Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 25 AS 1515/19 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 25. März 2019 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 14. März 2019 wird angeordnet. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das vorliegende Verfahren erster Instanz unter Beiordnung von Rechtsanwältin O N1 G aus X ge-währt.
Gründe:
Der Antrag des Antragstellers,
die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 25. März 2019 gegen den Sanktionsbescheid des Antragsgegners vom 14. März 2019, mit dem die Minderung des Arbeitslosengeldes in Höhe von 127,20 EUR für den Zeitraum vom 1. April 2019 bis 30. Juni 2019 festgestellt wird, wird einstweilen ange-ordnet,
hat Erfolg.
Gemäß § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Weitere Kriterien für die Anwendung dieser gerichtlichen Anordnungsbefugnis sind gesetz-lich nicht geregelt. Sie sind durch Auslegung zu gewinnen. Diese ergibt, dass die Anord-nung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs oder einer Anfechtungsklage Er-gebnis einer Interessenabwägung ist. Die aufschiebende Wirkung eines solchen Rechts-behelfs ist anzuordnen, wenn im Rahmen der Interessenabwägung dem privaten Auf-schubinteresse gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes Vorrang gebührt. Bei dieser Interessenabwägung ist insbesondere die - nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage zu bewertende - Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Ferner ist zu beachten, dass der Gesetzgeber in Fällen des § 86 a Abs. 2 Nrn. 1 - 4 SGG das Entfallen der aufschie-benden Wirkung angeordnet und damit grundsätzlich ein überwiegendes Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes geregelt hat (vgl. Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen (NRW), Beschluss vom 01.06.2015 - L 2 AS 730/15 B, bei juris Rn. 5). Davon abzuweichen besteht nur Anlass, wenn im konkreten Fall ein überwiegendes privates Aufschubinteresse feststellbar ist. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme sein (LSG NRW, Be-schluss vom 09.12.2013 - L 2 AS 1956/13 B ER, bei juris Rn. 3). Eine solche Ausnahme liegt dann vor, wenn der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Vollziehung offensichtlich rechtswidriger Verwaltungsakte ist nicht erkennbar. Ist der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig, ist die aufschiebende Wirkung regelmäßig nicht anzuordnen. Sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs nicht abschätzbar, ist eine allgemeine Interessenabwägung durchzuführen. Dabei sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers in die Abwägung einzustellen (Bundesverfas-sungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05, bei juris Rn. 26; siehe auch LSG NRW, Beschluss vom 01.06.2015 -: L 2 AS 730/15 B, bei juris Rn. 5).
Der Widerspruch des Antragstellers hat gemäß § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung. Der auf Anordnung derselben gerichtete Antrag hat Erfolg, weil Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheides bestehen.
Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheides ist u.a., dass der Einglie-derungsverwaltungsakt vom 17. Dezember 2018 – auf Verstöße dagegen sich die An-tragsgegnerin zur Begründung der Rechtmäßigkeit der Sanktion stützt - dem Antragsteller wirksam bekanntgegeben wurde. Dies ist zwischen den Beteiligten streitig. Der Antragstel-ler trägt vor, dass er den Eingliederungsverwaltungsakt nicht erhalten hat. Die Antrags-gegnerin trägt vor, dass der Eingliederungsverwaltungsakt am 18. Dezember 2018 in den Briefkasten des Antragstellers eingeworfen wurde. Eine Beweisaufnahme ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes regelmäßig nicht angezeigt. Beweispflichtig für den Nachweis des Zugangs des Eingliederungsverwaltungsaktes ist die Antragsgegnerin. Die-sen Nachweis ist sie nach Auffassung des Gerichts schuldig geblieben. Es ist schon nicht erkennbar, warum die Antragsgegnerin den Eingliederungsverwaltungsakt nicht per Post zugestellt hat mittels Zustellungsurkunde etc, sondern von einem Mitarbeiter der H GmbH hat einwerfen lassen. Ob diese Vorgehensweise überhaupt rechtmäßig ist, bezweifelt das Gericht. Es ist dem Gericht nicht bekannt, dass die H GmbH über eine Lizenz der Bun-desnetzagentur verfügt und in X Briefe austragen darf. Eine Lizenz der Bundesnetzagen-tur benötigt grundsätzlich, wer Briefsendungen - das sind adressierte schriftliche Mitteilun-gen - von nicht mehr als 1.000 Gramm gewerbsmäßig für andere befördert, d.h. einsam-melt, weiterleitet oder ausliefert. Jedenfalls konnte das Gericht der Internetseite der H diesbezüglich nichts entnehmen und hat die Antragsgegnerin dazu bislang nichts vorge-tragen. Zudem hat der Antragsteller mittels formwirksamer strafbewehrter eidesstattlicher Versicherung glaubhaft gemacht, dass er den Eingliederungsverwaltungsakt nicht erhalten hat. Die Antragsgegnerin, die ihrerseits aber eigentlich beweispflichtig wäre, hat keine ei-desstattlichen Versicherungen der Mitarbeiter N2 und C vorgelegt, dass diese den Einglie-derungsverwaltungsakt am 18. Dezember 2018 um 12:30 h eingeworfen haben. Ob dies durch die benannten Personen überhaupt möglich war, bleibt aus den oben genannten Gründen offen. All diese Fragen wären ggf. noch in einem Hauptsacheverfahren zu klä-ren.
Im Übrigen weist das Gericht auf Folgendes hin: Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Sank-tionsbescheides bestehen auch deswegen, weil es sich um einen sog. "Ankreuzbescheid" handelt, d.h. der Antragsteller hat mehrere Seiten Papier erhalten, auf denen jeweils ein-zelne Aussagen als zutreffend für ihn angekreuzt wurden. An einer individuellen einzelfall-bezogenen Prüfung und Begründung des Sanktionsbescheides fehlt es nach Auffassung des Gerichts. Auch aus diesem Grund bestehen ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheides.
Nach alledem war dem Antrag stattzugeben. Die Antragsgegnerin wird die für die Monate April und Mai einbehaltenen Gelder vorläufig auszuzahlen haben, sofern sie dies noch nicht getan hat, und im Juni 2019 den ungekürzten Regelsatz an den Antragsteller zahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Wegen der Erfolgsaussichten des Widerspruchsverfahrens und der Bedürftigkeit des An-tragstellers war dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe stattzugeben.
Gründe:
Der Antrag des Antragstellers,
die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 25. März 2019 gegen den Sanktionsbescheid des Antragsgegners vom 14. März 2019, mit dem die Minderung des Arbeitslosengeldes in Höhe von 127,20 EUR für den Zeitraum vom 1. April 2019 bis 30. Juni 2019 festgestellt wird, wird einstweilen ange-ordnet,
hat Erfolg.
Gemäß § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Weitere Kriterien für die Anwendung dieser gerichtlichen Anordnungsbefugnis sind gesetz-lich nicht geregelt. Sie sind durch Auslegung zu gewinnen. Diese ergibt, dass die Anord-nung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs oder einer Anfechtungsklage Er-gebnis einer Interessenabwägung ist. Die aufschiebende Wirkung eines solchen Rechts-behelfs ist anzuordnen, wenn im Rahmen der Interessenabwägung dem privaten Auf-schubinteresse gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes Vorrang gebührt. Bei dieser Interessenabwägung ist insbesondere die - nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage zu bewertende - Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Ferner ist zu beachten, dass der Gesetzgeber in Fällen des § 86 a Abs. 2 Nrn. 1 - 4 SGG das Entfallen der aufschie-benden Wirkung angeordnet und damit grundsätzlich ein überwiegendes Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes geregelt hat (vgl. Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen (NRW), Beschluss vom 01.06.2015 - L 2 AS 730/15 B, bei juris Rn. 5). Davon abzuweichen besteht nur Anlass, wenn im konkreten Fall ein überwiegendes privates Aufschubinteresse feststellbar ist. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme sein (LSG NRW, Be-schluss vom 09.12.2013 - L 2 AS 1956/13 B ER, bei juris Rn. 3). Eine solche Ausnahme liegt dann vor, wenn der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Vollziehung offensichtlich rechtswidriger Verwaltungsakte ist nicht erkennbar. Ist der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig, ist die aufschiebende Wirkung regelmäßig nicht anzuordnen. Sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs nicht abschätzbar, ist eine allgemeine Interessenabwägung durchzuführen. Dabei sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers in die Abwägung einzustellen (Bundesverfas-sungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05, bei juris Rn. 26; siehe auch LSG NRW, Beschluss vom 01.06.2015 -: L 2 AS 730/15 B, bei juris Rn. 5).
Der Widerspruch des Antragstellers hat gemäß § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung. Der auf Anordnung derselben gerichtete Antrag hat Erfolg, weil Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheides bestehen.
Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheides ist u.a., dass der Einglie-derungsverwaltungsakt vom 17. Dezember 2018 – auf Verstöße dagegen sich die An-tragsgegnerin zur Begründung der Rechtmäßigkeit der Sanktion stützt - dem Antragsteller wirksam bekanntgegeben wurde. Dies ist zwischen den Beteiligten streitig. Der Antragstel-ler trägt vor, dass er den Eingliederungsverwaltungsakt nicht erhalten hat. Die Antrags-gegnerin trägt vor, dass der Eingliederungsverwaltungsakt am 18. Dezember 2018 in den Briefkasten des Antragstellers eingeworfen wurde. Eine Beweisaufnahme ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes regelmäßig nicht angezeigt. Beweispflichtig für den Nachweis des Zugangs des Eingliederungsverwaltungsaktes ist die Antragsgegnerin. Die-sen Nachweis ist sie nach Auffassung des Gerichts schuldig geblieben. Es ist schon nicht erkennbar, warum die Antragsgegnerin den Eingliederungsverwaltungsakt nicht per Post zugestellt hat mittels Zustellungsurkunde etc, sondern von einem Mitarbeiter der H GmbH hat einwerfen lassen. Ob diese Vorgehensweise überhaupt rechtmäßig ist, bezweifelt das Gericht. Es ist dem Gericht nicht bekannt, dass die H GmbH über eine Lizenz der Bun-desnetzagentur verfügt und in X Briefe austragen darf. Eine Lizenz der Bundesnetzagen-tur benötigt grundsätzlich, wer Briefsendungen - das sind adressierte schriftliche Mitteilun-gen - von nicht mehr als 1.000 Gramm gewerbsmäßig für andere befördert, d.h. einsam-melt, weiterleitet oder ausliefert. Jedenfalls konnte das Gericht der Internetseite der H diesbezüglich nichts entnehmen und hat die Antragsgegnerin dazu bislang nichts vorge-tragen. Zudem hat der Antragsteller mittels formwirksamer strafbewehrter eidesstattlicher Versicherung glaubhaft gemacht, dass er den Eingliederungsverwaltungsakt nicht erhalten hat. Die Antragsgegnerin, die ihrerseits aber eigentlich beweispflichtig wäre, hat keine ei-desstattlichen Versicherungen der Mitarbeiter N2 und C vorgelegt, dass diese den Einglie-derungsverwaltungsakt am 18. Dezember 2018 um 12:30 h eingeworfen haben. Ob dies durch die benannten Personen überhaupt möglich war, bleibt aus den oben genannten Gründen offen. All diese Fragen wären ggf. noch in einem Hauptsacheverfahren zu klä-ren.
Im Übrigen weist das Gericht auf Folgendes hin: Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Sank-tionsbescheides bestehen auch deswegen, weil es sich um einen sog. "Ankreuzbescheid" handelt, d.h. der Antragsteller hat mehrere Seiten Papier erhalten, auf denen jeweils ein-zelne Aussagen als zutreffend für ihn angekreuzt wurden. An einer individuellen einzelfall-bezogenen Prüfung und Begründung des Sanktionsbescheides fehlt es nach Auffassung des Gerichts. Auch aus diesem Grund bestehen ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheides.
Nach alledem war dem Antrag stattzugeben. Die Antragsgegnerin wird die für die Monate April und Mai einbehaltenen Gelder vorläufig auszuzahlen haben, sofern sie dies noch nicht getan hat, und im Juni 2019 den ungekürzten Regelsatz an den Antragsteller zahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Wegen der Erfolgsaussichten des Widerspruchsverfahrens und der Bedürftigkeit des An-tragstellers war dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe stattzugeben.
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