L 4 KA 3/16

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 196/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 3/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 24/19 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Kombinationsnarkose z.B. bei intravenöser Anästhetika-Verabreichung unterfällt der Nr. 31822 EBM-Ä nur, wenn die Maskenbeatmung über die Dauer des operativen Eingriffs erforderlich ist und auch erfolgt.

Die hierfür notwendige Maske ist funktional abzugrenzen, nämlich ob sie die bei einer Narkose erforderliche Überwachung der Beatmung in Gestalt der Messung des endexspiratorische CO2-Wertes ermöglicht.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 2. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um einen Honorarberichtigung für die 14 Quartale III/2008 bis IV/2011 aufgrund einer Plausibilitätsprüfung in Höhe von 117.947,23 EUR und hierbei insbesondere um die Frage, ob für eine Anästhesieleistung bei Katarakt-Operationen auch im Regelfall die Leistung nach Nr. 31822 (Anästhesie und/oder Narkose) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM-Ä) oder die Leistung nach Nr. 31831 EBM-Ä (Einleitung und Unterhaltung einer Analgesie und/oder Sedierung) abgerechnet werden kann.

Die Klägerin ist als Fachärztin für Anästhesie zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in AX-Stadt zugelassen. Seit April 2013 arbeitet sie als angestellte Ärztin bei einem anderen Anästhesisten.

In den Quartalen I/2008 bis IV/2011 setzte die Beklagte durch Honorarbescheid das Honorar der Klägerin wie folgt fest:
Quartal I/2008 II/2008 1II/2008 IV/2008
Honorarbescheid v. 10. Juli 2008 27. Oktober 2008 12. Januar 2009 30. März 2009
Bruttohonorar gesamt in EUR 20.787,99 27.629,21 46.214,54 45.158,59

Quartal I/2009 II/2009 1II/2009 IV/2009
Honorarbescheid v. 20. Juli 2009 11. Oktober 2009 23. Dezember 2009 27. März 2010
Nettohonorar gesamt in EUR 61.839,16 56.099,76 35.008,96 50.694,93

Quartal I/2010 II/2010 1II/2010 IV/2010
Honorarbescheid v. 29. Juni 2010 27. September 2010 28. Dezember 2010 3. März.2011
Nettohonorar gesamt in EUR 57.979,52 51.624,38 30.407,40 34.737,60

Quartal I/2011 II/2011 III/2011 IV/2011
Honorarbescheid v. 29. Juni 2010 27. September 2010 28. Dezember 2010 3. März 2011
Nettohonorar gesamt in EUR 30.644,36 31.726,08 23.350,03 16.385,23

Die Beklagte führte zunächst für die Quartale I/2008 bis IV/2008 eine Plausibilitätsprüfung durch und übersandte der Klägerin unter Datum vom 16. Mai 2012 die zeitbezogenen Rechnungsergebnisse für diese Quartale unter Erläuterung der Ermittlung der Zeitprofile. Sie bat insbesondere um Stellungnahme zur regelhaft abgerechneten GOP 31822 EBM.

Die Klägerin trug mit E-Mail vom 10. Juni 2012 vor, die Plausibilitätszeit von 53 Minuten für die Vollnarkose nach Nr. 31822 EBM-Ä sei in ihrem Fall unrealistisch, da ihre Ophthalmochirurgen den Eingriff häufig in ca. 10 Minuten erledigten. Keine Abrechnungsbestimmung verlange von ihr, den Patienten dann weitere 40 Minuten schlafen zu lassen. Die abgerechnete Narkose sei im Anhang zum EBM-Ä der Operation fest zugeordnet. In allen Fällen im Rahmen der Kataraktchirurgie habe sie eine Kombinationsnarkose nach den Bedingungen des EBM-Ä durchgeführt. Auf Anfrage der Beklagten reichte die Klägerin ferner die Narkoseprotokolle (17) eines Beispieltages (30. September 2008) ein.

Die Beklagte hob mit Bescheid vom 13. Februar 2013 für die zwei Quartale Ill/2008 und IV/2008 die Honorarbescheide auf und setzte die unter Prüfungsvorbehalt gezahlte Vergütung neu fest. Hieraus errechnete sie eine von ihr festgesetzte Honorarrückforderung in Höhe von insgesamt 20.036,58 EUR netto. Im Einzelnen setzte sie folgende Honorarrückforderungen fest:
Quartal Kürzungsbetrag in EUR netto 11.506,63
III/2008 11.506,63
IV/2008 8.529,95
Gesamt 20.036,58

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 13. Januar 2015 gegenüber dem Sozialgericht klargestellt, dass für das Quartal IV/2008 der aus der Anlage ersichtliche Betrag in Höhe von 8.529,95 EUR und nicht der im Bescheidtext angegebene Betrag von 8.829,95 EUR maßgebend ist, so dass auch die im Bescheidtext angegebene Gesamtsumme richtig errechnet ist.

Zur Begründung führte sie u.a. aus, die Erstellung der Tages- und Quartalsprofile für die Praxis habe zu folgendem Ergebnis geführt:

Quartalsübersicht: Quartal Taqesprofil davon Maximale Arbeitszeit pro Tag im Quartal Quartalsprofil Überschreitung Anzahl Tage Zeitsumme ) 12 Std. ) 16 Std Std.: Min. Std.: Min.
I/2008 0 0 9:41 136:36 -
II/2008 0 0 8:35 184:54 -
III/2008 6 1 16:53 256:27 -
IV/2008 6 0 12:36 273:23 -

Beispielhaft weise sie auf das Tagesprofil für Montag, 30.September 2008, Zeit gesamt: 16:53 Std., hin:
GOP Anzahl Zeit Zeit gesamt Tagesprofil Zeit gesamt Quartalsprofil
05340 Überwachung der Vitalfunktionen 1 15,00 00:15 00:15
31503 Postoperative Überwachung 15 10,00 02:30 02:30
31822 Anästhesie/Narkose 16 53,00 14:08 14:08

Sie habe die von der Klägerin auf Anforderung vorgelegten Narkoseprotokolle einem Prüfarzt zur Beurteilung vorgelegt. Die Klägerin betreibe mit einer im Vergleich zur Prüfgruppe unterschiedlichen Fallzahl und einem überdurchschnittlichen Fallwert ihre Praxis:

Quartal Fallzahl Praxis Fallzahl Prüfgruppe Fallwert Praxis Fallwert Prüfgruppe
I/2008 76 334 305,21 196,59
2/2008 98 326 315,16 204,27
3/2008 181 315 281,70 201,22
4/2008 203 327 271,26 202,85

Die Grenze von 12 Stunden am Tag sei an insgesamt 12 Tagen in den Quartalen III/2008 und IV/2008 überschritten worden. Bei den übrigen Quartalen lägen keine zeitlichen Auffälligkeiten vor. Sie werde vornehmlich zu Kataraktoperationen zur Narkose hinzugezogen. Die von einem MVZ an die Praxis der Klägerin ausgestellten Überweisungsscheine machten fast 75% ihrer Fallzahl aus. So seien zum Beispiel im Quartal III/2008 von insgesamt 187 Überweisungen 136 Überweisungen von verschiedenen Augenärzten des o.g. MVZ an die Klägerin ausgestellt worden, in denen nahezu ausschließlich die Narkose-/Anästhesieleistung nach Nr. 31822 bei Kataraktoperationen abgerechnet worden sei (ICD: H25.8 Sonstige senile Kataraktformen/OPS: 5-144.3a). Die in der Nr. 31822 EBM-Ä enthaltenen Narkose-/Anästhesieverfahren würden bei einer Kataraktoperation nur ausnahmsweise erforderlich werden. Diese Leistung könne nicht regelhaft bei Kataraktoperationen abgerechnet werden. Ein Chefarzt einer Universitätsaugenklinik beziffere die notwendige Häufigkeit der in dieser Leistung enthaltenen Narkoseverfahren (Kombinationsnarkose mit Maske, Larynxmaske und/oder endotracheale lntubation) bei Kataraktoperationen auf ca. 5%, obwohl die Multimorbidität hier erfahrungsgemäß höher als in der ambulanten Versorgung anzunehmen sei. Vergleichbare Aussagen seien von befragten niedergelassenen Augenärzten erfolgt. Der Hinweis der Klägerin auf den Anhang 2 zum EBM-Ä treffe nicht zu. Es könnten sowohl die Leistungen nach Nr. 31831 EBM-Ä als auch nach Nr. 31822 EBM-Ä abgerechnet werden. In der Regel würden heutzutage diese Operationen in oberflächlicher Betäubung nach Nr. 31801 EBM-Ä vom Augenarzt durchgeführt werden. Der zugezogene Anästhesist könne für Analgesie und/oder Sedierung während des Eingriffs die Nr. 31831 EBM-Ä (Prüfzeit 32 Minuten) ansetzen. Die Betäubung und die operative Vorgehensweise würden immer in Abhängigkeit von Vor- und Begleiterkrankungen des Auges, früheren Operationen am Auge durchgeführt werden. In fast allen Fällen könne eine solche minimal-invasive Kataraktoperation in ca. 10-15 Minuten in oberflächlicher Betäubung mit Augentropfen (Tropfanästhesie) durchgeführt werden, wobei durch mehrmaliges Auftropfen eines Betäubungsmittels auf die Augenoberfläche die Schmerzfreiheit am Operations-Auge erreicht werde. Dies entspreche zeitlich auch dem Sachvortrag der Klägerin. Es sei nicht angemessen, regelhaft die Nr. 31822 anzusetzen. Dies würde den erforderlichen zeitlichen Rahmen einer Kataraktoperation sprengen. Zudem seien heutzutage ausnehmend potente Sedativa vorhanden, die dann jedoch nicht als Vollnarkose nach Nr. 31822 EBM-Ä abzurechnen seien. Eine weitergehende Prüfung der von der Klägerin vorgelegten Narkoseprotokolle durch einen Prüfarzt habe ergeben, dass aus den eingereichten Dokumentationen die vollständige Erfüllung des Leistungsinhaltes der Nr. 31822 nicht entnommen werden könne. Bei sämtlichen der vorgelegten Narkoseprotokolle sei eine retrobulbäre Anästhesie als sog. Hauptbetäubung für den Eingriff dokumentiert. Darüber hinaus sei auch keine Masken- oder lntubationsnarkose dokumentiert worden. Zudem würden die verwendeten Anästhetikamengen belegen, dass hier nur eine Sedation im Rahmen eines Stand-By erfolgt sei. Als weiteres Indiz, dass die anästhesiologische Leistung die eines Stand-By nach Nr. 31381 EBM-Ä gewesen sei, belege zudem, dass keine Wechselzeiten zwischen den einzelnen Operationen gelegen hätten. Eine Leistung sei nur dann berechnungsfähig, wenn der Leistungsinhalt vollständig erbracht worden sei. Sie verweise auch auf das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 23. Juli 2003 L 10 KA 51/02 -. Aufgrund der Tagesprofile und der ergänzenden Feststellungen der Abrechnung nicht oder nicht vollständig erbrachter Leistungen, des mehrfachen im quartalsübergreifenden Ansatz der falschen Gebührennummer und somit der Nichtbeachtung der vertraglich vereinbarten Abrechnungsbestimmungen komme sie zum Ergebnis, dass ein Verstoß gegen die rechtliche Ordnungsmäßigkeit der Abrechnung vorliege und eine Honorarberichtigung vorzunehmen sei. Die Berichtigung errechne sich aus der Differenz der punktzahlmäßigen Bewertung der einzelnen Leistungen (Nr. 31822 zu Nr. 31831 EBM) entsprechend der für jedes Quartals geltenden Quotierungen in der jeweiligen Honorargruppe. Dazu seien zu Gunsten der Klägerin im Wege der Schätzung 10% der Leistung nach Nr. 31822 als plausibel bewertet worden. Sie verweise auf die beigefügten Berechnungsbögen. Ihr komme ein Schätzungsermessen zu.

Hiergegen legte die Klägerin am 3. April 2013 Widerspruch ein. Zur Begründung ihres Widerspruchs führte die Klägerin aus, die angesetzte Prüfzeit von 53 Minuten für die Nr. 31822 EBM-Ä sei unrealistisch und weit überzogen. In Bayern würden ambulante Kataraktoperationen von erfahrenen Augenärzten OP-Zeiten von 10 Minuten akzeptiert werden.

Ihre tatsächliche zeitliche Inanspruchnahme habe bei Phakoemulsifikationen bei ruhigem Ablauf ausweislich der vorgelegten Anästhesieprotokolle maximal 25 bis 30 Minuten je Eingriff betragen. Bei 16 Katarakt-Operationen reduziere sich die zeitliche Inanspruchnahme auf ca. 8 Stunden. Es sei damit an keinem einzigen Tag zu einer implausiblen Überschreitung der Tagesprofilzeiten gekommen. Sie könne sich auch auf Vertrauensschutz berufen. Bis zum EBM 2005 sei die Abrechnung nach dem Strukturvertrag erfolgt. Danach sei es zu großen Unsicherheiten in Bezug auf die Frage gekommen, welche Leistungsziffer für das hier relevante Verfahren bei Phakoemulsifikationen abgerechnet werden könne. Sie habe von der Beklagten die Auskunft erhalten, dass die Abrechnung mit der Nr. 31822 EBM-Ä erfolgen müsse. Diese mündliche Auskunft entspreche auch den späteren offiziellen Verlautbarungen der Beklagten. Sie verweise auf das Rundschreiben vom 20. Mai 2005. Die Nr. 31831 EBM-Ä sei im Rundschreiben nicht genannt. Im Übrigen hätte die damals zugelassene Abrechnungssoftware die Abrechnung der Nr. 31831 oder 31821 für Eingriffe der Leistungskategorie X2 nicht zugelassen. Sie habe sehr wohl Kombinationsnarkosen mit Maske im Sinne der Nr. 31822 EBM-Ä vorgenommen. Durch eine Kombination verschiedener Arzneimittel (Propofol, Dormicum und Ketanest) sei das Narkoseziel erreicht worden. Bereits bei dieser total intravenösen Anästhesie (TIVA) handele es sich terminologisch um eine Kombinationsnarkose. Zusätzlich werde aber diese intravenöse Anästhesie mit der Retrobulbäranästhesie als Lokalanästhesie kombiniert, sodass auch dann eine Kombinationsnarkose vorliege, wenn man unter einer Kombinationsnarkose die gleichzeitige Durchführung von Allgemein- und Regionalanästhesieverfahren verstehe. Aus dem Wortlaut Nr. 31822 EBM-Ä folge, dass einer der dort genannten Varianten der Atemwegssicherheit erbracht worden sein müsse, was immer der Fall gewesen sei und auch entsprechend dokumentiert worden sei. Eine "Maskennarkose" im Sinne der Gabe eines Narkosegases über die Maske müsse nach der Leistungslegende nicht durchgeführt werden. Das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen betreffe eine andere EBM-Systematik. Die Anästhetikamengen seien noch ausreichend gewesen, um eine Vollnarkose herbeizuführen. Der Patient müsse kurzzeitig nicht erweckbar sein. Das sei während der Setzung der Retro-/bzw. Parabulbäranästhesie der Fall gewesen. Gerade bei älteren Patienten reichten die verwendeten Anästhetikamengen mit je nach Alter zwischen 30 und 100 mg Propofol aus. Die intravenösen Anästhesien seien auf Wunsch der operierenden Augenärzte, der die Entscheidung über das Anästhesieverfahren treffe, durchgeführt worden, um eine motorische Antwort auf den Schmerzreiz bei der Retro-/Parabulbäranästhesie zu vermeiden, vegetativ-adrenerge Antworten bei der Retro-/Parabulbäranästhesie zu unterdrücken und um unvorhergesehene Reaktionen und Nichtführbarkeit bei Verständnisproblemen durch Demenz zu vermeiden. Die Anästhesistin prüfe lediglich, ob Kontraindikationen gegen den Wunsch des Augenarztes sprächen.

Es komme nicht mehr darauf an, ob die Vollnarkose auch während des gesamten Zeitraums der Katarakt-Operation fortwirke oder nicht. Sie erhebe vorsorglich die Einrede der Verjährung. Die Implausibilität könne nicht mit dem Argument, das Verfahren werde nur ausnahmsweise notwendig sein, begründet werden. Dies sei allenfalls in einem Wirtschaftlichkeitsprüfverfahren in Erwägung zu ziehen.

Die Beklagte führte für die Quartale I/2009 bis IV/2011 eine weitere Plausibilitätsprüfung durch und übersandte der Klägerin unter Datum vom 24. April 2013 die zeitbezogenen Rechnungsergebnisse für diese Quartale unter Erläuterung der Ermittlung der Zeitprofile.

Die Klägerin verwies in der Stellungnahme ihrer Prozessbevollmächtigten vom 31. Juli 2013 im wesentlich auf ihre Widerspruchsbegründung zu den Vorquartalen. Es fehle bereits an einem Aufgreifkriterium in allen Quartalen.

Die Beklagte hob mit Bescheid vom 22. August 2013 im Rahmen der zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung der Honorarabrechnung der Praxis der Klägerin für die Quartale I/2009 bis IV/2011 die Honorarbescheide für diese Quartale auf und setzte die unter Prüfungsvorbehalt gezahlte Vergütung neu fest. Hieraus errechnete sie eine von ihr festgesetzte Honorarrückforderung in Höhe von insgesamt 97.910,65 EUR netto. Im Einzelnen setzte sie folgende Honorarrückforderungen fest:
Quartal Kürzungsbetrag in EUR netto
I/2009 13.044,36
II/2009 11.695,36
1II/2009 6.088,92
IV/2009 8.151,47
I/2010 9.716,76
II/2010 10.448,69
1II/2010 7.987,04
IV/2010 9.717,97
I/2011 7.160,14
II/2011 8.479,05
III/2011 4.028,21
IV/2011 1.392,68
gesamt 97.910,65

Es folgt eine Tabelle, die aus technischen Gründen nicht dargestellt werden kann.

Die Erstellung der Tages- und Quartalsprofile für die Praxis der Klägerin habe zu folgendem Ergebnis geführt: -Quar- tal Tagesprofil davon Maximale Ar- beitszeit pro Tag im Quartal Quartalsprofil Überschreitung Anzahl der Tage Zeitsumme ) 12 Std. ) 16 Std. Std.: Min. Std.: Min. I/2009 7 1 19:13 384:43 0:00 II/2009 7 2 16:48 335:51 0:00 III/2009 5 2 18:17 218:23 0:00 IV/2009 3 0 15:22 304:48 0:00 I/2010 4 0 14:57 350:53 0:00 II/2010 5 0 15:45 321:47 0:00 III/2010 4 0 15:45 186:39 0:00 IV/2010 5 0 13:31 206:54 0:00 I/2011 2 0 12:36 191:58 0:00 II/2011 3 0 13:39 191:13 0:00 III/2011 2 0 15:45 153:23 0:00 IV/2011 0 0 10:13 111:41 0:00

Beispielhaft verweise sie auf das Tagesprofil für Dienstag, den 17. Februar 2009, Zeit gesamt: 19:13 Stunden: GOP Anzahl Zeit Zeit gesamt Tagesprofil Zeit gesamt Quartalsprofil 05340 Überwachung der Vitalfunktionen 1 15,00 0:15 00:15 31503 Postoperative Über- wachung 11 10,00 1:50 1:50 31822 Anästhesie/Narkose 11 53,00 9:43 9:43 31823 Anästhesie/Narkose 2 68,00 2:16 2:16 31824 Anästhesie/Narkose 1 83,00 1:23 1:23 31825 Anästhesie/Narkose 2 98,00 3:16 3:16 31828 Zuschlag 2 15,00 0:30 0:30

Im Vergleich zu ihrer Fachgruppe rechne die Klägerin wie folgt ab: Quartal Fallzahl Praxis Fallzahl Prüfgruppe Fallwert Praxis Fallwert Prüfgruppe I/2009 247 343 272,69 171,76 I/2010 237 319 263,80 180,36 III/2010 123 282 260,26 170,16 II/2011 145 312 219,99 170,75

Tabellen-Ende.

Die Überprüfung der Abrechnungen habe ergeben, dass neun von zwölf Quartalen an insgesamt 43 Behandlungstagen zeitliche Überschreitungen vorgelegen hätten, davon werde die Grenze von 16 Stunden an fünf Tagen überschritten. Im Übrigen machte sie im Wesentlichen die gleichen Ausführungen wie im Berichtigungsbescheid für die Vorquartale.

Hiergegen legte die Klägerin am 24. September 2013 Widerspruch mit weitgehend gleichlautender Begründung wie zu den Vorquartalen ein. Ergänzend führte die Klägerin aus, die Honorarrückforderung sei auch der Höhe nach rechtswidrig. Es sei lediglich die Nr. 31831 EBM-Ä angesetzt worden, nicht aber die im jeden Fall ebenfalls verwirklichte Nr. 31820 EBM. Der Regress sei daher in jedem Fall um 23.611,14 EUR zu hoch angesetzt worden.

Die Beklagte fasste beide Widerspruchsverfahren zusammen und wies mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 2014, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 13. März 2014 zugestellt, die Widersprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Ausschlussfrist von vier Jahren seit Erlass des Quartalshonorarbescheides sei noch nicht abgelaufen. Der Honorarbescheid für das Quartal III/2008 sei am 9. März 2009 und für das Quartal IV/2008 am 18. Mai 2009 verschickt worden. Folglich seien mit Erlass des Rückforderungsbescheides vom 7. März 2013 noch keine vier Jahre verstrichen gewesen. Gleiches gelte für die Folgequartale. Der Honorarbescheid für das Quartal I/2009 sei am 26. August 2009 verschickt worden, die Folgequartale entsprechend später. Die Frist sei mit dem Ausgangsbescheid vom 22. August 2013 eingehalten worden. Aus dem Indiz der Häufigkeit der abgerechneten Narkoseziffer zusammen mit der Ungewöhnlichkeit der Leistung bei Kataraktoperationen und den weiteren Indizien habe geschlossen werden können, dass die Leistung nach Nr. 31822 EBM-Ä tatsächlich nicht oder nicht vollständig erbracht worden sei. Die Überschreitung der Tagesprofile an den Tagen über zwölf Stunden zeige, dass die Klägerin diese Zeiten nicht habe erbringen können und ihre Abrechnungen nicht plausibel seien. Die Prüfzeit sei nicht zu beanstanden. Die regelmäßige Unterschreitung der Prüfzeit belege gerade die unvollständige Erbringung der Nr. 31822 EBM-Ä. Die angegebenen Anästhetika würden in nur (tief-)sedierender Dosierung unmittelbar vor der Retrobulbäranästhesie appliziert werden. Eine Maskennarkose oder endotracheale Intubation seien nicht dokumentiert worden. Insofern sei nur der Leistungsinhalt der Nr. 31831 EBM-Ä "Einleitung und Unterhaltung einer Analgesie und/oder Sedierung während eines operativen oder stationsersetzenden Eingriffs nach der Nr. 31531" vollständig erbracht worden. Für dieses Ergebnis sprächen auch die kaum feststellbaren Wechselzeiten. Ein Vertrauensschutz bestehe nicht. Insbesondere stelle sie nicht die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung der Nr. 31822 EBM-Ä im Rahmen der Kataraktoperationen als solche in Frage, sondern die von der Klägerin praktizierte Abrechnungsweise. Soweit die Gebührenordnung den Phakoemulsifikationen bestimmte Anästhäsieziffern zuordne, bedeute dies lediglich, dass bei einer tatsächlich im Einzelfall notwendigen Vollnarkose im Rahmen der Operation diese Leistung nach der Nr. 31822 EMB zu berechnen sei. Allgemein geltende Leistungsziffern für Sedierungen würden hierdurch nicht ausgeschlossen werden. Die Prüfzeit für die Nr. 31831 EBM-Ä von 32 Minuten entspreche dabei auch eher dem von der Klägerin erwähnten Zeitaufwand im Zusammenhang mit Kataraktoperationen. Die lange Prüfzeit von 53 Minuten sowie die hohe Punktebewertung für die Nr. 31822 EBM-Ä stelle klar, dass unter diese Leistung nicht die von der Klägerin beschriebene kurzzeitige Narkose mit reiner Maskenbeatmung zum alleinigen Durchführen der Retrobulbäranästhesie falle. Der EBM-Ä 2008 bestimme insoweit ausdrücklich, dass retrobulbäre Anästhesien neben der Nr. 31831 EBM-Ä berechnet werden könnten. Den Narkoseprotokollen und dem Vortrag der Klägerin könne darüber hinaus entnommen werden, dass bei den Patienten die Spontanatmung (autonome Atmung) erhalten geblieben und die Eigenatmung über eine Gesichtsmaske unterstützt worden sei. Den Einsatz einer Larynxmaske oder einer endotrachealen Intubation, der nach dem Wortlaut der Nr. 31822 EBM-Ä zusätzlich zur Kombinationsnarkose mit Maske erfolgen müsse, dokumentierten die Protokolle gerade nicht. Es komme daher im Ergebnis nicht darauf an, ob die Dosierung der Anästhetika bei älteren Patienten niedriger ausfallen könnte. Die Nr. 31831 EBM-Ä werde von der Klägerin in keinem der Quartale in Rechnung gestellt. Es sei auch bei überwiegend älteren und multimorbiden Patienten nicht nachzuvollziehen, dass in keiner einzigen der von der Klägerin betreuten Kataraktoperationen eine Tropfanästhesie bzw. Sedierung nach Nr. 31831 EBM-Ä ausreichend gewesen sein solle. Es sei daher festzustellen, dass die Leistungsinhalte der abgerechneten Leistungen nicht immer vollständig erbracht worden sein könnten. Die Klägerin habe zumindest grob fahrlässig fehlerhaft abgerechnet. Ein Anspruch auf Anerkennung und zusätzliche Vergütung der von der Klägerin nicht abgerechneten Leistungen nach Nr. 31820 EBM-Ä (Leitungsanästhesie eines Nerven oder Ganglions an der Schädelbasis) bestehe nicht. Sie habe ein Schätzungsermessen. Der Honoraranspruch erstrecke sich nicht darauf, dass die Klägerin bei korrekter Abrechnung vergleichsweise erhalten hätte.

Hiergegen hat die Klägerin am Montag, den 14. April 2014 Klage erhoben.

Sie hat ergänzend vorgetragen, die Beklagte habe speziell die Notwendigkeit der strittigen Leistung überprüft. Die zitierte Aussage eines Chefarztes einer Universitätsaugenklinik sei nicht überprüfbar. Im Übrigen bestreite sie diese Aussage ausdrücklich. In einem Parallelverfahren unter dem Aktenzeichen S 12 KA 17/14 habe Herr Prof. Dr. C., stellvertretender Direktor der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin der Philipps-Universität Marburg, im Rahmen eines schriftlichen Gutachtens die Korrektheit dieser Behauptung widerlegt. Sie biete ein lediglich eingeschränktes Leistungsspektrum an, woraus sich der häufige Ansatz der Nr. 31822 EBM-Ä bereits erkläre. Das bereits von ihr dargelegte Anästhesieverfahren erfülle die Leistungslegende. Die von ihr verwendeten Anästhetikamengen sprächen zwingend für eine Allgemeinanästhesie. Die konkrete Art der Anästhesieführung erlaube sehr kurze Wechselzeiten. Eine Allgemeinanästhesie liege auch vor, wenn die Spontanatmung erhalten bleibe. Die Auslegung der Nr. 31822 EBM, wie die Beklagte vorgenommen habe, sei nicht vertretbar. Sie erbringe die Kombinationsnarkose allein durch die Gabe intravenöser Anästhetika (Gabe von Midazolam, Ketamin-S und Propofol). Herr Prof. Dr. D. habe bereits darauf hingewiesen, dass die Gabe intravenöser und inhalativer Anästhetika aus anästhesiologischer Sicht nicht zwingend erforderlich sei. Anders als die Vorgängerbestimmungen würden in der Präambel nur Anästhesien im Zusammenhang mit der Erbringung von Leistungen genannt, die Nr. 31822 EBM-Ä verlange nur eine Anästhesie "im Rahmen der Durchführung" von Leistungen, sie müssten nicht mehr bei, d. h. während der Operation erbracht werden. Die Verwendung der Maske ergebe sich aus der Dokumentation. Unter LM werde die Larynx-Maske vermerkt. Sie ergebe sich aus dem Protokoll durch den Nachweis der kontinuierlichen Sauerstoffgabe, die eben mit einer Maske unter Dokumentation von Dauer und Sättigung erfolge. Selbst wenn eine Falschabrechnung vorläge, läge keine grobe Fahrlässigkeit vor. Eine Auslegung, die die Abrechnung der Nr. 31822 EBM-Ä zulasse, sei ohne weiteres möglich. Die Vergütung für die Nr. 31822 EBM-Ä erfolge extrabudgetär. Es seien also keine verteilungswirksamen Honorarbestandteile betroffen. Andere Vertragsärzte seien durch ihre Abrechnung nicht geschädigt worden. Für ein Schätzungsermessen sei kein Raum. Allenfalls käme eine sachlich-rechnerische Richtigstellung in Betracht. Darüber hinaus sei auch die Honorarrückforderung unverhältnismäßig.

Die Beklagte hat auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid sowie in den Ausgangsbescheiden verwiesen. Ergänzend hat sie vorgetragen, die Menge der Leistungen nach Nr. 31822 EBM-Ä sei eine Auffälligkeit beziehungsweise ein Indiz für nicht vollständig erbrachte Leistungen, aufgrund dessen sie die anlassbezogene Plausibilitätsprüfung durchgeführt habe. Die Wirtschaftlichkeit habe sie nicht geprüft. Sie gehe von der Unvollständigkeit der Leistungserbringung aus. Auf die Frage, ob eine Kombinationsnarkose oder eine Anästhesie in Abgrenzungen zur Sedierung vorgelegen habe, komme es nicht an. Entscheidend sei, ob die Klägerin mit dem von ihr angewandten Anästhesieverfahren die Nr. 31822 EBM-Ä tatsächlich erfüllt habe oder nur die geringer vergütete Nr. 31831 EBM. Würde man hypothetisch davon ausgehen, dass die Klägerin tatsächlich in jeden von ihr abgerechneten Fall bei einer Kataraktoperation vor dem Setzen der Retrobulbäranästhesie eine Vollnarkose durchgeführt habe, sei dies medizinisch fraglich, da hier eine Verletzung des Bulbus bei einem vollständig anästhesierten Patienten häufig nicht bemerkt werde. Des Weiteren sei es an sich fragwürdig, zunächst eine Allgemeinanästhesie (bei Abrechnung der Nr. 31822 EBM-Ä somit eine Vollnarkose) durchzuführen, damit dann eine Lokalanästhesie angelegt werden könne. Wenn ein Patient bereits in Vollnarkose versetzt sei, sei es nicht mehr notwendig, noch eine Lokalanästhesie durchzuführen. Sie sei daher zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin lediglich eine Sedierung oder eine geringe Analogsedierung vorgenommen habe. Dies erfülle jedoch nicht die Leistungslegende der Nr. 31822 EBM. Nach der Beschreibung der Kataraktoperation in Nr. 31351 EBM-Ä sei die Sedierung/Analgesie nach der Nr. 31831 EBM-Ä als typische "Anästhesie" bei einer Kataraktoperation vorgesehen. Auch dies spreche für ihre Rechtsauffassung. Es liege grobe Fahrlässigkeit vor. Wenn die Klägerin die Leistungslegende der Nr. 31351 EBM-Ä beachtet hätte, hätte sie sich zumindest dabei Gedanken machen müssen, ob sie mit ihrer Anästhesie tatsächlich immer die Leistungslegende der Nr. 31822 EBM-Ä erbringe. Sie habe die von der Klägerin seinerzeit vorgelegten 17 Narkoseprotokolle Herrn Dr. D., Facharzt für Anästhesie und Chefarzt einer Abteilung für Perioperative Medizin, der auch Fachreferent und Prüfer bei der Bezirksärztekammer Pfalz sei, vorgelegt. Für ihn sei eine Allgemeinanästhesie nicht nachvollziehbar. Über die Dosierung habe er wegen fehlender Angaben zum Körpergewicht keine Aussage machen können. Auch werde nicht angegeben, wie den Patienten Sauerstoff zugeführt worden sei. Bei einer Sauerstoffmaske handele es sich jedenfalls nicht um eine Atemwegssicherungsmaske i.S.d. Nr. 31822 EBM. Letztlich liege eben nur eine Sedierung vor. Dies zeige auch die Beschreibung des Behandlungsfalls G.

Das Sozialgericht hat die Beklagte durch Urteil vom 2. Dezember 2015 unter Abänderung der Bescheide der Beklagten vom 7. März 2013 und vom 22. August 2013, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. März 2014, verurteilt, in all denjenigen Fällen, in denen sie die Nummer 31822 EBM-Ä sachlich-rechnerisch berichtigt und in die Nummer 31831 EBM-Ä umgewandelt hat, darüber hinaus die Nummer 31820 EBM-Ä jeweils einmal im Behandlungsfall zu zusetzen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen

Die zulässige Klage sei nur zum Teil begründet. Die Kassenärztliche Vereinigung stelle die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V). Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung erstrecke sich auf die Frage, ob die abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß – somit ohne Verstoß gegen gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes – erbracht worden sind. Solche Verstöße könnten z. B. darin liegen, dass die Leistungen überhaupt nicht, nicht in vollem Umfang, ohne die zur Leistungserbringung erforderliche spezielle Genehmigung oder unter Überschreitung des Fachgebietes erbracht worden seien. Zur Feststellung, ob abgerechnete Leistungen vollständig erbracht worden sind, sei es zulässig, Tagesprofile zu verwenden.

Die Beklagte habe die Tagesprofile nicht falsch berechnet. Sie habe die Tagesprofile auf der Grundlage der Zeitangaben im EBM-Ä erstellt. Dies sei zwischen den Beteiligten nicht streitig. Letztlich komme es auf die Tagesprofile nicht an, da diese für die Beklagte lediglich ein Aufgreifkriterium für die Überprüfung der Abrechnung bildeten und die Beteiligten nicht über den - zeitlichen - Umfang der abrechenbaren Leistungen, sondern darüber stritten, ob für die von der Klägerin erbrachten Anästhesieleistungen bei den Katarakt-Operationen die nach dem EBM-Ä 2008 mit 3.080 Punkten bzw. nach dem EBM-Ä 2009 mit 3.555 Punkten bewertete Leistung nach Nr. 31822 EBM-Ä oder die mit 1.120 bzw. 1.295 Punkten bewertete Leistung nach Nr. 31831 EBM-Ä im Regelfall abzurechnen sei. Dabei gehe die Leistung nach Nr. 31822 EBM, die die Klägerin abrechne, mit einer Prüfzeit von 53 Minuten, die Leistung nach Nr. 31831 EBM-Ä mit einer Prüfzeit von lediglich 32 Minuten in das Zeitprofil ein. Die Überschreitung des Zeitprofils beruhe damit letztlich auf einer Verkennung der Leistungslegende seitens der Klägerin, wovon auch die Beklagte zu Recht ausgehe. Dabei sei die Dauer der Operation, die die Klägerin mit wesentlich kürzeren Zeiten als 53 Minuten angebe, unerheblich, da die Leistungslegende selbst eine Mindestzeit nicht voraussetze und die Prüfzeit selbst nicht Bestandteil der Leistungslegende sei. Liegt aber eine grundsätzliche Verkennung der Leistungslegende vor, bedürfe es keiner Einzelfallprüfung, soweit der tatsächliche Vorgang der Leistungserbringung unstreitig sei und es ausschließlich um dessen (gebühren)rechtliche Bewertung gehe. Von einzelnen fehlerhaften Abrechnungen könne zwar nicht der Schluss auf die Fehlerhaftigkeit der übrigen Leistungen geschlossen werden. Werde aber die Erfüllung einer Leistungslegende bei einem im Wesentlichen gleichbleibenden Vorgehen behauptet, dann könnten diese Leistungen abgesetzt oder umgewandelt werden, wenn dieses Vorgehen die Leistungslegende nicht vollständig erfülle. Mache der Vertragsarzt ein grundsätzliches Verständnis von der Abrechnungsfähigkeit der betroffenen Leistungen deutlich und seien alle Fälle gleichgelagert, könne davon ausgegangen werden, dass die aufgedeckten Abrechnungsfehler in sämtlichen streitbefangenen Quartalen vorhanden seien und könne deshalb das aus der Prüfung von exemplarischen Fällen gewonnene Ergebnis auf die übrigen Fälle, auch in weiteren Quartalen, hochgerechnet werden.

Grundsätzlich sei von einer vollständigen Leistungserbringung und richtigen Abrechnung des Vertragsarztes auszugehen. Bestünden jedoch hieran Zweifel, dann sei es Sache des Vertragsarztes, die volle Leistungserbringung nachzuweisen oder darzulegen, in welchen Fällen die Annahme einer nicht vollständigen Leistungserbringung oder richtigen Abrechnung wegen eines abweichenden Geschehens unzutreffend sei. Der Vertragsarzt müsse dann wie allgemein im allgemeinen Geschäftsverkehr seine Leistung bzw. die Erfüllung der Leistungslegende nachweisen.

Hier könne davon ausgegangen werden, dass die Klägerin in allen Behandlungsfällen, wie von ihr angegeben, Narkosemittel verabreicht, eine Retrobulbäranästhesie vorgenommen und die Operation durch Gabe von Sauerstoff durch eine einfache, starre Maske, die mit einem Gummizug am Kopf des Patienten befestigt werde, begleitet habe. Die Beklagte habe ihr zugestanden, dass sie in 10 % der Behandlungsfälle die Leistung zutreffend abgerechnet habe, da nach allgemeinem Erfahrungswissen im Umfang von etwa 5 % nach der geforderten Leistungslegende vorzugehen sei. Die Klägerin habe entsprechende Unterlagen für keinen Behandlungsfall in den streitbefangenen Quartalen vorgelegt.

Die Annahme der Beklagten, das Vorgehen der Klägerin habe nicht die Leistungslegende nach Nr. 31822 EBM-Ä erfüllt, sondern nur nach Nr. 31831 EBM, die in allen streitbefangenen Quartalen unverändert gegolten habe, sei von der Kammer nicht zu beanstanden gewesen.

Für die Abrechnung nach Nr. 31822 EBM-Ä komme es entscheidend auf die vollständige Erfüllung der Leistungslegende an. Die Verfahren Plexusanästhesie, Spinalanästhesie, Periduralanästhesie und intravenöse regionale Anästhesie einer Extremität schieden von vornherein aus. Auch sei keine Larynxmaske (Kehlkopfmaske) verwandt oder eine Intubation vorgenommen worden. Eine Kombinationsnarkose mit Maske i.S.d. Nr. 31822 EBM-Ä liege ebenfalls nicht vor.

Die Verwendung einer "Maske" habe die Klägerin nicht dokumentiert. Aus den von der Klägerin vorgelegten exemplarischen Dokumentationen bzw. OP-Protokollen werde die Verwendung einer "Maske" nicht angegeben. Eine entsprechende Dokumentation werde aber ausdrücklich in der Präambel Nr. 5.1.5 und 6 EBM-Ä verlangt. Die Klägerin habe diesbezüglich angegeben, die Verwendung einer "Maske" ergebe sich aus dem Protokoll durch den Nachweis der kontinuierlichen Sauerstoffgabe, die eben mit einer Maske unter Dokumentation von Dauer und Sättigung erfolge. Die Klägerin habe eine einfache Plastikmaske zur Gabe von Sauerstoff verwendet, die über die Nase gestülpt und mit einem Gummizug am Kopf befestigt werde. Es habe sich nicht um eine Atemmaske mit weichem Gummi gehandelt, die der Gesichtsform angepasst und die mit dem Gesicht luftdicht abgeschlossen werden kann. Erst bei dieser Vorgehensweise könne die Atemluft über Messung der Sauerstoffkonzentration genau kontrolliert werden, was dann auch entsprechend zu dokumentieren sei. Die routinemäßige Gabe von Sauerstoff über eine "Maske" reiche jedenfalls in Zusammenhang mit den Operationen nach Nr. 31351 EBM-Ä nicht aus. Dies werde ferner deutlich durch die Systematik des EBM, der ausdrücklich als Regelleistung die Nr. 31831 EBM-Ä vorsehe. Nr. 31831 EBM-Ä sei als besondere, ausschließlich auf Augenoperationen bezogene Leistung geschaffen worden, da im Regelfall eben gerade nicht eine der in Nr. 31822 EBM-Ä beschriebenen besonderen Vorgehensweisen zur Sicherung der Atmung erforderlich seien. Zutreffend weise die Beklagte ferner auf Nr. 31351 EBM-Ä hin, wonach im Zusammenhang mit der Erbringung dieser Leistung die Retrobulbäranästhesie nach der Nr. 31801 EBM-Ä bei der Erbringung durch den Operateur bzw. 31820 EBM-Ä bei Erbringung durch den Anästhesisten gemeinsam mit der Sedierung/Analgesie nach der Nr. 31831 EBM-Ä berechnet würden. Ginge man vom Verständnis der Klägerin bei der Auslegung des EBM-Ä aus, so würde sich eine offensichtlich widersprüchliche Systematik des EBM-Ä bezüglich der Anästhesien bei Katarakt-Operationen ergeben. Von daher habe sich die Kammer nicht auf die "einfachste" Wortlautauslegung beschränken können, sondern seien die medizinische Vorgehensweise und die Systematik des EBM-Ä heranzuziehen gewesen. Soweit seitens der Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigten auf die Entstehungsgeschichte hingewiesen worden sei, wonach die Kataraktoperationen ausdrücklich in Abkehr zur Vorläuferbestimmung und LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 23. Juli 2003 - L 10 KA 51/02 - juris in Nr. 31822 EBM-Ä hätten einbezogen werden sollen, fehle es an einem Nachweis und sei dies für die Kammer nicht nachvollziehbar gewesen. Insofern sei nicht ersichtlich, was sich an der medizinischen Vorgehensweise wesentlich geändert haben solle. Nach wie vor werde die Narkose oder Sedierung wesentlich dazu gebraucht, um die Anästhesie des Auges mittels einer Spritze durch das Auge zu ermöglichen, was vom Patienten bei Bewusstsein nicht toleriert werde. Das LSG Nordrhein-Westfalen habe bereits für die Vorgängerbestimmung darauf hingewiesen, dass die Kombinationsnarkose allein zur Vorbereitung der für die Operation notwendigen Retrobulbäranästhesie erfolgt sei, nicht aber zur Durchführung der Operation selbst. Insofern verlange auch die hier maßgebliche Leistungslegende, dass die Kombinationsnarkose mit Maske zur Durchführung der Operation benötigt werde. Insofern müsse nach der Legende auch die medizinische Indikation für die Leistung vorliegen. Die von der Klägerin vorgenommene Abrechnungsweise würde im Ergebnis auch zu einer etwa doppelt so hohen Vergütung führen, was nicht annähernd den Prüfzeiten und insbesondere den Kalkulationszeiten und damit zu den Arbeitszeiten für andere medizinische Leistungen entspräche.

Auf die Frage der Dosierung oder Anästhesie im wissenschaftlichen Sinn komme es nicht an, weil die Abrechnung bereits aus anderen Gründen fehlerhaft gewesen sei. Von daher sei auch der zweite Hilfsbeweisantrag abzuweisen gewesen.

Auf einen Vertrauensschutz könne sich die Klägerin nicht berufen. Die Beklagte habe keinen Vertrauenstatbestand dahingehend gesetzt, dass sie die Abrechnungsweise der Klägerin für zutreffend halte oder dass sie von einer Berichtigung absehen werde. Soweit sich die Klägerin auf eine mündliche Auskunft seitens der Beklagten berufe, fehle es an konkreten Angaben.

Verjährung bzw. Ausschluss einer Berichtigung wegen Zeitablaufs sei nicht eingetreten. Die Beklagte könne eine Berichtigung innerhalb von vier Jahren nach Zugang des Honorarbescheids vornehmen. Der Honorarbescheid für das Quartal III/2008 sei erst am 9. März 2009 und für das Quartal IV/2008 am 18. Mai 2009 verschickt worden, so dass der Rückforderungsbescheid vom 7. März 2013 noch vor Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist ergangen sei.

Hinsichtlich eines Verschuldens weise die Beklagte zutreffend darauf hin, dass jedenfalls grobe Fahrlässigkeit bei Verkennung der Leistungslegende vorgelegen habe, indem die Klägerin regelhaft die Nr. 31822 EBM-Ä abgerechnet habe, obwohl diese Leistung nur ausnahmsweise bei Katarakt-Operationen anfalle. Im Übrigen komme es bei einer sachlich-rechnerischen Berichtigung auf ein Verschulden nicht an.

Nicht zu beanstanden gewesen sei auch die Berechnung des Berichtigungsbetrages. Im Rahmen ihres Schätzungsermessens habe die Beklagte die Leistungen nach Nr. 31822 EBM-Ä abgesetzt und durch Leistungen nach Nr. 31831 EBM-Ä ersetzt, wobei sie zu Gunsten der Klägerin 10 % der Leistungen nach Nr. 31822 EBM-Ä anerkannt habe. Es wäre Sache der Klägerin gewesen, im Einzelfall nachzuweisen, in welchen Behandlungsfällen sie die Leistung nach Nr. 31822 EBM-Ä vollständig erbracht habe, was sie aber in keinem Fall getan habe.

Der Klage sei aber im Hilfsantrag stattzugeben gewesen. Die Beklagte sei verpflichtet, in all denjenigen Fällen, in denen sie die Nr. 31822 EBM-Ä sachlich-rechnerisch berichtigt und in die Nr. 31831 EBM-Ä umgewandelt habe, darüber hinaus die Nr. 31820 EBM-Ä jeweils einmal im Behandlungsfall zuzusetzen. Im Ergebnis sei in Höhe der Zusetzungen der Berichtigungsbetrag zu vermindern.

Gegen das ihr am 10. Dezember 2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am Montag, den 11. Januar 2016 Berufung eingelegt.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihren Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren sowie der ersten Instanz und trägt vor, sie habe die Durchführung der Kombinationsnarkose in zweierlei Hinsicht erfüllt. Zum einen handele es sich um eine Kombination von Allgemeinnarkose und Lokalanästhesie, nämlich der ebenfalls erbrachten Retrobulbäranästhesie. Darüber hinaus werde das Merkmal der Kombination auch durch die totale intravenöse Anästhesie (TIVA) unter Gabe mehrerer Anästhetika erfüllt. Im Fall der Patientin G. sei sie durch Gabe von 1 mg Midazolam, 15 mg Ketamin-S und 40 mg Propofol durchgeführt worden. Das Gewicht der Patientin G. sei bekannt gewesen; auch eine Gabe von 15 mg Ketamin-S stehe der Annahme einer Kombinationsnarkose nicht entgegen. Drei geringer dosierte Anästhetika führten durch ihre additive Wirkung zu einem Narkosezustand, ohne dass ihre individuellen Nebenwirkungen ausgeprägt zum Tragen kämen. Die Ausführungen der Beklagten zum Medikamentendosierung wären nur dann zutreffend, wenn jeweils nur ein Medikament als Monoanästhetikum verwandt worden wäre.

Sämtliche Voraussetzungen von III.b Präambel 5.1.5 und III. b Präambel 5.1.6 EBM-Ä seien in der Dokumentation der Klägerin gegeben.

Sowohl die Beklagte als auch Sozialgericht interpretierten den Begriff der Maske entgegen der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und deren Gebot einer streng wortlautbezogen Auslegung. In der Leistungslegende stehe nichts von einer Atemwegssicherungsmaske. Genauso wenig formuliere die Leistungslegende, dass eine Atemmaske verwandt werden müsse. Aus der Formulierung "Larynx-Maske und/oder endotracheale Intubation" könne nicht gefolgert werden, dass die drei möglichen Handlungsvarianten Maske, Larynx-Maske und Intubation nebeneinander erfolgen müssten oder könnten. Die Formulierung resultiere lediglich daraus, dass es eine so genannte Intubations-Larynx-Maske gebe. Es sei unstreitig, dass die Klägerin durchgängig während der Narkose den Patienten über eine Maske Sauerstoff zugeführt habe. Es stelle sich die Frage, was eine Atemwegssicherungsmaske sein soll. Eine Atemwegssicherung könne nur im Wege der endotrachealen Intubation erfolgen; der Endotracheal-Tubus sei aber keine Maske. Alle anderen Masken dienten nicht der Atemwegssicherung. Auch sei es nicht zwingende Voraussetzung bei der Maskenverwendung, dass es sich um eine Atemmaske mit weichem Gummi handeln müsse. Auch die Larynx-Maske sichere nicht die Atemwege.

Unter dem Maskenbegriff sei entgegen der Auffassung der Beklagten auch kein geschlossenes System zu verstehen. Dies lasse sich anschaulich an den im Zusammenhang mit Kataraktoperationen zur Anwendung kommenden GOPen 31840 und 31841 EBM-Ä entnehmen. Auch dort werde keine CO2-Messung, mithin nicht die Verwendung eines geschlossenen Systems verlangt. Der vermeintlich systematischen Betrachtungsweise des EBM-Ä durch das Sozialgericht sei nicht zu folgen. Spätestens mit ihrem Rundschreiben aus März 2016 habe die Beklagte unstreitig gestellt, dass neben dem Anästhesieverfahren der Analgesie und/oder Sedierung nach GOP 31831 EBM-Ä auch als Anästhesieverfahren die GOP 31822 EBM-Ä infrage komme. Insoweit helfe der Hinweis des Gerichts nicht weiter, dass für den Fall einer Analgesie und/oder Sedierung die GOP 31831 EBM-Ä neben den Leistungen der Retrobulbäranästhesie abrechenbar seien. Das Vorgehen, das dem Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. Juli 2003 zugrunde liege, sei nicht mit dem hiesigen Vorgehen vergleichbar. Die Wertung, die Vorgängerabrechnungsbestimmungen in der GOP 462 EBM a.F. seien mit der GOP 31822 EBM 2008 vergleichbar, sei grundlegend fehlerhaft.

Mit Schriftsatz vom 13. Februar 2019 hat die Klägerin zu den Schreiben der KBV vom 9. November 2017 sowie des GKV-Spitzenverbandes vom 9. November 2017 Stellung genommen.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 2. Dezember 2015 aufzuheben, soweit die Klage abgewiesen wurde sowie die Bescheide der Beklagten vom 7. März 2013 und vom 22. August 2013, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2014, vollständig aufzuheben,

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, bereits nach dem Wortlaut werde in der GOP 31822 nach der Art der Maske differenziert. Es komme nur ein geschlossenes System in Betracht. Würde die Verwendung jeglicher Sauerstoffmasken zur Erfüllung der Leistungslegende genügen, wäre die gesonderte Aufzählung der Maskenarten nicht erforderlich gewesen. Bei der Larynxmaske und dem endotrachealen Tubus handele sich um Atemwegssicherungsmasken. Diese ermöglichten ein gezieltes Zuführen von Sauerstoff und eine exakte Messung der Atemluft, sowohl eine Messung des O2-Gehaltes und des CO2-Gehaltes in der Atem- bzw. Ausatemluft. Gemeint sei also gerade nicht nur eine einfache Plastikmaske, die mit einem Gummizug um den Kopf des Patienten befestigt werde. Die Klägerin habe die Verwendung einer Maske nicht dokumentiert, eine entsprechende Dokumentation werde aber ausdrücklich in der Präambel Nummer 5.1.5 und 6 verlangt. Die Verwendung einer Maske ergebe sich auch nicht aus dem Nachweis der routinemäßigen kontinuierlichen Sauerstoffgabe. Aufgrund der Medikamentendosierung im Fall der Patientin G. könne nicht von einer Vollnarkose ausgegangen werden.

Die Beklagte bezieht sich auf ein von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebenes Gutachten des Dr. E. vom 22. Juni 2017. Die Klägerin habe hiernach bei 20 Prüffällen nur einmal eine Leistung nach 31822 EBM-Ä erbracht. Bei 20 der 22 Fälle habe es sich um typische Analgo-Sedierungen gehandelt. Bei all diesen Fällen habe auch keine Atemwegsinstrumentierung stattgefunden. Auffallend sei, dass in keinem der Prüffälle eine CO2-Messung festgestellt worden sei.

Die Beklagte bezieht sich auf eine im Parallelverfahren L 4 KA 58/16 erfolgte Stellungnahme der KBV vom 9. November 2017 sowie des GKV-Spitzenverbandes vom 9. November 2017.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 20. Februar 2019 waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Rechtsgrundlage für die Honorarberichtigung ist § 75 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), § 106a Abs. 1 und 2 SGB V i. V. m. § 45 Abs. 2 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 Ersatzkassenvertrag-Ärzte (EKV-Ä), wonach die Kassenärztliche Vereinigung die Honorarforderung des Vertragsarztes bei Fehlern hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit berichtigt. Gemäß § 106a Abs. 2 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG) vom 26. März 2007 (BGBl I, 378) mit Wirkung vom 1. Juli 2008 stellt die Kassenärztliche Vereinigung die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Gegenstand der arztbezogenen Plausibilitätsprüfung ist insbesondere der Umfang der je Tag abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand des Vertragsarztes. Bei der Prüfung nach Satz 2 ist ein Zeitrahmen für das pro Tag höchstens abrechenbare Leistungsvolumen zugrunde zu legen; zusätzlich können Zeitrahmen für die in längeren Zeitperioden höchstens abrechenbaren Leistungsvolumina zugrunde gelegt werden. Soweit Angaben zum Zeitaufwand nach § 87 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz SGB V bestimmt sind, sind diese bei den Prüfungen nach Satz 2 zugrunde zu legen.

Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung erstreckt sich nach den nach § 106a Abs. 6 Satz 1 SGB V vereinbarten Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Inhalt und zur Durchführung der Abrechnungsprüfungen der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenkassen vom 1. Juli 2008 (AbrechnPr-RL; DÄ, 2008, S. A-1925 ff) auf die Frage, ob die abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß - somit ohne Verstoß gegen gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes - erbracht worden sind. Solche Verstöße können z. B. darin liegen, dass die Leistungen überhaupt nicht, nicht in vollem Umfang, ohne die zur Leistungserbringung erforderliche spezielle Genehmigung oder unter Überschreitung des Fachgebietes erbracht worden sind (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 1998 - B 6 KA 48/97 R -). Die Überprüfung des Umfangs der abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den Zeitaufwand des Vertragsarztes erfolgt nach § 8 Abs. 2 AbrechnPr-RL gleichrangig durch die Ermittlung eines Tages- und eines Quartalszeitprofils. Eine weitere Überprüfung nach § 12 AbrechnPr-RL erfolgt gemäß § 8 Abs. 3 AbrechnPr-RL, wenn die ermittelte arbeitstägliche Zeit bei Tageszeitprofilen an mindestens drei Tagen im Quartal mehr als 12 Stunden oder im Quartalszeitprofil mehr als 780 Stunden beträgt. Die Zulässigkeit von Tagesprofilen war bereits in der zum früheren Recht ergangenen Rechtsprechung anerkannt (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 1993 - 6 RKa 70/91 BSGE 73, 234, 238 f. = SozR 3-2500 § 95 Nr. 4 S. 9, 13 f. - auch mit weiteren Nachweisen aus der Literatur; BSGE 86, 30, 39 = SozR 3-2500 § 83 Nr. 1, S. 1, 11; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. Januar 2001, L 5 KA 2/99 = ArztuR 2001, 166; LSG Nordrhein-Westfalen, MedR 2004, 464, 465; vgl. auch Bayer. LSG, Urteil vom 11. Oktober 2000, L 12 KA 30/99). Tagesprofile müssen danach folgende Anforderungen erfüllen: Es dürfen nur solche Leistungen in die Untersuchung einbezogen werden, die ein Tätigwerden des Arztes selbst voraussetzen; delegationsfähige Leistungen haben daher außer Betracht zu bleiben. Die für die einzelnen ärztlichen Leistungen zugrunde zu legenden Durchschnittszeiten müssen so bemessen sein, dass auch ein erfahrener, geübter und zügig arbeitender Arzt die Leistungen im Durchschnitt in kürzerer Zeit schlechterdings nicht ordnungsgemäß und vollständig erbringen kann. Der Qualifizierung als Durchschnittszeit entspricht es, dass es sich hierbei nicht um die Festlegung absoluter Mindestzeiten handelt, sondern um eine Zeitvorgabe, die im Einzelfall durchaus unterschritten werden kann. Die Durchschnittszeiten stellen sich aber bei einer ordnungsgemäßen und vollständigen Leistungserbringung als der statistische Mittelwert dar. Zu beachten ist weiter, dass bestimmte Leistungen nebeneinander berechnungsfähig sind, der zu berücksichtigende Zeitaufwand also nicht für jede Leistung angesetzt werden darf. Schließlich müssen Tagesprofile für einen durchgehenden längeren Zeitraum erstellt werden (zum Ganzen: Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB, Stand: 12/15, § 106a SGB V, Rn. 62f). Für Quartalsprofile, die Behandlungszeiten für Leistungen dokumentieren, die der Arzt in einem Quartal und damit in einem deutlich längeren Zeitraum abgerechnet hat, gilt nichts anderes (BSG, Beschluss vom 17. August 2011 – B 6 KA 27/11 B –, Rn. 6, juris).

Die Ermittlung von Tages- und Quartalsprofilen für die Prüfung der Plausibilität der Abrechnung der Klägerin ist hier dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen für eine weitere Überprüfung der Abrechnung in den streitgegenständlichen Quartalen nach § 12 AbrechnPr-RL war gegeben, nachdem die Klägerin die Grenze von 12 Stunden am Tag an insgesamt 12 Tagen in den Quartalen II/2008 und IV/2008 überschritten habe, in den Quartalen I/2009 bis III/2011 an 47 Tagen um mehr als 12 Stunden und an 5 Tagen um mehr als 16 Stunden. Die weitere Prüfung des Leistungsgeschehens hat die Implausibilität der Abrechnung bestätigt, denn ein über die GOP 31822 abrechenbares Leistungsgeschehen ist nicht dokumentiert. Die Auslegung der GOP 31822 durch das Sozialgericht ist nicht zu beanstanden. Der Senat folgt ihr mit den nachfolgenden Präzisierungen:

GOP 31822 EBM-Ä hatte im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum folgende Leistungslegende: "Anästhesie und/oder Narkose, im Rahmen der Durchführung von Leistungen entsprechend einer der Gebührenordnungspositionen 31102, 31112, 31122, 31132, 31142, 31152, 31162, 31172, 31182, 31192, 31202, 31212, 31222, 31232, 31242, 31252, 31262, 31272, 31282, 31292, 31302, 31312, 31322, 31332, 31342 oder 31351 einschließlich der prä- und postanästhesiologischen Rüstzeiten, mittels eines oder mehrerer der nachfolgend genannten Verfahren:

- Plexusanästhesie
und/oder
- Spinal- und/oder Periduralanästhesie
und/oder
- Intravenöse regionale Anästhesie einer Extremität
und/oder
- Kombinationsnarkose mit Maske, Larynxmaske und/oder endotracheale Intubation
Obligater Leistungsinhalt
- Anästhesien oder Narkose
Fakultativer Leistungsinhalt
- Anästhesien nach der Nr. 05320,
- Kontrolle der Katheterlage durch Injektion eines Lokalanästhetikums,
- Legen einer Blutleere,
- Infusion(en) (Nr. 02100),
- Magenverweilsondeneinführung (Nr. 02320),
- Anlage suprapubischer Harnblasenkatheter (Nr. 02321),
- Wechsel/Entfernung suprapubischer Harnblasenkatheter (Nr. 02322),
- Wechsel/Legen transurethraler Dauerkatheter (Nr. 02323),
- arterielle Blutentnahme (Nr. 02330),
- Multigasmessung,
- Gesteuerte Blutdrucksenkung,
- Dokumentierte Überwachung bis zur Stabilisierung der Vitalfunktionen ( ...)"

Für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, Urteil vom 30. November 2016, - B 6 KA 17/15 R - und Urteil vom 11. Februar 2015, - B 6 KA 15/14 R -; BSG, Beschluss vom 28. September 2016, - B 6 KA 17/16 B - und Beschluss vom 12. Dezember 2012, B 6 KA 31/12 B -, alle in juris) in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich. Dies gründet sich zum einen darauf, dass das vertragliche Regelwerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen dient und es vorrangig Aufgabe des Normgebers des EBM-Ä - des Bewertungsausschusses gemäß § 87 Abs. 1 SGB V - ist, Unklarheiten zu beseitigen. Zum anderen folgt die primäre Bindung an den Wortlaut aus dem Gesamtkonzept des EBM-Ä als einer abschließenden Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung durch Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse bzw. Gebührenordnungen oder durch analoge Anwendung zulässt. Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Leistungstatbestände ist nur dann, wenn der Wortlaut eines Leistungstatbestandes zweifelhaft ist und es einer Klarstellung bedarf; eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt bei unklaren oder mehrdeutigen Regelungen ebenfalls in Betracht, kann allerdings nur anhand von Dokumenten erfolgen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben. Über die Auslegung des von den zuständigen Gremien erlassenen Regelwerks für die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen muss im Streitfall das Gericht im Wege der Rechtsanwendung, nämlich der Anwendung der nach der Rechtsprechung des BSG hierfür maßgeblichen Auslegungsregeln, entscheiden. Die Entscheidung über die Enge oder Weite von Leistungstatbeständen ist eine Frage der rechtlichen Auslegung. Auf Fragen der Medizin kommt es grundsätzlich nicht an. Daher ist im Streit um sachlich-rechnerische Richtigstellungen grundsätzlich kein Raum für Sachverständigenvernehmungen. Sind danach allein maßgeblich juristische Auslegungsmethoden, tritt die medizinische Beurteilung in den Hintergrund (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Oktober 2017 – L 5 KA 1619/16, juris Rn. 41 m. w. N.). Bereits der Wortlaut der Leistungslegende der GOP 31822 EBM-Ä verlangt eine Anästhesie und/oder Narkose "im Rahmen der Durchführung der" – in der Leistungslegende abschließend aufgezählten und hier auch unstreitig mit den Kataraktoperationen gegebenen - ambulanten Operation, nimmt damit also unmittelbaren Bezug auf "die Durchführung" des operativen Eingriffs selbst und nicht lediglich dessen Vorbereitung. Allerdings ist der Klägerin zuzugestehen, dass die Wendung "im Rahmen" – ähnlich wie der in der Präambel Nr. 31.5.3 "im Zusammenhang mit" begrifflich auch weiter verstanden werden kann. Allerdings sprechen sowohl die hohe Prüfzeit von 53 Minuten als auch die hohe Bewertung der GOP 31822 EBM-Ä von 30800 Punkten gegen eine solche weite Auslegung der Leistungslegende, berücksichtigt man, dass für eine Analgesierung/Sedierung nach GOP 31831 EBM-Ä eine Prüfzeit von 32 Minuten und eine Bewertung von 1120 Punkten zugeordnet werden, die zusammen mit der Retrobulbäranästhesie (hier) durch den Anästhesisten nach GOP 31820 EBM-Ä – mit einer Bewertung von 470 Punkte und einer Prüfzeit von 5 Minuten – mit lediglich ca. der Hälfte der der Punktzahl der streitgegenständlichen Abrechnungsziffer bewertet werden. Diese hohe Leistungsbewertung – verbunden auch mit der entsprechend hohen Prüfzeit - deutet darauf hin, dass nicht jede Kombinationsnarkose zur Durchführung der Retrobulbäranästhesie zur vollständigen Erfüllung des Leistungsinhaltes ausreicht. Insbesondere ist eine Kombinationsnarkose nicht hinreichend, bei der eine "Kombinationsnarkose mit Maske" lediglich initial erfolgt, um das Setzen der lokalen Retrobulbäranästhesie zu erleichtern, bei der Lokalanästhetika mit einer langen Kanüle in die Nähe des Sehnervs neben dem Augapfel eingespritzt werden. Vielmehr fallen unter die GOP 31822 nur solche Narkosen, die über die Dauer des operativen Eingriffs aufrechterhalten werden. Zudem folgt aus dem Wortlaut der ausdrücklich genannten Masken im Zusammenhang mit der in systematischer Hinsicht notwendigen Abgrenzung zur GOP 31820 EBM-Ä, dass nicht der Einsatz jeder beliebigen Maske hinreichend ist. Eine Kombinationsnarkose z.B. bei intravenöser Anästhetika-Verabreichung unterfällt bereits aus dem vorgenannten Gesichtspunkt der GOP nur, wenn die Maskenbeatmung über die Dauer des operativen Eingriffs erforderlich ist und auch erfolgt. Da sich die beiden voneinander abzugrenzenden GOPen auch hinsichtlich des Merkmals der "Anästhesie und/oder Narkose" unterscheiden, liegt es für den Senat nahe, die notwendige Maske funktional abzugrenzen, nämlich ob sie die bei einer Narkose erforderliche Überwachung der Beatmung in Gestalt der Messung des endexspiratorische CO2-Wertes ermöglicht. Für die hierfür zu dokumentierende Maskenverwendung genügt nach Rechtsauffassung des Senats daher auch die Dokumentation des endexspiratorische CO2-Wertes in den Narkoseprotokollen (vgl. insoweit auch das Senatsurteil vom 20. Februar 2019 – L 4 KA 58/16). Auch die Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte stützt dieses Ergebnis, konnte nach der Vorläufer-Vorschrift GOP 462 EBM-Ä 1996 – allerdings bei anderem Wortlaut der Kapitelüberschrift ("Anästhesie/Narkosen bei operativen Eingriffen") - die Kombinationsnarkose allein zur Vorbereitung der für die Operation notwendigen Retrobulbäranästhesie, nicht zur Durchführung der Operation selbst, ebenfalls nicht abgerechnet werden (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23. Juli 2003 – L 10 KA 51/02 –, Rn. 28, juris). Aus der von der Beklagten vorgelegten Umsetzungsstabelle vom EBM-Ä 1996 zum EBMplus (Bl. 405 d. A.) ergibt sich, dass GOP 462 EBM-Ä 1996 in die GOP 31822 EBM-Ä 2008 übergeleitet wurde. Schließlich spricht die weitere Entwicklung des EBM-Ä für das gefundene Ergebnis: Am 11. März 2016 hat der Bewertungsausschuss in seiner 372. Sitzung eine neue Abrechnungsziffer für das patientenadaptierte Narkosemanagement (GOP 31841 EBM-Ä) eingeführt, die die Abrechnung einer Kombinationsnarkose mit Maske für die Durchführung einer Retrobulbäranästhesie erlaubt. Dass der Normgeber des EBM-Ä die Einführung einer neuen Gebührenordnungsposition für die Abrechnung von Behandlungsfällen wie den hier streitgegenständlichen für erforderlich gehalten hat, ist ein eindeutiges Indiz dafür, dass auch nach dem Willen des Normgebers zuvor keine Abrechnungsmöglichkeit nach GOP 31822 EBM-Ä bestand, da ansonsten ein klarstellender Hinweis in der Leistungslegende genügt hätte.

Gemessen an diesem Maßstab ist das Sozialgericht mit zutreffenden Erwägungen davon ausgegangen, dass keine hinreichende Kombinationsnarkose mit Maske dokumentiert wurde. Insoweit ist weder die Maske selbst noch die dann notwendige Dokumentation der Überwachung des CO2 in der Atemluft dokumentiert. Allein die Gabe von Sauerstoff reicht hierfür nicht aus. Offen bleiben kann nach Überzeugung des Senats, ob den Ausführungen des von der Beklagten vorgelegten Gutachtens des Dr. E. hinsichtlich der Abgrenzung von Sedierung und Narkose zu folgen ist und welche Bedeutung einer noch vorhandenen Spontanatmung zukommt. Fest steht nämlich, dass die Klägerin die Verwendung der geforderte Maske, die eine Messung des endexspiratorischen CO2-Wertes ermöglicht, weder durch ausdrückliche Dokumentation noch durch die Dokumentation des CO2 in der Atemluft nachgewiesen hat.

Hinsichtlich der Fehlerfreiheit der Ausübung des Schätzungsermessens wird auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Ob ohne Fehler im Schätzungsermessen eine Verpflichtungsbescheidungsklage im Hinblick auf die Hinzurechnung der Nr. 31820 EBM-Ä begründet war, war hier nicht weiter zu erörtern, da die Beklagte keine Berufung eingelegt hat.

Die Kostengrundentscheidung folgt aus § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Revision war nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen. Der Senat misst der Frage der Abrechnungsfähigkeit von GOP 31822 EBM-Ä in Fällen einer Vollnarkose zur Durchführung einer Retrobulbäranästhesie im Zusammenhang mit Kataraktoperationen grundsätzliche Bedeutung zu.
Rechtskraft
Aus
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