L 4 AS 203/16

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 32 AS 2931/13
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 203/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Abgrenzung von § 45 und § 48 SGB X nach dem letzten Änderungsbe-scheid, der die Bewilligungsentscheidung neu regelt (st. RSpr. des Senats seit Urt. v. 23.6.2016 – L 4 AS 575/15).

2. Eine betrügerisch erlangte Geldsumme ist zu berücksichtigendes Einkommen (vgl. Sächs. LSG, Urt. v. 8.11.2018 – L 7 AS 1086/14).
Die Berufung wird zurückgewiesen Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Monate Januar bis Mai und Juli bis Dezember 2011 sowie die Rückforderung gewährter Leistungen in Höhe von insgesamt noch 4.331,02 Euro.

Der 1959 geborene, erwerbsfähige Kläger bezog in Bedarfsgemeinschaft mit seiner 1968 geborenen Ehefrau Leistungen nach dem SGB II vom Beklagten. Dieser bewilligte der Bedarfsgemeinschaft mit Bescheid vom 7. Dezember 2010 Leistungen für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 30. Juni 2011 in Höhe von 1228,71 Euro monatlich, davon 614,35 Euro für den Kläger. Mit Änderungsbescheid vom 26. März 2011 bewilligte der Beklagte für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 30. Juni 2011 nur noch monatlich 828,71 Euro, wovon 414,35 Euro auf den Kläger entfielen. Dabei berücksichtigte er die Anhebung der Regelleistungen sowie Erwerbseinkommen des Klägers aus dessen Beschäftigung bei der Firma F ... Mit weiterem Änderungsbescheid vom 21. Juni 2011 bewilligte der Beklagte für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 30. April 2011 monatlich 841,- Euro, davon 420,50 Euro für den Kläger. Für die Monate Mai und Juni 2011 bewilligte er 850,- Euro, davon 425,- Euro für den Kläger.

Mit Bescheid vom 21. Juni 2011 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II auch für die Zeit vom 1. Juli 2011 bis zum 31. Dezember 2011 in Höhe von monatlich 850,- Euro, davon 425,- Euro für den Kläger. Mit Änderungsbescheid vom 19. Dezember 2011 änderte der Beklagte die Leistungsbewilligung ab und bewilligte für den Monat November 2011 864,50 Euro, davon 432,25 Euro für den Kläger. Für die übrigen Monate des Bewilligungsabschnitts wurden wie zuvor 850,- Euro (425,- Euro für den Kläger) monatlich bewilligt.

Ab Januar 2011 erhielt die Ehefrau des Klägers diverse Zahlungen von Frau B ... Dies war Gegenstand eines Strafverfahrens gegen die Ehefrau des Klägers, die letztlich mit Urteil des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 13. März 2013 (941 Ds 3204 Js 305/12 (320/12)) wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt wurde. In dem Urteil wurde Folgendes festgestellt: "Im Januar 2011 urlaubten die Eheleute M. in A ... Gemeinsam machten die Eheleute dann Bekanntschaft mit der Zeugin B., welche mit ihrem Lebenspartner ebenfalls urlaubsbedingt in A. war. Es entwickelte sich ein Vertrauensverhältnis. Die – tatsächlich – gut situierte Zeugin B. vertraute der Angeklagten [der Ehefrau des Klägers]. [ ]

Die Angeklagte entschloss sich im Januar, das Vertrauen der Zeugin auszunutzen, um sich finanziell zu bereichern. [ ]

Die Angeklagte spiegelte der Zeugin B. in der Folgezeit persönliche Notlagen vor, die mit Geld gelöst werden könnten und sollten. Sie bat um Geld und täuschte eine Rückzahlungsabsicht vor. Sie hatte indes niemals vor, das erhaltene Geld zurückzuzahlen. Im weiteren Verlauf der Beziehung täuschte sie dann – zur Bekräftigung der Rückzahlungsabsicht – vor, dass sie grundsätzlich über Vermögen verfüge, dieses jedoch nicht frei sei. Die Notlagen bzw. das Vortäuschen von Vermögen diente allein dazu, die Zeugin B. um Geld anzuhalten. Die Zeugin B. glaubte der Angeklagten und zahlte bis Ende 2011 in Einzelbeträgen Geld (Schweizer Franken), zumal sich die Angeklagte in zwei sog. Darlehensverträgen (März 2011/Januar 2012) schriftlich zur Rückzahlung der Geldsummen verpflichtete, obwohl dies an ihrer ursprünglichen Absicht – das Geld nicht zurück zu bezahlen – nichts änderte. Ihre wirtschaftliche Situation ließ dies unverändert nicht zu. In einem ersten Schritt täuschte sie – noch in A. – Beziehungsstress vor. Ihr Ehemann habe ihr jeglichen Zugang zu Geld verweigert, sie wisse nicht, wie sie nach Hause kommen solle. Die Zeugin B. glaubte dies und übergab ihr zur Überbrückung der Situation 700 Schweizer Franken in bar. Dies war gedacht für den Rest der Ferien und die Heimreise. Nach ihrer Rückkehr [nach] H. spiegelte die Angeklagte der Zeugin wahrheitswidrig vor, dass sie sich von ihrem Ehemann trennen wollte, auf Wohnungssuche sei und trennungsbedingt weiter Geld benötige. Dieser Grundtenor zog sich über das ganze Jahr 2011 hinweg. Im weiteren Verlauf der Beziehung spiegelte die Angeklagte der Zeugin – zusätzlich – vor, dass sie im Grunde auch vermögend sei. Immerhin seien 700.000,00 Euro aus einer Erbschaft der Mutter vorhanden, welche jetzt auf sie überschrieben worden sei. Das Geld sei indes als Festgeld gebunden und könne erst im September 2011 ausgezahlt werden. Die Angeklagte wusste, dass dies alles nicht stimmte. Weder wollte sie sich von ihrem Ehemann trennen noch hatte sie Vermögen in der Hinterhand. Die Zeugin glaubte und vertraute der Angeklagten und zahlte weiter Geld aus. [ ]

Im März 2011 unterschrieb die Angeklagte einen Darlehensvertrag. Sie verpflichtete sich, das bisher erhaltene Geld in Höhe von insgesamt 20.367,00 Schweizer Franken bis September 2011 zurückzuzahlen. Als Zweck wurde festgehalten: "Frau M. erhielt zur Überbrückung einer persönlichen Notlage zwischen dem 31. Januar und dem 1. März 1011 folgende Beträge:

Barauszahlung am 18. Januar 2011 700,00 Euro über Western Union 31.01.2011 Nr. 8333189396 5000,00 SFR 01.02.2011 Nr. [ ] 2150,00 SFR 08.02.2011 Nr. [ ] 4160,00 SFR 21.02.2011 Nr. [ ] 4000,00 SFR 25.02.2011 Nr. [ ] 3015,00 SFR sowie 01.03.2011 Nr. [ ] 1342,00 SFR:"

Als der Vertrag am 8. März 2011 unterschrieben wurde, überreichte die Zeugin der Angeklagten weitere 1300,00 SFR (bar 1000,00 Euro) in H ... Tatsächlich hatte die Angeklagte niemals vor, das Geld zurückzuzahlen. Am 25. Januar 2012 kam es zu einem weiteren Darlehensvertrag, in dem die – weiteren – regelmäßigen Zahlungen ab März 2011 aufgeführt sind: "15. März 2011 1500,00 SFR Nr. [ ] 27. März 2011 1351,71 SFR Nr. [ ] 5. April 2011 1642,88 SFR Nr. [ ] 26. April 2011 2005,62 SFR Nr. [ ]"

Von Mai bis [Dezember] 2011 erfolgten folgende weitere Einzelübertragungen: "26. Mai 2011 23.015,92 SFR Nr. [ ] [falsche Betragsangabe, korrekt wäre: 2.315,92] 18. Juli 2011 1.205,00 SFR Nr. [ ] 15. August 2011 600,00 SFR Nr. [ ] 02. September 2011 1.500,00 SFR Nr. [ ] 06. September 2011 377,19 SFR Nr. [ ] 13. September 2011 314,00 SFR Nr. [ ] 07. Oktober 2011 1.291,00 SFR Nr. [ ] 20. November 2011 259,04 SFR Nr. [ ] sowie schließlich als letzte Zahlung 11. Dezember 2011 1.162,02 SFR Nr. [ ]

Das gesamte Geld sollte bis spätestens März 2012 zurückgezahlt werden. Die Angeklagte bekräftigte dies mit ihrer Unterschrift, obwohl sie nicht vorhatte, den Vertrag zu erfüllen bzw. dies auch nicht konnte.

Insgesamt zahlte die Zeugin B. – inklusive Gebühren – 40.427,46 SFR (ca. 33.000 Euro) an die Angeklagte, weil sie an deren trennungsbedingten Mehrbedarf, die Rückzahlungsbereitschaft und das im Hintergrund vorhandene Vermögen glaubte.

Im Frühjahr 2012 brach der Kontakt ab. Zahlungen wurden nicht mehr geleistet. Immer wieder versuchte die Angeklagte, die Zeugin u. a. per SMS hinzuhalten und zu vertrösten. So gab sie im Mai 2012 wahrheitswidrig vor, sie könne jetzt nicht erreicht werden, weil eine Herzklappenoperation bevorstände. Auch dies war gelogen. Schließlich verlor die Zeugin den Glauben an die Angeklagte und erstattete im Juli 2012 Strafanzeige. [ ]

Die Angeklagte hat den äußeren Lebenssachverhalt unter Tränen eingeräumt. Sie ergänzte ihre Einlassung jedoch dahingehend, dass die vorgetäuschten Notlagen unter Hinweis auf den trennungsbedingten Mehrbedarf nur erfolgt sei, weil sie Schulden habe zahlen müssen, die aus der Zeit der Straffälligkeit und Drogenabhängigkeit ihres Ehemannes stammten. Wiederholt sei sie von Geldeintreibern der P. und der H1 aufgesucht, bedroht und erpresst worden. Sie sollte Geld bezahlen. Aus Angst habe sie sich auf die beschriebene Art und Weise von der Zeugin B. Geld verschafft, um diese Schulden zu bezahlen. Jetzt tue ihr das leid.

Das Gericht nimmt der Angeklagten diese Einlassung nicht ab, auch wenn sie – detailreich – von dem Ehemann als Zeugen bestätigt wird. Vielmehr ist – vor dem Hintergrund des persönlichen Werdegangs der Angeklagten – das Gericht davon überzeugt, dass wieder einmal eine weitere scheinbare Notlage (Schulden) vorgespiegelt bzw. vorgetäuscht wird, um die Tat insgesamt in einem milderen Licht erscheinen zu lassen. Konkrete, nachvollziehbare Anknüpfungstatsachen für die Annahme, der Ehemann der Angeklagten werde tatsächlich von Mitgliedern der P. oder der H1 bedroht oder es müssten Schulden bezahlt werden, gibt es nicht."

Der Beklagte erhielt am 21. August 2012 durch die Polizei H. Kenntnis von den Zahlungen. Mit Schreiben vom 14. September 2012 an die Ehefrau des Klägers teilte der Beklagte mit, nach seinen Erkenntnissen habe sie in der Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2011 Leistungen in Höhe von 8.738,47 Euro zu Unrecht bezogen. Sie habe monatliche Zuwendungen in Form von privaten Darlehenszahlungen nicht mitgeteilt. Infolge dessen errechne sich ein geringerer Leistungsanspruch. Die Überzahlung sei durch die Ehefrau des Klägers verursacht worden, da sie eine für den Leistungsanspruch erhebliche Änderung in ihren Verhältnissen nicht angezeigt habe. Sie erhalte Gelegenheit zur Äußerung bis zum 1. Oktober 2012. Eine Kopie dieses Schreibens wurde an den Kläger versandt. Weder der Kläger noch seine Ehefrau gaben eine Stellungnahme ab.

Am 26. September 2012 wurde die Ehefrau des Klägers im Wege des Versäumnisurteils vom Landgericht Hamburg, Zivilgericht, verurteilt, 40.427,46 Schweizer Franken nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. Juli 2012 an B. zu zahlen (319 O 168/12).

Mit Bescheid vom 18. Dezember 2012 hob der Beklagte gegenüber dem Kläger die Entscheidungen vom 7. Dezember 2010, 26. März 2011, 21. Juni 2011 und 19. Dezember 2011 über die Bewilligung von Leistungen für die Monate Januar bis Mai, Juli, September bis Oktober sowie Dezember 2011 ganz und für die Monate August und November 2011 teilweise auf und forderte insgesamt vom Kläger die Erstattung von Leistungen in Höhe von 4353,48 Euro. Die zu erstattenden Beträge waren monatsweise angegeben. Zur Begründung hieß es, die Ehefrau des Klägers habe monatliche Zuwendungen in Form von privaten Darlehenszahlungen erhalten. Der Kläger sei seiner Pflicht zur Mitteilung relevanter Änderungen zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen. Außerdem sei Einkommen erzielt worden, das zum Wegfall oder zur Minderung des Leistungsanspruchs geführt hätte.

Mit drei Änderungsbescheiden vom 10. Januar 2013 bewilligte der Beklagte Leistungen für August 2011 in Höhe von 350,49 Euro (davon 175,24 an den Kläger), für November 2011 in Höhe von 685,57 Euro (davon 342,78 Euro an den Kläger) und für Dezember 2011 in Höhe von 0,00 Euro.

Mit Schreiben vom 21. Januar 2013 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 18. Dezember 2012 ein. Zur Begründung hieß es unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (B 14 AS 46/09R), die Gewährung eines Darlehens stelle kein Einkommen dar. Der Darlehensrückzahlungsanspruch sei gerichtlich festgestellt worden. Zudem habe der Kläger selbst kein Darlehen erhalten, sondern lediglich seine Ehefrau. Im März 2013 wurde die Ehefrau des Klägers wie oben erwähnt vom Amtsgericht Hamburg wegen Betruges verurteilt. Sie legte gegen dieses Urteil Berufung ein, beschränkte diese nach einem Hinweis des Landgerichts auf die mangelnden Erfolgsaussichten allerdings auf den Strafausspruch. Die Berufung blieb ebenso erfolglos wie die hiergegen erhobene Revision zum Oberlandesgericht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 6. August 2013 reduzierte der Beklagte die Erstattungsforderung auf 4.338,54 Euro, wies den Widerspruch im Übrigen aber zurück. In der Begründung führte der Beklagte aus, die Aufhebung der Bewilligungen stütze sich auf § 40 Abs. 1 Satz 1, 2 SGB II, § 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3, Satz 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), § 330 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Neben dem Erwerbseinkommen des Klägers seien auch die an seine Ehefrau erbrachten Zahlungen aus der S. als Einkommen anzurechnen. Vorliegend könne nicht von einer zu berücksichtigenden Darlehensvereinbarung ausgegangen werden. Es sei keine ernsthafte Rückzahlungsverpflichtung ersichtlich oder nachgewiesen worden. Eine tatsächliche Rückzahlung durch die Ehefrau des Klägers sei nicht nachgewiesen. Der Betrag von ca. 33.000 EUR habe damit zur Finanzierung des Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden. Der Vortrag, die Zahlungen seien lediglich der Ehefrau des Klägers zugeflossen, sei unbeachtlich, da das Einkommen gem. § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II auf alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu verteilen sei. Für die Monate Januar bis Mai, Juli, September, Oktober und Dezember 2011 habe das Einkommen aus den Zahlungen aus der S. den Bedarf der Eheleute deutlich überstiegen. Für die Monate August und November sei ein Teil des Bedarfes aus den Zahlungen gedeckt gewesen, sodass lediglich eine teilweise Aufhebung der Leistungsbewilligung durchgeführt werde. Der Kläger habe für den Monat August 2011 einen Betrag von 249,76 EUR und für den Monat November 2011 einen Betrag von 89,43 EUR zu erstatten. Hinsichtlich der Änderungsbescheide vom 26. März 2011, 21. Juni 2011 und 13. Dezember 2011 [gemeint ist wohl 19. Dezember 2011] sei der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid gem. § 43 SGB X umzudeuten in eine Rücknahme nach § 45 Abs. 1 und 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X. Die Leistungsbewilligung durch diese Bescheide sei rechtswidrig gewesen, da der Kläger und seine Ehefrau aufgrund des Einkommens nicht bzw. nicht in angenommener Höhe hilfebedürftig gewesen seien. Der Kläger könne sich insoweit nicht auf Vertrauensschutz berufen, da er die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsentscheidung gekannt bzw. infolge mindestens grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe. Aufgrund der ihm ausgehändigten Merkblätter hätte ihm klar sein müssen, dass die Zahlungen aus der S. dem Beklagten hätten angezeigt werden müssen.

Am 16. September 2013 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Hamburg erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, er habe weder einen Darlehensvertrag abgeschlossen noch Gelder erhalten. Der Beklagte verkenne, dass der Darlehensrückzahlungsanspruch der Frau B. durch ein Zivilgericht rechtskräftig festgestellt worden sei. Es handele sich daher nicht um Einkommen. Die Ehefrau des Klägers habe außerdem 100 EUR monatlich auf die Schuld gezahlt. Das Geld habe ferner nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden. Zudem sei das Einkommen des Klägers aus Erwerbstätigkeit unrichtig erfasst. Er habe das Geld von seinem Arbeitgeber nur teilweise erhalten. Dazu verweise er auf einen Arbeitsgerichtsprozess.

Aus dem im Strafverfahren eingeholten Auszug des Forderungskontos der Anwälte der Frau B. ergibt sich, dass die Klägerin an diese seit Oktober 2012 Rückzahlungen in Höhe von insgesamt 1.400,- Euro erbracht hat. Die letzte Ratenzahlung erfolgte im Januar 2014 kurz vor der Berufungsverhandlung in der Strafsache vor dem Landgericht Hamburg. Eine telefonische Anfrage der zuständigen Kammervorsitzenden des Sozialgerichts beim Anwalt der Frau B. im April 2016 ergab, dass seitdem keine weiteren Zahlungen der Ehefrau des Klägers auf das Versäumnisurteil geleistet worden sind.

Gegen den Kläger ist ein Strafverfahren wegen Betrugs zu Lasten des Beklagten eingeleitet worden (3205 Js 21/14). In diesem hat der Kläger mitgeteilt, er habe zum Zeitpunkt der Zahlungen der Frau B. an seine Ehefrau nichts von den Zahlungen gewusst, sondern erst später von diesen erfahren. Das Verfahren ist im Mai 2015 mit einer Einstellung nach § 153 Abs. 2 StPO beendet worden.

Das Sozialgericht hat den Kläger mehrfach (zuletzt mit der Ladung zum Verhandlungstermin) aufgefordert, vollständige Kontoauszüge aller ihm bzw. seiner Ehefrau zuzuordnenden Konten für den streitgegenständlichen Zeitraum vorzulegen. Der Kläger ist dem nicht nachgekommen.

Am 15. April 2016 hat das Sozialgericht den Rechtsstreit mündlich verhandelt. Der Beklagte hat in dem Termin bezüglich der Höhe der Rückforderungen ein geringes Teilanerkenntnis abgegeben und die Erstattungssumme für den Kläger auf 4.331,02 Euro reduziert.

Mit Urteil vom 15. April 2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Aufhebung der Bewilligung finde ihre Rechtsgrundlage in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II und § 330 Abs. 3 SGB III. In den Verhältnissen, die bei Erlass der Bewilligungsbescheide vorgelegen haben, sei jeweils nachträglich eine wesentliche Änderung dadurch eingetreten, dass die Ehefrau des Klägers die Frau B. veranlasst habe, ihr über das gesamte Jahr 2011 hinweg Geldbeträge auszuzahlen. Die Zahlungen von Frau B. seien Einkommen i. S. v. § 11 SGB II. Insbesondere sei die Berücksichtigung als Einkommen nicht deshalb ausgeschlossen, weil es sich um ein Darlehen gehandelt habe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 17. 6. 2010 – B 14 AS 46/09 R) stelle ein Darlehen, das an den Darlehensgeber zurückzuzahlen ist, als nur vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung kein Einkommen dar, auch wenn es als bereites Mittel zunächst zur Deckung des Lebensunterhalts verwendet werden könne. Im vorliegenden Fall gehe es allerdings anders als im Urteil des Bundessozialgerichts nicht um die Abgrenzung zwischen einer Schenkung und einem Darlehen, sondern um strafrechtlich relevant erlangte Zahlungen. Vorliegend habe nur Frau B. die Vorstellung gehabt, dass es sich um eine vorübergehende Leihgabe handeln solle, während die Ehefrau des Klägers von vornherein nicht beabsichtig habe, das Geld zurückzuzahlen. Dies sei hier entscheidend. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass die Ehefrau des Klägers zwischenzeitlich Raten auf die Schuld gezahlt habe. Hierin zeige sich kein wirklicher Rückzahlungswille, insbesondere nicht im streitigen Zeitraum. Die Zahlungen seien offensichtlich im Hinblick auf die Berufungsverhandlung im Strafverfahren erfolgt, um dort eine mildere Strafe zu erwirken, und danach nicht fortgesetzt worden. Die Höhe der Zahlungen sei insgesamt sehr niedrig gewesen. Der Einlassung, die Gelder hätten nicht zur Deckung des Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden, weil damit Schulden bei der P. bzw. den H1 bezahlt worden seien, glaube die Kammer ebenso wenig wie das Strafgericht. Die entsprechenden Behauptungen seien durch nichts belegt. Die vom Gericht mehrfach angeforderten Kontoauszüge für den streitigen Zeitraum seien nicht vorgelegt worden. Die Feststellung einer Rückzahlungspflicht durch das Versäumnisurteil des Landgerichts sei erst nach Ende des streitgegenständlichen Zeitraums im September 2012 erfolgt. Die Behauptung, der Arbeitgeber des Klägers habe diesem das Arbeitsentgelt nur zum Teil ausgezahlt und hierzu habe ein Arbeitsgerichtsverfahren stattgefunden, treffe offensichtlich nicht zu. In der Akte des Beklagten befänden sich zwar eine Klagschrift und ein Protokoll einer mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht. Der hier streitige Zeitraum sei davon aber nicht betroffen, vielmehr ergebe sich aus der Klagschrift, dass der Arbeitgeber vor Mai 2012 den Arbeitslohn regelmäßig ausgezahlt habe. Das Einkommen seiner Ehefrau sei gem. § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II auch bei dem Kläger zu berücksichtigen. Der Bedarf der Eheleute sei in den Monaten Januar bis Mai, Juli, September, Oktober und Dezember 2011 vollständig gedeckt gewesen, sodass die Leistungsbewilligung vollen Umfangs rechtswidrig geworden sei. Für die Monate August und November sei der Bedarf lediglich teilweise gedeckt gewesen, insoweit sei die teilweise Aufhebung der Bewilligung gerechtfertigt. Das Gericht mache sich insoweit die Berechnungen des Beklagten zum Einkommen des Klägers aus abhängiger Beschäftigung und den Zahlungen der Frau B. zu Eigen. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X rechtfertige allein die Erzielung von Einkommen die (teilweise) Aufhebung der Bewilligung; auf Verschulden komme es nicht an. Die übrigen Voraussetzungen für die Aufhebung seien ebenfalls erfüllt, insbesondere die Jahresfrist eingehalten. Die Erstattungsforderung finde ihre Grundlage in § 50 Abs. 1 SGB X, die Höhe sei nach dem geringen Teilanerkenntnis zutreffend.

Das Urteil ist dem Bevollmächtigten des Klägers am 10. Mai 2016 zugestellt worden. Am 10. Juni 2016 hat der Kläger Berufung eingelegt. Zur Begründung der Berufung führt er aus, er sei an der Tat seiner Ehefrau weder beteiligt gewesen noch habe er diese unterstützt. Er habe keine Einkünfte bezogen, allein seine Ehefrau habe die Gelder erhalten. Ferner habe es sich um Darlehen gehandelt, die nicht als Einkommen anzurechnen seien. Auch nach der Darlegung der Frau B. sei ein Darlehensvertrag geschlossen worden. Die Rückzahlung des Darlehens sei auch erfolgreich vor dem Landgericht eingeklagt worden. Ferner sei festgestellt worden, dass Rückzahlungen zum Teil erfolgt seien. Auch dies spreche für ein Darlehen. Die Annahme des Gerichts, die Ehefrau des Klägers habe keinen wirklichen Rückzahlungswillen gehabt, sei auch deshalb zweifelhaft, weil ja tatsächlich Rückzahlungen erfolgt seien.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 15. April 2016 und den Bescheid vom 18. Dezember 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2013 und des Teilanerkenntnisses vom 15. April 2016 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil.

Der Senat hat den Kläger mit Schreiben vom 16. April 2019 darauf hingewiesen, dass trotz mehrfacher Aufforderung durch das Sozialgericht bisher keine Kontoauszüge für den streitgegenständlichen Zeitraum eingereicht wurden und ihn aufgefordert, vollständige Kontoauszüge für das Jahr 2011 vorzulegen. Im selben Schreiben ist der Kläger um Mitteilung gebeten worden, ob an dem Vortrag, das Einkommen aus der abhängigen Beschäftigung des Klägers sei falsch berechnet worden, festgehalten werde. Falls ja, so möge er alle Gehaltsbescheinigungen für das Jahr 2011 einreichen. Der Kläger hat hierauf trotz Erinnerungsschreiben vom 15. Mai 2019 nicht reagiert und weder Kontoauszüge noch Gehaltsbescheinigungen vorgelegt. Zu der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 4. Juni 2019 sind weder der Kläger noch seine als Zeugin geladene Ehefrau erschienen; Entschuldigungen bzw. Erklärungen für das Nichterscheinen sind nicht vorgelegt worden. Der Bevollmächtigte des Klägers hat daraufhin beantragt, einen erneuten Termin anzuberaumen, um die Zeugin hören zu können.

Entscheidungsgründe:

I. Der Senat konnte in der Sache entscheiden, obwohl der Kläger zu dem Verhandlungstermin am 4. Juni 2019 nicht erschienen war. Der Kläger war zu dem Termin mit Schreiben vom 13. Mai 2019, zugestellt am 16. Mai 2019, geladen und darauf hingewiesen worden, dass auch im Falle seines Ausbleibens Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden könne. Eine Entschuldigung für sein Nichterscheinen hat der Kläger nicht vorgebracht. Er war in dem Termin durch seinen Bevollmächtigten vertreten.

Es bestand auch kein Anlass, dem Antrag des Bevollmächtigten des Klägers zu entsprechen und einen erneuten Verhandlungstermin anzuberaumen. Dieser Antrag kann nicht als förmlicher Beweisantrag angesehen werden, da er die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Beweisantragstellung nicht erfüllt, insbesondere kein konkretes Beweisthema angibt (zu den Anforderungen an einen Beweisantrag vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 160 Rn. 18a und die dort zitierte Rechtsprechung). Die Zeugin war zu dem Termin von Amts wegen lediglich vorsorglich geladen worden, um gegebenenfalls die Überprüfung eines weiteren bzw. neuen Sachvortrags des Klägers zu ermöglichen. Da weder in der mündlichen Verhandlung noch vorbereitend schriftsätzlich weiterer Vortrag erfolgte, ergab sich für den Senat kein Bedarf nach einer Vernehmung der Zeugin.

II. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid vom 18. Dezember 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. August 2016 und des Teilanerkenntnisses vom 15. April 2016. Nicht Gegenstand des Klage- und damit auch nicht des Berufungsverfahrens sind hingegen die Änderungsbescheide vom 10. Januar 2013. Diese sind bestandskräftig geworden. Der Widerspruch des bereits damals anwaltlich vertretenen Klägers bezog sich ausdrücklich nur auf den Bescheid vom 18. Dezember 2012. Auch der Widerspruchsbescheid und die Anträge im Klageverfahren befassen sich nur mit diesem Bescheid.

III. Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.

Sie ist jedoch nicht begründet. Die Klage, bei der es sich um eine reine Anfechtungsklage handelt, ist zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid vom 18. Dezember 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. August 2016 und des Teilanerkenntnisses vom 15. April 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

1. Rechtsgrundlage für die Aufhebung der zuvor getroffenen Bewilligungsentscheidungen ist § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i. V. m. § 330 Abs. 2 SGB III und § 45 Abs. 1, 2 Nr. 2 und 3 SGB X und nicht – wie vom Sozialgericht angenommen – § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III und § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X. Denn für die Abgrenzung zwischen § 45 SGB X und § 48 SGB X ist hier maßgeblich auf die jeweils letzten Änderungsbescheide abzustellen, d.h. für den Bewilligungszeitraum von Januar bis Juni 2011 auf den Änderungsbescheid vom 21. Juni 2011, für den Zeitraum von Juli bis Dezember 2011 auf denjenigen vom 19. Dezember 2011. Diese enthalten eine vollständige Neuregelung der Leistungsbewilligung für die von ihnen umfassten Bewilligungszeiträume, die die zuvor ergangenen Bewilligungs- und Änderungsbescheide für diese Zeiträume ersetzen (vgl. zur Ersetzung des ursprünglichen Bescheids durch einen Änderungsbescheid bereits das Urteil des Senats vom 23.6.2016 – L 4 AS 575/15). Bei Erlass dieser Änderungsbescheide – also am 21. Juni 2011 bzw. am 19. Dezember 2011 – war das Einkommen aus den Zahlungen von Frau B., dessen Zufluss die tatsächliche Grundlage für die Aufhebung bildet, bereits bei der Ehefrau des Klägers eingegangen. Deshalb kann § 48 SGB X, der die Fälle einer Änderung der Verhältnisse nach Erlass eines Verwaltungsakts erfasst, hier nicht Rechtsgrundlage der Aufhebung sein. Vielmehr ist § 45 SGB X heranzuziehen, der die Aufhebung von Verwaltungsakten betrifft, die bereits bei ihrem Erlass rechtswidrig sind.

2. Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig. Allerdings ist der Kläger vor seinem Erlass entgegen § 24 Abs. 1 SGB X nicht angehört worden, die Übersendung einer Kopie des an seine Ehefrau gerichteten Anhörungsschreibens vom 14. September 2012 genügt insoweit nicht. Der Anhörungsmangel ist jedoch durch Nachholung im Widerspruchsverfahren geheilt worden, § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X (zur Möglichkeit der Heilung eines Verstoßes gegen § 24 SGB X im Widerspruchsverfahren vgl. BSG, Urteil vom 9.11.2010 – B 4 AS 37/09 R). Die entscheidungserheblichen Tatsachen waren dem Kläger durch die Begründung des Bescheids vom 18. Dezember 2012 bekannt gegeben worden. Insbesondere lässt sich dem Bescheid sowohl der Vorwurf der Nichtmitteilung des Einkommenszuflusses als auch derjenige der groben Fahrlässigkeit des Klägers entnehmen. Durch die Einlegung des Widerspruchs hatte der Kläger auch Gelegenheit, sich zu diesen Tatsachen zu äußern.

3. Die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung liegen vor. Nach § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i. V. m. § 330 Abs. 2 SGB III und § 45 Abs. 1, 2 Nr. 2 und 3 SGB X ist ein bereits bei seinem Erlass rechtswidriger Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben, soweit dieser auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat bzw. soweit der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.

a. Die Bewilligungsentscheidungen vom 21. Juni 2011 und 19. Dezember 2011 waren bei ihrem Erlass rechtswidrig. Der Kläger erfüllte zwar die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II. Er war in den von der Aufhebung erfassten Monaten Januar bis Mai und Juli bis Dezember 2011 jedoch nicht bzw. nicht im bei der Bewilligung angenommenen Umfang hilfebedürftig (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 9 SGB II), da er seinen Lebensunterhalt vollständig bzw. in größerem Umfang als angenommen aus dem zu berücksichtigenden Einkommen sichern konnte.

aa. Neben dem Einkommen des Klägers aus seiner abhängigen Beschäftigung bei der Firma F.en (dazu auch unten bb.) waren die Zahlungen der Frau B. an die Ehefrau des Klägers als Einkommen der Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen.

Dass die Ehefrau des Klägers im Jahr 2011 von Frau B. die oben genannten Beträge in Höhe von insgesamt ca. 33.000,- Euro tatsächlich erhalten hat, ist unstreitig. Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich dabei auch um Einkommen im Sinne von § 11 SGB II. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II bestimmt, dass grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen sind. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist hier nicht zu machen.

Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. insbesondere Urteil vom 17.6.2010 – B 14 AS 46/09 R), wonach ein Darlehen, dass nur vorübergehend zur Verfügung gestellt und an den Darlehensgeber zurückzuzahlen ist, mangels wertmäßigen Zuwachses beim Darlehensnehmer nicht als Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II anzusehen ist, ist für den vorliegenden Fall nicht einschlägig. Diese Rechtsprechung bezieht sich auf die Abgrenzung zwischen einem Darlehen und einer Schenkung bzw. Unterhaltsleistung. Die von ihr gemachte Ausnahme vom Grundsatz der Einkommensanrechnung jedes Zuflusses rechtfertigt sich vor dem Hintergrund einer ernstgemeinten, von beiden Seiten gewollten Rückzahlungsverpflichtung. Gehen im Zeitpunkt des Zuflusses sowohl der Geldgeber als auch der Empfänger auf der Basis einer entsprechenden Abrede davon aus, dass das Geld lediglich darlehensweise gewährt und später zurückgezahlt wird, so lässt sich ein wertmäßiger Zuwachs beim Empfänger verneinen. Hier fehlt es aber einer solchen beidseitig gewollten ernsthaften Rückzahlungsabrede. Zwar mag es die Absicht der Frau B. gewesen sein, lediglich ein Darlehen zur Verfügung zu stellen, die Ehefrau des Klägers hatte aber bei Zufluss der Zahlungen keinen ernsthaften Rückzahlungswillen, sondern wollte die Gelder zur endgültigen Verwendung erlangen. Damit war sie – nach ihrer eigenen Vorstellung – der Empfängerin einer Schenkung eher vergleichbar als einer Darlehensnehmerin. Dem Vortrag des Klägers, es handele sich tatsächlich um ein beidseitig gewolltes Darlehen, kann nicht gefolgt werden. Die Ehefrau des Klägers hat im Strafverfahren eingeräumt, dass sie nicht vorhatte, die Gelder zurückzuzahlen. Der Senat sieht keinen Anlass, hieran zu zweifeln. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den tatsächlich erbrachten Rückzahlungen. Diese umfassen nur einen geringen Teilbetrag der Gesamtsumme (1.400,- Euro von insgesamt ca. 33.000,- Euro) und sind wohl maßgeblich vor dem Hintergrund des Strafverfahrens erfolgt bzw. jedenfalls mit dem Ende des Berufungsverfahrens eingestellt worden, also nicht als nachhaltig anzusehen. Auch aus der Tatsache, dass die Ehefrau des Klägers vom Landgericht Hamburg, Zivilgericht, zur Rückzahlung verurteilt wurde, folgt nicht, dass hier ein eine Ausnahme von der Einkommensanrechnung rechtfertigendes Darlehen anzunehmen wäre. Die Verurteilung basiert auf einem Versäumnisurteil. Eine inhaltliche Auseinandersetzung des Landgerichts mit dem Geschehen hat nicht stattgefunden. Die Gründe für die Hinnahme des Versäumnisurteils sind nicht bekannt und im Übrigen auch nicht entscheidend: Dass die Ehefrau des Klägers zum Zeitpunkt des zivilgerichtlichen Verfahrens eingesehen hat, zur Rückzahlung (auf welcher Rechtsgrundlage auch immer) verpflichtet zu sein, begründet nicht die Annahme, dass auch bei Empfang der Gelder bereits ein Rückzahlungswille bestand.

Auch der Umstand, dass die Einnahmen aus einer Straftat der Ehefrau des Klägers, nämlich einem Betrug, erlangt wurden, schließt eine Anrechnung als Einkommen nicht aus (wie hier für Gelder, die durch Betrug im Zusammenhang mit Ebay-Verkäufen erzielt wurden, Sächsisches LSG, Urteil vom 8.11.2018 – L 7 AS 1086/14 und die zustimmende Anmerkung von Lange, jurisPR-SozR 2/2019 Anm. 1; a.A. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9.1.2017 – L 23 SO 327/16 B ER). Zwar hat die geschädigte Frau B. infolge der deliktischen Handlung einen Schadensersatzanspruch gegen die Ehefrau des Klägers, doch waren die zugeflossenen Mittel – anders als z.B. eine durch Diebstahl erlangte bewegliche Sache – nicht unmittelbar mit einem Herausgabeanspruch belastet. Im maßgeblichen Zeitpunkt des Zuflusses standen sie vielmehr zur Bestreitung des Lebensunterhalts zu Verfügung. In diesem Zeitpunkt waren der Ersatzanspruch und seine Realisierung durch Frau B. noch vage und unkonkret. Diese Situation ist eher den Fällen vergleichbar, in denen Leistungsempfänger Einnahmen aus anderen staatlichen Mitteln erhalten, die später als unrechtmäßig erlangt zurückgezahlt werden müssen (zu jenen Fällen vgl. BSG, Urteil vom 23.8.2011 – B 14 AS 165/10 R). Entscheidend ist der Zeitpunkt des Geldflusses – in diesem konnten die zugeflossenen Beträge zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Klägers und seiner Ehefrau eingesetzt werden. Gegen eine Anrechnung betrügerisch erlangten Geldes als Einkommen spricht auch nicht, dass dies den durch den Betrug eingetretenen Schaden vergrößern würde, da die Summe dann nicht mehr für Erstattungsleistungen zur Verfügung stünde (so aber LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.). Denn das SGB II dient nicht dazu, dem durch eine Straftat Geschädigten Schadensersatzansprüche zu sichern (ebenso Lange, a.a.O.). Schadensersatzansprüche bzw. Verbindlichkeiten aus Straftaten mindern das anzurechnende Einkommen ebenso wenig wie andere Schulden des Leistungsempfängers.

Schließlich steht einer Berücksichtigung der Zahlungen als Einkommen auch nicht der Vortrag des Klägers und seiner Ehefrau entgegen, mit den Geldern seien Schulden bei der P. bzw. bei den H1 beglichen worden. Wie schon das Amtsgericht und das Sozialgericht hat auch der Senat erhebliche Zweifel an dem Wahrheitsgehalt dieses Vortrags. Letztlich kommt es darauf aber nicht entscheidend an: Ausreichend ist, dass die Gelder der Bedarfsgemeinschaft im jeweiligen Bewilligungszeitraum nach ihrem Zufluss jeweils zumindest zunächst zur freien Verfügung standen und somit für den Lebensunterhalt eingesetzt hätten werden können. Ob dies tatsächlich erfolgte, ist für die Berücksichtigung als Einkommen nicht von Bedeutung. Weder die Tilgung von Schulden noch der sonstige spätere Verbrauch steht dem entgegen (vgl. dazu BSG, Beschluss vom 1.4.2016 – B 14 AS 286/15 B; zur Nicht-absetzbarkeit von Zahlungen zur Schuldentilgung bereits BSG, Urteil vom 19.9.2008 – B 14/7b AS 10/07 R).

Das Einkommen der Ehefrau des Klägers war nicht lediglich bei dieser, sondern anteilig auch auf den Bedarf des Klägers anzurechnen, § 9 Abs. 2 SGB II.

bb. Anhaltspunkte dafür, dass das Einkommen des Klägers aus seiner abhängigen Beschäftigung vom Beklagten zu Unrecht oder unzutreffend angerechnet wurde, liegen nicht vor. Soweit der Kläger erstinstanzlich geltend gemacht hat, er habe das Arbeitsentgelt nur zum Teil ausgezahlt bekommen und hierzu habe ein Arbeitsgerichtsverfahren stattgefunden, hat sich diese Behauptung nicht nachweisen lassen. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil, denen er sich anschließt. Im Berufungsverfahren wurden Nachweise über fehlende oder von der Berechnung des Beklagten abweichende Auszahlungen des Gehalts trotz Aufforderung durch den Senat nicht vorgelegt, insbesondere weder vollständige Gehaltsabrechnungen noch Kontoauszüge für den streitgegenständlichen Zeitraum eingereicht.

cc. Unter Berücksichtigung des Erwerbseinkommens des Klägers sowie der Zahlungen der Frau B. war der Bedarf des Klägers und seiner Ehefrau in den Monaten Januar bis Mai, Juli, September, Oktober und Dezember 2011 vollständig gedeckt, sodass für diese Monate kein Leistungsanspruch bestand und die Bewilligungsentscheidungen daher vollen Umfangs rechtswidrig waren. In den Monaten August und November 2011 bestand zumindest kein höherer Anspruch als vom Beklagten in den angefochtenen Bescheiden angenommen, sodass die Bewilligungsentscheidungen zumindest teilweise rechtswidrig waren.

Der Beklagte hat seiner Berechnung die im Rahmen des Strafverfahrens gegen die Ehefrau des Klägers festgestellten Einnahmen zugrunde gelegt. Er ist sodann davon ausgegangen, dass es sich um laufende Einnahmen handelte, die (nur) im jeweiligen Zuflussmonat anzurechnen waren. Ob dies zutrifft oder hier einmalige bzw. unregelmäßige Einnahmen vorlagen, die über einen längeren Zeitraum zu verteilen bzw. als monatliches Durchschnittseinkommen zu berechnen (§ 2 Abs. 3 und 4 Alg II-VO a.F. bzw. § 11 Abs. 3 SGB II) gewesen wären, brauchte der Senat nicht zu entscheiden. Denn in keinem der von der Aufhebung betroffenen Monate wäre eine andere Einkommensberechnung für den Kläger günstiger.

Für die genauen Berechnungen nimmt der Senat daher Bezug auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Er hat diese überprüft und keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass diese zu Lasten des Klägers falsch wären.

b. Neben der Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide liegen auch die übrigen Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung vor. Insbesondere kann der Kläger sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

Vertrauensschutz ist gem. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X ausgeschlossen, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat; nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X ist er ausgeschlossen, wenn der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.

Hier basierten die fehlerhaften Bewilligungen darauf, dass der Kläger dem Beklagten gegenüber die Einkünfte aus den Zahlungen von Frau B. nicht angegeben hat. Der Kläger war verpflichtet, dem Beklagten Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen, § 60 Abs. 1 Nr. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Der Kläger war über diese Obliegenheit auch unterrichtet worden, so enthielten die Bewilligungsbescheide u.a. den Hinweis auf die Verpflichtung, jede Änderung in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, die für den Leistungsanspruch erheblich ist, mitzuteilen. Als mögliche leistungsrelevante Änderung war die "Änderung der Einkommens-/Vermögensverhältnisse" genannt.

Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass auch das Tatbestandsmerkmal der groben Fahrlässigkeit im Sinne einer besonders schweren Verletzung der erforderlichen Sorgfalt (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2) vorlag. Aufgrund der Antragsformulare und Merkblätter sowie der oben genannten Hinweise in den Bewilligungsbescheiden wusste der Kläger bzw. hätte er wissen müssen, dass die Einnahmen für den Leistungsanspruch von Bedeutung waren.

Dem Vortrag des Klägers, er habe zum Zeitpunkt der Zahlungen der Frau B. an seine Ehefrau nichts von diesen gewusst, sondern erst später hiervon erfahren, vermag der Senat nicht zu glauben. Wenn das Geld tatsächlich – wie von der Ehefrau des Klägers behauptet – zur Tilgung von Schulden des Klägers bei der P. bzw. den H1 verwendet wurde, ist davon auszugehen, dass der Kläger hiervon Kenntnis hatte. Es wäre lebensfremd anzunehmen, dass Schulden, die unter Einsatz von Drohungen eingetrieben wurden, von der Ehefrau beglichen wurden, ohne dass der Kläger hiervon zeitnah erfahren hätte. Aber auch wenn das Geld nicht zu diesem Zweck verwendet wurde, bestehen für den Senat keine Zweifel, dass der Kläger von den Zahlungen wusste. Der Gesamtbetrag der Einnahmen entspricht mit ca. 33.000,- Euro etwa dem Doppelten dessen, was der Kläger und seine Ehefrau aus Erwerbseinkommen und aufstockenden Leistungen nach dem SGB II im Jahr 2011 zur Verfügung hatten. Es erscheint nicht plausibel, dass der Kläger eine solche Verdreifachung des Einkommens nicht mitbekommen haben sollte, zumal das Geld offensichtlich auch zeitnah ausgegeben wurde und jedenfalls schon 2012 nicht mehr für eine Rückzahlung zur Verfügung stand. Der Kläger hat trotz entsprechender Aufforderung durch das Sozialgericht sowie den Senat nicht an der weiteren Aufklärung mitgewirkt. Insbesondere hat er die angeforderten Kontoauszüge für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht eingereicht, sodass nicht überprüft werden konnte, ob die Einnahmen aus den Zahlungen der Frau B. auf ein Konto des Klägers bzw. ein gemeinsames Konto des Klägers und seiner Ehefrau gelangten. Dies geht zu Lasten des Klägers und bestärkt die Überzeugung des Senats, dass er durchaus von den Zahlungen an seine Ehefrau gewusst hat.

Aus den gleichen Erwägungen lässt sich daneben feststellen, dass der Kläger die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsentscheidungen kannte bzw. infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Der Kläger wusste bzw. hätte zumindest wissen müssen, dass die Zahlungen an seine Ehefrau bei der Leistungsberechnung zu berücksichtigen waren. Infolgedessen musste ihm auch klar sein, dass eine Bewilligung ohne Berücksichtigung der geflossenen Gelder nicht richtig sein konnte.

c. Die Aufhebung erfolgte innerhalb der Frist von einem Jahr nach Bekanntwerden der die Rechtswidrigkeit der Bewilligung begründenden Umstände, § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X.

4. Das Erstattungsverlangen findet seine Grundlage in § 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGB II i.V.m. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Ist ein Verwaltungsakt aufgehoben worden, so sind danach bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Es ist nicht ersichtlich, dass die zuletzt (nach Teilanerkenntnis) geltend gemachte Rückforderung zu Lasten des Klägers falsch ist, dies ist von dem Kläger auch nicht geltend gemacht worden.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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