L 8 KR 487/17

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 1 R 103/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 487/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 29/19 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Besteht zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer keine Dauerbeziehung, sondern wird der Auftragnehmer auf der Grundlage von Einzelaufträgen für den Auftraggeber tätig, sind nur diese am Maßstab der von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen selbständiger Tätigkeit und Beschäftigung entwickelten Grundsätze zu bewerten (Anschluss an BSG, Urteil vom 30.10.2013, B 12 KR 17/11 R).

Für die im Rahmen einer Statusentscheidung relevante Weisungsbefugnis reicht es nicht aus, dass bei der Ausübung einer Dienstleistung bestimmte öffentlich-rechtliche Vorgaben zu beachten sind. Die aus Gründen der Koordination der Rettungsmaßnahmen bei einem Großschadensereignis notwendige Einräumung der fachlichen Weisungsbefugnis auf die Einsatzleitung bzw. den leitenden Notarzt stellt eine ordnungsrechtliche Regelung der Gefahrenabwehr und der öffentlichen Gesundheitsvorsorge dar, der für die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status keine maßgebliche Bedeutung beizumessen. ist. Die Normen zur Organisation des Rettungsdienstes sind als solche nicht geeignet, eine arbeitsvertragliche Weisungsbefugnis zu begründen (ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. September 2017 – L 1 KR 404/15 –, juris Rn. 48; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8. Februar 2017 – L 8 R 162/15 –, juris Rn. 151).
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 22. November 2017 sowie der Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. April 2017 aufgehoben und festgestellt, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bei dem Kläger ab dem 3. August 2016 nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht die Sozialversicherungspflicht der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Notarzt bei dem Kläger.

Der Beigeladene zu 1) ist seit dem 3. August 2016 als Notarzt für den Kläger tätig. Daneben übt er eine weitere Tätigkeit als beschäftigter Notarzt in Vollzeit beim B. gGmbH aus. Der Kläger ist als Landkreis in Hessen zugleich öffentlich-rechtlicher Träger des bodengebundenen Rettungsdienstes einschließlich der notärztlichen Versorgung sowie der Berg- und Wasserrettung (Rettungsdienstträger) sowie Leistungserbringer im Rettungsdienst.

Der Kläger und der Beigeladene zu 1) haben am 6. Juni 2016 eine Honorarvereinbarung mit folgendem Inhalt geschlossen (auszugsweise): "Gegenstand der Leistung nach dieser Vereinbarung ist die Übernahme von Bereitschaftsdiensten für die notärztliche Versorgung im Rettungsdienstbereich Fulda mittels bodengebundenem Notarztsystem (NEF). Der Notarzt ist in seiner Verantwortung in Diagnostik und Therapie unabhängig und nur dem Gesetz verpflichtet. Er ist im Einsatzgeschehen an die Weisungen des leitenden Notarztes (LNA) gebunden. Der Notarzt ist freiberuflich tätig und wird nicht in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingebunden. Er unterwirft sich keinen einseitigen nachträglichen Weisungen von Bediensteten des Auftraggebers. Der Notarzt leistet Rettungseinsätze, die während der vom Auftraggeber gestellten Dienste von der Leitstelle des Auftraggebers angezeigt werden (§ 2). Der Notarzt verpflichtet sich, im Einsatz persönliche Schutzausrüstung entsprechend den jeweils gültigen Sicherheitsvorschriften zu tragen (§ 3). Der im Rahmen dieses Honorarvertrages eingesetzte Notarzt wird im Bereich Notarzteinsatzfahrzeug der C. Fulda, stationiert an der D. Fulda, eingesetzt. Es gelten folgende Dienstzeiten:
Montag bis Donnerstag 7:30 Uhr bis 21:00 Uhr
Freitag 7:30 Uhr bis 23:00 Uhr
Samstag 7:30 Uhr bis 23:00 Uhr
Sonntag und Wochenfeiertag 11:00 Uhr bis 22:00 Uhr (§ 4)
Der Notarzt teilt per E-Mail dem Dienstplankoordinator mit, welche Dienste er zu übernehmen bereit ist. Der Auftraggeber entscheidet im Rahmen der vom Notarzt angebotenen Termine, zu welchen Diensten er ihn bestellt und teilt ihm dies per E-Mail spätestens fünf Tage vor dem Termin mit. Aus dem Abschluss dieses Vertrages erwächst kein Anspruch des Notarztes gegen den Auftraggeber auf Bestellung der von ihm angebotenen Dienste und kein Anspruch des Auftraggebers, dass der Notarzt bestimmte Diensttermine anbietet. Der Dienstplan wird vom Auftraggeber oder eines von ihm Beauftragten aufgestellt (§ 5). Der Auftragnehmer erhält pro geleistete Stunde ein Stundensatz von 35 EUR (Brutto). Bei angefangenen Stunden wird ab der 16. Minute der halbe Stundensatz und ab der 46. Minute der volle Stundensatz vergütet. Der Notarzt stellt die von ihm erbrachten Leistungen monatlich, bis spätestens 15. des übernächsten Monats, dem Kläger in Rechnung. Das Honorar wird auf das vom Notarzt angegebene Konto überwiesen. Das Honorar wird nur für tatsächlich geleisteten Bereitschaftsdienst sowie im Einsatzfall gezahlt. Das Honorar deckt alle Aufwendungen inklusive Reisekosten. Weitere Honoraransprüche gegenüber dem Landkreis Fulda oder Dritten bestehen nicht. Ansprüche wegen vorübergehender Dienstverhinderung sind ausdrücklich ausgeschlossen. Es besteht kein Urlaubsanspruch sowie kein Anspruch auf Weihnachtsgeld oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Das Honorar unterliegt der Einkommenssteuer. Die selbstständige Tätigkeit des Notarztes ist für den Auftraggeber sozialversicherungsfrei (§ 6).

Am 25. August 2016 beantragte der Beigeladene zu 1) die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status. Nach Anhörung des Klägers stellte die Beklagte mit inhaltsgleichen Bescheiden an den Kläger und den Beigeladenen zu 1) vom 10. Januar 2017 fest, dass der Beigeladene zu 1) die Tätigkeit als Notarzt bei dem Kläger seit dem 3. August 2016 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. In dem Beschäftigungsverhältnis bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche, dass die Verpflichtung bestehe, die Leistung persönlich zu erbringen. Die Tätigkeit werde in einer fremdbestimmten Arbeitsorganisation ausgeübt. Die Eingliederung in die Organisation des Rettungsdienstes ergebe sich insbesondere aus dem Hessischen Rettungsdienstgesetz (HRDG) und der Verordnung zur Durchführung des Hessischen Rettungsdienstgesetzes (RettDGVHE) aufgrund der darin enthaltenen Bestimmungen zur Anwesenheit des Notarztes auf der Rettungswache, dessen Verpflichtung zur laufenden Fortbildung und zur Dokumentation der Einsätze, den Notarzt bindende Verhaltensvorschriften und Vorgaben zur Hygiene bei der Durchführung von Einsätzen sowie der Lenkung der Einsätze durch die Zentrale Leitstelle.

Hiergegen erhob der Kläger am 26. Januar 2017 Widerspruch mit der Begründung, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Notarzt an den betreffenden Einsatztagen nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden sei. Hierbei sei auf die vertraglichen Vereinbarungen abzustellen, die er als Leistungserbringer mit dem Beigeladenen zu 1) abgeschlossen habe. Der Beigeladene zu 1) sei danach weder in den Betrieb des Klägers eingebunden gewesen noch würden ihm die Bereitschaftszeiten vorgegeben. Der Beigeladene zu 1) habe die Wahl, ob, wann und nach Absprache - wie lange er einen Auftrag wahrnehmen möchte. In der Honorarvereinbarung seien keine Dienstzeiten vereinbart, sondern lediglich die im Bereichsplan vorgegebenen Vorhaltezeiten des Notarzteinsatzfahrzeuges wiedergegeben worden. Die zu vergebenden Aufträge würden über die Internet-Software "Notarztportal" ausgeschrieben und die sich vertraglich im Notarztpool des Klägers befindlichen Notärzte könnten sich hierauf bewerben. Ein Auftrag komme dann im Einzelfall durch die Annahme zu Stande. Der Kläger sei nicht berechtigt gewesen, den Beigeladenen zu 1) ohne dessen Einverständnis an anderen Orten einzusetzen oder Bereitschaftszeiten zu verkürzen oder zu verlängern. Der Beigeladene zu 1) sei auch nicht zur Übernahme einer Mindestzahl von Aufträgen verpflichtet gewesen. Die vom Beigeladenen zu 1) erbrachten Einsatzdienste seien von der Zentralen Leitstelle alarmiert worden, die hierzu rechtlich verpflichtet sei. Diese gehöre nicht zum Betrieb des Klägers und er habe auch keine Möglichkeit, auf das ob und wie sowie den Beginn, Ende und die Dauer des Einsatzes Einfluss zu nehmen. Aus der Pflicht zur Wahrnehmung vereinbarter Bereitschaftsdienste und aus der Pflicht zur ärztlichen Tätigkeit im Notfall ergebe sich kein Kriterium für eine abhängige Beschäftigung. Es sei jedem Werkvertrag oder freien Honorarvertrag immanent, dass je nach Auftragsinhalt Ausführungszeiten vereinbart werden. Der vorgegebene Bereitschaftsort sei ebenfalls kein Merkmal für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Leistungserbringer bezüglich Notarztstandort, Notarztfahrzeug und Fahrzeugführer sei bei der D. Fulda die Stadt Fulda. Der Aufenthaltsbereich des Beigeladenen zu 1) habe sowohl während der Bereitschaftszeiten als auch während des Einsatzes weder auf dem Vertrag noch auf Weisungen des Klägers basiert, sondern auf öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Die Notwendigkeit, dass der Beigeladene zu 1) am selben Standort wie das Notarzteinsatzfahrzeug und Fahrer einsatzbereit sein müsse, ergebe sich aus dem hessischen Rettungsdienstplan. Der Einsatzort sei in den Bereichsplänen vorgegeben und weder durch den Kläger noch den Notarzt frei bestimmbar. Hinsichtlich der Art und des Umfangs der zu erbringenden Leistung seien dem Beigeladenen zu 1) weder Weisungen erteilt worden, noch hätten Dienstbesprechungen stattgefunden oder seien Beurteilungen erstellt worden. Während der einsatzfreien Zeit sei er frei in seinen Handlungen gewesen, allerdings mit der Maßgabe, dass er im Fall eines Einsatzes das Notarzteinsatzfahrzeug fristgerecht (1 Minute) habe besetzen müsse. Einsatzaufträge seien durch die Zentrale Leitstelle d.h. die Stadt Fulda als Leistungserbringer Leitstelle vergeben worden. Während der Einsatzzeit obliege es dem Notarzt, die Notfallpatienten prästationär zu behandeln. Er stelle im Rahmen seiner Therapiefreiheit selbstständig eine Diagnose und entscheide über das weitere Verfahren. Der Beigeladene zu 1) sei auch während des Einsatzes nicht Mitglied eines Teams, das der Weisungskompetenz des Klägers unterlegen habe, da das Notarzteinsatzfahrzeug incl. Fahrer zur Stadt Fulda gehöre. Der Einsatz des Beigeladenen zu 1) werde nur geringfügig von der Zentralen Leitstelle gesteuert. Er sei lediglich an den Ausrückealarm und den vorgegebenen Einsatzort gebunden, aber ansonsten frei in seiner Therapie. Auch bei Großschadensereignissen unterstehe der Beigeladene zu 1) nicht den Weisungen der Einsatzleitung Rettungsdienst. Der leitende Oberarzt bestimme in diesem Fall lediglich, welche Behandlung und welcher Transport Vorrang habe, was für die Versorgung erforderlich sei und welches Ziel-Krankenhaus angesteuert werde. Die therapeutische Tätigkeit des Notarztes am Patienten bleibe davon jedoch unberührt, so dass der Beigeladene zu 1) auch hier keinen Weisungen unterliege. Im Übrigen seien Einsätze des leitenden Oberarztes nur in 0,2 % aller Fälle erforderlich. Dass der Notarzt nach jedem Einsatz ein Protokoll anzufertigen habe beruhe nicht auf einer Anweisung des Klägers, sondern einem Erlass des hessischen Sozialministeriums. Die Verpflichtung zur Nutzung der auf dem Notarzteinsatzfahrzeug befindlichen standardisierten Sachmittel würde sich unmittelbar aus dem hessischen Rettungsdienstgesetz ergeben. Der Beigeladene zu 1) habe in der Zeit von Juli bis Oktober 2016 insgesamt 4 Bereitschaften mit insgesamt 47,5 Stunden übernommen. Der Beigeladene zu 1) unterliege auch einem Unternehmerrisiko im Zusammenhang mit der Verwertung seiner Arbeitskraft und des Ausfalls des Hinzuverdienstes. Er habe ferner die notwendigen Kosten für Fortbildung, Schutzkleidung, Reisekosten und Büroausstattung selbst zu tragen. Der fehlende Einsatz weiteren eigenen Kapitals sei im Übrigen kein Argument gegen die Selbständigkeit eines Notarztes, denn diese sei bei Dienstleistungen höherwertiger Art nicht ungewöhnlich.

Mit Widerspruchsbescheid vom 4. April 2017 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Da Ärzte in ihren eigentlichen ärztlichen Tätigkeiten keinen Weisungen unterliegen würden, komme es bei der Prüfung des sozialversicherungsrechtlichen Status entscheidend darauf an, inwieweit der Beigeladene zu 1) in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert sei. Die von dem Beigeladenen zu 1) als Notarzt zu erbringenden Dienste würden bereits sachlogisch eine Zusammenarbeit mit dem weiteren Personal erfordern. Dabei habe er den Weisungen der Einsatzleitung des Rettungsdienstes unterstanden. Der Beigeladene zu 1) arbeite in Bezug auf Zeit, Ort und Umfang der zu erbringenden Leistungen überwiegend fremdbestimmt und sei wie ein angestellter Notarzt in die üblichen organisatorischen Abläufe und Strukturen integriert. Er nehme insofern funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess teil. Die erforderliche Organisation der arbeitsteiligen Aufgabenwahrnehmung mache die Einhaltung von Dienstplänen und die ärztliche Verantwortungsstruktur im Rettungsteam erforderlich. Zwar könne die Möglichkeit des Beigeladenen zu 1), Aufträge anzunehmen oder abzulehnen grundsätzlich als Indiz für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angesehen werden, weil er damit den Umfang der Tätigkeit weitestgehend selbst bestimme. Jedoch seien auch im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse Vertragsgestaltungen nicht unüblich, die es weitgehend dem Arbeitnehmer überließen, ob er im Anforderungsfall tätig werde oder ob er ein konkretes Angebot im Einzelfall ablehne. Nehme der Betroffene das angetragene Angebot jedoch an, übe er die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit in einem fremden Betrieb und damit im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung aus und werde nicht allein wegen der grundsätzlich bestehenden Ablehnungsmöglichkeit zum selbständig Tätigen. Der Beigeladene zu 1) sei während der übernommenen Dienste weisungsgebunden in die Betriebsorganisation eingegliedert und insofern abhängig beschäftigt gewesen. Er erfülle keine mit ihm selbst geschlossenen Behandlungsverträge, sondern sei weisungsgebunden eingesetzt gewesen, um seine gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Die Verantwortung für das Qualitätsmanagement liege beim Kläger. Dieser könne seine Aufgaben nur erfüllen, wenn er die Arbeitsabläufe verantwortlich steuere und die Umsetzung kontrolliere, was denknotwendig Weisungen gegenüber dem Beigeladenen zu 1) voraussetze. Dessen Leistung sei teilweise in Teamarbeit mit dem Stammpersonal und unter Beachtung der fachlichen und organisatorischen Vorgaben des Teamleiters zu erbringen. Sofern sich das Weisungsrecht regelmäßig lediglich auf allgemeine organisatorische Fragen beziehe und fachliche Einzelanweisungen nicht geboten seien, entspreche dies der Typik bei fachlich qualifiziertem Personal. Der Beigeladene zu 1) habe zudem kein nennenswertes Unternehmerrisiko getragen. Insbesondere seien ihm die zur Erbringung der Dienstleistung erforderlichen Hilfsmittel, Werkzeuge und Materialien unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden. Die Nutzung selbstbeschaffter Arbeitsmittel sei auch bei abhängig Beschäftigten anzutreffen. Der Beigeladene zu 1) setze im Übrigen kein eigenes Kapital und auch nicht seine Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlustes ein, sondern erhalte ein vorab ausgehandeltes erfolgsunabhängiges Honorar. Die Abrechnung nach Stunden sei typisch für abhängige Beschäftigungsverhältnisse. Der Beigeladene zu 1) habe die vereinbarten Dienste wie bei abhängigen Beschäftigungsverhältnissen üblich unter kostenloser Nutzung der vorgegebenen Infrastruktur und bereitgestellten Arbeitsmittel genutzt. Gegen die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses spreche auch nicht, dass der Beigeladene zu 1) keinen Anspruch auf Erholungsurlaub oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall habe. Gingen Vertragsparteien von einer selbständigen Tätigkeit aus, würden derartige Schutzrechte typischerweise nicht vereinbart und die entsprechenden Risiken einseitig dem "Subunternehmer" auferlegt. Es begründe auch nicht den Status der selbständigen Tätigkeit, wenn die Vergütung der geleisteten Arbeiten durch Rechnungsstellung des Auftragnehmers erfolge. Dies sei lediglich eine Folge der rechtsfehlerhaften eigenen Einstufung als selbständige Tätigkeit.

Hiergegen hat der Kläger am 26. April 2017 Klage vor dem Sozialgericht Fulda erhoben und dabei weiterhin die Auffassung vertreten, dass es sich bei der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) um eine selbstständige Tätigkeit handele.

Mit Urteil vom 22. November 2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, da die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Merkmale vorliegend überwiegend seien. Der Beigeladene zu 1) nehme als Notarzt funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess teil und sei somit vom Arbeitgeber persönlich abhängig. Da es sich bei der Tätigkeit als Notarzt um eine Tätigkeit "höherer Art" handele, reiche dies für eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation aus. Der Beigeladene zu 1) unterliege dem Weisungsrecht des Klägers. Er habe die Tätigkeit zu verrichten, die dem Kläger als Leistungserbringer "Notarzt" übertragen sei. Die Weisungen seitens des Auftraggebers bestünden darin, diese Aufgabe innerhalb des Systems wahrzunehmen. Der Beigeladene zu 1) erfülle keine mit ihm selbst geschlossenen Behandlungsverträge, sondern sei weisungsgebunden eingesetzt gewesen, um seine gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Kläger zu erfüllen. Dass der Beigeladene zu 1) im Rahmen seiner Therapiefreiheit selbstständig eine Diagnose stelle und über das weitere Verfahren entscheide, ohne dass der Kläger darauf Einfluss nehme, sei bei Tätigkeiten mit höherer fachlicher Qualifikation üblich. Nach dem Vertrag sei dem Beigeladenen zu 1) die D. Fulda als Bereitschaftsort vorgegeben. Er sei zudem an den Ausrückealarm und den Einsatzort gebunden. Dass der Beigeladene zu 1) selbst entscheiden könne, ob und wann er Bereitschaftsdienste wahrnehme, spreche zwar für eine selbstständige Tätigkeit, weil er damit den Umfang seiner Tätigkeit selbst bestimme. Demgegenüber seien jedoch die tatsächlichen Gegebenheiten der eigentlichen Notarzttätigkeit nach Annahme des Auftrages überwiegend, die eher für eine abhängige Beschäftigung sprächen. Nachdem der Beigeladene zu 1) das angetragene Angebot angenommen habe, übe er die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit in einem fremden Betrieb und damit im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung aus und werde nicht allein wegen der grundsätzlich bestehenden Ablehnungsmöglichkeit zum selbständig Tätigen. Nach Annahme des Auftrages habe sich der Beigeladene zu 1) zur vereinbarten Zeit am Bereitschaftsort aufzuhalten. Den Bereitschaftsort habe der Kläger im Honorarvertrag bestimmt. Zwar würden die auf dem Notarztstandort befindlichen Räume von der Stadt Fulda und nicht vom Kläger vorgehalten. Das Notarzteinsatzfahrzeug "NEF Fulda II" sei jedoch dort stationiert, so dass der Beigeladene zu 1) sich während der Bereitschaft dort aufzuhalten habe oder jedenfalls in solcher Entfernung, dass er im Fall eines Einsatzes in einer Minute das Notarzteinsatzfahrzeug besetzen könne. Es steht einem Arbeitsverhältnis nicht entgegen, dass sich der Beigeladene zu 1) während der Bereitschaft nicht in Räumen des Klägers, sondern der Stadt Fulda aufzuhalten hatte. Auch stehe dem nicht entgegen, dass sich der Aufenthaltsbereich des Beigeladenen zu 1) aus öffentlich-rechtlichen Vorgaben ergebe. Die vom Beigeladenen zu 1) zu erbringenden Dienste erforderten eine Zusammenarbeit mit den weiteren am Rettungsdienst Beteiligten, auch wenn diese im Auftrag der Stadt Fulda arbeiten. Der Beigeladene zu 1) arbeite damit in Bezug auf Zeit, Ort und Umfang der zu erbringenden Leistung überwiegend fremdbestimmt. Durch die Verrichtung seiner Dienste sei der Beigeladene zu 1) in die entsprechende Organisation des Klägers auch eingegliedert, letztlich genauso wie dies bei einem bei dem Kläger tätigen "angestellten" Arzt im Rahmen seines Bereitschaftsdienstes der Fall sei. Der Beigeladene zu 1) sei keinem Unternehmerrisiko ausgesetzt, da von ihm kein eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt werde. Selbst wenn er seinen eigenen "Arztkittel" und gegebenenfalls einen Notarztkoffer selbst angeschafft habe, so ist dieser Einsatz unerheblich gegenüber den Betriebsmitteln (Einsatzfahrzeug mit Fahrer und medizinischer Ausstattung Einsatzfahrzeug etc.), die ihm zur Verfügung gestellt würden. Der Beigeladene zu 1) habe keine Möglichkeiten, durch eigene Entscheidung die Höhe seines ihm für die jeweilige Schicht zustehenden Verdienstes zu beeinflussen. Damit spreche die im Vertrag vereinbarte Vergütung nach Stunden für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Das Entgelt des Beigeladenen zu 1) sei, wie auch bei sonst abhängig Beschäftigten typisch, allein vom zeitlichen Einsatz abhängig, nicht hingegen von der Güte bzw. dem Erfolg der verrichteten Dienste. Der Beigeladene zu 1) stelle seine Arbeitskraft mit seinen beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten dem Kläger für eine gewisse Zeitdauer zur Verfügung. Der Kläger mache davon Gebrauch, indem er den Beigeladenen zu 1) anweise, wie und wozu er seine Arbeitskraft während dieser Zeit einzusetzen habe. Die Nichtgewährung von Entgeltfortzahlung im Urlaubs- und Krankheitsfalle seien vorliegend kein Indiz der Selbstständigkeit, sondern allein dem Willen der Beteiligten geschuldet, kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begründen zu wollen. Dementsprechend seien auch die steuerliche Behandlung des Honorars, die Verpflichtung des Abschlusses einer eigenen Versicherung sowie die Regelung zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen im vorliegenden Fall keine geeigneten Kriterien für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1), da dieser Wille der Beteiligten den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen widerspreche. In dem Beschäftigungsverhältnis bestehe Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung, weil sich aus den vorliegenden Unterlagen keine Tatbestände ergäben, die die Versicherungspflicht ausschließen oder Versicherungsfreiheit begründen bzw. weil keine Befreiung von der Versicherungspflicht bestehe. Die Versicherungspflicht beginnt mit dem Tag der Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses am 3. August 2016.

Das Urteil ist am 7. Dezember 2017 an den Kläger zugestellt worden. Die Berufung des Klägers ist am 22. Dezember 2017 beim Hessischen Landessozialgericht (LSG) eingegangen.

Zur Begründung der Berufung hat der Kläger sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 22. November 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. April 2017 aufzuheben und festzustellen, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bei dem Kläger ab dem 3. August 2016 nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie sieht sich durch das erstinstanzliche Urteil bestätigt.

Die Beigeladenen haben sich im Berufungsverfahren nicht zur Sache geäußert und keine Anträge gestellt. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet.

Das Sozialgericht Fulda hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig. Die Beklagte hat darin zu Unrecht die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung aufgrund der Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bei dem Kläger festgestellt.

Gegenstand der vorliegend durchgeführten Statusfeststellung nach § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) ist die Feststellung von Versicherungspflicht oder Versicherungsfreiheit in der konkreten Rechtsbeziehung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Insoweit wurde von der Beklagten bei ihrer Entscheidung zunächst schon zu Unrecht auf die Überprüfung eines seit dem 3. August 2016 bestehenden Beschäftigungsverhältnisses abgestellt. Besteht zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer keine Dauerbeziehung, sondern wird der Auftragnehmer auf der Grundlage von Einzelaufträgen für den Auftraggeber tätig, sind nur diese am Maßstab der von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen selbständiger Tätigkeit und Beschäftigung entwickelten Grundsätze zu bewerten (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 30. Oktober 2013, B 12 KR 17/11 R, juris Rn. 25 m.w.N.). Aufgrund dessen ist die angefochtene Verwaltungsentscheidung der Beklagten schon bereits aus dem Grunde rechtswidrig, da von dieser ersichtlich auf ein Beschäftigungsverhältnis in Form eines seit dem 3. August 2016 bestehenden Dauerschuldverhältnisses zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1) abgestellt worden ist. Demgegenüber ist die schriftliche Vereinbarung vom 6. Juni 2016 lediglich als Rahmenvertrag für im Einzelnen abzuschließende Einzelaufträge ausgestaltet. Die Dienstverpflichtung des Beigeladenen zu 1) gegenüber dem Kläger ergibt sich nicht bereits unmittelbar aus dem Honorarvertrag, sondern kommt nach § 5 Abs. 1 des Honorarvertrages erst dann zu Stande, wenn der Beigeladene zu 1) per E-Mail mitgeteilt hat, einen Dienst übernehmen zu wollen und dieser Termin nachfolgend von dem Kläger auf dem gleichen Weg bestätigt worden ist. Es sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass bei der Ausgestaltung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für den Kläger in der Praxis von diesen Vorgaben in wesentlicher Hinsicht abgewichen worden ist. Von dem Kläger wurde nachvollziehbar dargelegt, dass die Einsätze des Beigeladenen zu 1) tatsächlich unter Verwendung eines Internetportals zur Terminabstimmung entsprechend der vertraglichen Regelung zustande gekommen sind. Gegen das Vorliegen eines Dauerschuldverhältnisses sprechen auch die lediglich temporären Einsätze des Beigeladenen zu 1) in großen zeitlichen Abständen. Der Beigeladene zu 1) war nach dem von der Beklagten unwidersprochenen Vorbringen des Klägers in einem Zeitraum von annähernd vier Monaten nach Vertragsschluss lediglich an 4 Tagen für diesen tätig (Schriftsatz vom 28. November 2016, Bl. 23 Verwaltungsakte). Für den versicherungsrechtlichen Status ist daher allein auf den jeweiligen, in der vorbeschriebenen Weise zustande gekommenen Einzelauftrag abzustellen (vgl. hierzu LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8. Februar 2017 – L 8 R 162/15 –, juris Rn 118 ff.).

Vorliegend kommt es hierauf allerdings nicht maßgeblich an, da weder unter der Annahme eines seit dem 3. August 2016 ausgeübten Dauerschuldverhältnisses noch in Bezug auf die tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten des Beigeladenen zu 1) für den Kläger im Rahmen der dargelegten Einzelaufträge die Voraussetzungen für die Feststellung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses vorliegen.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung gem. § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, 6. Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI), der Kranken- und Pflegeversicherung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) und § 20 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch - Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) sowie nach dem Recht der der Arbeitsförderung gem. § 24 Abs. 1 und § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, 3. Buch - Arbeitsförderung (SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist dabei jeweils § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, zu denen die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben (vgl. BSG, Urteil vom 1. Dezember 1977 – 12/3/12 RK 39/74 –, BSGE 45, 199-206, SozR 2200 § 1227 Nr. 8; Urteil vom 4. Juni 1998 - B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 13; Urteil vom 18. Dezember 2001 - B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; Urteil vom 22. Juni 2005 - B 12 KR 28/03 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 5; Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7; Urteil vom 28. Mai 2008 - B 12 KR 13/07 R, USK 2008 45 und Urteil vom 11. März 2009 - B 12 KR 21/07 R; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).

Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, also den rechtlich relevanten Umständen, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 29. August 2012, Az. B 12 KR 25/10 R -). Hinsichtlich des Weisungsrechtes ist zu beachten, dass dieses bei Diensten höherer Art zu einem funktionsgerechten Dienen in der fremden betrieblichen Organisation verfeinert sein kann (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001 - B 12 KR 8/01R, Juris), jedoch kann für die Annahme des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung nicht gänzlich auf eine Weisungsabhängigkeit verzichtet werden (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Februar 2015 - L 4 R 3943/13 - und Urteil vom 19. Juli 2015 – L 4 R 2821/14 -; LSG Hessen, Urteil vom 30. November 2000 - L 14 KR 777/97 - Juris, Rn. 22).

Der Beigeladene zu 1) stand unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze im streitgegenständlichen Zeitraum ab dem 3. August 2016 in keinem Beschäftigungsverhältnis zum Kläger, da in dem Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) die Merkmale einer selbständigen Tätigkeit im Rahmen eines Auftragsverhältnisses überwiegen.

Dabei sprechen zunächst die vertraglichen Regelungen des zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1) abgeschlossenen "freier Dienstvertrag (Honorar-Vereinbarung)" dafür, dass hiermit seitens der Vertragsparteien lediglich eine Vereinbarung für die Honorierung bzw. die Regelung der Rahmenbedingungen als Auftragsverhältnisse außerhalb eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses herbeigeführt werden sollte. So wurde darin geregelt, dass der Beigeladene zu 1) in seiner Verantwortung in Diagnostik und Therapie unabhängig und nur dem Gesetz verpflichtet ist (§ 2 Abs. 2) und hierbei freiberuflich tätig und nicht in die Arbeitssituation des Klägers eingebunden sein soll (§ 2 Abs. 3). Die Terminierung der einzelnen Aufträge sollte einvernehmlich und ohne rechtliche Bindung erfolgen (§ 5 Abs. 2) und die sozialversicherungsrechtliche Absicherung des Beigeladenen zu 1) diesem selbst obliegen (§ 6 Abs. 7). Diese vertraglichen Vereinbarungen sprechen eindeutig für den Willen der Vertragsparteien, allein die rechtlichen Grundlagen einer Auftragsbeziehung zu regeln und nicht die Begründung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses herbeiführen zu wollen. Auch wenn der öffentlich-rechtliche Begriff des Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 7 SGB IV der Bestimmung durch die Vertragsparteien entzogen ist, können solche rahmenvertraglichen Abreden im Rahmen der Statusbestimmung gleichwohl als Indizien für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit gewertet werden (Porten, Zur Sozialversicherungspflicht von ärztlichen "Freelancern" im Rettungsdienst, NZS 2016, 456, 462 unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 – B 12 KR 13/07 R –, Rn. 19, juris m.w.N.).

Es ist auch nicht ersichtlich, dass die tatsächliche Durchführung der streitgegenständlichen Tätigkeit bzw. die sonstigen rechtlichen Rahmenbedingungen, in denen diese vom Beigeladenen zu 1) ausgeübt worden ist, entgegen dem Willen der Vertragsparteien ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu begründen vermag. Vorliegend ergeben sich für den Senat keine Anhaltspunkte und wird auch von der Beklagten nicht behauptet, dass der Beigeladene zu 1) während der "normalen" Rettungsdiensteinsätze und der hierbei von ihm durchzuführenden medizinischen Behandlung der Notfallpatienten fachliche Weisungen von anderen, am Einsatz beteiligten Personen erhält. Für den Senat bestehen keine Zweifel, dass die im Honorarvertrag enthaltene Regelung, wonach der Notarzt in seiner Verantwortung in Diagnostik und Therapie unabhängig und nur dem Gesetz verpflichtet ist (§ 2 Abs. 2 S. 1), in der Praxis in dieser Weise umgesetzt wird. Eine für die vorliegende Statusentscheidung maßgebliche Weisungsgebundenheit des Beigeladenen zu 1) folgt auch nicht aus der Regelung in § 2 Abs. 2 S. 2 des Honorarvertrages, wonach der Notarzt im Einsatzgeschehen an die Weisungen des leitenden Notarztes gebunden ist. Von dem Kläger wurde insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass sich diese partielle Weisungsgebundenheit auf so genannte Großschadensereignisse beschränkt und sich insoweit bereits unmittelbar aus der gesetzlichen Vorgabe des § 7 HRDG ergibt. Im Falle von Großschadensereignissen, die nach dem seitens der Beklagten nicht in Abrede gestellten Vorbringen des Klägers sehr selten vorkommen und bei denen das Zusammenwirken mehrerer Rettungsdienste erforderlich ist, sieht § 7 Abs. 3 HRDG die Weisungsbefugnis des leitenden Notarztes gegenüber allen an der medizinischen Versorgung Beteiligten vor. Die aus Gründen der Koordination der Rettungsmaßnahmen bei einem Großschadensereignis notwendige Einräumung der fachlichen Weisungsbefugnis auf die Einsatzleitung bzw. den leitenden Notarzt stellt eine ordnungsrechtliche Regelung dar, der für die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status keine maßgebliche Bedeutung beizumessen ist. Die Regelungen des HRDG dienen der Gefahrenabwehr und der öffentlichen Gesundheitsvorsorge und sind integraler Bestandteil eines umfassenden Bevölkerungsschutzes. Die Normen zur Organisation des Rettungsdienstes sind als solche nicht geeignet, eine arbeitsvertragliche Weisungsbefugnis zu begründen (ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. September 2017 – L 1 KR 404/15 –, juris Rn. 48; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8. Februar 2017 – L 8 R 162/15 –, juris Rn. 151). Für die im Rahmen einer Statusentscheidung relevante Weisungsbefugnis reicht es nicht aus, dass bei der Ausübung einer Dienstleistung bestimmte öffentlich-rechtliche Vorgaben zu beachten sind (so für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe: Urteil des Senats vom 24. März 2016, L 8 KR 359/12 unter Bezug auf Urteil des BSG vom 25. April 2012, B 12 KR 24/10 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr. 15 - juris Rn. 19). Von der Beklagten wurde insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass der Beigeladene zu 1) im Rahmen seiner Tätigkeit für den Kläger engmaschig in die Organisation des Rettungsdienstes eingegliedert ist und hierbei zahlreichen Vorgaben zu beachten hat. So ist die Anwesenheit des Notarztes auf der Rettungswache erforderlich (§ 3 Abs. 8 HRDG), erfolgt die Lenkung der Einsätze durch die Zentrale Leitstelle, der insoweit auch eine entsprechende Weisungsbefugnis zukommt (§ 6 Abs. 2 S. 1 HRDG, § 1 Abs. 1 Nr. 2 und 3 RettDGVHE) und besteht die Verpflichtung des Notarztes zur laufenden Fortbildung (§ 18 Abs. 2 HRDG, § 25 Abs. 4 RettDGVHE). Weiterhin besteht die Verpflichtung zur Dokumentation der Einsätze nach einheitlichen Vorgaben (§§ 8, 31 RettDGVHE) sowie Vorgaben zur Hygiene bei der Durchführung von Einsätzen (§ 27 RettDGVHE) sowie zum Verhalten im Einsatz (§ 30 RettDGVHE). Soweit der Beigeladene zu 1) im Rahmen seiner Tätigkeit für den Kläger umfassenden Einschränkungen aufgrund der Regelungen des HRDG sowie der hierzu ergangenen untergesetzlichen Ausführungsbestimmungen unterworfen ist, vermag dies allein nach den vorstehenden Ausführungen eine abhängige Beschäftigung nicht zu begründen.

Für die vorliegende Entscheidung kommt es daher auch nicht maßgeblich darauf an, dass der Beigeladene zu 1) im Rahmen seiner Tätigkeit für den Kläger zeitlich und örtlich im Hinblick auf seine Anwesenheit am Notarztstandort in der D. Fulda (während der Bereitschaft) bzw. im Notarzt-Einsatzfahrzeug oder am Unfallort (während des Einsatzes) festgelegt war. Diese zeitliche und örtliche Bindung ergibt sich zunächst schon ohne weiteres aus den Gegebenheiten der Tätigkeit eines Notarztes, der während seiner Bereitschafts- und Einsatzzeiten durch die notwendige permanente Einsatzbereitschaft sowie die während der Einsatzzeit eintretenden Notfallsituationen den Zeitpunkt und den Ort seiner Tätigkeit zwangsläufig selbst nicht zu bestimmen vermag. Während der Bereitschaftszeit war der Beigeladene zu 1) aufgrund der vorgegebenen Teilzeiten im Rettungsablauf (vgl. Anl. 3 zum Rettungsdienstplan des Landes Hessen) zwar faktisch gezwungen, sich permanent am vorgegebenen Bereitschaftsort aufzuhalten. Allerdings stand es ihm in diesem Rahmen frei, die Bereitschaftszeit frei zu gestalten. Eine Befugnis des Klägers, den Beigeladenen zu 1) während der Bereitschaftszeit zu bestimmten Tätigkeiten anzuweisen ergibt sich weder aus dem vorliegenden Rahmenvertrag noch ist dies ansonsten für den Senat ersichtlich. Im Übrigen ist es der Tätigkeit eines Notarztes immanent und steht es im Gegensatz zu den Rahmenbedingungen anderer, frei praktizierender Ärzte, dass dieser weder seinen Patienten noch den Zeitpunkt der Behandlung frei zu bestimmen vermag. Soweit sich im Übrigen auch aus den gesetzlichen Vorgaben der Bestimmungen zum Rettungsdienstwesen in Hessen ergibt, dass die Einsätze von zentralen Leitstellen (§ 6 HRDG) gelenkt werden, vermag dies eine arbeitsvertragliche Weisungsgebundenheit nach den vorstehenden Ausführungen ebenfalls nicht zu begründen.

Von dem Kläger wurde auch zu Recht darauf hingewiesen, dass der Beigeladene zu 1) nicht in eine dem Kläger zuzuordnende betriebliche Organisation eingebunden gewesen ist. Das arbeitsteilige Zusammenwirken des Beigeladenen zu 1) mit weiteren, am Rettungseinsatz beteiligten Personen, insbesondere dem Fahrer des Notarztwagens sowie den aufgrund des "Rendezvous-Systems" im Notfall zugleich tätigen Einsatzkräften des Rettungswagens ergibt sich aufgrund der einschlägigen rechtlichen Bestimmungen im HRDG, der RettDGVHE sowie des Rettungsdienstplans des Landes Hessen zum Ablauf des Rettungseinsatzes. Im Übrigen wurde von dem Kläger zu Recht darauf hingewiesen, dass die übrigen am Notarztstandort NEF Fulda II eingesetzten Personen nicht bei dem Kläger, sondern bei der Stadt Fulda beschäftigt sind, von der auch die dortigen Betriebsmittel (Rettungswache, Fahrzeuge, Ausrüstung) gestellt werden. Mit dem substantiierten und von der Beklagten nicht in Abrede gestellten Vorbringen des Klägers ist nicht ersichtlich, dass im Einsatzbereich des Beigeladenen zu 1) eine dem Kläger selbst zurechenbare strukturierte Arbeitsorganisation besteht, so dass eine Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in die betriebliche Organisation des Klägers bereits aus diesem Grund nicht bejaht werden kann.

Auch im Hinblick auf das nicht in wesentlichem Umfang bestehende unternehmerische Risiko des Beigeladenen zu 1) lässt sich vorliegend das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nicht begründen. Maßgebendes Kriterium für das Vorliegen eines Unternehmerrisikos ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (BSG, Urteil vom 25. April 2012, Az. B 12 KR 24/10 R, juris). Abhängig Beschäftigte tragen demgegenüber das Risiko, den Arbeitsplatz im Falle des wirtschaftlichen Misserfolgs des Unternehmens zu verlieren. Mit der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für den Kläger ist entgegen dessen Ansicht zwar kein maßgebliches unternehmerisches Risiko verbunden. Vorliegend lässt sich dem für die Statusfeststellung allerdings keine maßgebliche Bedeutung beimessen. Mit der vertraglichen Verpflichtung, eigene Schutzkleidung anzuschaffen und für deren Wäsche bzw. Desinfektion zu sorgen (§ 3 des Honorarvertrages), ist kein wesentliches unternehmerisches Risiko verbunden. Die Anschaffung und Reinigung der Arbeitskleidung auf eigene Kosten ist sowohl in vielen abhängigen Beschäftigungsverhältnissen als auch bei selbständig Tätigen weit verbreitet und stellt damit kein maßgebliches Kriterium für den sozialversicherungsrechtlichen Status dar. Von dem Beigeladenen zu 1) wird darüber hinaus auch kein eigenes Betriebskapital mit dem Risiko des Verlustes eingesetzt. Allerdings ist auch dies eine Folge der rechtlichen Rahmenbedingungen der Tätigkeit selbst und spricht daher nicht für das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses. Das im Umfeld der Tätigkeit eines Notarztes eingesetzte wesentliche Betriebskapital (Notarztwagen, Räumlichkeiten der Dienststelle, medizinische Geräte) liegt aufgrund der einschlägigen Regelungen zum Rettungsdienstwesen in Hessen in der Verantwortung der Träger des Rettungsdienstes, d.h. in erster Linie der Landkreise und kreisfreien Städte sowie der von diesen zu Erfüllung ihrer Aufgaben einbezogenen Organisationen (vgl. §§ 5 und 14 HRDG). Unabhängig von ihrem sozialversicherungsrechtlichen Status sind die im Rettungsdienst tätigen natürlichen Personen zur Vorhaltung der hierbei zum Einsatz kommenden Rettungsmittel grundsätzlich nicht verpflichtet.

Die nach Stundensätzen und damit erfolgsunabhängig erfolgende Vergütung des Beigeladenen zu 1) spricht vorliegend ebenfalls nicht maßgeblich für das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, da diese Form der Vergütung bei der Erbringung von Dienstleistungen durch selbstständige "Freelancer" allgemein üblich ist. In diesem Bereich lässt sich der Vergütung nach festen Stundensätzen grundsätzlich keine relevante Aussagekraft für den sozialversicherungsrechtlichen Status beimessen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten, da diese weder einen Antrag gestellt noch ein Rechtsmittel eingelegt haben (§ 154 Abs. 3 VwGO).

Die Revision war zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG vorliegen; der Rechtsstreit hat grundsätzliche Bedeutung.
Rechtskraft
Aus
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