, ist - erst dann - auszugehen, wenn bestimmte Grenzwerte überschritten werden, die den von der co2 online gGmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund erstellten und durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit geförderten "Kommunalen Heizspiegeln" bzw. dem "Bundesweiten Heizspiegel" zu entnehmen sind. Solange der jeweils örtlich zuständige Träger der Grundsicherung - wie hier - keine differenzierte Datenermittlung für den konkreten Vergleichsraum durchgeführt hat, die zuverlässige Schlüsse auf einen Wert für grundsicherungsrechtlich angemessene Heizkosten in seinem Zuständigkeitsbereich ermöglichen, ist die Heranziehung eines Grenzwertes aus Gründen der Praktikabilität geboten. (BSG, Urteil vom 12.06.2013, a.a.O.). Der Grenzwert ergibt sich, wenn ein kommunaler Heizspiegel - wie vorliegend - nicht existiert, aus den Werten der Spalte "zu hoch" für Heizöl, Erdgas bzw. Fernwärme des "Bundesweiten Heizspiegels", der zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung bereits veröffentlicht war (LSG NRW, Urteil vom 12.06.2013 - L 19 AS 2007/11, bestätigt durch BSG, Urteil vom 12.06.2013, a.a.O.).
Maßgebend ist hier der im Oktober 2015 herausgegebene und daher bei Erlass des Widerspruchsbescheides vom 16.03.2016 bereits veröffentlichte Bundesweite Heizspiegel 2015 für das Abrechnungsjahr 2014. Der Grenzwert bei der Gasbeheizung einer Vergleichswohnung mit einer Gebäudefläche von zwischen 501 und 1.000 qm beträgt hiernach 17,10 EUR/qm/Jahr. Für einen 3-Personen-Haushalt in Nordrhein-Westfalen ist nach Nr. 8.2 der insoweit maßgeblichen (BSG, Urteil vom 16.05.2012 - B 4 AS 109/11 R) Wohnraumnutzungsbestimmungen (Runderlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr NRW vom 12.12.2009, IV.5-619-1665/09) eine Wohnfläche von 80 qm angemessen.
Bei einer abstrakt angemessenen Wohnfläche von 80 qm für den Drei-Personen-Haushalt der Kläger ergibt sich ein Grenzwert für die Kosten der Beheizung in 2015 von 1368 EUR/Jahr bzw. 114 EUR monatlich. Der auf die Kläger entfallende Anteil der Heizkostenvorauszahlung von 60,00 EUR monatlich ist somit angemessen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund zur Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegt nicht vor.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 01.11.2015 bis zum 31.10.2016 streitig.
Der Kläger zu 1), geboren 00.00.1968, und die Klägerin zu 2), geboren 00.00.1970, sind verheiratet. Sie wohnten zusammen mit ihren beiden Kindern, der am 00.00.1993 geborenen Tochter M und dem am 00.00.2000 geborenen Kläger zu 3) in der Wohnung L-straße 00, I. Die Grundmiete betrug 345,00 EUR, die Betriebskostenvorauszahlung 80,00 EUR sowie die Heizkostenvorauszahlung 75,00 EUR monatlich. Die Kosten der Unterkunft und Heizung beliefen sich insgesamt auf 500,00 EUR. Die Tochter M absolvierte in den Jahren 2015/16 ein nach dem BAföG förderbares Studium.
Am 16.08.2012 legten die Kläger zu 1) und zu 2) dem Beklagten einen am 14.08.2012 unterschriebenen Mietvertrag für eine 76,88 qm große Wohnung S-straße 00, I vor und gaben an, infolge der Streitigkeiten mit Nachbarn sowie von Mängeln sei ein Verbleiben in der alten Wohnung nicht möglich. Der Beklagte erteilte keine Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB II.
Zum 01.11.2015 zogen die drei Kläger und die Tochter M in die Wohnung S-straße 00 um. Die Grundmiete betrug nun 383,63 EUR, die Betriebskostenvorauszahlung 129,40 EUR und Heizkostenvorauszahlung 80,00 EUR. Die Bruttowarmmiete erhöhte sich ab dem 01.04.2016 auf 600,87 EUR (Grundmiete 383,63 EUR + Betriebskostenvorauszahlung 137,24 EUR + Heizkostenvorauszahlung 80,00 EUR). Die Warmwasserbereitung erfolgt dezentral.
Mit Bescheid vom 21.10.2015 bewilligte der Beklagte den Klägern u.a. Leistungen für Unterkunft und Heizung i.H.v. insgesamt 300,00 EUR (3/5 von 500,00 EUR) monatlich für die Zeit vom 01.11.2015 bis zum 30.10.2016.
Gegen die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung legten die Kläger Widerspruch ein und machten geltend, die Kosten der neu angemieteten Wohnung lägen innerhalb der Angemessenheitsgrenze. Weiter habe es einen wichtigen Grund für den Umzug gegeben, insbesondere sei es zur Auseinandersetzung mit Nachbarn gekommen. Die Mängel der Wohnung seien dem Vermieter mitgeteilt worden, ohne dass eine Abhilfe erfolgt sei. Der Beklagte verfüge über kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der Angemessenheitskriterien, sodass auch der Rückgriff auf die Tabelle zu § 12 WoGG nicht möglich sei und die tatsächlichen Kosten der neuen Wohnung zu übernehmen seien. Die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung blieb im Änderungsbescheid vom 29.11.2015 unverändert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.03.2016 gewährte der Beklagte den Klägern weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung i.H.v. insgesamt 75,00 EUR und wies im Übrigen den Widerspruch als unbegründet zurück. Zwar seien die Kosten für Unterkunft und Heizung der neuen Wohnung i.H.v. insgesamt 593,03 EUR angemessen. Jedoch seien die Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II - auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesozialgerichts vom 29.04.2015 - B 14 AS 6/14 R - auf die Kosten der vormaligen Wohnung i.H.v. 500,00 EUR zu deckeln. Denn die neue Wohnung sei ohne Zustimmung angemietet worden; ein wichtiger Grund für den Umzug bestehe nicht. Ein Rückgriff auf die Werte des WoGG als Angemessenheitsgrenze sei zulässig. Mit Änderungsbescheid vom 16.03.2016 setzte der Beklagte die Entscheidung um.
Am 06.04.2016 haben die Kläger Klage erhoben und die Übernahme von 3/4 der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in der neuen Wohnung begehrt.
Mit Gerichtsbescheid vom 08.08.2017 hat das Sozialgericht Gelsenkirchen den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 21.10.2015, 29.11.2015 und 16.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.03.2016 verurteilt, den Klägern für die Zeit vom 01.11.2015 bis zum 31.10.2016 Leistungen nach dem SGB II für Unterkunftskosten in Höhe von monatlich 450,66 EUR unter Berücksichtigung der bereits hierfür bewilligten Leistung zu gewähren. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Gegen den ihm am 11.08.2017 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Beklagten vom 28.08.2017, mit der er seine Vorgehensweise auch in Anbetracht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Urteil vom 29.04.2015 - B 14 AS 6/14 R für rechtmäßig hält. Der Tabellenwert nach § 12 WoGG zuzüglich des 10 %-igen Zuschlags nach der Rechtsprechung des Bundessozialgericht erlaube im Fall eines Erkenntnisausfalls in Bezug auf die erforderlichen Daten für die Erstellung eines schlüssigen Konzepts die Abbildung eines relevanten und validen Wertes im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze für die zuzuerkennenden Unterkunftskosten.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 08.08.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Beklagten ist nur teilweise begründet und im Übrigen unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 08.08.2017, mit dem der Beklagte zur Übernahme eines höheren Bedarfs nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II für die Zeit vom 01.11.2015 bis zum 30.11.2016 verurteilt worden ist. Da die Kläger im erstinstanzlichen Verfahren ihr Begehren wirksam auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt haben (vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Klagebeschränkung, BSG, Urteil vom 30.03.2017 - B 14 AS 13/16 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 92 m.w.N.), ist Streitgegenstand des Berufungsverfahren nur der Anspruch der Kläger auf höhere Leistungen nach § 22 SGB II.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG statthaft, da sich die Beschwer des Beklagten auf insgesamt 907,92 EUR (12 x 75,66 EUR [450,66 EUR - 375,00 EUR]) beläuft. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden.
Die Berufung ist teilweise begründet.
Das Sozialgericht hat den Beklagten zu Recht unter Abänderung der Bescheide vom 21.10.2015, 29.11.2015 und 16.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.03.2016 zu verurteilt, den Klägern für den Zeit vom 01.11.2015 bis 31.10.2016 höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II unter Zugrundelegung der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung zu gewähren, hat aber für die Zeit vom 01.11.2015 bis zum 31.03.2016 höhere als die tatsächlich entstandenen Aufwendungen zugrunde gelegt. Die Verurteilung des Beklagten war insoweit teilweise aufzuheben.
Der Beklagte ist verpflichtet, den Klägern für die Zeit vom 01.11.2015 bis zum 31.03.2016 Leistungen für Unterkunft und Heizung i.H.v. insgesamt 444,77 EUR monatlich (3/4 von 593,03 EUR) und für die Zeit vom 01.04.2016 bis zum 31.10.2016 i.H.v. 450,66 EUR (3/4 von 600,87 EUR) monatlich zu gewähren.
Die Kläger bilden eine Bedarfsgemeinschaft i.S.v. § 7 Abs. 3 Nrn. 3a, 4 SGB II, da der Bedarf des Klägers zu 3), durch das Kindergeld nicht gedeckt ist. Die Kläger zu 1) und zu 2) erfüllen die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II. Sie haben im streitigen Zeitraum das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht (Nr. 1), haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gehabt (Nr. 4) und sind auch erwerbsfähig gewesen (Nr. 2). Sie sind auch hilfebedürftig i.S.v. §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II, 9 SGB II gewesen, da das Erwerbseinkommen der Klägerin zu 2) nur teilweise den Regelbedarf der drei Kläger gedeckt hat und kein berücksichtigungsfähiges Vermögen vorhanden gewesen ist. Der Kläger zu 3) ist damit bis zur Vollendung seines 15. Lebensjahres am 31.12.2015 leistungsberechtigt nach § 7 Abs. 2 S. 1 SGB II gewesen. Ab Vollendung des 15. Lebensjahres hat er die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erfüllt. Leistungsausschlüsse (§ 7 Abs. 1 S. 2, Abs. 4, Abs. 4a, Abs. 5 SGB II) haben bei den drei Klägern nicht vorgelegen.
Bei der Ermittlung der zu übernehmenden Bedarfe nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II hat der Beklagte die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung in der neuen Wohnung zugrunde zu legen und entsprechend dem Kopfteilprinzip zu 3/4 auf die Kläger umzulegen.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Die Bruttowarmmiete, von der entsprechend dem Kopfteilprinzip 3/4 auf die Kläger umzulegen ist, hat sich im streitigen Zeitraum auf insgesamt 593,03 EUR bzw. ab dem 01.04.2016 auf 600,87 EUR belaufen. Entgegen der Auffassung des Beklagten sind die von den Klägern zu tragenden Aufwendungen - 3/4 der Bruttowarmmiete - nicht nach § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II (i. d. F. der Bekanntmachung vom 13.05. 2011, BGBl I 2011, 850) auf die Aufwendungen der bisherigen Wohnung zu deckeln (A.). Die Aufwendungen sind auch i.S.v. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II angemessen (B).
A. Nach § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II werden nur die bisherigen Bedarfe i.S.v. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II anerkannt, wenn sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erhöhen.
Die Voraussetzungen der Vorschrift des § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II liegen nicht vor. Zwar haben sich die Bedarfe der Kläger für Unterkunft und Heizung durch den Umzug von insgesamt 375,00 EUR auf 444,77 EUR bzw. ab dem 01.04.2016 auf 450,66 EUR erhöht.
Dies allein genügt aber nicht für die Anwendung des § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II. Dabei kann die im erstinstanzlichen Verfahren umstrittene Frage, ob der Umzug der Kläger i.S.v. § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II "erforderlich" gewesen ist, dahinstehen. Selbst wenn der Umzug nicht erforderlich war, ist der Beklagte mangels valider Werte für die Bestimmung einer abstrakten Angemessenheitsgrenze nicht zur Deckelung der Aufwendungen berechtigt gewesen.
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind bei der Anwendung von§ 22 Abs. 1 S. 2 SGB II die Gesamtmieten (Kaltmiete/Betriebskosten/Heizkosten) der alten und der neuen Wohnung zum Zeitpunkt des Umzuges zu vergleichen, wenn der Umzug nicht erforderlich gewesen ist (BSG, Urteile vom 17.02. 2016 - B 4 AS 12/15 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 88 und vom 29.04.2015 - B 14 AS 6/14 R - BSGE 119, 1). Eine Deckelung des anzuerkennenden Bedarfs für Unterkunft und Heizung in Höhe des bisherigen Bedarfs hat nur dann zu erfolgen, wenn - insoweit als Tatbestandsvoraussetzung dieser Deckelung - für den örtlichen Vergleichsraum zutreffend ermittelte abstrakte Angemessenheitsgrenzen bestehen. Das Bundesozialgericht stellt hierbei auf "vom Leistungsträger" bzw. vom "kommunalen Träger" zutreffend ermittelte kommunale Angemessenheitsgrenzen sowohl für die Unterkunftskosten und die Heizung ab (BSG, Urteile vom 17.02.2016, a.a.O. und vom 29.04.2015, a.a.O.), wobei ihm bewusst gewesen ist, dass die Ermittlung abstrakt angemessener Aufwendungen für Heizung zwar praktischen Schwierigkeiten begegnet, die Möglichkeit vom Gesetzgeber aber in § 22b Abs. 1 S. 2 und 3 SGB II ausdrücklich vorgesehen wurde (BSG, Urteil vom 29.04.2015, a.a.O., Rn. 24). Wenn eine zutreffend ermittelte ab-strakte kommunale Angemessenheitsgrenze für die Unterkunftskosten bzw. für die Heizaufwendungen nicht besteht, scheidet danach eine Leistungsdeckelung nach § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II aus (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.07.2017 - L 32 AS 116/14).
Unabhängig von der Frage, ob die vom Beklagten im streitigen Zeitraum verwandte Angemessenheitsgrenze für Unterkunftskosten - Werte der Wohngeldtabelle zuzüglich eines Zuschlags von 10% - hier die zutreffend ermittelte Angemessenheitsgrenze i.S.v. § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II bildet, fehlt es im streitbefangenen Zeitraum jedenfalls an einer validen Angemessenheitsgrenze für Heizkosten. Der Beklagte hat keine Angemessenheitsgrenze für Heizkosten ermittelt (vgl. zu den - hohen - Anforderungen hierbei: BSG, Urteil vom 12.06.2013 - B 14 AS 60/12 R - BSGE 114, 1). Ein kommunaler Heizkostenspiegel existiert nicht. Auch kann nicht auf Werte aus dem bundesweiten Heizkostenspiegel abgestellt werden, da zum Zeitpunkt des Umzugs, dem 01.11.2015, dem Grenzwert aus einem bundesweiten Heizkostenspiegel nicht die Funktion eines Quadratmeterhöchstwerts für angemessene Aufwendungen i.S.v. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zukam (vgl. BSG, Urteil vom 12.06.2013, a.a.O.).
Die in Gestalt von § 22 Abs. 10 SGB II mit Wirkung zum 01.08.2016 (Gesetz vom 26.07.2016, BGBl. I 1824), geschaffene Regelung, wonach nun die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze sowie die Heranziehung der oberen Grenzwerte aus kommunalen oder dem bundesweiten Heizspielgel für die Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Heizung möglich ist, kann nicht rückwirkend auf den Zeitpunkt des Umzugs, angewandt werden. Auch bislang hat der Beklagte - soweit ersichtlich - keine Gesamtangemessenheitsgrenze i.S.v. § 22 Abs. 10 SGB II gebildet. Eine Deckelung nach § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II scheidet daher aus; die Kosten der neuen Wohnung sind in tatsächlich anfallender Höhe zu übernehmen, soweit sie angemessen sind.
B. Die tatsächlichen Aufwendungen der Kläger für Unterkunft und Heizung für die neue Wohnung sind insgesamt angemessen i.S.v. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II.
Die Bruttokaltmiete der von 4 Personen bewohnten Wohnung hat sich bis zum 31.03.2016 auf 513,05 EUR und ab dem 01.04.2016 auf 520,87 EUR belaufen, wobei auf die Kläger nach dem Kopfteilprinzip 384,79 EUR (3/4 von 513,05 EUR) bzw. ab dem 01.04.2016 390,65 EUR (3/4 von 520,87 EUR) entfallen sind.
Die auf die Kläger entfallenden Unterkunftskosten von insgesamt 384,79 EUR bzw. ab dem 01.03.2016 von 390,65 EUR unterschreiten den wegen des Fehlens eines schlüssigen Konzepts als Angemessenheitsgrenze anzuwendenden Wert aus § 12 WoGG zuzüglich eines Zuschlags von 10 % für einen Drei-Personen-Haushalt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 18.02.2010 - B 14 AS 73/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 34). Für einen 3-Personen-haushalt ergibt sich aus der Tabelle zu § 12 WoGG zuzüglich 10% Zuschlag ein Grenzwert von 496,16 EUR (451,00 EUR nach der Tabelle zu § 12 WoGG bis 31.12.2015 + 10 %) bzw. ab dem 01.01.2016 556,60 Euro (506,00 Euro nach der Tabelle zu § 12 WoGG + 10 %), da die Stadt I durchgehend die Mietstufe II hatte.
Auch die Heizkosten der neu bezogenen Wohnung i.H.v. 80,00 EUR monatlich sind angemessen. Die neue Wohnung der Kläger weist eine Wohnfläche von 76,88 qm auf und liegt in einem Haus von insgesamt 791,99 qm mit gasbetriebener Heizung. Der Anspruch auf Leistungen für Heizungskosten besteht grundsätzlich in Höhe der konkret-individuell geltend gemachten Aufwendungen, soweit sie angemessen sind.
Von unangemessen hohen Heizkosten, die eine Kostensenkungsaufforderung rechtfertigen würden, ist - erst dann - auszugehen, wenn bestimmte Grenzwerte überschritten werden, die den von der co2 online gGmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund erstellten und durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit geförderten "Kommunalen Heizspiegeln" bzw. dem "Bundesweiten Heizspiegel" zu entnehmen sind. Solange der jeweils örtlich zuständige Träger der Grundsicherung - wie hier - keine differenzierte Datenermittlung für den konkreten Vergleichsraum durchgeführt hat, die zuverlässige Schlüsse auf einen Wert für grundsicherungsrechtlich angemessene Heizkosten in seinem Zuständigkeitsbereich ermöglichen, ist die Heranziehung eines Grenzwertes aus Gründen der Praktikabilität geboten. (BSG, Urteil vom 12.06.2013, a.a.O.). Der Grenzwert ergibt sich, wenn ein kommunaler Heizspiegel - wie vorliegend - nicht existiert, aus den Werten der Spalte "zu hoch" für Heizöl, Erdgas bzw. Fernwärme des "Bundesweiten Heizspiegels", der zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung bereits veröffentlicht war (LSG NRW, Urteil vom 12.06.2013 - L 19 AS 2007/11, bestätigt durch BSG, Urteil vom 12.06.2013, a.a.O.).
Maßgebend ist hier der im Oktober 2015 herausgegebene und daher bei Erlass des Widerspruchsbescheides vom 16.03.2016 bereits veröffentlichte Bundesweite Heizspiegel 2015 für das Abrechnungsjahr 2014. Der Grenzwert bei der Gasbeheizung einer Vergleichswohnung mit einer Gebäudefläche von zwischen 501 und 1.000 qm beträgt hiernach 17,10 EUR/qm/Jahr. Für einen 3-Personen-Haushalt in Nordrhein-Westfalen ist nach Nr. 8.2 der insoweit maßgeblichen (BSG, Urteil vom 16.05.2012 - B 4 AS 109/11 R) Wohnraumnutzungsbestimmungen (Runderlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr NRW vom 12.12.2009, IV.5-619-1665/09) eine Wohnfläche von 80 qm angemessen.
Bei einer abstrakt angemessenen Wohnfläche von 80 qm für den Drei-Personen-Haushalt der Kläger ergibt sich ein Grenzwert für die Kosten der Beheizung in 2015 von 1368 EUR/Jahr bzw. 114 EUR monatlich. Der auf die Kläger entfallende Anteil der Heizkostenvorauszahlung von 60,00 EUR monatlich ist somit angemessen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund zur Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegt nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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